Wege von Alaiya (Shifu & Fengluang [KFP]) ================================================================================ Akt I, Szene I – Einleitung – Ein Kampf im Bambuswald ----------------------------------------------------- Pfeilschnell durchbohrten die dünnen Metalklingen den Bambus und nagelten ihren Gegner fest. Grazil landete Fenghuang auf dem steinigen Boden vor Hei Xiong, der sich mit einem tiefen Knurren losriss. Die Klingen lösten sich, als der Schwarzbär sich losriss und auf die kleinere Eule zustürmte, der jedoch keine Angst anzumerken war. Ihre Füße in der Grundhaltung wartete sie auf seinen Angriff, nur um im letzten Moment auszuweichen. Lautlos breitete sie ihre Flügel aus und blieb hinter ihrem Gegner in der Luft schweben. Der immer wütender werdende Bär, stieß sich vom Boden ab, und sprang erneut auf sie zu, hatte jedoch keine Chance sie zu treffen. Fenghuang war zu schnell für ihn. Nun verstand Shifu, welches Potential Meister Oogway in ihr sah, dass er sie einzeln trainierte. Denn auch wenn Hei Xiong groß war, so war er auch schnell, war er immerhin ein ehemaliger Meister, der ebenfalls im Jadepalast Kung Fu erlernt hatte. Er war selbst schneller als er – Shifu – selbst gewesen, hatte ihn mit nur zwei Berührungen vorerst kampfunfähig gemacht. Doch trotzdem schien der Bär nicht die geringste Chance zu haben Fenghuang zu berühren, die selbst im dichten Bambuswald so mühelos auswich, als würde sie frei in einer milden Abendbrise schweben. Auf dem Gesicht der Eule zeichnete sich so etwas wie ein Lächeln ab. „Du“, knurrte der Bär und nahm seine eigene Grundhaltung an. „Ihr seid Schüler Oogways, es ist nicht möglich, dass ihr mich besiegt!“ „Nein?“, erwiderte Fenghuang. „Das würde mich wundern, denn danach sieht es gerade aus.“ „Oogway ist nur eine alte verdatterte Schildkröte“, rief der Bär aus und begann seine Beine zu bewegen. „Er kann niemanden mehr etwas beibringen.“ Auch seine Tatzen bewegten sich zu seiner rechten Seite, wurden von einem goldenen Schimmer umgeben. „Hätte er überhaupt daran Interesse...!“ Er bewegte seine Hände nach vorn und Shifu erkannte, dass er einen Energiestoß abgeben wollte, doch erneut war die Eule schneller. Nur zwei Mal schlug sie mit den Flügeln und brachte sich ein ganzes Stück weiter in die Höhe, ehe sie sich um die eigene Achse drehte und dann auf einmal die grauen Flügel vor sich schwang und im nächsten Moment eine grüne Welle aus Energie auf ihren Gegner hinabsandte, die ihn zu Boden streckte, noch bevor er seine Attacke vollends ausführen konnte. Dort bliebt er bewegungslos liegen. Ruhig und ohne Eile landete sie neben ihm und platzierte ihre linke Kralle auf seinem Kopf. „Ganz offenbar habe ich doch genug gelernt, Hei Xiong“, meinte sie abschätzig, ehe sie zu Shifu herüberging, der gerade erst verstand, dass das, was er gerade gesehen hatte, der legendäre donnernde Windhammer gewesen sein musste. Genau so einfach, wie Hei Xiong ihn über seine Akupressurpunkte ausgeschalten hatte, sorgte die Eule auf dieselbe Art dafür, dass er sich im nächsten Moment wieder bewegen konnte. „Alles in Ordnung, Shifu?“ Ihre Stimme klang vollkommen neutral. „Ja“, erwiderte der noch relativ junge rote Panda, auch wenn er merkte, dass sein Stolz einmal wieder einen nicht zu kleinen Knacks davon getragen hatte. „Dann ist gut“, antwortete sie und wandte sich ab. „Wir sollten ihn zu Meister Oogway bringen.“ „Ja, ja, natürlich“, entgegnete Shifu, der sich noch nicht wieder ganz gesammelt hatte. „Das eben... Das war eine der geheimen Techniken.“ Fenghuang lächelte. „Ja.“ Damit versenkte sie ihre Krallen unsanft im Nacken des Bären und hob trotz des immensen Zusatzgewichtes Problemlos vom Boden ab. Akt I, Szene II – Unter dem Pfirsichbaum – Von verschiedenen Wegen ------------------------------------------------------------------ Der Klang von Shifus Dizi war im ganzen Jadepalast zu hören, während der rote Panda unter dem Baum der himmlischen Weisheit saß und spielte. Dies tat er immer, wenn er beunruhigt war und auch Meditation nichts brachte. Sprich: Seit einigen Wochen beinahe jeden Abend. Shifu hatte sich im Lotussitz auf einem der größeren Felsen direkt an vor dem Abgrund platz genommen. Von hier aus konnte man das gesamte Friedenstal überblicken, das sich im Mondschein vor ihm ausbreitete. Es sah – wie es auch sollte – friedlich aus. Doch der Schein konnte trügen. Denn nur von einem Unruhestifter änderte sich aus der Ferne dieses Bild nicht. Und von diesen einzelnen Unruhestiftern hatte es viele in den letzten Monaten gegeben. Ausgerechnet jetzt... Er setzte die Flöte wieder an. Zwei der furiosen Fünf waren schon eine ganze Weile verschollen und nachdem Luang vor eineinhalb Wochen zu einer Mission außerhalb des Tals aufgebrochen war, waren Shifu, Fenghuang und natürlich Oogway die einzigen Meister im Jadepalast. Und dabei war er selbst erst vor kurzem in den Stand des Meisters erhoben worden, wobei er sich nicht mehr sicher war, ob überhaupt zurecht. Als sie heute gegen Hei Xiong gekämpft hatte, hatte er nichts tun können. Wäre Fenghuang nicht gewesen, so hätten sie keine Chance gehabt. Natürlich, es hätte noch immer Oogway gegeben, der ihn hätte aufhalten können. Doch der Schaden wäre größer gewesen, viel größer. Erneut setzte er die hölzerne Flöte ab, als eine Stimme erklang. „Ich sehe, du bist beunruhigt, junger Meister“, hörte er die ruhige Stimme der alten Schildkröte. Wie immer war Oogway zu ihm gekommen, ohne dass Shifu nur ein leises Rascheln seiner Robe gehört hatte. „Meister Oogway“, stammelte er daher verunsichert. „Der Verunsicherte verliert schnell den Weg und verirrt sich“, meinte die Schildkröte. „Aber Meister Oogway“, begann der Panda und sah zu seinem Meister. „Ich...“ Er blickte wieder zu Boden. „Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt auf den richtigen Weg laufe.“ „Es gibt mehr als einen richtigen Weg, mein junger Freund.“ Oogway trat neben ihn und sah in das Tal hinab. „Und nicht alle führen an dasselbe Ziel. Doch an ein Ziel führen sie alle.“ Er pausierte. „Und manchmal führen verschiedene Wege an dasselbe Ziel und auch wenn einer einen Umweg beschreitet, macht ihn das falsch?“ Shifu setzte zu einer Antwort an, wohl wissend, dass sein Meister viel weiser und weitsichtiger war, als er es jemals sein wollte, als dieser ihn schon unterbrach in dem er tief und gelassen und vor allem deutlich hörbar einatmete. „Riechst du das, Shifu?“, fragte er dann. „Ein Sturm zieht auf. Du magst die Wolken noch nicht sehen, aber du riechst, du spürst wie er sich nähert.“ Der rote Panda wurde kleinlaut. „Nein, Meister, ich spüre gar nichts.“ „Weil du es nicht versuchst, junger Meister“, erwiderte die alte Schildkröte. „Weil du nicht glaubst, dass...“ Da platzte es aus Shifu heraus. „Ich kann das Tal nicht beschützen.“ Aufgebracht sprang er auf, so dass er nun vom Felsen aus ein wenig größer als Oogway war. „Heute hat Hei Xiong mich mit nur zwei Schlägen niedergestreckt! Ich konnte nichts tun! Wäre Fenghuang nicht gewesen, hätte er das Dorf angegriffen!“ Er senkte den Blick. „Ich bin es nicht würdig ein Meister zu sein. Ich bin es nicht würdig länger hier zu bleiben.“ „Es gibt viele Wege an dasselbe Ziel, Shifu, und keiner von ihnen ist falsch.“ Der Meister sah ihn nicht einmal an. „Sie alle werden dich an Ziel bringen. Doch wenn du, egal auf welchen von ihnen, stehen bleibst und kehrt machst, so wirst du dieses nie erreichen.“ „Aber Fenghuang...“, setzte Shifu erneut aufgebracht an. „Fenghuangs Weg ist nicht der deine, mein junger Shifu.“ Nun sah ihn die Schildkröte an. „Noch ist es ihr Ziel. Und auch wenn sich eure Wege einmal kreuzen, so sind sie doch gänzlich verschieden. Und ich bin froh dass du einen anderen Weg gehst als sie.“ Er schenkte seinem Schüler ein müdes Lächeln. Dieser schwieg und verbeugte sich dann, die rechte Faust in der Handfläche der linken Hand. „Meister.“ „Du solltest dich nicht mit anderen vergleichen, Shifu, sondern dich auf deinen eigenen Weg konzentrieren und ihm folgen, bis du dein eigenes Ziel erreichst.“ Shifu verharrte in seiner Verbeugung. „Ja, Meister.“ Für einige Momente herrschte Schweigen, während ein Windhauch die Blätter und Blüten des Pfirsichbaumes rascheln ließ, ehe Oogway wieder auf das Tal hinabsah. „Es ist spät, Shifu“, meinte er. „Du solltest dich dem Abgrund abwänden.“ „Meister, was...“, setzte der junge Panda an. Nun machte sich so etwas wie ein Grinsen auf dem Gesicht der Schildkröte breit. „Damit meine ich, dass du einen langen Tag hattest und dich vielleicht etwas ausruhen solltest.“ „Natürlich, Meister Oogway.“ Sofort verbeugte sich Shifu. „Gute Nacht.“ Damit eilte er zum Palast zurück, blieb jedoch auf der obersten Stufe der Treppe, die zu diesem hoch führte stehen und sah zurück, während die Schildkröte noch immer auf das Tal hinab schaute. Shifu konnte nicht von sich behaupten, all den Worte des weisen Meisters folgen zu können. Natürlich gab es falsche Wege... Er schüttelte den Kopf. Akt I, Szene III – Hof des Jadepalastes – Training in den Morgenstunden ----------------------------------------------------------------------- Bereits früh – die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, sondern schickte lediglich erste Strahlen über den Horizont und tauchte den Himmel in ein tiefes Rot – am nächsten Tag war Shifu im Innenhof des Jadepalastes und trainierte.Er durfte nicht nachlässig sein. Er würde trainieren, bis er entweder tot umfiel oder es würdig war den Meistermantel zu tragen, würdig, sich zu den furiosen Fünf zu zählen. So übte er seine Beinarbeit, bemühte sich seine Wendigkeit noch weiter zu verbessern und schlug einige Puppen aus Stroh und Holz entzwei. Auch als die Sonne über die Berge im Osten gestiegen war, ruhte er nicht, obwohl sein Atem bereits schwer ging und sein Magen knurrte, da er noch nichts gegessen hatte. Er drehte sich zu einer weiteren Strohpuppe um, als seine Augen eine Bewegung im Geäst von einem der wenigen Bäume, die den Hof umgaben, erkannte. Nun hielt er inne. „Fenghuang?“, keuchte er. „Du trainierst hart, mein Freund“, meinte die Eule, breitete ihre Flügel aus und landete im nächsten Moment vor ihn. „Doch ich habe das Gefühl, dass die Wahl deiner...“ Sie zögerte und sah zu den zersplitterten Überresten einer Holzpuppe. „... Deiner Gegner doch weit unter dem Niveau eines Meisters, weit unter deinem Niveau liegt.“ „Fenghuang, ich...“, wollte er sich erklären, doch sie schüttelte ihren großen Kopf. „Kämpfe gegen mich, Shifu“, forderte sie ihn dann mit einer Spur Amüsement in ihrer Stimme auf. „Aber Fenghuang, das ist nicht möglich“, widersprach er schnell. „Niemals könnte ich dich schlagen. Ich bin kein würdiger Gegner für dich.“ „Wenn du an dieser Einstellung festhältst, wirst du es auch niemals sein.“ Die Eule machte einige Schritte von ihm fort, jedoch ohne ihn dabei mit ihrem drehbaren Kopf aus den Augen zu lassen. „Komm schon, Shifu, hast du etwa solche Angst zu verlieren?“ Noch immer zögerte der kleine rote Panda, nahm dann jedoch wieder Kampfhaltung an. Fenghuang drehte sich nun wieder zu ihm um, ohne dass sich ihr Kopf dabei bewegte. „Na also.“ Sie selbst nahm keine Kampfhaltung an – wartete nur. Nachdem er einige Male tief durchgeatmet hatte, sprang Shifu schließlich los und versuchte seine Kameradin mit einem Tritt anzugreifen, der natürlich nicht traf, sondern mit einer einfachen Flügelbewegung der Eule abgewehrt wurde. Der kleine Panda wurde zurückgeworfen, fing sich jedoch in der Luft wieder, drehte sich und stieß sich dann von der Mauer, gegen die er sonst geschleudert worden wäre, ab, um erneut anzugreifen. Dieses Mal wählte er eine Reihe von Schlägen, wusste jedoch schon bevor er wieder zurücksprang, dass kein einziger getroffen hatte, auch wenn sie ihn nicht zurückwarf. Er sah in ihr Gesicht, dass nicht die Spur von Anstrengung zeigte, und wollte schon aufgeben, als sie fragte: „Was ist?“ Also riss er sich zusammen und wagte einen neuen Angriff, beschloss dieses mal seine Wendigkeit zu seinem Vorteil zu nutzen oder es zumindest zu versuchen. So sprang er auf seine Gegnerin zu, so dass er zwischendurch noch einmal auf dem Boden landen musste, vermeintlich um seinem Angriff weiteren Schwung zu geben. Stattdessen sprang er von dort aus jedoch in die Richtung des Baumes, indem Fenghuang zuvor gesessen hatte und nutzte die federnden Äste, um weiteren Schwung aufzunehmen. Mit der Faust voran flog er so förmlich auf sie zu. Erneut wurde sein Schlag abgewehrt, doch dieses Mal drehte er sich in der Luft, um mit einem Tritt nachzusetzen. Bevor er aber den Schaden seines Tritts abschätzen konnte, wurde er von einem weiteren Schlag von Fenghuangs kräftigen Flügel getroffen und erneut zurückgeworfen. Dieses Mal konnte er sich nicht mehr in der Luft abfangen und rollte so ohne Kontrolle ein Stück über den Boden, wo er schließlich kraftlos liegen blieb. „Du darfst deine Verteidigung nicht vernachlässigen, Shifu“, mahnte Fenghuang. Keuchend richtete sich der jüngere Meister auf und sah sie an. Er spürte, wie Verzweiflung in ihm aufkeimte, nun, wo er so deutlich sah, wie viel schwächer er gegenüber Fenghuang war. Er versuchte sich zu sammeln und wagte einen erneuten Faustangriff, dem sie jedoch mit einem einfachen Schritt zur Seite auswich. „Du glaubst nicht einmal daran, dass du mich auch nur berühren könntest“, stellte sie nüchtern fest. „Wie könnte ich, Fenghuang?“, erwiderte er. „Mit dieser Einstellung wirst du nie einen Kampf gewinnen, Shifu.“ Sie sah ihn an. „Denn wer an sich selbst zweifelt hat schon verloren.“ „Dann ist es falsch seinen Platz zu kennen?“ Er konnte nicht verhindern bei diesen Worten aufgebracht zu klingen. „Es ist falsch, nicht zu versuchen, sich zu verbessern“, antwortete sie ruhig. „Es ist falsch stehen zu bleiben.“ „Aber was ist, wenn das bereits das Maximum meiner Fähigkeiten ist?“ Er sah sie an. „Was ist, wenn ich mich bei allem Training nicht weiter verbessern kann? Wenn ich nicht das nötige Talent besitze?“ „Das sind die Worte eines faulen Narren, der nach einer Ausrede für seine eigene Schwäche sucht“, bemerkte sie spitz. Nun zögerte er. „Aber Fenghuang“, begann er dann. „Was soll ich denn tun?“ Sie blieb stehen und sah ihn für einen Moment an. „Trainiere von nun an jeden Tag mit mir.“ Damit wandte sie sich ab. „Und komm nun mit. Du solltest etwas essen.“ Wieder zögerte er, denn es war klar, dass sie keine Antwort erwartete. Er sah sich um. Nach Stand der Sonne zu urteilen, war der Vormittag schon weit voran geschritten. Um ihn herum lagen die Trümmer der Trainingspuppen, die er zerstört hatte. Ein sinnloses Training. Derweil hatte Fenghuang bereits die Terrasse des Gebäudes, in dem die Meister lebten erreicht und war stehen geblieben. Dann nickte er zu sich selbst und folgte ihr. Akt II, Szene I – Vor der Trainingshalle – Ein belauschtes Gespräch ------------------------------------------------------------------- So vergingen die Tage, die Wochen. Luang kehrte von seiner Mission eins der Dörfer im Norden vor ein paar Banditen zu verteidigen zurück, ehe sie einige Tage darauf Nachricht aus dem fernen Osten des Landes erhielten, dass Gongji bei seiner Mission im Kampf gegen einen Dämon gefallen war. Von Xiang fehlte weiterhin jede Spur. Jeden Tag übte Shifu nach dem Frühstück Stunden mit Fenghuang, welche sich vorrangig darauf konzentrierte, seine schwache Verteidigung zu verbessern, aber auch seine größte Stärke, seine Wendigkeit noch mehr zu seinem Vorteil auszunutzen. Doch es dauerte mehr als einen Monat, ehe er eins Morgens nach dem Frühstück nach Fenghuang suchte, die bei der Mahlzeit nicht anwesend gewesen war. Und gerade als er an einer der Hallen vorbei kam, die sie zum Training verwendeten, sah er Luang, der auf einem der Balken unter dem Vordach saß und bedächtig lauschte. „Was...“, setzte Shifu an, als der junge Schneeleopard sich lautlos von dem Balken abstieß und ebenso geräuschlos vor ihm auf den Hölzernen Terrassenbrettern landete. Er hob eine der Krallen zu seiner Schnauze und bedeutete Shifu so leise zu sein. Dabei wirkte er äußerst amüsiert. „Sie streiten schon wieder“, meinte er. „Wer?“, fragte der junge rote Panda mit gesenkter Stimme. Der Schneeleopard grinste. „Fenghuang und Oogway natürlich. Sag bloß, du hast es nicht bemerkt.“ „Was?“ Beinahe vergaß Shifu seine Stimme zu senken, doch dann hörte er es auch, Fenghuangs wütende Stimme, auch wenn er durch das dicke Holz ihre genauen Worte nicht verstehen konnte. „Aber wieso?“, fragte er dann. Das Grinsen Luangs wurde breiter. „Na, wegen Oogways Weg natürlich.“ „Welchen Weg?“ „Oogways Weg des Kung Fus“, erwiderte der Schneeleopard. „Hast du es dann wirklich nicht bemerkt?“ Er wirkte wirklich amüsiert. „Oogway weigert sich ihr weitere der geheimen Techniken zu zeigen, er sagt, sie wird sich selbst zerstören, wenn sie nicht ihren inneren Frieden findet“, erklärte er. „Aber Fenghuang will davon nichts hören. Sie will mehr lernen. Und sie zweifelt das innerer Frieden die Lösung für alles ist.“ Er wandte sich der Tür zu und imitierte so leise er konnte eine schrille aufgebrachte Fenghuang. „Und jedes Mal wenn sie das meint, erwidert Oogway, das innerer Frieden vielleicht nicht die Lösung sei, aber der Schlüssel zur wahren Kontrolle des eigenen Körpers.“ Damit grinste er wieder Shifu an. „Und so weiter und so fort. Sie führen diesen Tag schon seit Tagen, nein, seit Wochen.“ „Aber Meister Oogway ist unserer Lehrer“, stammelte der rote Panda, der diese Worte kaum glauben konnte. „Er ist der einzig wahre Meister des Kung Fu. Niemand von uns würde jemals...“ Er konnte nicht glauben, dass seine Kameradin, seine Freundin, die Lehren ihres weisen Meisters jemals anzweifeln würde. „Fenghuang schon“, erwiderte Luang, als seine Ohren empor zuckten. „Ich würde verschwinden“, meinte er dann. „Sie kommt.“ Und mit ein paar Sprüngen war er einen der Stützbalken empor gesprungen und auf dem Dach des Gebäudes verschwunden. Und vor lauter Schreck dachte Shifu nicht weiter darüber nach, so dass das einzige, was ihm einfiel war, sich hinter der Ecke der Halle zu verstecken. Gerade noch Rechtzeitig, wie er feststellte, denn bereits im nächsten Moment schritt Fenghuang aus der breiten Tür hinaus und schlug diese hinter sich zu, ehe sie ihre Flügel ausbreitete und in das Tal hinabflog. Erst als er sie nicht mehr sehen konnte kam Shifu aus seinem Versteck hervor und sah ihr hinterher. Konnte es wirklich sein? Er wollte es nicht glauben. Akt II, Szene II – Zwischen Sonne und Schatten – Ein Gespräch unter Freunden ---------------------------------------------------------------------------- So sehr sich Shifu auch versuchte es ignorieren oder andere Erklärungen, bessere Erklärungen dafür zu finden, so fiel ihm von nun an immer wieder auf, dass Fenghuang oft ihr Training mit Oogway früher abbrach oder ganz ausfallen ließ. Oft sah er eine unterdrückte Wut aus ihren Augen leuchten, auch wenn sie versuchte sich ihm gegenüber nichts anmerken zu lassen. Jedoch bemerkte er auch, wie Oogway sein Training mit Fenghuang immer wieder aus der Ferne mit einem nachdenklichen Blick beobachtete. Auch wenn er sich selbst tatsächlich einige Fortschritte gemacht hatte, seit er sein Training mit Fenghuang begonnen hatte, so konnte er nicht verhindern, dass er dadurch und von seiner Sorge selbst immer wieder abgelenkt wurde und oft bemerkte, wie er unkonzentriert war und manchmal dadurch unnötige Treffer einsteckte. Und auch wenn im Moment eine beinahe trügerische Stille im Tal des Friedens herrschte: Wenn es dabei blieb, würde auch er auch das nächste Mal, wenn Banditen auftauchten, keine Hilfe sein. Eines weiteren Morgens jedoch, es war vielleicht zehn Tage nachdem er zum ersten Mal von dem Streit erfahren hatte, meditierte Shifu auf einem Felsen in der Sonne, versuchte die Wellen, die der See seines Geistes schlug mental zu glätten, als er erneut das Tor der großen Halle zuschlagen hörte. Laut genug, als dass auch er sie über die Stille hinweg verstehen konnte, schrie Fenghuang. „Oh, so sei doch endlich still, verrückte alte Schildkröte. Was weißt du schon?“ Er öffnete die Augen, stand auf und sah sich um, gerade als Fenghuang über ihn hinwegflog. Als die Eule ihn jedoch sah, machte sie eine Wende in der Luft und landete vor ihm auf dem Boden. „Fenghuang“, begann er und verbeugte sich hastig zur Begrüßung. „Entschuldige, dass ich dein Training unterbrochen habe, Shifu“, erwiderte sie. Erneut konnte er die unterdrückte Wut in ihren Augen erkennen, ehe sie sich abwandte. „Kein Grund so förmlich zu sein, mein Guter, sind wir nicht Freunde?“ Und obwohl sie sich bemühte sanft zu sprachen, klang etwas spitzes in ihren Worten mit. „Natürlich, Fenghuang“, erwiderte er. „Es tut mir leid, dass ich deine Meditation unterbrochen habe“, meinte sie dann. „Hast du Zeit, guter Shifu.“ „Natürlich“, wiederholte er. „Dann bitte ich dich hiermit, mich zu begleiten, ich würde gern einen Spaziergang machen.“ Kurz zögerte er, ehe er sich beeilte zu erwidern: „Sehr gern, Fenghuang.“ „Komm.“ Damit bewegte sie sich auf die nächste Treppe zu, die nicht ins Tal, sondern zu einem kleinen Bambushain führte, der ein Stück weiter den Berg hinab unter dem Jadepalast bis hin zur Mauer erstreckte, die das Friedenstal umgab. Die dünnen, aber dicht stehenden Bäume boten Schutz vor der warmen Spätsommersonne, spendeten angenehmen Schatten, den auch Shifu im ersten Moment genoss. Dann jedoch wurde er sich wieder der düsteren Stimmung seiner Freundin bewusst, die nun mehr denn je auch für ihn deutlich war. „Fenghuang“, begann er schließlich noch vorsichtig. „Ich spüre, dass dich etwas bedrückt.“ Nun war sie es, die zögerte, ehe sie schließlich antwortete. „Damit hast du tatsächlich Recht.“ Sie blieb stehen und wandte ihm ihren Kopf zu, nachdem sie einige Schritte voraus gelaufen war. „Gibt es etwas, was ich tun kann, um dir zu helfen?“ Die Eule erwiderte nichts, sondern schritt weiter voran. „Du hast dich verbessert, in den letzten Wochen“, meinte sie dann, ohne auf seine Frage einzugehen. Er blieb bescheiden. „Nur dank deiner Hilfe.“ „Sag, Shifu, ich habe eine Frage für dich“, meinte sie dann. „Sag, was ist deiner Meinung nach der Schlüssel dazu Kung Fu zu meistern?“ „Innerer Frieden“, antwortete Shifu und war sich bereits im nächsten Moment bewusst, dass seine Antwort zu schnell gewesen war. „Ich habe dich nach deiner Meinung gefragt, nicht nach Oogways Lehren“, erwiderte sie und ihre Stimme klang dabei scharf. „Aber Meister Oogway...“, begann er zurückhaltend und nicht ganz sicher, was er überhaupt sagen wollte. „Deine Meinung, Shifu“, wiederholte sie. Daraufhin blieb er stehen, atmete tief durch, schloss die Augen und überlegte. „Disziplin und Kontrolle“, antwortete er schließlich langsam. „Also doch kein innerer Frieden?“ Sie sah ihn lange an. Dem jungen Panda gefiel es nicht, in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickelte. „Nun...“, setzte er schließlich zu einer Antwort an. „Dies kann ich nicht sagen. Immerhin habe ich meinen inneren Frieden noch nicht gefunden.“ „Natürlich“, erwiderte Fenghuang nach kurzem Schweigen ihrerseits. „Doch, Shifu, wie würdest du darüber denken, wenn ich dir sage, dass ich – ganz ohne inneren Frieden, bereits vier der sieben geheimen Techniken gelernt habe?“ Shifu schluckte. Er hatte selbst gesehen, wie sie den donnernden Windhammer eingesetzt hatte, von dem er wusste, dass er zu den sieben geheimen und darüber hinaus auch vermeintlich unmöglich zu erlernenden Techniken gehörte. Doch was sollte er zu dieser Frage sagen. Denn so wenig er auch seiner Freundin widersprechen wollte, so unmöglich schien es ihm den weisen Oogway, den Begründer des Kung Fu, anzuzweifeln. Zwar mochte die Schildkröte manchmal seltsame und beinahe unnachvollziehbare Gedankengänge zu haben, doch zweifelte er keinen Moment, dass Oogway in seinen hunderten Jahren Lebenszeit weit mehr von der Welt und ihren Geheimnissen verstanden hatte, als er und Fenghuang zu verstehen jemals hoffen durften. „Shifu?“, fragte seine Freundin und Mentorin. „Nun, Fenghuang“, erwiderte er vorsichtig und bemerkte, dass seine Hände dabei zitterten. „Ohne Frage ist dein Talent ohnegleichen, doch glaube ich, dass in Oogways Worten eine tiefere Wahrheit zu finden ist. Eine Wahrheit, die wir zu verstehen vielleicht einfach noch zu kurzsichtig sind.“ Sie seufzte. „Ich hatte befürchtet, dass du dergleichen antwortest.“ „Ich bitte dich, Fenghuang, verwerfe dich nicht mit Meister Oogway“, flehte er, noch ehe er die Worte reflektiert hatte. Ihr Blick verhärtete sich. „Oogway ist nichts weiter, als eine verrückte, alte Schildkröte“, meinte sie dann. „Er kann mir nichts beibringen und irgendwann wird er auch dir nichts mehr beibringen können. Auch mit seinem inneren Frieden nicht mehr!“ „Fenghuang...“, begann Shifu, führte den Satz jedoch nicht zu Ende. „Wenn nicht innerer Frieden, was ist es dann, was dein Kung Fu so mächtig macht?“ Sie sah ihn lang mit ihren großen, goldenen Augen an und er meinte einen Schatten zu erkennen, viel dunkler als die Wut, die er nach den Streiten mit Oogway dort gesehen hatte. „Wut“, erwiderte sie dann. „Schmerz. Und die Sicherheit, irgendwann meine Rache zu bekommen.“ Sein Zittern verstärkte sich. „Fenghuang“, brachte er angestrengt hervor ohne zu wissen, was er sagen konnte. „Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst, Shifu“, sagte sie schließlich kühl. „Nur warne ich dich genau so: Komm mir nicht in den Weg.“ Damit breitete sie ihre Flügel trotz des engen Weges aus und flog von dannen. Akt II, Szene III – Unter dem Pfirsichbaum – Von falschen Zielen ---------------------------------------------------------------- Erneut spielte Shifu im Mondlicht unter dem Pfirsichbaum der himmlischen Weisheit. Doch selbst für seine Ohren klangen die Töne seiner Dizi heute irritierend und verstärkten seine Unsicherheit nur noch mehr. Immer wieder hielt er inne und fasste die hölzerne Flöte neu, nur um gleich darauf den Kopf zu schütteln. Schließlich ließ er die Flöte sinken und stand aus seinem Lotossitz auf, um auf das Tal das Friedenstal hinab zu sehen. Es schien weiterhin alles friedlich, unbedroht. Noch immer keine Banditen. Schon seit so langer Zeit. Und das obwohl die furiosen Fünf im Moment nur als die dynamischen Drei bezeichnet werden konnten. Denn kein Meister konnte Gongji ersetzen und weiterhin fehlte von Xiang jede Spur. In einigen Häusern brannte Licht und Laternen beleuchteten einen Teil der Straßen, während der Halbmond die trügerische Idylle beschien. Doch all das vermochte nicht die Wogen in seinem Inneren zu glätten. „Du hast heute in einen Abgrund geblickt“, ertönte einmal wieder Oogways ruhige Stimme hinter ihm, ohne dass er davor gehört hätte, wie sich die gemächliche Schildkröte näherte. „Meister“, brachte Shifu heraus. „Freundschaft und Bewunderung betrügt unsere Sinne manchmal sehr“, meinte der alte Meister. „Wie es alle Gefühle vermögen. Fenghuangs Blick wird von Wut, Trauer, Verzweiflung und Hass vernebelt, so dass sie unmöglich den Weg vor ihren Füßen sehen kann.“ „Aber wieso?“, flüsterte Shifu verständnislos. „Wie viel weißt du über Fenghuang?“, fragte sein Meister ihn daraufhin. Der junge Panda zögerte. „Nicht viel“, erwiderte er dann Wahrheitsgemäß. „Sie trainierte bereits seit jungen Jahren im Jadepalast und war bereits eine Meisterin als ich hierher kam.“ „Ja, sie hat den Meistermantel sich bereits vor acht Jahren in ihrer Jugend verdient.“ Oogway nickte. „Aber weißt du auch, wie sie hierher kam?“ Shifu schüttelte daraufhin den Kopf. „Nein.“ „Fenghuang kommt aus einer Kolonie im Nordgebirge“, erwiderte Oogway. „Doch ihr ganzer Klan wurde von einer Gruppe Tiger unter Befehl von Dong Beihu getötet, da konnte sie gerade selbst fliegen. Sie konnte fliehen und kam schließlich hierher, wo ich ihr versprach, sie zu trainieren.“ „Aber wieso?“, fragte Shifu. „Sie hatte Talent“, antwortete die alte Schildkröte und sah ihn mit ihrem unergründlichen Blick an. „Und ein gewisses Leuten in sich.“ Und zu Shifus großen Erstaunen lächelte sein Meister dabei. „Jeder von uns trägt einen Schatten in sich, Shifu. Und doch kann man diesen überwinden und seinen inneren Frieden finden. Doch manche wollen diesen Frieden nicht und folgen daher einen Weg, der in den Schatten führt. Fenghuang will ihren Klan rächen.“ „Aber, Meister Oogway, Ihr sagtet doch, dass es keinen falschen Weg gibt! Aber dieser Weg, er kann unmöglich richtig sein!“ Trotz Shifus aufgebrachter Worte blieb die Schildkröte ruhig. „Es gibt keine falschen Wege, Shifu“, meinte sie. „Nur falsche Ziele.“ Nach diesen Worten schwieg Oogway und sah wie auch sein Schüler zuvor auf das Tal hinab. Der rote Panda dachte über die Worte seines Meisters nach, ohne dass diese weiterhin für ihn irgendeinen Sinn ergaben. Denn auch, wenn er nun die Herkunft von Fenghuangs Wut kannte, so konnte er nicht verstehen, wieso sie daran festhielt. Natürlich trug jeder von ihnen, jedes Wesen, seine eigene Wut, seine eigene Trauer, seine eigene Verzweiflung mit sich herum, doch was es nicht ihre Aufgabe als Meister, ihr Gelöbnis, genau diese dunklen Schatten zu überwinden? Er dachte an die Streite, die er mit seinem eigenen Vater gehabt hatte, ehe er zum Jadepalast gekommen war. Sein Vater, der meinte, sein Schicksal vorherbestimmen zu können. Eine ferne Vergangenheit, die ihn nicht mehr berührte. Kung Fu hatte ihm geholfen, diese zu überwinden. Da kam ihm ein anderer Gedanke. „Meister Oogway, was ist, wenn Fenghuang weiterhin auf dem Weg bleibt, der zu ihren falschen Ziel führt?“ „Dann werde ich sie vernichten müssen“, antwortete Oogway und Shifu meinte so etwas wie Reue aus der Stimme seines Meisters hören zu können. „Sie ist zu mächtig.“ Shifu hatte diese Antwort befürchtet, doch er erwiderte nichts. Schließlich wandte sich der alte Meister vom Abgrund ab. „Ein Sturm zieht auf, Shifu. Noch nicht jetzt, aber sehr bald.“ Akt III, Szene I – Im Sturm – Finale Konfrontation -------------------------------------------------- Dieses Mal sollte Oogway Recht behalten, in einem metaphorischen Sinne zumindest. Denn nur zwei Tage später schlug der Wind wild gegen die hölzernen Wände des Jadepalasts. Dunkle Wolken, die kaum Licht hindurchließen, hingen tief am Himmel und zwischen den Bergen, die das Friedenstal umgaben, so dass es auch am späten Vormittag fast nachtfinster war. Shifu trainierte zusammen mit Luang unter Oogways Aufsicht in einer der Trainingshallen. Immer wieder griff der Schneeleopard Shifu mit kräftigen Schlagabfolgen an, sprang zurück, nur um so erneuten Schwung zu holen und so seinen Kontrahenten wieder anzugreifen. Dieser wich den Schlägen wendig aus und tauchte, als Luang wieder auf ihn zusprang, unter diesem weg. Unter ihm wandte er sich und traf ihn mit einem gezielten Tritt in den Magen, brachte ihn so zu Boden. Sich die getroffene Stelle reibend stand der Schneeleopard auf. „Du bist besser geworden, Shifu“, meinte er respektvoll. „Viel besser.“ „Dem stimme ich zu“, sagte Oogway und kam die Treppe, die den höheren Bereich der Halle mit dem eigentlichen Trainingsbereich verband, hinab. „Und doch wirkst du abgelenkt.“ Natürlich war er abgelenkt. Immerhin hatte er Fenghuang seit ihrem Streit vor zwei Tagen nicht mehr gesehen und fürchtete nun fast, dass sie bereits gegangen war. Trotzdem verbeugte er sich förmlich. „Meister.“ Er legte Faust in Handfläche. „Es tut mir leid.“ „Finde inneren Frieden, Shifu“, meinte Oogway nun ruhig. „Finde inneren Frieden, und du wirst auch Antworten auf deine Fragen finden.“ „So ein Unsinn“, erklang da auf einmal eine bekannte Stimme und die Tür der Halle wurde aufgeworfen. „Einen inneren Frieden gibt es nicht.“ Der Sturm wehte nun in die Halle hinein, während die Eule in der breiten Türöffnung des Gebäudes stand. „Fenghuang.“ Oogways Stimme klang nicht überrascht. „Ich habe genug von deinem senilen Gequatsche, Oogway“, rief die junge Meisterin aufgebracht. „Von nun an werde ich den Jadepalast führen.“ Auch diese Worte schienen die Schildkröte nicht zu überraschen. „Sehr wohl.“ Oogway verbeugte sich zu Shifus großer vor ihr, nahm dann jedoch Kampfhaltung an. „Aber zuerst musst du mich besiegen.“ „Pah“, meinte sie, schlug mit ihren Flügeln und erhob sich, um in ihre fliegende Grundstellung überzugehen. „Aus dem Weg, Shifu, Luang.“ Und da die beiden anderen Schüler der Schildkröte es nicht besser wussten, hörten sie auf ihre Kameradin und traten so schnell so konnten gegen die Wand zurück. Im nächsten Moment griff Fenghuang Oogway mit dem donnernden Windhammer an, wobei dieser jedoch den Angriff mit nur einer Handbewegung abwehrte. Dann war er auf einmal verschwunden und tauchte nur einen Moment später im Dachgebälk über ihr auf und griff sie mit mehreren Schlägen an, von denen sie nicht alle abwehren konnte. Ein weiterer Flügelschlag half ihr aber, von ihm wegzukommen. Ohne das Shifu hätte sagen können wie, war sie auf einmal hinter Oogway und schaffte es ihn mit einem Tritt aus der offenen Tür auf den Hof zu befördern. Im Fall zog sich der alte Meister dabei in seinen Panzer zurück, der nur einen Augenblick später kreiselnd auf dem Boden landete und dann eine Art Rückwärtssalto machte, aus dem heraus Oogway wieder in seine Kampfhaltung kam. Dünne Metallklingen sausten auf ihn hinab, doch auch wenn sie seinen rot-goldenen Mantel zerfetzten, schienen sie ihn nicht verletzten zu können. Er sprang weiter rückwärts über den Hof, als Fenghuang weitere ihrer Waffen auf ihn hernabhageln ließ. „So entscheidet es sich nun also“, murmelte Luang und wirkte dabei nicht halb so schockiert über die schnelle Wendung des ganzen, wie Shifu sich fühlte, als die beiden den Meistern nach draußen folgten. „Aber sie können doch nicht“, flüsterte er. „Doch“, erwiderte sein Kamerad. „Und niemand wird sie davon abhalten.“ Verzweifelt sah Shifu auf den Kampf der beiden anderen Meister, der beiden Personen, die er so sehr bewunderte, und erkannte, dass es wirklich nichts gab, was er tun konnte. Weiter bewegte sich Oogway rückwärts ohne einen Gegenangriff zu starten. „Was soll das, Oogway?“, rief Fenghuang, die dies auch bemerkte, aus. „Läufst du etwa davon?“ Sie machte eine komplizierte Bewegung mit ihren Flügeln,woraufhin sich ein Feuerball zwischen diesen bildete, den sie nach Oogway schleuderte, der mittlerweile die Stufen zum eigentlichen Palast erreicht hatte. Dieser brauchte nur eine weitere Handbewegung und leitete den Feuerball mit dieser um, so dass dieser ein Stück entfernt auf die Mauer prallte und eine Lücke in diese riss. In diesem Moment begann es zu regnen. „Wieso sollte ich vor dir weglaufen, Fenghuang?“, meinte er mit entschlossener Miene. „Deine Technik ist keine Gefahr für mich, so unvollkommen, wie sie ist.“ „Unvollkommen?“ Die Stimme der Eule klang Schrill durch den Sturm, ehe sie einen Bogen durch die Luft flog und Oogway so erneut angriff. Mit seinen Armen über den Kopf blockte der Meister, ehe die beiden einen Moment späte durch die Tür des Palastes brachen. Luang sprintete auf allen Vieren los, um den Kampf weiter verfolgen zu können. Shifu jedoch zögerte. Er wusste, wie dieser Kampf ausgehen würde. Denn er hatte es die ganze Zeit gewusst. Auch Fenghuang konnte Oogway nicht das Wasser reichen. Die Macht der Schildkröte umstieg die der Fünf bei weitem. Wie auch sollte man den Begründer von Kung Fu in seiner eigenen Kampfkunst schlagen? Doch das war es nicht, was Shifu erschreckte. Viel mehr der Gedanke, dass er eine gute Freundin verloren hatte und es nichts mehr gab, was er dagegen tun konnte. Schließlich folgte auch er Luang zum Eingang des Jadepalasts. In diesem flog Fenghuang weiter unter der Decke, während Oogway genau in der Mitte der Halle stand. „Du wirst mich nicht schlagen, Oogway“, keuchte die Eule. Ihr Kontrahent sah sie ungerührt an. „Nicht?“ „Niemals!“ Zorn schwang in ihrer Stimme mit. „Ich werde dich schlagen, ich werde die Schule übernehmen und ich werde meine Rache bekommen!“ Erneut schlug sie mit den Flügeln und änderte ihre Position, ehe sie mit den Flügeln voraus auf Oogway zuflog, der ihr entgegen sprang. Beide schienen von einem blauem Schimmer umgeben zu sein und eine Druckwelle fegte durch die Halle, als sie aufeinandertrafen. Shifu duckte sich und verlor die beiden für einen Moment aus den Augen. Als er sie wieder erblickte, presste Oogway Fenghuang, deren linker Flügel schlaff neben ihrem Körper hinabhing, gegen einen geöffneten Metallkäfig, der genau ihrer Größe entsprach. Der Panda erkannte, was dies war. Ein Käfig, der die Meisterin dank der richtigen Akupressurpunkte bewegungsunfähig machen würde. „Fenghuang!“, rief er aus. „Fenghuang“, meinte auch Oogway, jedoch mit wesentlich ruhigerer Stimme. „Du kannst es noch schaffen. Kehre jetzt um und du kannst noch inneren Frieden finden!“ Ihr Blick verdunkelte sich noch weiter. „Ich brauche deinen Frieden nicht“, zischte sie und brachte ihre Fußkrallen zwischen sich und ihren Gegner, schaffte es so irgendwo selbst einen von Oogways Akupressurpunkten zu betätigen, so dass sein Arm nur für einen Moment schlaff wurde. Diesen Moment nutzte sie um seinem Griff zu entkommen und in einer Mischung aus Laufen und Schweben aus der Halle zu stürmen. Shifu sah ihr nach. „Shifu!“ Die Stimme seines Meisters hinter ihm war warnend, doch er hörte nicht, sondern folgte seiner Kameradin in den Regen hinaus. Akt III, Szene II – Am Abgrund – Der Abschied --------------------------------------------- „Fenghuang! Fenghuang!“ Shifu keuchte, während er seiner Kameradin in den Bambuswald folgte, in dem sie vor bereits zwei Tagen gegangen waren. Doch sie hielt nicht inne, reagierte nicht auf seine Stimme, während der Regen an ihren Federn abperlte. „Fenghuang!“ Insgeheim wusste Shifu bereits, dass er sie nicht würde aufhalten können, doch er würde nicht aufgeben, ehe er es versucht hatte. War es nicht genau das, was sie ihm beigebracht hatte: Nichts aus der Gewissheit, dass es vergebens sein würde, zu tun. „Fenghuang, bitte warte doch!“ Und tatsächlich blieb sie schließlich stehen. Wie er jedoch erkannte nicht, wegen seine Rufe, sondern weil sie am Ende des Waldes angekommen war, das direkt an die östliche Mauer des Tals und damit an einen Abgrund grenzte. Mit dem Kopf zuerst wandte sie sich ihm zu. „Ich habe dich gewarnt, komm mir nicht in die Quere.“ „Aber Fenghuang, ich bitte dich“, flehte er. „Ich bitte dich, überdenke deine Entscheidung noch einmal!“ Ihre Antwort war klar. „Nein.“ „Oogway würde dir verzeihen“, versuchte er es weiter. „Aber ich werde ihm nicht verzeihen“, erwiderte sie und sah ihn an. „Ich habe schon viel zu viel Zeit hier verschwendet.“ „Was hast du jetzt vor?“, fragte er nach kurzem Schweigen, wobei er die Antwort eigentlich bereits wusste. „Ich werde Dong Beihu suchen und ihn umbringen“, zischte sie und sah ihn kalt an. „Und niemand wird mich davon abhalten.“ Shifu schauderte. „Und was wirst du danach tun?“ „Darüber mache ich mir dann Gedanken“, antwortete Fenghuang und breitete ihren eigenen noch funktionstüchtigen Flügel aus. Da sprang der rote Panda vor sie und berührte, noch bevor sie in ihrer Erschöpfung reagieren konnte, ihre Akupressurpunkte, so dass auch in ihren linken Flügel die Kraft zurückkehrte und sie ihn wieder bewegen konnte. Sie sah ihn nun wirklich überrascht an. „Wieso, Shifu?“ „Weil ich in dir eine wertvolle Freundin sehe, Fenghuang, selbst wenn du dies nicht so erwiderst.“ Er schenkte ihr einen festen Blick. „Ich hoffe für dich, dass du findest was du suchst und irgendwann deinen inneren Frieden finden kannst.“ Ihre Augen verengten sich, ehe sie nun beide Flügel ausbreitete und sich ohne ein weiteres Wort des Abschieds in die Lüfte erhob. Kurz verharrte sie in der Luft, doch dann flog sie davon und war dank des Regens schnell nicht mehr zu sehen. Shifu verweilte derweil am Rande des Abgrundes zwischen den Bambusbäumen, die sich im Sturm weit bogen. Der Bambus schlug gegeneinander, bog sich teilweise fast bis zu Boden, doch er brach nicht, genau so wenig, wie der kleine rote Panda sich vom Unwetter dazu bringen ließ in die Hallen des Jadepalasts zurückzukehren. Stattdessen blieb er dort und sah auf den Himmel, sah an die Stelle, an der Fenghuang verschwunden war. Zum ersten Mal, wenn auch nicht zum letzten Mal, wurde ihm bewusst, dass Kraft und Talent gefährlich waren, denn auch sie konnten den Geist vernebeln. Außerdem wusste er, dass er, sollte er Fenghuang noch einmal sehen, ihr Feind sein würde und dass sie nun nur noch ein dynamisches Duo, statt furioser Fünf waren, jedenfalls wenn Xiang nicht bald zurückkehrte. Und es war fraglich, wie lang die Ruhe noch hielt. Akt III, Szene III – Epilog – Das Ende unter dem Pfirsichbaum ------------------------------------------------------------- Die Wolken verzogen sich in der Abenddämmerung und blutrotes Licht breitete sich über dem Jadepalast aus. Wieder stand Shifu unter dem Pfirsichbaum, der ihnen so heilig war, versuchte jedoch dieses Mal nicht einmal auf seiner Dizi zu spielen. Stattdessen sah er einfach in die Ferne und versuchte mit den Geschehnissen des Tages abzuschließen. Es lag in der Vergangenheit, er konnte es nicht ändern, das wusste er, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er es wirklich akzeptieren konnte. Meister Oogway hatte ihm gesagt, es gab keine falschen Wege, nur falsche Ziele, doch kam er nun nicht umher, was eigentlich sein Ziel war. Ein guter Meister zu sein? Ein wahrer Held werden? Kontrolle erlangen? Er wusste es nicht. Schon immer war er fasziniert von Kung Fu gewesen, schon seit seiner Jugend hatte er davon geträumt ein Meister zu sein, doch mit welchem Ziel...? Hatte er jemals eins gehabt? Wieder hörte er den alten Meister nicht kommen, doch spürte er irgendwie seine Anwesenheit. „Es tut mir leid, Meister“, sagte er, ohne die Schildkröte anzusehen. Diese trat neben ihn. „Wofür entschuldigst du dich?“ „Ich habe nicht auf euch gehört, ich habe Fenghuang zur Flucht verholfen“, sagte er und war sich dabei tatsächlich einer Schuld bewusst. „Du hast einer Freundin geholfen“, antwortete Oogway. „Daran ist nichts falsches.“ Dabei schwang es deutlich in seinen Worten mit, dass er davon ausging, dass sie ohnehin entkommen wäre. Daraufhin schwieg Shifu und dachte nach. Er hatte tatsächlich nichts tun können, außer Fenghuang die Flucht zu vereinfachen. War er so unbedeutend? War er so machtlos? War dies etwas schlechtes? Die Dächer des kleinen Dorfes im Tal glänzten im Licht der untergehenden Sonne. Doch irgendwie wirkten sie dabei nicht friedlich. Ein Trick seines aufgebrachten Geistes? Vielleicht war es auch ein Zeichen. „Meister Oogway“, begann er schließlich und sah nun seinen Mentor an. „Ihr sagtet, dass es keinen falschen Weg, sondern nur falsche Ziele gibt.“ Er schwieg kurz. „Aber sagt mir, woher weiß ich, welches Ziel das richtige ist?“ Der alte Meister lächelte, streckte seinen Finger aus und zeigte schweigend auf Shifus Brust. Der junge Panda sah ihn verwirrt an, auch wenn er eigentlich verstand, was sein Meister ihm sagen wollte. Doch noch bevor er etwas erwidern oder eine weitere Frage stellen konnte, kam Luang zu ihnen gerannt. Der Leopard keuchte und schien eine ganze Strecke gesprintet zu sein. „Meister Oogway, Shifu“, rief er aus. „Xiang...“ Er holte Luft. „Sie haben Xiang gefunden. In Hubei. Er ist verletzt, aber er lebt. Aber... Sie sagen Yao Mei sei mit seiner Armee auf dem Weg dorthin. Wir haben keine Zeit!“ Trotz dieser erschreckenden Neuigkeiten war Oogway ruhig, als er sich seinem anderen Schüler zuwandte. „So sieht es aus.“ Er drehte seinen Kopf und sah wieder zu Shifu. „Du solltest anfangen nach deinem Ziel zu suchen. Vielleicht wirst du es schon auf dieser Reise finden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)