Die Geflügelte Schlange - Aufstieg von Erzsebet (* * make love, not war * * - Teil 1) ================================================================================ 11. Die Uniformierung --------------------- Da der junge Wanack in seiner neuen Kleidung eine so gute Figur machte, sorgte Nefut noch vor Sonnenaufgang dafür, daß die Stammeslosen mehr nach den Gefolgsleute eines Darashyprinzen aussahen. In Hannai hatte er Schwarze Tinte gekauft, befahl den Männern nun, ihre Augenlider zu schminken und half, die Darashy-Schlange auf ihre Nasenrücken zu zeichnen. Und auch hier zeigte sich wieder, wie wenig die Stammeslosen von dem Erbe ihrer Väter wußten. Der junge Kermul und sogar der schon längst erwachsene Oremar mußten sich von den älteren Männern zeigen lassen, wie man die Schwarze Tinte verwendete. Als sie dann in der Morgensonne an der Stadtmauer von Nemis vorbei zum Heerlager ritten und Amemna Darashys neuer Mantel sich in seinem Rücken bauschte, als verberge er ein paar Flügel darunter, fand Nefut das sehr passend für einen, der als Unirdischer galt. Bei den Anwerbern des Heeres machte das allerdings weniger Eindruck. "Schreibt euch hier in die Liste, Herr", sagte der Schreiber, sein abschätziger Blick jedoch strafte seine höflichen Worte Lügen. Amemna Darashy nahm die Feder in die Hand, aber zögerte noch. "Soll ich mich einfach mit vollem Namen einschrreiben oder auch mit den Namen meinerr Väterr und..." "Schreibt euren Namen, Oshey, egal wie vornehm ihr seid. Schließlich meldet ihr euch und nicht eure Väter", unterbrach der Schreiber ihn barsch. Wanack Darashy schrieb sich also ein und bestimmte: "Mein Zweiterr wirrd sich ebenfalls einschrreiben." Der Schreiber zuckte mit den Schultern und ließ geschehen, daß auch Nefut sich über die Rolle beugte. 'Amemna, Sohn des Prinzen Murhan von den Darashy' stand dort in sehr ordentlichen Buchstaben. 'Wanack mit Wannim'. 'Nefut von Bussir', schrieb Nefut kurzentschlossen darunter, 'Zweiter des Wanack Darashy'. Es mochte ja noch andere Männer mit Namen 'Murhan' in der fürstlichen Familie der Darashy geben. Da der Vater von Amemna aber mindestens so alt wie Nefut selbst sein mußte, war es unwahrscheinlich, daß Nefut den betreffende Murhan nicht kannte. Als Amemnas Vater kam also nur der Murhan Darashy in Frage, der auch Nefuts Vater war. Da der junge Wanack Nefuts Vater allerdings kein bißchen ähnlich sah, sollte er Amemna Darashy wohl einmal auf den Zahn fühlen. Der Schreiber fügte die Namen der anderen neun Männer hinzu und händigte dem Wanack eine aus Horn geschnitzte Marke aus, die dieser dem Zahlmeister vorlegen sollte, um das Handgeld und den Bonus zu erhalten. Und bevor er sich mit Amemna Darashy auf den Weg zum Zelt des Zahlmeisters machte, wies Nefut die Männer an, für den Aufbau der Zelte zu sorgen. "Soso, Nefut von Bussirr heißt du also, Zweiterr", neckte der junge Wanack auf dem Weg durch das Lager. "Warr das schon vorr unserrerr Rrast in Bussirr dein Name?" Nefut erwiderte das Grinsen und nutzte die sich ihm bietende Gelegenheit. "Und du bist also der Sohn von Murhan Darashy, dem Sohn der Schwester des Fürsten?" "Ja, ich bin Murrhans Ziehsohn und Ehemann seinerr Tochterr." Also hatte Amemna Darashy Zugang zur Schlangenklinge gehabt. Aber hatte er sie wirklich von Murhan erhalten? "Wie kommt Murhan Darashy denn zu einem unirdischen Ziehsohn?" fragte Nefut wie beiläufig. Ob Amemna Darashy etwas von Murhans Erstgeborenem wußte? "Das ist eine lange Geschichte, die auf den Westlichen Inseln beginnt", antwortete Amemna nur und ging mit langen Schritten weiter die Reihen der Zelte entlang ins Zentrum des Lagers, so daß Nefut schon fast Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten ohne zu laufen. Amemna war also eine Art Bruder, doch Nefut würde es ihm nicht sagen können ohne zu erwähnen, wieso er verstoßen worden war. * Amemna Darashys Wannim war den berittenen Hilfstruppen zugeteilt worden und bereits kurz nach der Mittagsstunde wurden sie mit den anderen Wannimin gemustert, da für den nächsten Tag der Marsch nach Tetraos anstand, der Stadt, die der König von Hannai erobern wollte. Bei den berittenen Söldnern war nur eine andere Oshey-Wannim zu sehen. Es gab einige Ostler, die mit Bögen bewaffnet waren und eine Einheit aus dem tiefen Süden mit Schleudern und Schwertern. Die meisten anderen Einheiten setzten sich aus Bewohnern der nördlichen Städte zusammen und waren mehr oder weniger einheitlich gerüstet mit den kurzen städtischen Schwertern an ihrer Seite und kleinen runden Schilden auf ihrem Rücken. An der ledergeharnischten Brust des einen oder anderen Wanack blinkten auch frisch polierte Metallteile, doch nur der Melack, der Befehlshaber der Söldner zu Pferd, trug einen Schuppenpanzer. Dieser Melack, ein Städter mit eingeöltem Bart, goldenen Ohrringen und einem leuchtend gelben Federbusch auf dem Helm schaute sich Amemnas Wannim einige Zeit mit gerümpfter Nase an. "Ihr seht aus wie eine Räuberbande", sagte er dann. "Aber von Oshey kann man wohl nicht mehr erwarten." Nefut sah Derhan neben sich grinsen, bemühte sich aber, selbst keine Miene zu verziehen. "Immerhin habt ihr ganz ordentliche Pferde, nunja. Sehen wir mal, wer von euch die erste Schlacht überlebt, dann können wir uns darum kümmern, wie ihr ausseht." Bei diesen Worten strich sich der Melack über den Bart, dann ritt weiter zur nächsten Wannim. Kaum war er außer Hörweite, quäkte Oremar mit zugehaltener Nase: "Ihr seht aus wie eine Räuberbande", und die anderen lachten lauthals, sogar Nefut konnte sich nun ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Wanack Darashy drehte sich im Sattel zu seiner Wannim um. "So, also eine Rräuberrbande." Dann sah er Nefut an. "Weißt du, was Ma'ouwati-Tücherr sind, Zweiterr?" Nefut kannte die bunt gemusterten Tücher, die die Frauen in den großen Städten und vornehmen Stammessippen kauften, um sich daraus Kleider zu nähen und nickte. "Was hast Du damit vor, Wanack?" Amemna lächelte hinterhältig. "Wirr uniforrmieren uns. Wirr kaufen von meinem Geld auf dem Marrkt von Nemis elf Tücherr und heute abend zeige ich euch allen, wie man den Tarra'kt bindet." Neidvoll mußte Nefut anerkennen, daß eine Uniformierung tatsächlich eine gute Idee war, um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, doch dazu Männer mit Ma'ouwati-Tüchern zu bekleiden war Nefut mehr als suspekt. Amemna allerdings ignorierte hoheitsvoll Nefuts skeptisch zusammengezogene Augenbrauen und besprach auf dem Weg zu den Pferdepferchen statt dessen mit Farhan und Oremar, welche Vorräte noch zu kaufen seien. Vielleicht hatte der junge Wanack nicht genügend Erfahrung, die Wannim in allen Dingen ohne Hilfe zu befehligen, aber im Umgang mit Untergebenen kannte er sich offensichtlich aus. Als sie ihre Zelte wieder erreicht hatten, wurde der Wanack von einem Boten in das Zelt des Melack gerufen, so daß schließlich Nefut und Farhan den Markt von Nemis aufsuchten, um die Ma'ouwati-Tücher und die Vorräte für die nächsten Tage zu kaufen. "Wie kommt ein so junger Mann auf eine solch perverse Idee, seine Wannim mit Frauenkleidern zu behängen", fragte Nefut auf dem Weg, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. "Vielleicht ist das Ostlerhumor", antwortete Farhan überraschend. Auf Nefuts erstaunten Blick fuhr er fort: "Kennst Du nicht die Geschichten von der Ostlerwannim, deren Angehörige alle Liebhaber sind und im Kampf gegen die stärksten Gegner bestehen, weil sie niemals zurückweichen, um ihre Liebsten nicht preiszugeben? Männer, die sich wie Frauen begatten lassen oder die sich wie Frauen kleiden, wo ist da der Unterschied?" Nefut berührte dieses Gesprächsthema sehr unangenehm und er merkte, wie seine Ohren heiß wurden. Egal wie andere Stammeslose das vielleicht sahen, für ihn galten nach wie vor die Gebote der Weisen und Heiligen. Nefut holte schon Luft für eine passende Bemerkung, aber hielt dann inne. War Farhan nicht als Schreiber für Amemna zuständig gewesen? "Ist es denn wahr, daß unser Wanack aus der Schädeloase an seine Ostlerfamilie in Ma'ouwat geschrieben hat?" fragte er darum statt dessen. Farhan nickte. "Der Brief nach Ma'ouwat war an einen... Am...Adarach um-Anasku adressiert, den Brief selbst konnte ich nicht so gut lesen, er war in Schrift und Sprache der Südländer verfaßt. Aber da der Brief an die Darashy in Ordnung gewesen war und ich in dem anderen Brief nichts offensichtlich Verfängliches gefunden hatte, war Ashan damit einverstanden, daß er nach Ma'ouwat geschickt wird." "Und dieser Adarach ist ein Familienangehöriger von unserem Wanack?" fragte Nefut neugierig. "Ich nehme es an. Der Brief war jedenfalls in sehr vertrautem Ton abgefaßt, deswegen hatte ich auch Probleme, ihn zu lesen. Mit den diplomatischen Texten der Südländer bin ich einigermaßen vertraut." Vielleicht kam man als junger Mann auf perverse Ideen, wenn das strenge Regiment Murhan Darashys durch den Einfluß ausländischer Verwandter aufgeweicht wurde, ging Nefut durch den Kopf. Auch Nefut war die meiste Zeit fern der Stämme aufgewachsen, aber seiner Mutter hatte in Nefuts frühester Jugend darauf geachtet, daß er die Erziehung eines Oshey erhielt. Nefut stellte fest, daß er neidisch auf Amemna war, der es unter ähnlichen Voraussetzungen geschafft hatte, Murhans Wertvorstellungen und Gedanken nicht ungeprüft zu seinen eigenen zu machen. Und ein kleines bißchen war er deswegen auch stolz auf seinen jüngeren Bruder. Aber die Sache mit den Ma'ouwat-Tüchern gefiel ihm trotzdem nicht. Da Nefut nicht in der Stimmung für weitere Gespräche war und Farhan stetig die Liste der Einkäufe memorierte, gingen sie schweigend über den Markt, beluden ihr Kamel mit Getreide, Gemüse, Trockenfrüchten und Gewürzen und fanden schließlich auch elf einander ähnliche Ma'ouwati-Tücher, mußten aber Amemnas ganzen Anteil am Handgeld und fast den halben Bonus dafür ausgeben. Nach dem, wie der Melack zu den Oshey stand, würde ihn das Aussehen von Amemnas Wannim sicher nicht erschüttern, aber die Männer würden ihm im Gedächtnis bleiben. * Als die abendlichen Kochfeuer entzündet worden waren, wollte Amemna allen zeigen, wie das Ma'ouwat-Tuch zu einer Art Turban, dem 'Tarra'kt' gewickelt werden konnte. Aber Telwar weigerte sich, ein Frauentuch auch nur in die Hand zu nehmen und rief herausfordernd: "Ich laß' mich nicht wie eine Fotze ficken und ich werd' mich nicht wie eine kleiden!" Die anderen bekundeten laut johlend ihre Zustimmung mit diesem Ausruf. Nefut, der sich dem gerne angeschlossen hätte, aber als Zweiter eigentlich dafür verantwortlich war, den beginnenden Aufruhr einzudämmen, war einen Moment durch Hamarems Reaktion abgelenkt. Während Amemna bei Telwars Ausruf zwar zusammengezuckt war, nun aber verständnislos in die Runde schaute, war Hamarems Gesicht knallrot geworden. Und das erste Mal seit er ihn kannte fragte Nefut sich ernsthaft, in welchem Kloster Hamarem nur sein Leben verbracht hatte, daß er über eine so große Kenntnis der Schriften verfügte, aber so wenig über das wirkliche Leben wußte. Dann aber griff Nefut sich den Wortführer, zog Telwar am Kragen des Untergewandes auf die eigene Augenhöhe hoch und herrschte ihn mit seinem ganzen eigenen Zorn über Amemnas Befehl und der Frustration über die Tatsache, daß er den Befehl auch noch durchsetzen mußte, an: "Du tust genau wie alle, was dir von deinem Wanack befohlen wurde, sonst steck' ich dir das Tuch wohin, daß du dir wünscht, du hättest dich ficken lassen!" Das hatte die gewünschte Wirkung. Telwar zog den Kopf ein und alle anderen Männer verstummten. Nefut dankte Tyrima im Stillen für die lückenhaften Sprachkenntnisse seines Wanack, dann verbeugte er sich vor Amemna und sagte: "Wir sind alle begierig darauf zu lernen, wie man den ... 'Tarrax' bindet." Keiner wagte, dem zu widersprechen, auch Amemna nicht, obwohl er bei dem schlecht ausgesprochenen Klicklaut die weißen Augenbrauen zusammengezogen hatte. Und alle lernte noch vor dem Nachtmahl, einen manierlichen Turban aus den großen, bunten Ma'ouwati-Tüchern zu binden. * Am nächsten Morgen machte sich das Heer der Hannaiim auf den Weg nach Tetraos und natürlich passierte, was Nefut im Stillen schon befürchtet hatte. Zwei der Männer aus der anderen Oshey-Wannim sprachen ihn während der Mittagsrast an der Wasserausgabe auf die Ma'ouwati-Tücher an. Nefut versuchte, ein ausdrucksloses Gesicht zu machen und antwortete steif: "Unser Wanack lebte eine Weile in Ma'ouwat. Er wollte auf diese Weise sicherstellen, daß wir auf einen Blick von eurer Wannim zu unterscheiden sind." "Der hat ja merkwürdige Ideen, euer Wanack", sagte der eine Oshey, der bisher den Wortführer machte. Dann warf der andere ein: "Und er hat einen merkwürdigen Akzent. Er klingt wie ein Südler." "Wie ich schon sagte, er lebte in Ma'ouwat", entgegnete Nefut darauf ein zweites Mal und versuchte, das Gespräch zu beenden, indem er sich auf den Weg zurück zu seiner Wannim machte. "Also seid ihr wohl... Mawati und keine Oshey", rief ihm der erste der beiden Männer hinterher und beide schütteten sich aus vor Lachen. "Es heißt 'Ma'ouwati', nicht 'Mawati'", presste Nefut zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, aber er drehte sich nicht um. Das Lachen verfolgte ihn noch eine Weile und Nefut verfluchte ein weiteres Mal die Ma'ouwati-Tücher auf die sein Wanack bestanden hatte. Während des Marsches hatten die anderen Oshey ihren Witz unter den berittenen Hilfstruppen wohl weiter verbreitet, denn während der nächtlichen Rast hörte Nefut mehrfach von ihrer Wannim als den 'Mawati' sprechen. Er überlegte, ob er nicht doch noch den Erfinder dieser Bezeichnung suchen und zusammenschlagen sollte, aber die Männer der Wannim nahmen diese Bezeichnung mit Begeisterung, ja, sogar mit Stolz auf. Vielleicht waren die Ma'ouwati-Tücher doch keine so schlechte Idee gewesen, wenn die Männer innerhalb eines Tages durch die farbenfrohen Kopftücher zu ihren schwarzen Mänteln tatsächlich die 'Mawati' geworden waren. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)