Der Blutmaler von Sky- ================================================================================ Kapitel 1: Kontakt ------------------ Der Tag hätte düsterer und grauer nicht sein können, als Naomi Misora von einer dreistündigen Motorradtour zurückkam und sich erst einmal aus der Lederjacke befreite. Sie war schweißgebadet durch die hohe Luftfeuchtigkeit und es donnerte bereits draußen. Im Wohnzimmer lief der Fernseher und ihr Verlobter Raye saß im Sessel und schnarchte. Naomi schmunzelte und weckte ihn mit einem Kuss auf die Wange und müde rieb sich der FBI Agent die Augen. „Naomi, seit wann bist du wieder hier?“ „Ich bin gerade erst zurückgekommen. Bist du so lieb und machst Kaffee? Ich muss schleunigst unter die Dusche.“ Nur langsam stand Raye auf, kratzte sich am Kopf und schlurfte in die Küche, während Naomi zuerst in ihr Schlafzimmer ging, um sich frische Kleidung rauszulegen und anschließend ins Bad zu gehen. Diese Fahrt hatte sie wirklich gebraucht, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, nachdem sie in den Nachrichten gehört hatte, dass der berüchtigte BB-Mörder auf freien Fuß gesetzt wurde, weil den Juristen ein Fehler unterlaufen war und die Haftstrafe somit aufgehoben werden musste. Danach war er untergetaucht. Naomi hatte sich furchtbar aufgeregt, hatte sie doch ihr Herzblut in diesen Fall gesteckt, um ihn zu fassen und jetzt konnte er wieder morden, nur weil die Staatsanwaltschaft schlampig gearbeitet hatte. Verdammtes Rechtssystem, dachte sie als sie schon wieder daran denken musste. Aber sie hatte sich fest vorgenommen, diesen Kerl sofort wieder ins Gefängnis zu befördern, wenn er schon wieder morden sollte. Nach einer entspannenden heißen Dusche setzte sie sich mit Raye bei einer Tasse Kaffee ins Wohnzimmer, um mit ihm ein wenig zu reden. „Hast du schon gewusst, dass Steven bald befördert wird?“ begann Raye und schenkte seiner Verlobten ein wenig Milch zum Kaffee ein und rührte seinen eigenen um und trank einen Schluck. Steven Kazan war ein guter Freund der beiden, zehn Jahre älter und ein richtiger Haudegen beim FBI. Er hatte seine Mannschaft mit eiserner Faust im Griff und ließ sich nichts vorschreiben, was ihm den Respekt einflößenden Titel „Iron Fist“ Kazan gebracht hatte. Vor nicht allzu langer Zeit gelang es ihm, die Engelmörderin zu schnappen, die ihren Opfern Hände und Füße amputierte, den Schädel einschlug und den Mund zunähte. Es gab keine Spuren, nicht einmal ein Haar, nur eine kleine weiße Engelfigur aus Porzellan, die die Täterin mit Blutstränen präpariert hatte. Die Mörderin war eine totgeglaubte Millionärstochter, die vor Jahren entführt und in den Selbstmord getrieben wurde und jahrelang im Koma lag. Nun hatte sie sich an ihren Entführern und Vergewaltigern gerächt und wurde in eine Psychiatrie eingewiesen. Für Naomi, die sich ebenfalls einen Namen durch die Festnahme eines berühmten Serienmörders gemacht hatte, war es frustrierend jetzt erfahren zu müssen, dass ihr Mörder jetzt als freier Mann durch die Straßen lief. Raye konnte ihr vom Gesicht ablesen, was sie beschäftigte und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Naomi, dich trifft doch keine Schuld, dass dieser Ryuzaki oder wie der Kerl sonst heißt, auf freiem Fuß ist. Ich verstehe dich gut, aber manchmal passiert so etwas einfach.“ „Ich weiß aber ich hatte echt gehofft, so ein Punkt würde nicht in meinem Führungszeugnis auftauchen, wenn du verstehst was ich meine.“ „Mindestens ein Mal muss ein FBI Agent miterleben, wie sein Festgenommener auf freien Fuß gesetzt wird, sonst war man nicht lange genug beim FBI. Da hat Steven Recht gehabt und so etwas lässt sich nicht verhindern. Dinge wie diese passieren manchmal, was willst du machen? Akzeptier es einfach.“ Manchmal hatte Naomi das Gefühl, dass Raye sie nicht wirklich verstand und das ärgerte sie. Um nicht gleich loszuschimpfen, schaltete sie den Fernseher ein wo gerade eine hübsche blonde Frau eine Meldung brachte, dass es ein neues Opfer des Blutmalers gab. „Naomi, schalt doch bitte den Fernseher aus.“ „Nein, das muss ich sehen.“ Naomi schaltete lauter und hörte interessiert zu. Von diesen bizarren Morden hatte sie bereits gehört, kannte aber die Details nicht. Sie wusste nur, dass der Mörder seinen Opfern den Kopf abschlug und mitnahm, ihnen dann vom Rücken sie Haut abtrennte und mit dem Blut des Toten nach sorgfältiger Bearbeitung der Haut ein Bild malte. Deswegen hatte man dem Mörder später nicht mehr den Henker, sondern den Blutmaler genannt. Überhaupt war die Idee, mit Blut etwas zu malen, total verrückt aber es gab so etwas tatsächlich. Dieser Blutmaler hatte sich einen zweifelhaften Ruhm erworben, malte aber stets mit seinem eigenen Blut. Naomi hatte diese Bilder gesehen und musste zugeben, dass sie wunderschön waren. Die Bilder des Täters hatte sie aber nicht gesehen, da diese nicht veröffentlicht worden waren. Der Fall klang wirklich interessant und war gleichzeitig sehr außergewöhnlich. Den Rest des Tages redeten sie nicht viel und da Raye zu einem Einsatz musste, verbrachte sie den Abend alleine. Zum Essen machte sie sich aus reinster Faulheit heraus eine Tütensuppe und schaltete das Radio an, wo gerade die Top 10 in den Charts gespielt wurden. Einer dieser Songs gefiel ihr so gut, dass sie die Melodie mitsummte und leichte Tanzbewegungen dazu machte, bis sie das Telefon ablenkte. „Hallo?“ Doch es kam keine Antwort und sofort wurde wieder aufgelegt. Seltsam, dachte Naomi kopfschüttelnd und sah auf das Display, wo „Unbekannt“ angezeigt wurde. Da musste sich jemand wohl verwählt haben. Gerade wollte sie das Telefon wieder auf die Ladestation zurückstellen, da klingelte es erneut und irgendwie wurde es ihr ein wenig unheimlich. „Hallo?“ „Lesen Sie „Das Grab der Schmetterlinge“. Es könnte Ihnen weiterhelfen.“ „Wer spricht denn da? Hören Sie, wenn das ein Scherz sein sollte…“ „Kein Scherz. Gehen Sie zu Ihrem Briefkasten, wo Sie ein Paket finden, das Ihnen vielleicht in der Mordserie des Blutmalers weiterhelfen könnte.“ Die Stimme kam ihr irgendwie bekannt vor und sie ging zum Fenster um nachzusehen, ob sie beobachtet wurde. Aber selbst wenn, sie befand sich im dritten Stockwerk und von der Straße konnte man nicht hineinsehen. Außerdem war es nicht gleich gesagt, dass sie beobachtet wurde. „Würden Sie bitte die Freundlichkeit besitzen, mir Ihren Namen zu nennen?“ „Ich ziehe es lieber vor, unerkannt zu bleiben, zumindest vorläufig… bis wir uns persönlich treffen. Bis dahin zähle ich darauf, dass Sie Ihre Hausaufgaben machen. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch.“ Damit legte der anonyme Anrufer auf und Naomi wusste erst einmal nicht, was sie tun sollte. Wer immer sie auch angerufen hatte, er schien wichtige Informationen zu haben und wandte sich an sie, obwohl sie den Fall gar nicht bearbeitete. Das konnte man ja fast schon als eine Art Deja-vu betrachten. Genauso hatte doch alles mit der BB-Mordserie angefangen. Konnte es vielleicht sein, dass es L war? Nein, die Wahrscheinlichkeit bestand zwar, sie war aber relativ gering, da L sicher nicht so ein Geheimnis daraus gemacht, sondern direkt die Karten auf den Tisch gelegt hätte. Nein, da hatte sie es mit jemand anderem zu tun und da sie gerne herausfinden wollte, wer es war, ging sie auf den Hausflur hinaus die Treppen hinunter, bis sie ihren Briefkasten erreichte. Da drin befand sich etwas in einen Versandumschlag verpackt, welches tatsächlich ein Buch war. Es war nicht sehr dick und fasste maximal 220 Seiten und auf dem Cover war ein toter Schmetterling zu sehen, dem ein Flügel ausgerissen worden war und neben ihm lag. „Das Grab der Schmetterlinge“, geschrieben von Ruby Miller. Soweit sie wusste, gehörte es zu den dystopischen Büchern, in denen von einer Zukunft berichtet wurde, wie sie schlimmer nicht sein könnte. In der Schule hatte Naomi unter anderem „Schöne neue Welt“ und „1984“ gelesen. Aber warum zum Teufel schickte ein anonymer Anrufer ihr dieses Buch hier? Was hatte es mit den Blutgemälden zu tun? Naja, vielleicht erfuhr sie es ja, wenn sie das Buch erst einmal gelesen hatte. Nachdenklich sah sie sich das kleine Buch an und schlug die erste Seite auf. Hier hatte der Autor eine Widmung hinterlassen „Für jene, die ich liebe“. Eine seltsame Widmung… Normalerweise schrieb man doch die Namen rein, damit man auch wusste, wer genau gemeint war. Tja, jeder hatte da so seine Eigenheiten. Naomi schaltete die Heizung ein, kuschelte sich in ihre Lieblingsdecke ein und begann zu lesen. Die Lektüre war recht simpel geschrieben und erzählte die Geschichte eines Auftragsmörders, der in einer Gesellschaft lebt, die vom Geld und von Konzernen regiert wird. Kriminalität steht an der Tagesordnung und Menschen werden als lebende Versuchsobjekte missbraucht. Eines Tages gerät der Auftragsmörder Noah in eine Schießerei, wird schwer verletzt und von dem kleinen Mädchen Mima gerettet, welche in einem Forschungslabor zur Welt kam und sich vor den Soldaten versteckt. Sie verfügt über besondere Fähigkeiten und kann Noah vor dem Tod retten. An dieser Stelle machte Naomi erst einmal Schluss. Sie war noch nie wirklich die große Leseratte gewesen und legte das Buch beiseite. Gerade mal 10 Seiten, ein ziemlich trauriges Ergebnis. Dafür schaltete sie stattdessen den Fernseher ein, wo irgendwelche Krimiserien, Kochshows und Soaps liefen. Sie entschied sich für die Soaps, da sie von Krimis heute nichts wissen und sie auch vom Kochen nichts hören wollte. Genüsslich schlürfte sie dabei ihre Suppe und verbrachte den Rest des Abends auf der Couch, bis sie einfach vor dem Fernseher einschlief. Mitten in der Nacht jedoch wurde sie von einem Geräusch geweckt. Es klang nicht nach Raye, wenn er wieder nach Hause kam. Seine Schritte würde sie unter tausenden wieder erkennen. Es waren andere. Ein lautes Klirren war zu hören. Anscheinend hatte der Einbrecher etwas umgestoßen. War es etwa derselbe Unbekannte, der ihr das Buch zugeschickt hatte? Aber warum schlich er sich in ihrer Wohnung herum? Das würde ihm teuer zu stehen kommen, denn nur ein Vollidiot würde in die Wohnung einer FBI Agentin einbrechen, die natürlich nicht ganz ungeschützt war. Sie hatte vor einiger Zeit noch mit Steven Kazan zusammengearbeitet und der hatte ihr eingebläut, immer auf der Hut zu sein und niemals vollkommen ungeschützt zu sein. Zuerst hatte sie gedacht gehabt, er leide unter Verfolgungswahn, da er sogar einen Peilsender rund um die Uhr bei sich trug, aber diese Vorsichtsmaßnahme hatte sich wirklich bewährt. Kazan wurde nämlich von einer gefährlichen Bankräubergruppe als Geisel genommen und konnte über diesen Peilsender aufgespürt und befreit werden, ohne dass man großartig ermitteln musste. „Ein Polizist oder FBI Agent muss sich immer im Klaren sein, dass er trotz aller Berufserfahrung und allem drum und dran immer gerne als Ziel benutzt wird. Deswegen darf er niemals leichtsinnig werden!“ Wie recht er doch jetzt hatte und im Geiste dankte Naomi, dass sie auf ihn gehört hatte. Ihre Pistole hatte sie hier im Wohnzimmer in einem kleinen Tresor verschlossen und da der Raum einen Teppichboden hatte, konnte sie zum Schrank rüber, ohne verdächtige Geräusche zu machen. Der Tresor befand sich ganz unten im Schrank und nachdem sie den Code eingegeben hatte, holte sie ihre Beretta heraus und lud sie durch. Auf Zehenspitzen und immer schön an der Wand entlang schlich sie sich langsam zur Tür und lauschte angestrengt. Kein Geräusch, die Wohnungstür war verschlossen aber ein kalter Windzug wehte vom Schlafzimmer her. Dort befand sich auch die Feuerleiter. Der Einbrecher musste also über diese hier hereingekommen sein. Da sie ihn nicht auf dem Flur gesehen hatte, musste er noch im Schlafzimmer sein. Vorsichtig schlich sie sich weiter vorwärts und stellte fest, dass das Licht immer noch ausgeschaltet war. Da, eine Bewegung! Naomi war sich sicher, dass sich irgendetwas bewegt haben musste und zwar genau neben dem Bett am Fenster. „Keine Bewegung, ich habe eine Pistole bei mir und werde Gebrauch davon machen! Kommen Sie sofort raus!“ Naomi schaltete das Licht ein und trat langsam näher. Die Waffe entsichert und schussbereit wagte sich immer weiter vorwärts und jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt. Wenn sie auch nur eine verdächtige Bewegung sah, einen Waffenlauf, dann würde sie schießen. Sie kannte die Voraussetzungen, die erfüllt werden mussten, wenn man aus Notwehr handelte und wusste auch, dass man nicht einfach so schießen durfte, wenn man einen Einbrecher in der Wohnung hatte. Pflichtgemäß hatte sie ihn gewarnt, nur musste sie aufpassen, dass sich nicht noch aus Versehen ein Schuss löste. Vor einiger Zeit war ihr das passiert und hatte ihr eine Suspendierung eingebrockt. Doch so schnell würde das nicht noch einmal geschehen und so blieb sie auf der anderen Seite des Bettes stehen. „Kommen Sie sofort hervor!“ befahl sie, aber es kam immer noch keine Reaktion. Dann aber schoss etwas unter dem Bett hervor an ihrem Bein vorbei und Naomi erschrak dermaßen, dass sie aufschrie und dabei fast einen Schuss abfeuerte. Es rannte bis zur Tür und blieb stehen, wo es Naomi mit gelben Augen ansah und miaute: Eine Katze. Erleichtert atmete Naomi auf, sicherte ihre Waffe wieder und steckte sie ein. Verdammt noch mal, sie hatte vergessen das Schlafzimmerfenster zu schließen und da war ihr wohl eine Katze in die Wohnung hineingeklettert. Es war ein pechschwarzer und ungewöhnlich großer Kater, der eine rote Schleife mit einem Glöckchen daran um den Hals trug. Allem Anschein nach war er ausgerissen und würde sicherlich gesucht werden.. Auf dem Schleifchen war ein Name eingenäht: Yoru. Anscheinend war der Kater irgendjemandem weggelaufen. Naja, das Tier sah irgendwie süß aus und da Naomi an diesem Abend sowieso zu faul war, beschloss sie, den kleinen Kater erst einmal über Nacht hier aufzunehmen und dann zu gucken, wo er hingehörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)