es besser machen. von Violie (- a next generation story -) ================================================================================ Kapitel Zehn. ------------- Es besser machen. Kapitel Zehn. Mit müden Schritten schleppte sich Rose am Dienstagmorgen die vielen Treppen vom Gryffindorturm zur Großen Halle herunter. Es war zu früh für ihren Geschmack, wie jeden Morgen. Aber ihr Hunger hatte sie aus dem Bett getrieben, denn sie würde den Schultag unmöglich überstehen, wenn sie erst zur Mittagspause etwas zu essen bekommen würde. Und außerdem verlangte jede ihrer Zellen nach Kaffee. Sie drängelte sich an Schülerscharen vorbei und die breite Marmortreppe hinunter in die Eingangshalle. Der Lärm, den ihre Mitschüler erzeugten, widerstrebte ihr und sie wünschte, sie könnte sich einfach sofort auf dem Astronomieturm verkriechen, mit einer Zigarette und einem ganzen Krug heißen Kaffee. Aber offensichtlich stand diese Option nicht zur Auswahl. Wie konnten all diese Menschen so früh am Morgen nur schon wach genug sein, einen solchen Krach zu veranstalten? War es zu viel verlangt, sich in normaler Lautstärke zu verständigen? Rose verdrehte die Augen, hielt sich die Hand vor den Mund um ausgiebig zu Gähnen und widerstand der Versuchung, sich über die müden Augen zu reiben, weil sie somit ihr Make-up verschmieren würde. Sie war nur wenige Schritte von den großen Holztüren der Halle entfernt, als eine Stimme ihren Namen rief. Sie wägte die Möglichkeit ab, einfach so zu tun, als hätte sie nichts gehört (was bei all dem Trubel kein Wunder gewesen wäre), doch eine schwere Hand auf ihrer Schulter ließ sie in ihren Bewegungen stoppen. Rose rümpfte die Nase, bevor sie die Hand mit einer schlichten Geste von ihrer Position auf ihrer Schulter entfernte. Es war viel zu früh für Körperkontakt, also wirklich! Missgelaunt drehte sich um. Vor ihr stand Glenn Morison, ein Ravenclawschüler aus ihrem Jahrgang. Er war ihr keineswegs unbekannt, sie hatten schon das eine oder andere Date hinter sich. Eigentlich war er ein umgänglicher Junge und schlecht sah er auch nicht aus, mit schwarzen Haaren und ziemlich durchdringenden, blauen Augen. „Hey Glenn“, grüßte sie ihn und gab sich nicht besonders viel Mühe, Enthusiasmus in ihre Stimme zu legen. Immerhin hatte sie erst einen Tag zuvor beschlossen, nicht jede ihrer Handlungen bis ins kleinste Detail zu überdenken und nicht mehr so zu handeln, wie es jeder von ihr erwartete. „Wie geht’s dir?“, fragte er höflich nach. Als würde ihn die Antwort überhaupt interessieren! Rose hatte eine ziemlich genaue Ahnung, warum er sie ansprach. „Sei mir nicht böse, aber was willst du, Glenn?“, fragte sie frei heraus. Zu sagen der Junge schaute überrascht, wäre übertrieben, jedoch fehlte es ihm plötzlich an Gelassenheit und er räusperte sich, bevor er weitersprach: „Weißt du, ich habe über unser letztes Treffen nachgedacht, welches ja nun schon eine Weile her ist. Hast du nicht mal Lust, wieder im Ravenclawturm bei mir vorbeizuschauen?“ Als hätte sie es nicht geahnt. Rose öffnete den Mund, ihre Antwort im Kopf bereits fertig formuliert, als sie sich um entschied. Sie wollte einen Neustart und genau hier sollte sie beginnen. „Tut mir leid, aber nein. Sei mir nicht böse, Glenn, aber ich habe kein Interesse mehr an dieser Art Verabredungen.“ Sie schenkte dem verdutzen Ravenclaw ein schmales Lächeln, bevor sie auf dem Absatz kehrt machte und in die Halle marschierte. Sie hatte gerade erst ihren Platz am Gryffindortisch eingenommen, als sie das erste Geflüster in ihrer Umgebung wahrnahm. „Was, das hat sie gesagt?“ „Nein, das glaube ich nicht!“ „Wenn ich es euch doch sage, genau so hat sie es formuliert.“ „Das passt gar nicht zu ihr.“ Rose schaute demonstrativ in die Richtung der vier Sechstklässlerinnen, welche so ausgelassen über sie redeten, als säße sie nicht nur wenige Meter von ihnen entfernt. Drei von ihnen hatten den Anstand, rot zu werden und den Blick zu senken, während die vierte ihrem Blick kühl begegnete, als würde sie damit irgendeinen Standpunkt vertreten wollen. Rose zog eine Augenbraue nach oben und lächelte sie herablassend an, bevor sie sich ihrem Frühstück zuwandte und sich ein Brötchen aus einem nahestehenden Brotkorb nahm. Sie wusste nicht, warum ihre Abfuhr an Glenn so einen Aufruhr heraufbeschwor. Es stand ihr ja wohl frei, auszugehen mit wem sie wollte. Oder zu machen, was sie wollte. Was interessierte es ihre Mitschüler überhaupt, was sie in ihrer Freizeit tat und mit wem? Das war schließlich ihr Leben und sie lebte es nicht, um den Anforderungen und Erwartungen anderer gerecht zu werden. Kopfschüttelnd griff sie nach der Marmelade, ignorierte die neugierigen Blicke, die immer wieder über sie streiften und wartet geduldig darauf, dass Alice und Dominique ihr Gesellschaft leisten würden. ___ Das gute Aussehen war Dominique in die Wiege gelegt worden. So formulierte es Rose zumindest immer, wenn sie die Blondine nach einer Partynacht am Frühstückstisch antraf, frisch und munter wie die aufgehende Sonne. Dominique selbst war da von jeher anderer Meinung. Und der heutige Morgen bewies dies eindeutig. Sie hatte fürchterliche, dunkle Augenringe, weil sie die ganze Nacht nicht eine Sekunde geschlafen hatte. Ihre Haut war unnatürlich blass und ihre sonst nahezu schimmernden Haare wirkten glanzlos und stumpf. Sie sah krank aus und fühlte sich auch so; übernächtigt, schwach und lustlos. Mit hängenden Schultern nahm sie den längsten und umständlichsten Weg in die Große Halle, um am Frühstück teilzunehmen. Vorher wollte sie jedoch so wenigen Menschen wie möglich begegnen, um wenigstens eine Chance zu haben ihre wirbelnden Gedanken zu ordnen, was sich schon bald als hoffnungslos herausstellte. Sie war völlig fertig und nach dem Grund dafür musste man nicht erst fragen. Fred Weasley. Sie wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Seine Worte schienen wie ein Mantra durch ihren Kopf zu laufen. Ich habe niemals gesagt, dass ich irgendwann aufgehört habe, dich zu lieben. Was wollte er ihr damit mitteilen? Etwa, dass er in sie verliebt war? Noch immer? Nach drei verdammten Jahren, in denen er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sich bei ihr zu melden? Das konnte doch unmöglich sein Ernst sein! Sie war wütend. So unheimlich wütend. Was dachte er sich eigentlich dabei hier aufzutauchen als wäre überhaupt nichts dabei, ihr gesamtes Leben auf den Kopf zu stellen und sie dann mit einem solchen Statement vollkommen aus der Fassung zu bringen und jeden Rest ihres Verstandes zu überfordern? Nun, sie hatte vielleicht nicht unbedingt angebracht reagiert. Sie hätte ihm eventuell eine Chance geben sollen, sich zu erklären, anstatt einfach wegzurennen. Das war es nämlich, was sie getan hatte: sie hatte ihn etwa eine Minute lang stumm angestarrt, als wäre er die leibhaftige Erscheinung Merlins, dann war sie aufgesprungen und ohne ein weiteres Wort aus seiner kleinen Wohnung gestürmt. Ein etwas unüberlegter Abgang, wie ihr im Nachhinein bewusste wurde, denn so würde sie ganz offensichtlich keine befriedigenden Antworten auf alle ihre neuen Fragen erhalten. Aber sie wollte auch nicht zurückkehren. Also hatte sie die gesamte Nacht im leeren Gemeinschaftsraum des Ravenclawturmes verbracht und den Hauselfen still beim Aufräumen zugesehen. Die kleinen Wesen schienen reichlich verwirrt aufgrund ihrer Anwesenheit, aber sie sprachen sie nicht an und Dominique war es einerlei. Somit wäre nun auch ihr katastrophales Aussehen erklärt. Dominique kannte keine Schönheitszauber und sie hatte sowieso keine Nerven dazu, sie fehlerfrei anzuwenden und was war schon dabei, wenn sie einmal keine makellose Haut und keine perfekte Frisur zur Schau trug? Sie war kurz davor, in einen vielgenutzten Korridor einzutreten als sie innehielt. Reiß dich zusammen, sagte sie sich selbst und biss dabei demonstrativ die Zähne zusammen. Jedoch ging ihr jeglicher Funken neu gewonnene Gelassenheit verloren, als sie daran dachte, dass einer ihrer Lehrer ihr quasi seine Liebe gestanden hatte. Denn das hatte Fred doch, oder nicht? Und genau da waren wieder die Gedanken, die sie nicht ordnen konnte, weil sie nicht wusste was Freds Worte bedeuteten und was sie damit anfangen sollte und wie sie selbst fühlte konnte sie auch nicht sagen und eigentlich wusste sie überhaupt nichts mehr. Alles drehte sich. Dominique gab auf. Ohne ihre miserable Stimmung verbergen zu können machte sie sich auf den Weg zur Großen Halle, vermied jeglichen Blickkontakt und ließ sich nach, wie es ihr vorkam, einer unendliche langen Reise neben Rose am Gryffindortisch wieder. „Du siehst schrecklich aus“, war der einzige Kommentar ihrer Cousine, die gleich darauf genüsslich in ihr Brötchen biss. „Hätte nicht gedacht, dass das möglich ist - bei deinen Genen.“ Dominique machte sich nicht die Mühe einer Antwort, geschweige denn eines Zeichens das sie Rose‘ Worte vernommen hatte. Sie nahm sich eine Tasse und schenkte sich randvoll Kaffee ein, den sie schwarz und heiß trank, was ihr die Tränen in die Augen trieb. Aber vielleicht war das auch die Hilflosigkeit, die sie in diesem Moment verspürte. ___ Scorpius konnte sich nie genug darüber beklagen, wie ausgesprochen sinnlos es war, Astronomie am helllichten Tage zu unterrichten. Er hatte bis jetzt noch nicht verstanden, warum er mehre Stunden in der Woche in einem abgedunkelten Klassenraum verbringen musste, wenn er doch eigentlich in der Nacht den Sternenhimmel betrachten sollte. Aber das galt bloß als freiwillige Arbeit, wozu ihnen einmal in der Woche die Chance gegeben wurde. Ansonsten wurde mehr Wert auf die Theorie der Sternenkunde gelegt, die nun einmal im Klassenraum besprochen wurde. Die Praxis war zweitrangig und Scorpius würde nie darüber hinwegkommen. Er würde es nicht zugeben, aber für Astronomie hatte er eine heimliche Schwäche. Doch heute hatte er ausgesprochen gute Laune als er den Klassenraum am nördlichen Ende des Schlosses verließ. Ihm waren einige interessante Gerüchte zu Ohren gekommen und er beschleunigte seine Schritte, um so schnell wie möglich zum VGDDK-Klassenzimmer zu kommen. Heute hatte er einen bestimmten Platzwunsch und er musste pünktlich ankommen, um diesen in die Tat umsetzen zu können. Er bog gerade um die letzte Ecke als Professor Angelini aus dem Raum trat und den bereits wartenden Schülern somit Eintritt gewährte. Scorpius drängte sich an seinen Klassenkameraden vorbei und folgte den roten Haaren einer ganz bestimmten Weasley, die sich einen Platz in der letzten Reihe aussuchte. Er zögerte nicht, als er den Stuhl neben ihrem zu sich zog und sich mit einem zufriedenen Lächeln niederließ. Rose‘ Kopf zuckte zu ihm und ihre Augen verengten sich sofort zu schmalen Schlitzen. „Was zur Hölle, Malfoy? Verschwinde hier!“ Ihre Stimme war unnachgiebig und kalt. Das Grinsen auf seinen Lippen wurde nur noch breiter, seine weißen Zähne wurden deutlich sichtbar. „Jemand scheint heute schlechte Laune zu haben. Wie sieht’s aus, denkst du ein bisschen Zeit mit mir könnte deine Stimmung heben. Heute Abend im Raum der Wünsche?“ Rose lachte humorlos auf. „Oh clever, Malfoy. Ich sehe, du hast das Gerede über mich vernommen? Dann dürftest du ja bemerkt haben, dass ich dem bedeutungslosen Sex abgeschworen habe. Und jetzt verschwinde!“ Der Slytherin zog seine Lehrbücher aus der Tasche und platzierte sie säuberlich auf seinem Tisch, bevor er sich wieder seiner Gesprächspartnerin zuwandte. „Wie lange hast du vor, dieses Spielchen zu spielen?“ „Was meinst du?“, fragte Rose und zog verwirrt ihre Stirn in Falten. „Komm schon, Weasley. Ich kenne dich, du kennst dich. Glaubst du wirklich, du kannst an dieser neuen, selbsterschaffenen Regel auch nur einen Tag festhalten? Du brauchst Sex wie die Luft zum Atmen! Und was willst du eigentlich damit bezwecken? Wem willst du etwas beweisen? Dir selbst vielleicht? Glaub mir, den Ruf als Flittchen wirst du nicht mehr los solange du durch dieses Schloss wanderst!“ Vielleicht hätte er es kommen sehen sollen. Seine Worte waren wirklich nicht die charmantesten und mal ehrlich, dass hier war immer noch Rose Weasley. Trotzdem traf ihn der Schlag ins Gesicht unerwartete und hart, und seine Wange brannte so sehr, dass es ihm für einen kurzen Moment die Tränen in die Augen trieb. Mit zusammengepressten Lippen hob er den Kopf, um Rose‘ Blick zu treffen. Jedoch hatte er etwas anderes erwartet, als er in ihre blauen Augen sah. Er hatte mit Wut, Empörung, ja sogar Hass gerechnet. Das würde auch zu ihren Handlungen passen. Mit diesem verletzten Ausdruck hatte er jedoch nicht gerechnet, und auch nicht mit den Tränen, die ihre Augen glasig machten, die sie jedoch nicht über ihre Wangen laufen ließ. Sie blinkte einige Male schnell hintereinander, bevor sie nach ihrer Tasche griff und ohne eine Erklärung den Raum verließ, obwohl Professor Angelini in eben diesem Moment die Stunde eröffnet hatte. „Miss Weasley!“, rief die Professorin ihrer Schülerin überrascht nach, doch erhielt weder eine Antwort noch sonst irgendeine Reaktion. Scorpius wusste nicht, was er denken sollte. Er starrte stumm auf die Tür, die nach Rose ins Schloss gefallen war und fasste seinen Entschluss ziemlich unüberlegt. Er sprang auf, warf sich seine Tasche über die Schulter und nahm seine Bücher unter den Arm, bevor er ebenfalls den Raum verließ. „Also ich muss doch sehr bitten! Mr. Malfoy, kommen Sie sofort zurück! Mr. Malfoy!“ Er schmiss die Tür zu, um die Stimme der Professorin zu dämpfen und sprintete den Gang entlang auf der Suche nach diesen, ihm allzu bekannten, roten Haaren. „Rose?“, rief er, leise genug, um keine ungewollte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch er erhielt keine Antwort. Leise fluchend schloss er für eine Sekunde die Augen. Was hatte ihn nur dazu gebracht, diese Worte auszusprechen? Natürlich, er hatte sie schocken, sie provozieren wollen. Er hatte eine bissige Reaktion von ihr erwartet oder vielleicht sogar ein höhnisches Lachen. Doch es war nie seine Absicht gewesen, sie zu verletzten, sie zum Weinen zu bringen. Und Merlin, seit wann interessierte ihn das denn? Sie war nur eine verfluchte Gryffindor, niemand von Belang! Es war ja nicht so, als hätte er nicht die Wahrheit gesagt. Ihr wurde doch sicherlich nicht erst jetzt klar, dass sie genau diesen Ruf hatte, oder? Unmöglich! Er atmete tief durch und versuchte es erneut. „Rose?“ Mit leisen Schritten bog er um die Ecke und beinahe wäre ihm die Tür zu seiner linken nicht aufgefallen, die nur einen winzigen Spalt breit offen stand. Ohne zu zögern betrat er den Raum, sicher dass er die Weasley hier finden würde. Und er behielt Recht. Der verlassene Klassenraum wirkte düster und verstaubt, war offensichtlich schon länger nicht mehr benutzt worden. Rose saß an einem der Tische an der Wandreihe, ganz hinten in der Ecke, und schien mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Sie hatte das Gesicht in den Händen verborgen und ihr Körper zitterte. Sie schluchzte leise auf und schien seine Anwesenheit entweder nicht bemerkt zu haben oder hatte beschlossen, ihn zu ignorieren. Scorpius trat unsicher von einem Fuß auf den anderen, bevor er seine Sachen auf dem nächstbesten Tisch ablegte und mit vorsichtigen Schritten auf Rose zuging. Merlin, weinende Menschen waren ihm wirklich unsympathisch! Er konnte einfach nichts mit ihnen anfangen. Sie waren zu verzweifelt, verletzlich, hilflos und schwach, konnten nicht mal anständige Worte formulieren. Normalerweise würde er die Flucht ergreifen. Wenn er nur an Longbottom dachte, die schluchzend in seinen Armen gehangen hatte und wie sehr er sich irgendwo anders hin gewünscht hatte. Es war ihm wirklich hoch anzurechnen, dass er nicht einfach davon gerannt war. Albus war wirklich der einzige Mensch, den er freiwillig tröstete, und das es dazu kam hat Jahre gedauert. Jedoch hatte er nicht das Gefühl, jetzt einfach weggehen zu können. Und wirklich, Rose gab ihm jede Chance. Er könnte umdrehen und rennen und sie würde nicht anders von ihm denken. Sie erwartete nichts von ihm. Doch irgendetwas schien sie in ihm auszulösen. Er konnte nicht gehen, denn er erwartete von sich selbst, hier zu bleiben und sie zu beruhigen, ob sie das wollte oder nicht. Bei Slytherin, wie war es denn dazu gekommen? Scorpius verstand sich selbst nicht mehr, als er sich erneut auf dem Platz neben Rose niederließ. Sie zuckte zusammen, als er ihr eine Hand auf den Rücken legte und begann, langsam und geduldig im Kreis zu streicheln. Was war denn nur in ihn gefahren? Er wollte seine Hand wegreißen, doch etwas ließ ihn mit seinen Bewegungen fortfahren. Vielleicht war es der Blick, mit welchem Rose in diesem Moment zu ihm aufsah. „Es tut mir leid!“ Der Satz verließ seinen Mund, bevor er sich auf die Zunge beißen konnte. Doch letztendlich waren es die richtigen Worte, also sollte er nicht bereuen, sie gesagt zu haben. Rose nickte nur, mit bebenden Lippen und großen, glänzenden Augen. Sie wirkte so unschuldig und verletzbar, dass Scorpius sie in seine Arme schließen und nie wieder loslassen wollte. Anscheinend war er übergeschnappt! „Jeder denkt so über mich, oder nicht? Nur hatte bis jetzt noch niemand den Mut, es mir ins Gesicht zu sagen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so wehtun würde.“ Rose‘ formulierte ihre Worte leise und stockend, doch Scorpius nahm jedes wahr wie einen Schlag in seine Magengrube. Was sollte er darauf erwidern? „Es tut mir leid“, wiederholte er seine vorherigen Worte und kam sich unheimlich dumm vor. „Ich hätte nie gedacht, dass es so werden würde“, erklärte Rose und sie räusperte sich, um ihrer Stimme mehr Stärke zu verleihen. „Als ich mit elf Jahren das erste Mal einen Fuß in dieses Schloss gesetzt habe, war es nicht mein Ziel gewesen, so zu werden, wie ich heute bin. Ich hatte nicht geplant, das Flittchen für jedermann zu werden. Doch nach der Sache … ich … es war es eine Art Selbstschutz, weißt du? Ich dachte einfach, wenn ich niemanden mehr nah genug an mich heranlasse und jedem das selbstbewusste, unverwundbare Mädchen vorspiele, wird mir so etwas nie wieder passieren. Ich lag vollkommen falsch und jetzt ist alles noch viel schlimmer!“ Sie brach erneut in Tränen aus und Scorpius zog sie sanft in seine Arme, während ihre Worte noch in seinem Kopf herumwirbelten. Er hatte Mühe ihren Gedankengängen zu folgen. Von welcher Sache sprach sie denn jetzt? Gab es so etwas wie einen Auslöser, einen Grund, warum sie heute dieses Mädchen war? Scorpius hatte erwartete, dass sie einfach von Natur aus offen und kontaktfreudig war, gerne Sex hatte, was auch immer. Ihm war beim besten Willen nie in den Sinn gekommen, dass mehr hinter Rose‘ Verhalten stecken könnte. Plötzlich fühlte er sich dumm und ignorant, nicht darüber nachzudenken, was das Mädchen in seinen Armen dazu veranlasst haben könnte, ihren Körper jedem Jungen als Spielwiese darzubieten. Scorpius saß still, während Rose ihren Kopf auf seiner Schulter abgelegt hatte und leise weinte. Ihre Schluchzer waren verstummt und er glaubte, dass dies zumindest teilweise mit der Tatsache zu tun hatte, dass e ihr die gesamte Zeit über den Rücken gestreichelt hatte. Erst als Rose sich langsam von ihm löste und ihre Augen und Wangen trocknete, erlaubte er sich die Frage zu stellen, die seit ihrer kleinen Ansprache auf seiner Zunge gelegen hatte. „Von welcher Sache hast du geredet? Warum musstest du dich selbst schützen?“ Vielleicht hätte er das ganze Thema nicht so frei heraus angehen sollen. Rose nahm ruckartig Abstand von ihm und verknotete in einer nervösen Geste ihre Hände. „Vergiss einfach, dass ich das gesagt habe“, sagte sie abweisend. „Das ist schwierig, nachdem du mir erklärt hast, dass tatsächlich mehr in dir steckt als nur das oberflächliche und leichtzuhabende Mädchen, dass du jedem vorgegaukelt hast!“ Scorpius schlug den falschen Ton an, das war ihm klar, aber irgendetwas an Rose schien ihn dauerhaft zu provozieren. Rose schnaubte höhnisch. „Als würdest du dich für mein wahres Ich interessieren. Du hast dich entschuldigt, ich habe dir vergeben, du brauchst nicht mehr hier zu sitzen und Interesse und Mitleid vorzutäuschen. Geh einfach!“ Scorpius hob beide Hände in einer abwehrenden Geste nach oben. „Okay, wenn du nicht mit mir sprechen willst, werde ich mit Albus reden. Oder vielleicht wissen ja Alice und Dominique mehr?“ Er wusste, dass es eine hinterhältige Taktik war, so eine Reaktion von Rose zu erzwingen, aber er war ja nicht vollkommen umsonst in Slytherin gelandet. Der Gesichtsausdruck der Weasley wandelte sich schlagartig. Ihre grimmige, abweisende Fassade war gewichen und plötzlich wirkte sie in die Enge getrieben. „Nein!“ Ihre Stimme klang flehentlich. „Dann erzähl mir von dieser Sache.“ „Ich kann nicht!“ „Natürlich kannst du! Du willst nur nicht. Du hast die Wahl Rose.“ Scorpius hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beharrte stur auf seiner Forderung. Rose hatte selbst mit dieser ganzen Sache begonnen. Hätte sie nie etwas gesagt, hätte er nie verlangt, mehr zu erfahren. Er war nun einmal wissbegierig und besonders dann, wenn es um Rose Weasley ging, etwas, dass er sich selbst nicht wirklich erklären konnte. Rose seufzte tief, bevor sie in einer aufgebenden Geste den Kopf senkte. „In Ordnung, ich werde dir alles erzählen. Aber nicht heute.“ Sie schaute auf ihre Uhr und stand dann auf. „Ich gehe zum Mittagessen. Triff mich morgen Abend im Raum der Wünsche und ich erzähl dir die Geschichte. Und falls das für dich alles ein Scherz sein sollte und du vorhast, mich danach in der ganzen Schule bloßzustellen oder was auch immer - nur zu, mir ist es egal.“ Es war die Art, in der sie sie Worte aussprach - so vollkommen unbeteiligt und uninteressiert - die Scorpius davon überzeugte, dass, egal was sie ihm erzählen würde, er es für sich behalten würde. Was war nur mit der Rose geschehen, mit der er vor wenigen Wochen noch unnötige kleine Streitereien heraufbeschworen hatte und die jederzeit, wenn auch nach einigem Überreden, für einen Blow Job zu haben gewesen war? Er hatte das Gefühl, sich viel mehr in den Fall Rose Weasley zu verstricken, als gut für ihn war. ___ Albus hätte sich einen dickeren Mantel anziehen sollen. Der Wind war eisig kalt und der graue Himmel versprach nicht einen einzigen Strahl Sonnenschein, um ihn zu Wärmen. Aber was hatte er Ende November auch anderes erwartet? Das Mädchen an seiner Seite trug nicht dazu bei, dass er sich besser fühlte. Stella Parkinson war nett, wirklich, und außerdem überdurchschnittlich hübsch. Ihre schwarzen Haare hatte sie mit einem Haarband unordentlich fixiert, ihre braunen Augen mit viel dunkler Schminke umrandet und die Piercings an ihrer Nase und über ihrem Mund passten zu ihr, als hätte Merlin persönlich sie für sie ausgewählt. Ihr gesamtes Aussehen und Auftreten brachte einen Charme mit sich, den Albus sehr an ihr schätzte. Seit der ersten Klasse waren die beiden gute Freunde gewesen und niemals mehr. Albus hatte sich auch nie auf diese Weise zu ihr hingezogen gefühlt. Und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Was also machte er hier? Er versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren, die sie an ihn richtete, aber es fiel ihm unendlich schwer. Seine Gedanken fokussierten sich wieder und wieder auf die Hand, die er mit ihrer verschränkt hielt. Es fühlte sich nicht schlecht an, sie hatte weiche Haut und zierliche Finger. Und doch konnte er immer nur an ein anderes Mädchen mit schwarzen Haaren und zarten Händen denken. Dabei machte er das alles doch nur, damit es für ihn leichter wurde. Er unterdrückte ein unzufriedenes Seufzen und richtete seinen Blick auf den, in der Ferne liegenden, schwarzen See. Schon bald würde seine Oberfläche zugefroren sein und den Schülern die Möglichkeit zum Eislaufen bieten. Als er Alice gestern um die Erlaubnis gebeten hatte, mit Stella auszugehen, hatte er insgeheim gehofft, dass sie etwas dagegen haben würde. Doch ihre Worte hatten ihm alles gesagt, was er wissen musste. Es macht mir nichts aus. Es störte sie nicht, es kümmerte sie nicht, es war ihr egal. Alice war fertig mit ihm und dass das alles vorrangig seine Schuld war, machte das Gefühl der Leere und Einsamkeit nicht weniger drückend. Natürlich, damals, bevor er von dem Baby gewusst hatte, da hatte er mit ihr Schluss gemacht. Und für einen kurzen, dummen Moment hatte er gehofft, dass nach der Abtreibung alles wieder so werden würde, wie es einmal war. Zumindest halbwegs. Doch Alice hatte weitergemacht und nur er hing noch immer ihrer gemeinsamen Zeit nach. Was war er für ein Trottel! Alles was Alice jetzt von ihm wollte, war Freundschaft. Und genau das würde er ihr geben. Er würde für sie da sein, wann immer sie ihn brauchte. Aber um dazu in der Lage sein zu können, musste er jeglichen Gedanken an Alice in einer mehr als freundschaftlichen Hinsicht aus seinem Kopf verbannen. Und genau deswegen verbrachte Albus diesen Nachmittag mit Stella. Es war nicht fürchterlich oder unerträglich. Er empfand nur nicht einmal annähernd etwas mehr als Freundschaft für sie. Es war ironisch - Alice‘ und Stellas Rollen sollten vertauscht sein. Dennoch, mit dem größeren Ziel im Kopf - nämlich Alice‘ bester Freund zu werden - fiel es ihm viel leichter, sich auf Stella einzulassen. Und als Stella ihm sagte, wie sehr sie ihn mochte, log er ohne Probleme zurück, dass er genauso für sie empfand und als sie ihn dann küsste, ließ er sich einfach darauf ein und küsste sie zurück und als sie ihn dann fragte, ob er nun ihr Freund war, bejahte er es mit einem falschen Grinsen und küsste sie erneut auf den Mund. Als an diesem Abend, während des Essens in der großen Halle, der erste Schnee zu fallen begann und alle Schüler wie verzaubert an die Decke schauten, um den Flocken mit den Augen zu folgen, nahm Stella seine Hand und küsste ihn glücklich auf den Mund. Und Albus konnte nicht anders, als an den ersten Schnee im letzten Jahr zu denken, und daran, wie er mit Alice mitten in der Nacht durchs Schloss und auf die Ländereien geschlichen war, wo sie die Schneekristalle mit ihren Zungen gefangen und sich danach überschwänglich geküsst hatten, woraufhin sie beide auf dem Boden gelandet waren und später in nassen Sachen in das Bad der Vertrauensschüler eingebrochen sind und dort ... So sehr er auch versuchte, Stellas Kuss zu genießen, wusste er doch, dass er so etwas wie mit Alice niemals mit ihr erleben würde. Und wenn nicht mit ihr, dann hoffte er doch sehnlichst, irgendwann ein Mädchen zu finden, dass er so lieben würde, wie er Alice in diesem Moment liebte. ___ Dominique wusste nicht, was in sie gefahren war. Der hinter ihr liegende Tag war mit Abstand der fürchterlichste ihres Lebens gewesen. Sie hatte nicht eine Minute Ruhe vor ihren eigenen Gedanken gehabt und es war das erste Mal überhaupt, dass sie sich fragte, ob es nicht ein Nachteil war, in Ravenclaw zu landen, weil man automatisch alles doppelt und dreifach hinterfragt und analysiert. Sie hatte das Gefühl, verrückt zu werden. Noch dazu hatte sie ein ausgesprochen schlechtes Gewissen. Sie hatte die letzte Stunde geschwänzt. Nicht ohne Grund natürlich, sondern wegen Fred. Niemand konnte ernsthaft von ihr verlangen, sich in einem Raum mit ihm aufzuhalten. Nicht nach der letzten Nacht, nicht nach seinen Worten. Oh Merlin, ihr Lehrer hatte ihr tatsächlich seine Liebe gestanden! Das war auf so vielen Ebenen falsch, dass ihr für einen Moment entfiel, dass er auch noch ihr Cousin war. Ja, und nach diesem schrecklichen Tag, den sie damit verbringen musste, Alice und Rose keinen Anlass zu geben, skeptisch zu werden, stand sie nun hier. Vor seiner Tür. Genau wie am Abend zuvor. Aber diesmal hatte sie einen Plan! Diesmal würde sie alles richtig machen. Diesmal würde sie ihm keine Chance geben, mit ihrem Kopf zu spielen und sie mit Worten und Taten zu verwirren. Diesmal würde sie reden und ihm eindeutig die Meinung sagen und dann, dann würde sie wirklich gehen und sich nie wieder zu ihm umdrehen und weiterleben, als wäre Fred Weasley für sie nie mehr als nur einer unter vielen Cousins gewesen. Mit zusammengepressten Lippen klopfte sie an die Tür. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. Eine abweisende Körperstellung konnte in dieser Situation nicht schaden, oder? Fred öffnete die Tür halbnackt. Er trug nur eine tiefsitzende Jeans und sonst - nichts. Das hatte Dominique in ihren Plan natürlich nicht einbezogen. Ihr Atem stockte für eine Sekunde und sie versuchte krampfhaft, sich zu sammeln und ihren Blick in sein Gesicht zu lenken. Fred starrte sie an, ein Ausdruck zwischen Kuriosität und Unbehagen war auf seinem Gesicht zu sehen. Gerade wollte er den Mund öffnen, wahrscheinlich um zu fragen, was sie hier wollte, als Dominique ihre Fassung wiedererlangte. „Begrüßt du so alle deine Schüler?“, fragte sie ihn gleichgültig und drängte sich, ohne seine Erlaubnis, an ihm vorbei und in sein Wohnzimmer. „Nicht besonders professionell, wenn du mich fragst“, setzte sie hinzu. Fred war ihr gefolgt und stand nun etwas unschlüssig im Türrahmen. Er war überrascht und unvorbereitet und genau diese Tatsache würde sie nutzen. „Was machst du hier?“ „Keine Angst, ich werde nicht lange stören. Ich wollte nur unser Gespräch von gestern zu Ende bringen, damit wir uns danach nie mehr unterhalten müssen, okay?“ Der Referendar sah sie ungläubig an. „Nein, das ist nicht okay“, erwiderte er mit Nachdruck. „Was stimmt denn nicht mit dir, Dome? Gestern rennst du ohne ein Wort einfach weg und heute verlangst du von mir, dass ich nie wieder mit dir rede? Das alles habe ich nicht damit bezweckt, als ich dir den Brief geschrieben habe.“ Dominique sah ihn abschätzend an. „Was genau hast du dir denn vorgestellt, Fred? Das du mir deine bezaubernde, kleine Geschichte erzählst, in welcher du mir ein oder zwei Mal deine Liebe gestehst und dann … hast du gedacht, dann ist alles wieder okay zwischen uns und wie spielen bis zum Rest unserer Tage Cousin und Cousine? Oder willst du vorher vielleicht nochmal mit mir schlafen? Was genau hast du dir von alldem hier erwartet?“ Sie hatte nicht vorgehabt, ihre Worte so verletzend zu formulieren, doch sie konnte sich nicht davon abhalten. „Hörst du dir eigentlich selbst zu? Glaubst du vielleicht, ich habe gestern gelogen und dir aus Spaß erzählt, dass ich dich immer noch liebe? Denn genau das tue ich, okay? Ich liebe dich!“ Diese Worte erneut zu vernehmen, ließ Dominique ihren Blick senken. Sie kämpfte erbittert gegen die Röte in ihren Wangen. Er meint es nicht ernst, sagte sie sich selbst und ihrem viel zu schnell klopfendem Herzen. Wer weiß, was er bezweckte, aber sie würde sich nicht noch einmal auf ihn einlassen. Nein, das konnte sie nicht. Sie atmete tief durch und hob den Kopf. „Das ergibt keinen Sinn“, sagte sie und bewunderte sich selbst für die Ruhe, die in ihrer Stimme lag. „Wieso nicht?“, fragte Fred hilflos und trat einen Schritt auf sie zu. „Verdammt, Fred, weil du gegangen bist! Du bist abgehauen, okay? Wenn du mich geliebt hättest, dann wärst du bei mir geblieben!“ „Ich weiß. Ich weiß, Dome!“, rief er ihr entgegen und kam direkt vor ihr zum Stehen. „Das war ein riesiger Fehler und es tut mir unendlich leid!“ „Aber das erklärt immer noch nicht, warum du gegangen bist. Es gibt keinen Grund. Alles was du mir hier erzählst ist schön und gut, aber was war der Grund, Fred? Warum bist du von einem Tag auf den anderen einfach geflohen, wenn du mich angeblich geliebt hast?“ „Liegt das denn nicht auf der Hand?“ „Nein, natürlich liegt es nicht auf der Hand. Merlin, Fred, du hast mein Herz gebrochen. Jetzt nenn‘ mir wenigstens einen anständigen Grund dafür. Das habe ich verdient!“ Dominique hatte nicht realisiert, dass sie beide angefangen hatten, zu schreien. Normalerweise legte sie bei einer Unterhaltung Wert auf eine angemessene Gesprächslautstärke, doch Fred alle ihre Gefühle ins Gesicht zu schreien, fühlte sich so unglaublich gut an. „Ich wollte dich schützen, Dome!“ „Wovon redest du? Vor was wolltest du mich beschützen? Es ging mir gut, es ging uns gut. Ich, für meinen Teil, war glücklich und zufrieden, bis du alles kaputt gemacht hast.“ „Merlin, Dome, du warst 15 Jahre alt. Du warst fast noch ein Kind und du warst so unschuldig. Ich wollte dich vor der Welt beschützen, ist das nicht klar? Weißt du, was die Leute gesagt hätten, was unsere Familien gesagt hätten, wenn sie von uns erfahren hätten? Wir wären niemals akzeptiert worden und vielleicht hätte man uns sogar den Umgang verboten. Unsere Beziehung wäre daran zerbrochen, du wärst daran zerbrochen. Denkst du vielleicht, dass ich das mit meinem Gewissen hätte vereinbaren können? Es war einfacher zu gehen, verstehst du? Wir hätten nicht ewig ein Geheimnis aus unserer Beziehung machen können, früher oder später hätte uns irgendjemand erwischt und egal wie oft ich über das alles nachgedacht und es in meinem Kopf durchgespielt habe, am Ende warst immer du die geschädigte, verstehst du? Am Ende hast immer du alles abbekommen - von unseren Familien, deinen Mitschülern. Ich war mit der Schule fertig, ich hätte überall und jederzeit neu anfangen können, aber du? Du warst gefangen und du hättest jeden Tag gelitten. Hast du geglaubt, dass ich das für dich gewollt habe?“ „Ich habe trotzdem gelitten“, flüsterte Dominique, bevor sie sich sprachlos aus Sofa setzte. Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, als wollte sie sich selbst umarmen. Unbewusst begann sie auf ihrer Unterlippe herumzubeißen. Und während all dem legte sie besondere Aufmerksamkeit darauf, Freds Blick nicht zu begegnen. „Ich weiß“, wisperte Fred zurück. Er ließ sich vorsichtig neben ihr wieder, seine Wärme so unheimlich nah, dass sie sich am liebsten an ihn gekuschelt hätte. „Aber das habe ich nicht gewollte, Dome. Ich wollte doch nur, dass du glücklich wirst und ich habe gedacht, dass ich dir das ermögliche, indem ich gehe! Und es gab einen Grund, warum ich mich nicht verabschiedet habe: egal, ob ich persönlich mit dir gesprochen oder dir einen Brief geschrieben hätte - du hättest gewusst, dass etwas mit meiner erlogenen Erklärung nicht stimmt und du hättest mich gezwungen, dir alles zu erklären und ich hätte dir alles gesagt, weil ich dir nie wiederstehen konnte und dann wäre ich geblieben, weil du das von mir verlangt hättest. Und genau das konnte und wollte ich nicht riskieren. Ich dachte, wenn du glaubst, dass ich dich nicht mehr will, würdest du mich auch vergessen und weitermachen und einen Jungen für dich finden, der dich wirklich verdient und der dich glücklich machen kann und mit dem du nicht verwandt bist.“ Er lachte leise und freudlos. Dominique wendete den Kopf. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, was das blau nur noch strahlender erscheinen ließ. Ihre Wangen waren rot und ihre Lippen wirkten so weich und süß, dass Fred die Hände zu Fäusten ballen musste, um sich nicht nach vorne zu lehnen und sie zu küssen. „Du liebst mich?“, wiederholte Dominique die Frage, die sie schon einmal gestellt hatte. Und obwohl es erst Minuten her war, kam es beiden vor, wie eine Ewigkeit. Alles schien sich geändert haben, ganz plötzlich, durch Freds Erklärung. Und Dominique wollte nichts mehr über seine Gründe wissen und sie wollte ihn nicht anschreien, weil es nicht seine Aufgabe gewesen war, sie zu schützen und sie wollte ihm nicht danken, dass er es trotzdem getan hatte. Nicht jetzt. Alles, was sie in diesem Augenblick wissen wollte, war, dass Fred so empfand, wie er sagte. Sie wollte wissen, ob er so fühlte wie sie. „Ja!“ Und mehr Bestätigung brauchte sie nicht, als sie sich nach vorne lehnte und ihre Lippen vereinigte. Ihre Augen schlossen sich, sobald sie Fred berührte und ihre Hände fanden ganz automatisch den Weg in seine dunklen Haare. Der Kuss fühlte sich an wie vor drei Jahren, so, als hätte sich in all dieser Zeit überhaupt nichts geändert. Freds Lippen bewegten sich noch immer so sanft auf ihren, wie damals. Und seine Zunge strich noch immer genauso zärtlich und vorsichtig über ihre Unterlippe, um sie dazu zu bewegen, ihren Mund für ihn zu öffnen, wie damals. Und er schmeckte noch immer nach Zitrone und Früchtetee und Leben, wie damals. Und als er mit seinen Händen über ihren Körper strich, ließ sie ihn gewähren. Und als er sie auszog und erkundete, sie küsste und streichelte und ihr sagte, wie wunderschön sie sei, gab sie sich ihm einfach hin und dachte nicht darüber nach, dass sie keine Ahnung hatte, was sie hier eigentlich tat und dass sie gegen jeden ihrer Vorsätze verstieß und dass er immer noch ihr Herz in seinen Händen hielt und sie, wenn er sie wieder verlassen sollte, erneut am Ende sein würde und dass sie sich so verletzlich machte, indem sie ihm noch eine Chance gab. Nein, darüber dachte sie nicht nach, als Fred langsam in sie eindrang und sie seinen Namen flüsterte, wieder und wieder, hilflos und überglücklich zugleich, und sich alles so neu anfühlte, und so gut. Und als Fred ihre Hände miteinander verschränkte und ihr so nah kam, wie noch nie jemand, außer ihm selbst, zuvor, dachte sie auch nicht daran, dass das alles viel zu schnell ging, sondern nur, wie gut es sich anfühlte, Fred endlich wieder so nah zu sein können. ___ tbc Danke für alle Favoriteneinträge und Kommentare! :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)