Die Geflügelte Schlange - Aufstieg von Erzsebet (* * make love, not war * * - Teil 1) ================================================================================ 13. Der Untergang (jugendfrei) ------------------------------ Die Wunakim waren am Vorabend der Schlacht in das Zelt des Melack gerufen worden, und als Amemna zurück kam, legte er Nefut kurz den Angriffsplan dar. Da taktische Raffinessen mit einer frisch zusammengestellten Einheit kaum umsetzbar waren, war der Plan denkbar einfach. Die berittenen Hilfstruppen der Hannaiim sollten als erste Angriffswelle durch die gegnerische Reiterei stürmen und danach den Tetraosi in den Rücken fallen. Wenig später schickte Amemna seinen Zweiten dann hinaus, aber da der Eingang noch eine Weile offen war, sah Nefut seinen Wanack später in seine Schriftrolle schreiben. Nefut überlegte, ob er Hamarem nach dem Ausgang der Schlacht fragen sollte, wie er es vor jedem Angriff der Stammeslosen getan hatte, aber dann entschied er sich dagegen. Es würde ausgehen, wie die Götter es vorgesehen hatten. Was Gutes brachte es, vorher zu wissen, wer von ihnen den Kampf überleben würde und wer nicht? Und das erste Mal seit seiner Verstoßung verspürte Nefut vor einem Kampf nicht den Wunsch, durch die Waffe seines Gegners zu sterben. Er wollte - er würde diese Schlacht überleben und alles daran setzten, daß auch Amemna, sein Wanack, sein jüngerer Bruder, diese Schlacht überlebte. Er brachte Tyrima ein Weihrauchopfer dar und bat um Schutz für Amemna und sich in der kommenden Schlacht, dann legte er sich schlafen. * Früh am nächsten Morgen fanden sich die Wannimin der berittenen Hilfstruppen am vereinbarten Sammelpunkt ein. Hamarem wirkte erstaunlich gefaßt mit dem Schwert an seiner Seite, aber er erwiderte nichts auf Nefuts aufmunternde Worte. Der Melack ermahnte sie, den versprochenen Lohn und die durch die Plünderung Tetraos zu erwartende reiche Beute als Ansporn zu nehmen und die gegnerischen Reihen gründlich in Unordnung zu bringen, so daß die Schwere Reiterei der Hannaiim sie vernichten konnte. Der Feldherr sprach vom Ruhm für den König und der Ehre für die Soldaten, und die Priester opferten dem Ungenannten ein Pferd für den günstigen Ausgang der Schlacht. Gegen den langsam heller werdenden Himmel war am anderen Ende der Ebene ein Schatten auszumachen: das gegnerische Heer. Amemna sah etwas blaß um die Nase aus, ebenso wie Kermul und ein paar junge Reiter in anderen Wannimin. Viele von ihnen ritten wohl in ihren ersten Kampf. Amemna würde seine mangelnde Kampferfahrung jedoch sicherlich durch seine Fähigkeiten im Umgang mit dem Schwert wettmachen - und durch die Tatsache, daß ihm Murhan Darashy als sein Lehrmeister im Laufe der Zeit sicher wertvolle Ratschläge für den Krieg mitgegeben hatte, so wie vor langer Zeit bei seinem Erstgeborenen. Und Nefut lächelte Amemna aufmunternd zu. Dann wurden die Signalhörner geblasen wurden und ihr Flügel setzte sich in Bewegung. Ihr Melack ritt voran, trieb sein Pferd an und riß das Schwert aus der Scheide, hielt es ausgestreckt wie ein Banner vor sich, so daß die Klinge die endlich über dem Horizont erscheinende Morgensonne reflektierte und dadurch strahlte wie eine Fackel. "Für Hannai!" schrie er, legte noch mehr Geschwindigkeit zu, "für den König!" und die Männer wiederholten seinen Schrei und folgten ihm waffenschwenkend. Auch Amemna ließ sich von dem Tempo und dem Gebrüll mitreißen, fiel ein in die stetig wiederholten Rufe "Für Hannai, für den König!" und wie der Rest seiner Wannim beeilte Nefut sich, den Anschluß an seinen Wanack nicht zu verlieren. Die hundert berittenen Söldner der Hannaiim hielten auf den linken Flügel der Tetraosi zu. Mit Bleigeschossen und Pfeilen konnten sie gegen die mit Helmen, Brustpanzern und Schilden geschützten Reiter nicht viel ausrichten, doch der Melack hielt das Tempo, er erreichte den Gegner und preschte ungehindert durch die Reihen. Seine Leute folgten ihm. Tatsächlich schafften sie es, die Reiterei der Tetraosi ohne Verluste zu durchqueren, da die gepanzerten Gegner nicht wendig genug waren, sie wirksam aufzuhalten. Und mit ihrem Geschrei hatten sie auch die gegnerischen Tiere so weit verstört, daß die Schlachtordnung sich auflöste und sicher einige Zeit vergehen würde, bis die Tetraosi sich neu formiert hatten. Die berittenen Hilfstruppen sammelten sich ein gutes Stück hinter den gegnerischen Linien um ihren Melack, der rief: "Gut gemacht! Das wird ein leichtes Spiel!" Doch bevor der Befehl zum Angriff von hinten auf die Fußsoldaten kam, brach das Chaos über sie herein. Aus heiterem Himmel war plötzlich die Reiterei des Gegners mitten unter ihnen und nun hieß es: Schwert gegen Schwert. Nefut hatte keine Zeit, sich nach den anderen 'Mawati' umzusehen, obwohl sie mit ihren bunten Turbanen auffällig genug sein sollten. Mit seinem langen Oshey-Schwert konnte er die Vorstöße seines Gegners abwehren, doch zunächst gelang es ihm nicht, an der Deckung aus Schwert und Schild vorbeizukommen. Er nahm seinen Dolch in die Linke, fing den nächsten Schwerthieb damit ab, drückte die Klinge des anderen beiseite und nutzte die entstandene Lücke, um zuzuschlagen. Er traf seinen Gegner am Hals und er sackte im Sattel zusammen. Nefut lenkte seine wohlerzogene Stute mit den Knien an dem durch die plötzliche Gewichtsverlagerung seines toten Reiters nervös werdenden Pferd vorbei, um den nächsten Gegner zu erreichen. Doshan kämpfte ganz in der Nähe und nickte Nefut kurz zu, dann widmeten sie beide sich wieder ihrem blutigen Geschäft. Eine scharfe Klinge nahm seine Brust zum Ziel, doch ohne nachdenken zu müssen wehrte Nefut den Schlag mit dem Dolch ab und schlug ein weiteres Mal mit dem Schwert zu, er traf und der Mann fiel zu Boden. Und plötzlich war fast Stille um Nefut herum. Die Reihen der Feinde waren etwas gelichtet, ein paar herrenlose Pferde liefen in der Nähe vorbei, und am Boden lagen Leichen der Hannaiim und Tetraosi. Das aggressive Summen der Fliegen, angelockt durch das vergossene Blut, mischte sich mit dem entfernten Kampfeslärm, dem Stöhnen der Verwundeten und dem Wiehern verstörter Pferde. Da war Doshans reiterloses Pferd, unter den Hufen ein Fetzen des Ma'ouwati-Tuches, das der Mann um den Kopf gewickelt gehabt hatte. Wo war Amemna? War er diesem Kampf wirklich gewachsen? Was, wenn auch er getötet würde? Einige Reiter mit bunten Turbanen konnte Nefut ausmachen, einer davon zweifelsfrei Amemna, Tyrima sei Dank. Dann wurde Nefut von einem Wanack oder Melack der Tetraosi angegriffen, ohne Schild, dafür mit zwei Schwertern. Dieser Mann verstand sein Handwerk und gab sich keine Blöße, egal welche Tricks Nefut versuchte. Doch gelang es auch dem anderen nicht, Nefuts Deckung zu durchbrechen. Dann war ein weiterer Mann mit buntem Turban neben Nefut, und gemeinsam mit Derhan gelang es ihm schließlich, den Gegner schwer am Oberschenkel zu verwunden. Bevor der Tetraosi jedoch aus dem Sattel rutschte, stieß er eine seiner schmalen Klingen noch tief in Derhans Eingeweide. "Zieh Dich zurück, Derhan", rief Nefut in der Atempause, die der Tod des Mannes ihnen verschaffte, und Derhan, der sich gerade noch auf seinem Pferd halten konnte, gehorchte mit bleichem Gesicht und großen Schweißperlen auf der Stirn. Nur noch drei der bunten Turbane waren zu sehen! "Stirb, du dreckiger Oshey", schrie ein noch junger Mann Nefut entgegen, bevor er auch nur auf Schwertlänge herangekommen war. Nefut wartete nicht auf weitere Beleidigungen, war mit einem Satz seines Pferdes neben dem Jüngling und tötete ihn. Wo war Amemna? Dort drüben war Hamarem, beide Arme bis zu den Schultern blutig, doch noch immer sicher im Sattel. Also war es wohl nicht sein eigenes Blut. Da war Oremar, der sich im Kampf mit einem Tetraosi zu Fuß befand und ihn gerade niederstreckte, und da war Amemna - in Bedrängnis! Nefut spornte sein Pferd an, preschte rücksichtslos über die Verwundeten beider Seiten, die sich nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Kampfgetümmel zurückziehen konnten und stieß Amemnas Angreifer den Dolch von hinten unterhalb des ledernen Brustpanzers in den Leib. Erst als sein Gegner zusammensackte, bemerkte der Wanack seinen Zweiten. "Danke", keuchte Amemna, und schon trennten sie weitere Tetraosi wieder voneinander. Wie lang würde das noch so weitergehen? Wie viele Männer hatte die Reiterei der Tetraosi? Die Arme wurde Nefut schon schwer, doch auch mit dem nächsten Gegner wurde er fertig. Und endlich erklang ein Gong aus dem nahen Lager der Tetraosi. Wie ein Mann zogen sich die Gegner dorthin zurück, sogar die Verwundeten versuchten, dem Ruf zu folgen. Die Hannaiim hatten die Schlacht also gewonnen, und Nefut sah sich wieder nach seinem Wanack um. Amemna hing nach vorne gebeugt über dem Hals seines Pferdes, das Blut floß aus seiner Brust. Nefut eilte an seine Seite, aber Oremar war schneller, zog seinen Wanack vom Pferd und bettete ihn vorsichtig auf dem zertrampelten Boden. Ein abgeerntetes Getreidefeld war es, auf dem diese Schlacht ausgetragen worden war, stellte Nefut - seltsam losgelöst von den Ereignissen - fest. "Er stirbt", sagte Oremar so leise, daß Nefut es im ersten Moment nicht verstand. Dann kam die Erkenntnis: hier starb sein gerade erst gefundener Bruder. Er sah Amemna in die noch immer offenen, aber blicklosen Augen, der Mund halb geöffnet, als versuche er, etwas zu sagen, doch kein Laut kam über seine Lippen. Und der Blutstrom aus der Wunde unter Amemnas Schulter versiegte. Nefut kniete sich neben seinen Bruder, griff nach seiner schlaffen Hand, aber jedes Leben war aus diesem Körper gewichen. Nefuts Augen begannen zu brennen, er kämpfte gegen die Tränen, sah weg von dem leblosen Körper in die Ferne und erblickte eine willkommene Ablenkung. "Da ist eines unserer Pferde! Die sollen nicht irgend jemandes Kriegsbeute werden", rief er im Aufspringen und ritt hinterher, um das herrenlose Tier einzufangen. Nach kurzer Jagd war es Nefut gelungen, insgesamt drei der Mawati-Pferde einzufangen, dann machte er kehrt, um zu Amemna und Oremar zurückzureiten. Auf dem Rückweg entdeckte er Hamarem und Derhan, die an einen Pferdekadaver gelehnt zwischen den Gefallenen saßen. Derhan lebte noch, sah aber ungesund blaß und apathisch aus. Und auf die geringe Entfernung stellte Nefut fest, daß Hamarems Ärmel einige Schnitte aufwiesen, das Blut, das sein graues Untergewand rot färbte, also durchaus sein eigenes war. "Ich bringe Amemna zu euch", sagte er und ärgerte sich über seine belegte Stimme, dann kehrte er zurück zu Oremar und seinem toten Wanack, zu dem Leichnam seines Bruders Amemna Darashy. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)