Snake Tongued Beast von genek ================================================================================ Kapitel 1: Snake Tongued Beast ------------------------------ In fact, it might even be claimed that the ultimate goal of language acquisition is to lie effectively, the ability to talk convincingly about something entirely fictitious, with no back-up circumstantial evidence, since the real lying is the deliberate use of language as a tool with the content of the message unsupported by context to mislead the listener. (Adapted from De Villiers and de Villiers; 1978) ----------------------------- Solange er sich erinnern konnte, hatten die Menschen ihm nichts als irrationale Furcht und Ablehnung entgegengebracht. Er wusste nicht, was an ihm es war, das sie so verängstigte, sie vor ihm zurückschrecken ließ und ihn von all den anderen isolierte. Hinter vorgehaltener Hand flüsterten sie, er würde nichts als Unglück bringen, dass der Tod sein stetiger Begleiter sei und dass allein seine Anwesenheit unter ihnen alle früher oder später ins Verderben stürzen würde. Sie hatten ihm gesagt, er wäre wie eine Schlange, ein kaltes, gefährliches Biest, das mit seinem Gift den sicheren Tod bringe und dem man beizeiten den Kopf abschlagen müsse, zum Wohle aller. Gin fürchtete sich nicht vor Schlagen, ebenso wenig wie er sich vor dem Tod fürchtete. Die Welt, in der er sich befand, konnte kaum besser als die Hölle sein, und ob man nun hier lebte oder starb machte letztlich kaum einen Unterschied. In dieser Realität lebte es sich am besten, wenn man sie nicht ernst nahm, das Leid und das Chaos einen gar nicht erst berühren, all den Schmerz, den sie mit sich brachte, mit einem Lächeln an sich abperlen ließ und den bloßen Gedanken an Empathie aus dem eigenen Bewusstsein verbannte. Und er begriff nach und nach, dass ihm diese Erkenntnis eine Macht verlieh, die die Anderen nicht hatten. Er beherrschte es bald, die Angst und die Ablehnung der Anderen zu nutzen, sie mit seinen Worten, seiner Mimik und seinen Gesten zu manipulieren. Seine immerwährende Ruhe und freundliche Art verwirrte und verschreckte sie gleichermaßen, ließ ihnen keine Möglichkeit, ihn anzugreifen und obwohl er nie auch nur den Versuch machte, seinen Willen mit Gewalt durchzusetzen, fühlten sich die Menschen um ihn bedroht durch seine bloße Anwesenheit. Was immer er auch wollte, er fand Mittel und Wege, es zu bekommen, ohne dafür große Anstrengungen unternehmen zu müssen, die Furcht der Anderen vor seiner Person war ihm mehr als genug zur Waffe. Sie mieden ihn mehr denn je, und bald schon war er wieder völlig auf sich selbst gestellt. Einsamkeit hatte ihn niemals bedrückt, denn selbst in Gesellschaft anderer war er letztlich allein. Wer keinerlei Einfühlungsvermögen anderen gegenüber zeigte, eine immer gleiche maskenhafte Persönlichkeit zur Schau trug und niemals das sagte, was er eigentlich meinte, war dazu verdammt, einsam zu bleiben. Gin hatte sich mit seinem selbstgewählten Schicksal arrangiert und auch nie nur einen Gedanken daran verschwendet, irgendein höheres Ziel anzustreben. Wer weiß in so einer verdrehten und verkorksten Welt schon, was richtig und was falsch ist? Was rechtens und was verdammungswürdig? Was sich zu retten lohnt und was in Schutt und Asche gelegt gehört? Gin glaubte nicht an Gesetze oder Richtlinien, hatte nie auch nur im Ansatz das Bedürfnis verspürt, sein Leben für andere aufs Spiel setzen zu wollen oder an jemand anderen als sich selbst zuerst zu denken. Doch in dem Moment, als er sie sah, beschloss er, das erste Mal in seinem Leben für jemand anderen zu lügen. Rangiku hatte keine Angst vor ihm. Sie behandelte ihn wie einen normalen Menschen, wie einen Freund und brachte ihm Vertrauen entgegen, blindes Vertrauen, ohne zu ahnen, was er seit dem Moment ihrer ersten Begegnung beschlossen hatte zu tun. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er so etwas wie eine Familie, eine Art Zuhause, zu dem er zurückkehren konnte, ehrliche Zuneigung, die ihm entgegengebracht wurde. Und dennoch, immer wenn er sie anblickte, ihr Lächeln, ihre strahlenden Augen, in denen sich die Hoffnung auf eine bessere Welt widerspiegelte, konnte er nichts anderes sehen, als das, was ihr genommen worden war, als die Männer, die es ihr angetan hatten, als das Ziel, das er sich ihretwegen gesetzt hatte. Er erwähnte es mit keinem Wort ihr gegenüber, lächelte weiter und kümmerte sich um sie, und sobald sie eingeschlafen war, schlich er sich davon und feilte an seinen Fertigkeiten. Die Anderen hatten nicht gelogen, der Tod war ihm näher als ihnen, und Gin hatte vor, diese Nähe vollends auszunützen. Die Menschen in Rukongai erzählten sich von dem wundervollen Ort hinter den schneeweißen Mauern, als wären es nur Märchen. Sie verloren sich in Tagträumereien, wie es wohl sein würde, zu einem Shinigami zu werden, ein privilegiertes Leben zu führen und sich niemals mehr um irgendetwas Sorgen machen zu müssen. Gin hatte nie viel auf solche Hirngespinste gegeben, und es war ihm absurd vorgekommen, dass es Menschen geben sollte, die sich freiwillig zum Wohle anderer in Lebensgefahr begeben sollten, noch dazu für solch Ungeziefer wie die Bewohner der äußeren Bezirke. Er war sich seiner spirituellen Fähigkeiten zwar bewusst gewesen, hatte aber nie auch nur den Versuch unternommen, sich deswegen um einen Posten als Shinigami zu bewerben, bis ein einziges Ereignis alles verändert hatte. Er verließ sie bei Nacht, ohne sich zu verabschieden und ohne eine Botschaft zu hinterlassen, um in der Akademie vorzusprechen. Es dauerte keine Woche, bis sein Name raunend durch die Menge ging und die anderen Schüler auf den Gängen Gassen bildeten, um ihn durchzulassen. Ihm wurde versichert, er sei das größte Naturtalent, das in den letzten zwanzig Jahren die Zentralakademie der spirituellen Künste durchlaufen hätte, die Lehrer prophezeiten ihm eine glorreiche Zukunft bei den Hofgarden und boten an, ihm Empfehlungsschreiben für diverse Einheiten auszustellen. Gin lächelte lediglich und antworte ihnen allen, er wolle nur in eine einzige, bestimmte Einheit, da er einem ihrer Mitglieder noch etwas schulde. Er durchlief die Ausbildung in, wie man ihm versicherte, absoluter Rekordzeit und ohne eine einzige Menschenseele an sich heran zu lassen. Seine Kommilitonen gingen ihm aus dem Weg und er scherte sich nicht darum, alles, was ihn interessierte, war, sein Ziel zu erreichen. Die Verabschiedung der Absolventen wurde mit großem Pomp begangen, die neuen Uniformen verteilt und die Abordnungen in die diversen Einheiten verkündet. Es war bereits später Nachmittag, als Gin in Begleitung einiger rangniedriger Shinigami schließlich das Quartier der Fünften Einheit betrat. Er brauchte wenige Stunden, bis er einen der Männer ausfindig gemacht und allein abgepasst hatte. Er brauchte nur Sekundenbruchteile, das Schwert zu ziehen. Es war später Abend, als die Klinge seines Zanpakutōs das Herz des dritten Offiziers durchstieß. Er spürt wie ihm das warme Blut übers Gesicht rinnt, seine nagelneue Uniform durchtränkt und hört, wie es von der Klinge auf den Boden tropft. Er fühlt nicht einen Funken Reue und weiß, dass der Moment nun gekommen ist. Es ist der Moment, auf den er seit so langer Zeit hin gefiebert hat. Von jetzt an ist es ein Spiel mit dem höchsten Einsatz und dem höchsten Risiko, das er einzusetzen in der Lage ist und bei dem ein einziger noch so kleiner Fehler, ein winziger Riss in seiner Maske das Ende bedeuten kann. Und er ist bereit, es zu spielen, und er weiß in diesem Augenblick, er wird gewinnen. Es ist mitten in der Nacht, als er ein letztes Mal zu ihr zurückkehrt. Die verzweifelten Fragen, wo er all die Zeit gewesen sei, wohin er nun gehen würde, warum er sie verließe, dringen nicht bis zu ihm vor. Sie bemerkt das Blut nicht, oder vielleicht will sie es nicht bemerken. Einen Moment lang ist er versucht, es ihr zu sagen, ihr zu sagen, dass er für das, was ihr geraubt worden ist, bereit ist zu töten, bereit ist zu sterben, dass er nicht aufhören würde, bis er es ihr zurückgeben kann. Doch der Moment verstreicht und er tut das, was er schon immer am besten konnte, das, was ihn vor dem Irrsinn dieser Welt beschützt. Er lächelt und versichert ihr, dass nunmehr alles gut werden würde, dass er dafür sorgen würde, dass die Dinge so enden würden, dass sie nie mehr weinen müsse. Als er geht meint er einen Moment lang, sie schluchzen zu hören, ehe Nacht und Dunkelheit sie vollends verschlucken. Realität und Traum beginnen zu verwischen, und lange Zeit über kann Gin nie wirklich sagen, was Wirklichkeit und was nur Illusion ist, geschaffen von einem Mann, der das Manipulieren noch meisterhafter versteht als er selbst. Er spürt das stetige Misstrauen, die versteckten Fallen, die Versuche, tiefer in sein Innerstes vorzudringen. Er lächelt und erhält seine Fassade aufrecht, nicht für eine Sekunde lässt er sie fallen. Was die Leute über ihn gesagt haben, war die Wahrheit, er ist eine Schlange, ein kaltes, bösartiges Tier, das keine Emotionen besitzt und die verschlingt, die ihm gefallen. Es wird leichter mit der Zeit, wie alles irgendwann leichter geht, das Lügen, das Töten, das Spielen, es geht in Fleisch und Blut über, und bald schon braucht er sich nicht mal mehr bemühen, die Rolle zu spielen, es ist selbstverständlicher als das Atmen. Die meisterhaften Techniken und die Raffinesse mittels derer Aizen seine Pläne in die Tat umsetzt faszinieren ihn ebenso sehr wie sie ihn abstoßen, er sieht Menschen sterben und sich unter Qualen in etwas verwandeln, das einem Albtraum entsprungen scheint, und doch erreicht ihn ihr Leid nicht mal im Ansatz. Nach und nach bemerkt er, dass er selbst unnötige Grausamkeiten vollbringt, ohne es wirklich zu wollen, spürt, wie sich etwas in ihm ausbreitet, das genauso dunkel ist wie dieser Mann, den er töten will, und fragt sich nur für den Bruchteil einer Sekunde, ob er die Kontrolle über das, was er geschaffen hat, verliert. Dann eröffnet Aizen ihm das Geheimnis seiner Macht, liefert ihm die perfekte Munition, macht sich verwundbar und stellt den ultimativen Test, und Gin denkt nicht mehr im Ansatz daran, jetzt noch auszusteigen. Die Einsätze steigen, das Spiel geht weiter. Es ist ein stetiger Widerspruch, den er lebt, in allem, was er tut, verbirgt sich ein doppelter Boden. Shinsō fügt sich willig in die Täuschung, verbirgt das ihm eigene Gift ebenso sorgfältig wie er seine wahren Absichten. Jedes Gespräch das er führt, jeder Schritt den er tut, einfach alles geschieht nur auf das Ziel hin, diesen einen Mann zu eliminieren. Der Hass, die Bewunderung, die Ehrfurcht die ihm entgegengebracht werden, dringen niemals zu ihm durch, er wartet geduldig auf seinen Moment. Nur einmal noch droht alles zu wanken, die eisern aufrecht erhaltene Fassade zu bröckeln. Er hätte nie auch nur im Traum daran gedacht, dass sich ihre Kraft soweit regenerieren könnte, dass sie ihm folgen und plötzlich erneut gegenüber stehen würde, dass sie, freilich ohne es zu beabsichtigen, alles in Gefahr bringen könnte mit ihrer Anwesenheit, seine einzige Schwäche vor seinem Feind offenbaren. Es ist nur eine Sekunde, die er verunsichert ist, ehe er wieder in seine Rolle zurückkehren kann. Er sieht, dass er sie verletzt, und hasst sie beide dafür, dass er sein Versprechen brechen muss, um es zu halten. Als der Anfang vom Ende schließlich beginnt, als Aizen ihm als seinen loyalsten und vertrautesten Mann die Hauptrolle in dieser Schmierenkomödie zugesteht, sieht er sich erneut mit einem Kampf konfrontiert, den er nicht kämpfen will. Einen Moment lang fragt er sich, was wohl wäre, hätte er sich damals nicht zu diesem Schritt entschlossen, hätte er ihr von Anfang an alles gesagt, was er wusste – wie wäre ihr Leben wohl verlaufen? Als er das kalte Metall ihrer Klinge am Hals spürt, hinterlässt die Ironie der Situation einen bitteren Nachgeschmack. Was, wenn er ihr jetzt sagen würde, dass er alles nur für sie getan hat? Dass er nichts lieber möchte, als sie glücklich zu wissen und dafür liebend gern all den Hass auf sich gezogen hat? Dass sie sich keine Sorgen machen solle, sondern ihm vertrauen? Dass er es garantiert zu Ende bringen würde, das geraubte Stück ihrer Seele wieder beschaffen und zu ihr zurückkehren würde? Keiner dieser Gedanken verlässt seine Lippen, und erneut lässt er die einzige Person, die ihm jemals etwas bedeutet hat, zurück in dem Wissen, sie unglücklich gemacht zu haben. Von nun an fällt es ihm immer schwerer, die Rolle zu erfüllen, alles in ihm sehnt sich danach, die Charade endlich zu beenden und diesen verhassten Mann seinem gerechten Schicksal zuzuführen, der sich selbst als allmächtigen, allwissenden Gott sieht und doch nicht ahnt, dass er den eigenen Göttermörder bereitwillig an seine Seite geholt hat. Es ist der Gedanke an dieses Ende, der Gin am Leben hält, ihn nicht aus der Rolle fallen lässt, es ermöglicht, teilnahmslos und mit einem Lächeln zuzusehen, wie Rangiku erneut beinahe stirbt für einen Krieg, der nicht ihrer ist. Er sieht die eigenen Kameraden sterben, wird Zeuge wie Aizen seine eigenen Untergebenen vernichtet wie wertloses Ungeziefer und mit jeder Sekunde die verstreicht an Macht und Arroganz zunimmt. Er sieht die große Hoffnung der Soul Society geschlagen, nicht auch nur im Ansatz in der Lage, mit ihm mitzuhalten, er sieht in seinen Augen jene Schwäche, die er selbst schon vor so langer Zeit abgelegt hat, übermäßiges Mitgefühl und die Bereitschaft, sich für jeden zu opfern, er verspürt das Verlangen, diesem verblendeten Jungen zu erklären, wie sinnlos dieser Aktionismus ist, dass er sich nicht mehr deswegen verletzen lassen müsse, weil er selbst es beenden würde. Gin ist sich sicher, dass er gewinnen wird, sein Ziel ist buchstäblich zum Greifen nahe, als er seinem ehemaligen Kommandanten folgt. Und erneut muss sie sich ihm in den Weg stellen, so leichtfertig ihr Leben und seine Mission gefährden. Er spürt Panik in sich aufsteigen, denn er ist schon so nah dran, er kann nicht verantworten, dass jetzt noch etwas schief geht. Alles in ihm will schreien, dass er sie retten wird, dass sie ihm vertrauen muss, aber noch kann er nicht aufgeben. Shinsōs Klinge ist schwer wie nie, als er sie erneut auf seine Freundin richten muss, zu ihrem eigenen Wohl, wohlwissend, dass sie es ihm niemals verzeihen wird. Die Spannung durchflutet ihn wie Elektrizität, als er schließlich an die Seite des Mannes zurückkehrt, dem er gewisser Maßen sein Leben gewidmet hat, und die Klinge seines Schwertes berührt, wie zufällig im Vorrübergehen und endlich das in die Tat umsetzt, was er in seinen Gedanken schon eine Million mal getan hat. Nur einen winzigen Augenblick der Unachtsamkeit, das ist alles, was er braucht, und er bekommt ihn. Es ist ein Rausch aus unglaublicher Energie und Schmerz, den er erlebt, das dort in seiner verstümmelten Hand, dieser lächerlich kleine Kristall, er enthält etwas, das er nicht haben dürfte, das zurück gegeben werden muss. Er hat es geschafft, er kann Rangiku das Stück ihrer Seele zurückgeben, das ihr fehlt, nie wieder wird sie weinen müssen. Seine Sicht verschwimmt, die starke sich nähernde Präsenz lähmt ihn, einen Bruchteil einer Sekunde nur braucht es, bis er reagiert, doch es ist zu spät. Ein Teil von ihm spürt den alles überwältigenden Schmerz, als Aizens Klinge ihn durchbohrt, spürt den herannahenden Tod und droht, ihn in die Schwärze der Ohnmacht zu stürzen, ein anderer Teil verspürt nur stilles, unendliches Bedauern. Er hat versagt, er hat zu viel eingesetzt und das Spiel verloren, und letztlich war all sein Streben vergebens. Es ist zu spät, um all das Geschehene rückgängig zu machen. Wie dumm er war, zu glauben, er könne das Schicksal so wagemutig herausfordern und tatsächlich gewinnen, und nun bleibt ihm nichts mehr, als zu hoffen, dass dieser Junge das zu Ende bringen kann, was er begonnen hat, dass der wahre, offene Idealismus letztlich doch über seinen Einsatz siegen wird. Die Bitterkeit der Erkenntnis dringt nach und nach zu ihm durch, lässt den Schmerz verblassen und die Welt kippen. Als er sie herannahen fühlt, glaubt er einen Moment lang, zu träumen. Sie weint um ihn, schreit sich die Seele aus dem Leib für jemanden, der versagt hat und nicht in der Lage war, seine Versprechen zu halten, und der so gut nie ein einziges Wort das er sagte wirklich von Herzen gemeint hat in seinem Leben. Und als sich die Dunkelheit des Vergessens über ihn legt, bleibt nur noch ein einziger Gedanke präsent, ehe alles verblasst. „Es tut mir Leid." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)