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Der Blutmaler

von

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Schmetterling

Am nächsten Morgen wurde Naomi von Yorus lautem Miauen geweckt. Erwartungsvoll sah sie der pechschwarze Kater mit seinen leuchtenden Augen an und stupste sie vorsichtig mit der Pfote an. Vorsichtig setzte sich Naomi auf und versuchte erst mal ihre Haare zu ordnen. Jeden Morgen sah sie aus wie dieses Geistermädchen aus diesem Horrorfilm und bekam das von ihrem Verlobten auch noch mal zu hören. Genau aus diesem Grund band sie sich ihre Haare immer zu einem Zopf zusammen, nur dieses Mal hatte sie es wohl vergessen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es bereits 11 Uhr war. Seltsam, Raye war immer noch nicht zurück. Der muss wohl einen Großeinsatz gehabt haben und hoffentlich war ihm dabei nichts passiert. Naja, wenigstens war sie nicht alleine. Da sie kein Katzenfutter hatte, musste sie wohl oder übel zum Supermarkt gehen. Eigentlich hätte sie sowieso einkaufen müssen, denn die Milch war schon seit einer Woche abgelaufen und sonst würde es nichts zum Frühstück geschweige denn zum Mittagessen geben. Schnell ging sie ins Bad und zog sich eine Jeans, einen Rollkragenpullover und Stiefel an. Ein bisschen dezentes Make-up und schon war sie fertig. Natürlich durfte ihre Lieblingsjacke nicht fehlen, eine schwarze Lederjacke, die sie sich in Beverly Hills gekauft hatte. Das Teil hatte unverschämt viel gekostet, aber Naomi trug sie schon seit knapp zwei Jahren und sie war immer noch wie neu. Der Kater folgte ihr und kuschelte sich an ihr Bein, wobei er schnurrte. Ein sehr zutrauliches wie kuschelbedürftiges Tier. Vorsichtig schob Naomi ihn beiseite und schloss die Tür hinter sich. Irgendwie konnte sie sich an den Gedanken gewöhnen, ein Haustier zu haben. Ein Hund war ihr nicht ganz geheuer, diese Tiere waren zwar sehr loyal, aber wenn man sie nicht unter Kontrolle hatte, konnten die echt gefährlich werden. Als Kind hatte ihr mal ein ausgewachsener Pitbull ins Bein gebissen und sie war noch mit dem Schrecken davongekommen, aber durch dieses Erlebnis hatte sie keine Lust auf einen Hund. Raye hatte sie diesen Gedanken schnell abgewöhnt, denn der schwärmte von einem echten altdeutschen Schäferhund als Haustier. Sie wollte da lieber eine Katze haben. Vielleicht hatte sie ja Glück und sie konnte Yoru behalten, wenn sich sein Besitzer nicht auffinden ließ. Fröhlich summend ging Naomi die Treppen hinunter und traf auf ihre Nachbarin Mrs. Goldfarb. Sie war eine nette wenn auch nicht mehr ganz geistig fitte Dame mit scharlachrotem Haar und dazu passendem roten Kleid. Sie sah aus wie eine Diva und trug Goldschmuck am Hals und an den Handgelenken und ihre Ohrringe waren so schwer, dass die Ohrläppchen schon auszuleiern schienen. Im ganzen Haus war sie bekannt dafür, dass sie gerne tratschte und dabei gerne mal die Wahrheit ein klein wenig „dehnte“, so wie sie es nannte. Mit übertriebener Freude begrüßte sie die FBI Agentin und legte sogar das Verhalten eines Hollywood-Veteranen an den Tag. „Ach meine Liebe, wie schön Sie zu sehen. Sagen Sie, ist Ihr Verlobter vielleicht zuhause? Es gibt da so eine Kommode, die unbedingt entsorgt werden muss und auf meine alten Tage bin ich leider nicht mehr so kräftig.“ Jetzt bloß nichts Falsches sagen sonst tratscht die noch rum, Raye würde fremdgehen. Blöde Kuh…

„Tut mir leid, aber Raye hat einen wichtigen Einsatz und ist schon früh raus.“ „Oh ja, Sie sind ja beide Beamte, ich vergaß. Sagen Sie, haben Sie das auch schon in den Nachrichten gehört dass dieser furchtbare Serienmörder auf freiem Fuß ist, den Sie gefasst haben?“ War ja klar, dass das jetzt so kommen musste. Diese alte Klatschtante hatte immer ihre Freude daran, über andere herzuziehen und unangenehme Dinge wie diese hier zum Gesprächsthema im ganzen Haus zu machen. Erst vor knapp zwei Monaten hatte sie erzählt gehabt, Naomi würde eine Affäre mit Kazan haben und hätte dieser sie und Raye nicht beruhigt, dann hätten sie diese Mrs. Goldfarb längst angezeigt und zur Schnecke gemacht. „Das ist eine Sache der Juristen, ich habe getan, was meine Pflicht war. Einen schönen Tag noch, Mrs. Goldfarb!“

„Passen Sie gut auf sich auf, man kann ja nie wissen, welch unheimliche Individuen sich auf der Straße herumtreiben.“ Genervt ging Naomi die Treppe hinunter und war heilfroh, endlich diese aufgetakelte Oma los zu sein. Egal was man sagte, die hatte echt ein Talent dafür, alle Tatsachen zu verdrehen und sie gegen einen anderen zu verwenden.

Da das Motorrad sich nicht für einen Einkauf eignete, nahm Naomi Rayes Auto und fuhr zum nächsten Supermarkt. Dieser hatte nebenan sogar eine Zoohandlung, wo sie das Nötigste für ihren kleinen Gast bekam. Im Anschluss fuhr sie noch zur nächsten Tankstelle und als sie wieder zurück war, waren schon fast drei Stunden vergangen und ihr Magen knurrte. Verdammt, mit leerem Magen ließ sich beim besten Willen nicht richtig kochen. Wenigstens gab sie schon mal Yoru sein Futter und der schien sich wirklich zu freuen. Da Naomi selbst nicht lange warten konnte, ließ sie die Kocherei und schob sich einfach eine Tiefkühlpizza in den Ofen. Während sie die Einkäufe aus den Tüten holte, lief das Radio und spielte gerade die aktuellen Charts. Ungeduldig summte Naomi mit und starrte immer wieder zum Backofen in der Hoffnung, die Pizza würde schnell fertig werden. Zwar brauchte sie nur zehn Minuten aber wenn man Hunger schob und sich schon das Frühstück gespart hatte, kam die Zeit einem ewig lang vor. Doch kaum hatte sie die Einkaufstüten in den Müll geworfen, war es auch schon soweit.

Yoru war jedenfalls fertig und machte es sich auf der Couch gemütlich. Naomi sah zu, wie er sich mit seinen Pfoten ein Kissen zurechtlegte und seinen Kopf darauf bettete. „Du scheinst ja einer von der ganz gemütlichen Sorte zu sein.“ Nach dem Essen begann Naomi mit ihrer hausfräulichen Tätigkeit und schaltete dabei das Radio lauter. Irgendwann kam Raye völlig erschöpft und todmüde nach Hause und sah ziemlich mitgenommen aus. „Wir haben eine Razzia nach der anderen durchgeführt und ein ganzes Drogenkartell ausgehoben. Nimm es mir nicht übel, aber ich…“ Er führte den Satz nicht zuende als er etwas Schwarzes und Pelziges auf der Couch liegen sah. „Was hat das zu bedeuten, Naomi?“

„Ich hatte einen kleinen Einbrecher gestern Abend. Der Kleine da ist über die Feuerleiter durchs offene Fenster geklettert und solange sich der Besitzer nicht meldet, bleibt er erst mal bei uns.“ „Kommt gar nicht in Frage! Du weißt, dass ich es hasse, wenn überall Katzenhaare kleben und diese Biester stinken.“ „Nicht wenn man sie sauber hält“, entgegnete Naomi und sah ihn ein wenig kühl an. „Es ist ja auch nur so lange, bis ich Yorus Besitzer gefunden habe.“

„Glaub bloß nicht, ich würde dich nicht durchschauen.“ Was sollte das denn jetzt? Manchmal wurde sie aus Raye nicht schlau und während er sich ins Bett legte, machte sie es sich neben Yoru bei einer Tasse Kaffee bequem und las das Buch weiter. Wenigstens kam sie heute um einiges weiter und schaffte es tatsächlich in einem durch. Obwohl es in einem einfachem Stil geschrieben war, war das Buch doch sehr emotional und auch wenn Naomi so schnell nichts aus der Fassung brachte, hatte sie doch am Ende fast weinen müssen. Die Geschichte sah insgesamt vor, dass das kleine Mädchen einen geheimen Garten hatte, in welchem sie Schmetterlinge züchtete. Nirgendwo auf der Welt gab es noch Pflanzen und Tiere und diese Dinge waren auch verboten. Als man dahinter kam, brannte man den Garten nieder und erschoss das Mädchen. Als der Auftragsmörder sie fand, war sie bereits tot und in ihren Händen hatte sie einen Schmetterlingskokon. In seiner Trauer und Verzweiflung sprengte er die isolierende Kuppel der Stadt, welche diese vor der herrschenden Eiszeit schützte. Mit der toten Mima in den Armen verließ er die Stadt und ließ diese zurück. Wohl wissend, dass er die Menschen dort zum Sterben verurteilt hatte. Er stieg auf einen schneebedeckten Hügel und sprach zu Mima, dass sie jetzt endlich frei seien und dass sie jetzt überall hingehen könnten. Wenn die Eiszeit erst einmal vorbei wäre, dann würde es überall blühen und Schmetterlinge würden im Wind tanzen. Das alles rief er so laut aus und trotzdem hörte ihn niemand und keiner sah, wie sehr er dabei weinte. Das kleine Mädchen fest an sich gedrückt sank er schließlich zu Boden und starb. Eine sehr bewegende Geschichte. Auf der letzten Seite war etwas aufgeklebt worden: Ein Polaroidfoto, auf dem ein seltsames Bild zu sehen war. Mit roter Farbe war ein Schmetterling gemalt worden und unter dem aufgeklebten Foto stand in einer eleganten Handschrift geschrieben „Was will uns der Blutmaler wohl mit diesem Bild sagen, meine liebe Frau Misora? Ich bin gespannt auf Ihre Antwort. Rufen Sie mich bitte unter dieser Nummer an und wir werden gemeinsam den Mörder finden.“ War das etwa ein Tatortfoto? Aber wie war der Absender da dran gekommen? Irgendwie war Naomi das Ganze sehr suspekt und sie glaubte kaum, dass dieser Unbekannte wirklich mit legalen Mitteln arbeitete. Aber was sollte sie jetzt tun? Entweder sie ignorierte das Ganze oder sie ließ sich auf das Spiel ein.

Selbstverständlich entschied sie sich für Nummer zwei und begann nun zu überlegen, was es mit dem Schmetterling auf sich hatte. Sicher hatte sich dieser Absender etwas dabei gedacht, ihr Buch und Foto zusammen zu schicken. Er hatte sich etwas dabei gedacht und wollte sie testen. Na, dann wollte sie die Erwartung dieses Jemands nicht enttäuschen. Also, der Blutmaler hatte eine ganz besondere Verbindung zu Schmetterlingen. In dem Buch symbolisierte der Schmetterling die Hoffnung auf ein besseres Leben und auf Freiheit. Aber warum ausgerechnet ein Schmetterling? Normalerweise war doch der Adler das Wahrzeichen für Freiheit… aber auch für Macht. Und um Macht ging es ihm nicht. Ein Schmetterling war zerbrechlich und klein, außerdem war er schön anzusehen. Hätte der Blutmaler seine Macht zum Ausdruck bringen wollen, hätte er genauso gut ein anderes Motiv wählen können. Und außerdem bliebe da noch die Frage, warum er mit dem Blut seiner Opfer malte und als Leinwand ihre Haut benutzte. Das grenzte echt an Perversität. Und interessant wäre auch, warum der Mörder immer nur den Kopf mitnahm. Wozu brauchte er ihn? Nein, sie durfte sich jetzt nicht von so etwas ablenken lassen. Im BB-Fall hatte sie gelernt, erst eine Frage zu klären, bevor sie auf die nächste überging und in diesem Fall hier musste sie die Bedeutung des Schmetterlings klären.

Sie holte erst einmal ihren Laptop heraus um zu überprüfen, welcher Art dieser Schmetterling angehörte. Die Suche war ein Reinfall, da der Täter sich die Motive wohl lieber selbst ausdachte, anstatt sich auf eine bestimmte Art zu konzentrieren. Gut, der Täter wollte nur den Schmetterling. Fest stand, dass der Täter dieses Buch hier als Vorlage für seine Morde genommen hat oder zumindest das Motiv etwas mit Schmetterlingen zu tun hatte. Nein, diese kleinen Tierchen waren eher eine Metapher. Wer würde schon wegen so etwas schon so bestialische Morde begehen? Das war ja völlig hirnrissig. Yoru maunzte und setzte sich auf Naomis Schoß und ließ sich von ihr streicheln. „Hast du vielleicht eine Ahnung, wer der Blutmaler sein könnte?“ Der Kater schnurrte brav und Naomi begann ihn am Hals zu kraulen, was ihm offensichtlich sehr gefiel. Er hatte ein so weiches und kuscheliges Fell und sie wollte gar nicht mehr aufhören ihn zu streicheln. So in Gedanken verloren hätte sie beinahe vergessen, was sie eigentlich noch mal wollte.

Irgendwann sprang Yoru vom Sofa und begann die Wohnung zu erkunden. Währenddessen kaute Naomi auf ihrem Kugelschreiber herum und überlegte weitere Anhaltspunkte zum Fall. Also gut, wenn der Blutmaler dieses Buch gelesen hatte, bestanden folgende Möglichkeiten: Er personifizierte sich mit einer der Figuren aus dem Buch und wollte mit den Schmetterlingen seinen Wunsch nach Freiheit ausdrücken oder die Schmetterlinge symbolisierten etwas ganz Bestimmtes für ihn, was niemand außer ihn sah. Also, wofür standen Schmetterlinge noch mal? Schönheit, Leichtigkeit, Unbeschwertheit, Freude und Wandel. Ja genau: Metamorphose. Eine Raupe verpuppte sich und wurde zu einem Schmetterling. Schnell zog Naomi noch mal das Buch zu Rate und schlug die letzte Seite auf, wo ein Spruch geschrieben stand. „Was für die Raupe der Tod ist, bedeutet für den Schmetterling den Anfang.“ Okay, dann waren diese Punkte also höchstwahrscheinlich von Bedeutung. Dann stellte sich nur die Frage, ob der Mörder den Schmetterling nur auf sich oder auch auf seine Opfer bezog. Naomi hatte vor einiger Zeit mal den Film „Schweigen der Lämmer“ gesehen, wo auch ein Schmetterlingskokon einen Hinweis auf den Mörder gab. Irgendein Verrückter, der seinen Opfern die Haut entfernte und sich daraus ein Kleid oder so nähte. Das war seine Verwandlung, aber welche Verwandlung lag hier vor? Der Täter zog seinen Opfern zwar Haut ab, allerdings immer nur vom Rücken und er benutzte sie nur, um darauf sein Blutgemälde zu malen und legte sie an den Tatort der nächsten Leiche. Moment mal. Wenn wirklich jedes Mal die Haut beim nächsten Opfer wieder auftauchte, woher kam dann die erste? Irgendwo musste das doch seinen Anfang haben.

Naomi stand auf und ging zum Telefon und war kurz davor die Telefonnummer zu wählen, doch da kam ihr die Türklingel dazwischen. Am Türspion erkannte sie die überaus neugierige Mrs. Goldfarb und Naomi spürte schon, wie ihr die Galle hochkam. Was wollte die schon wieder hier? Nur widerwillig öffnete Naomi die Tür und blieb an der Schwelle stehen, um ihr unmissverständlich klarzumachen, dass sie nicht in die Wohnung reingelassen wurde. „Hallöchen meine Liebe, ich habe zufällig gesehen, wie Ihr Verlobter nach Hause kam und wollte ihn wegen der Kommode fragen.“ „Er kommt von einer stundenlangen Nachtschicht zurück und schläft. Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde ihm schon Bescheid sagen.“ Neugierig stellte sich die alte Dame auf ihre Zehenspitzen und versuchte an Naomi vorbeizuschauen, um irgendwelche interessanten Dinge auszuspähen, die sich vielleicht in der Wohnung abspielen konnten. Doch Naomi versperrte ihr den Weg und versuchte ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen. „Mrs. Goldfarb, wir sind sehr geduldig mit Ihnen gewesen, aber Ihre aufdringliche Art wird uns langsam zuviel. Wenn Sie nicht endlich damit aufhören, werden wir die Sache noch vor Gericht bringen.“

„Aber was habe ich denn Falsches getan? Habe ich gegen das Gesetz verstoßen?“

„Sie haben vor Raye behauptet, ich würde ihn mit unserem besten Freund betrügen und er hat sie dabei gesehen, wie Sie sogar unseren Müll durchsucht haben. Haben Sie nicht auch Mr. Tucker erzählt, ich wäre unfruchtbar? So etwas grenzt schon an übler Nachrede und wenn Sie nicht endlich mit dieser Tratscherei aufhören, wird das noch ein böses Nachspiel haben!“ Naomi hatte jetzt endgültig genug von dieser neugierigen Nachbarin und wollte jetzt endlich mal Klartext reden. Allein schon, dass diese Person in ihre Wohnung reingucken wollte, war schon dreist genug. Mrs. Goldfarb richtete sich nun zu ihrer ganzen, wenn auch mickrigen Größe auf und starrte Naomi böse an. „Das sieht Ihnen ja ähnlich. Nur weil Sie und Ihr Lebensgefährte beim FBI arbeiten glauben Sie, Sie könnten hier machen, was Sie wollen. Glauben Sie bloß nicht, Sie seien etwas Besseres. Wenn Sie mir drohen wollen, kann ich Sie genauso gut anzeigen.“

„Tun Sie sich da mal keinen Zwang an. Guten Tag Mrs. Goldfarb!“ Damit schlug Naomi der alten Frau die Tür vor der Nase zu und stöhnte genervt. Endlich hatte sie gesagt, was sie schon immer sagen wollte und fühlte sich richtig gut. Die alte Schreckschraube würde schon noch sehen, was sie davon hat. „Was für eine Hexe!“ Yoru schien ihr mit einem Maunzen beipflichten zu wollen, setzte sich auf die Fensterbank und schaute aus dem Fenster hinaus. Nun ging Naomi zu ihrem Telefon und wählte die Nummer, die auf den Buchseiten notiert war. Doch es dauerte lange, bis überhaupt jemand den Hörer abnahm. „Frau Misora, wären Sie an ein Treffen interessiert?“

„Würden Sie mir erst einmal verraten, wer Sie eigentlich sind?“

„Keine Sorge, ich bin kein Perversling oder jemand, der Ihnen nach dem Leben trachtet. Ich bin ein alter Bekannter und ich appelliere einfach an Ihr Interesse, diesen wahnsinnigen Mörder zu schnappen, bevor noch mehr Menschen daran glauben müssen.“

„In Ordnung, dann erklär ich mich bereit für ein Treffen.“

„Sehr schön, auf Sie ist wirklich Verlass. Gut, ich schlage einen neutralen Treffpunkt vor. Sie kennen sicherlich das „Lovely Evening“. Dort werde ich morgen um Punkt 13 Uhr auf Sie warten und dann können wir über Ihre Erkenntnisse reden. Einen schönen Tag noch.“

Damit war das Gespräch beendet und der Unbekannte legte auf. Komischer Kauz, dachte Naomi und stellte das Telefon wieder auf die Ladestation zurück. Aber sie war sich hundertprozentig sicher gewesen, dass sie diese Stimme kannte. Naja, sie würde heute Abend schon erfahren, wer dieser Kerl war und bis dahin kümmerte sie sich erst einmal um Raye. Der schlief erst mal drei Stunden, dann machte sie ihm etwas zu essen und ließ sich von ihm erzählen, was für ein Durcheinander da geherrscht hatte. Bei den Festnahmen konnte einer fliehen und sie hatten ihn bis nach Pasadena verfolgt, bis er durch ein entgegenkommendes Fahrzeug gestoppt wurde. Danach musste er ins Krankenhaus gebracht werden und lag nun auf der Intensivstion. Diese ganzen Verhöre hatten eine Ewigkeit gedauert und vorher konnte Raye auch nicht weg. Zum Trost für diese ganzen Überstunden begann Naomi ihrem Verlobten Nacken und Schultern zu massieren. „Naomi, du hättest Masseurin werden sollen. Keiner kann das besser als du.“

„Klingt so, als hättest du da Erfahrung“, gab sie scherzhaft zurück und lächelte. „Ich habe übrigens unsere alte Klatschtante getroffen. Sie wollte, dass du eine Kommode für sie schleppst.“ „Was hast du ihr gesagt?“

„Zuerst habe ich sie nur vertröstet, aber dann habe ich ihr klargemacht, dass sie mit der Tratscherei aufzuhören hat. Die war sauer!“ Beide mussten lachen bei der Vorstellung, wie verärgert die rote Hexe jetzt war. „Das hat die alte Goldfarb auch mal verdient.“ Während Naomi ihrem Verlobten die Schultern massierte, begann sie zu überlegen, ob sie nicht vielleicht von dem Anrufer erzählen sollte, der ihr das Buch und das Tatortfoto geschickt hatte. Auf der einen Seite wollte sie keine Geheimnisse haben, aber auf der anderen Seite wusste sie, dass Raye sich nur unnötig Sorgen machen würde. Er war die Sorte Mensch, die nach außen hin wie ein Fels in der Brandung wirkte, innerlich aber völlig unsicher war. Genau das fand Naomi immer so süß an ihm und fand es wirklich rührend, als Raye ihr seine Liebe gestanden hat. Der arme Kerl hatte fürchterlich gestammelt am Anfang, aber dann doch noch die Kurve gekriegt. Erst später hat sie erfahren, dass es Kazans tatkräftige Unterstützung gewesen war, die Raye geholfen hatte, seine Unsicherheit zu bekämpfen. Aber oft war es auch so, dass er Angst um sie hatte und es nicht gerne sah, wenn sie sich mit dubiosen Gestalten abgab. Sicher würde er ihr am Ende noch verbieten, an diesem Fall außerdienstlich zu ermitteln und das würde sie lieber gerne vermeiden. Sie beschloss erst mal, die Sache für sich zu behalten und ihn später einzuweihen. Wer weiß, vielleicht lief es ja auch darauf hinaus, dass sie sich gar nicht weiter mit dem Fall beschäftigte. Möglich war alles…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  RK9OO
2012-02-23T14:43:23+00:00 23.02.2012 15:43
Hihi, die Goldfarb ist lustig *lol*

"Meine liebe Frau Misora" Daran erkennt man B so gut... und es klingt sooo niedlich X3


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