Taras Geschichte von CaluCalumon (Die Geschichte des weißen Nachtara) ================================================================================ Kapitel 1: Die ganze Geschichte ------------------------------- Ein Sonnenstrahl fiel in die kleine Höhle und hüllte sie in einen warmen Schein. In der Höhle waren einige Pokemon, allesamt Entwicklungen von Evoli. Ein groß gewachsenes und kräftiges Nachtara, welches eine Narbe quer über dem linken Auge besaß, saß in der Mitte des Rudels und sah auf die Stelle am Boden, auf die der Sonnenstrahl gerade fiel. Dort lagen drei braune Fellknäuel die sich so dicht aneinander gekuschelt hatten, dass man die einzelnen Pokemon kaum unterscheiden konnte. Da hob eines leicht den Kopf an und sah in die vielen Gesichter, die es anstarrten. Auch die zwei anderen beäugten die Gruppe, die sich um sie gesammelt hatte, nun neugierig. Das große Nachtara trat nun näher heran. Es war Nachtschatten, der Anführer der Gruppe und Vater der kleinen Fellknäuel. Man konnte ihm ansehen wie stolz er war. Nachtschatten stupste nun die gerade geschlüpften Evoli’s nacheinander an. Das erste wich etwas zurück und schien ziemlich schüchtern, das zweite sprang hingegen sofort an seinem Vater hoch und untersuchte ihn neugierig. Das dritte Kind schmiegte sich an die Vorderbeine des Nachtaras. Der Anführer lächelte und wandte sich dann zur Gruppe: „Das hier sind die drei neuen Mitglieder unserer Gruppe. Begrüßt meine Kinder Moritz, Tara und Max. Als vollwertige Mitglieder des Rudels werden wir sie nie im Stich lassen und immer auf sie acht geben!“ Die drei Evoli’s wuchsen wohlbehütet im Rudel auf und erfuhren so schon in ihren ersten Tagen, was Teamwork und Zusammenhalt bedeuteten. Max war seinem Vater wohl am ähnlichsten. Nachtschatten war für ihn ein großes Idol und er wollte unbedingt einmal so werden wie er. Das war auch der Grund, warum er meistens nur hinter seinem Vater saß und ihn beobachtete, wenn er den anderen Anweisungen gab oder die Route für den nächsten Tag plante. Tara, das einzige Mädchen im Wurf, war sehr liebevoll und spielte oder schmuste am liebsten mit ihren Brüdern. Obwohl sie, wie auch ihre Brüder, ihre Mutter nicht kannte, kam sie nie auf die Idee nach ihr zu fragen und wandte sich im Problemfall einfach an die anderen Weibchen im Rudel. Moritz schien der schwächste der drei zu sein, hielt aber auf der Reise immer tapfer durch, auch wenn er schnell mal Angst bekam. Trotz der sehr verschiedenen Charakterzüge liebte Gruppenführer Nachtschatten alle seine Sprösslinge gleich und versuchte ihnen ein guter und rücksichtsvoller Vater zu sein. Dann jedoch kam der Tag, an dem sich alles ändern sollte... Etwa drei Monate, nachdem die Geschwister das Licht der Welt erblickt hatten, war die ganze Gruppe auf dem Weg zu einem großen Berg, unter den Menschen bekannt als der Tohjo Gipfel. Dort wollten sie, geschützt vor Schnee und Kälte, den Winter verbringen, so wie sie es immer taten. Unterwegs schien noch alles ruhig. Tara und ihre Brüder spielten mit den ersten Schneeflocken und hatten viel Spaß, obwohl der Weg lang und unbequem war. Anfangs fielen nur vereinzelt Schneeflocken, aber schon nach kurzer Zeit wurden Schneefall und vor allem der Wind immer stärker. Die ausgewachsenen Evolientwicklungen waren das Wetter gewohnt, denn der Winter fiel öfters so stark aus, doch für die Jungtiere in der Gruppe war das dichte Schneegestöber vollkommen neu. Moritz war schon nach kurzer Zeit im Schnee am Ende seiner Kräfte. Es war einfach zu anstrengend für ihn gegen Wind und Schneefall an zu kämpfen. Nachtschatten packte seinen Sohn mit dem Maul am Nackenfell und trug ihn, während er sich seinen Weg durch den lockeren Neuschnee bahnte. Max und Tara hingegen nutzten die Spuren der anderen im Schnee und kamen so recht gut hinterher. Je näher die Pokemongruppe dem Berg kam, desto stärker wurde der Schneesturm. Nachtschatten sah ein, dass es zu gefährlich sein würde den Berg bei diesem Wetter zu erklimmen, denn anders als die letzten Jahre war der Wintereinbruch viel früher und stärker als erwartet gekommen. Fieberhaft hielt der Anführer nach einem Unterschlupf für die Gruppe aus und erfasste schließlich eine Höhle. Kurz setzte er Moritz ab und wandte sich seinen Gefährten zu. „Wir werden in der Höhle dort rasten!“ rief er, nahm Moritz wieder hoch und steuerte die Spalte im Felsen an. Tatsächlich befand sich dort ein Hohlraum, der groß genug für alle war. Nachtschatten betrat die Höhle und zählte die Mitglieder durch. Doch noch bevor er fertig war rief Max entsetzt aus, was sein Vater schon befürchtet hatte: „Tara ist weg!“ Entsetzt hetzte das Nachtara aus der Höhle und rief den Namen seiner Tochter. Vergebens, der Wind verschluckte seine Worte sofort. Der Sturm war einfach zu stark, selbst wenn ein Glaziola in seiner Gruppe gewesen wäre, wäre es unverantwortlich von ihm, es auf die Suche nach Tara zu schicken, denn das Gelände war steil, die Hänge bröckelig und das Wetter machte es fast unmöglich zu sehen, was vor den eigenen Pfoten war. Er wagte sich trotz allem einige Meter nach draußen, rief und hielt Ausschau, bis er bestürzt in die Höhle zurück kehrte. Sofort ging er zu seinen Söhnen, die aufgrund seiner betrübten Miene schon das schlimmste befürchteten. So wie es aussah würden sie ihre Schwester wohl nicht mehr wieder sehen... Tara verlor die Gruppe immer mehr aus den Augen. Zwar rief sie verzweifelt nach ihren Verwandten, aber niemand hörte sie. Dann kam auch noch eine Windböe und riss sie von den Füßen, als wäre sie ein Blatt im Wind. Das Evoli purzelte rückwärts den Hang hinunter und landete in einem Schneehaufen. Zitternd kämpfte sie sich heraus und wollte weiter, aber ihre Beine versagten ihr den Dienst. Da erblickte die Kleine einen Spalt zwischen zwei Felsen, dort hoffte sie vor dem Schnee geschützt zu sein. Aber auch nachdem sie sich dorthin verkrochen hatte, fror sie, denn der Wind pfiff erbarmungslos durch ihr Versteck. Langsam verließen sie alle Kräfte. Verzweiflung stieg in Tara hoch. Mit Tränen in den Augen murmelte sie immer wieder: „Papa...Max...Moritz...bitte helft mir...ich hab Angst...“ Aber niemand konnte sie hören. Keiner kam um sie zu retten. Immer wieder fielen ihr vor Erschöpfung die Augen zu und obwohl sie wusste, dass man erfriert, wenn man in so einer Situation einschläft, nickte sie letzten Endes doch ein. Die Kälte fraß sich regelrecht in ihren Körper, erst als sie das Bewusstsein verlor spürte sie die Kälte nicht mehr. Die Wärme, die ihren Körper kurz darauf erfasste realisierte sie schon gar nicht mehr... So zog nun der Sturm vorbei, und der Schnee, der am Vorabend noch so gefährlich gewirkt hatte, blieb liegen und hüllte die Landschaft komplett in ein weißes, glitzerndes Kleid. Am Morgen, noch vor Sonnenaufgang, trottete ein stilles Rudel Pokemon weiter den Berg hinauf. Ein kleines Evoli folgte dem großen Nachtara, welches das Rudel anführte, mit gesenktem Kopf. In einer kleinen Felsspalte, ein gutes Stück weiter unten, bewegte sich etwas weißes. Das Wesen stand langsam auf und sah sich um. Es war alleine und ging genau so einsam los, den gleichen Weg den am Abend zuvor auch das Rudel genommen hatte... Tara hatte die Nacht tatsächlich überlebt. Doch etwas hatte sich verändert. Sie war nun größer geworden und ihre Fellfarbe hatte sich verändert. Außerdem fühlte sich der Schnee nicht mehr so kalt an wie am vorherigen Tag, sie spürte die Kälte an sich schwächer als zuvor. Sie hatte sich weiterentwickelt, sogar zu einem Nachtara, so wie sie es sich oft gewünscht hatte. Aber anstatt einem tiefen Schwarz hatte ihr Fell die weiße Farbe des Schnees. Die eigentlich gelben Ringe waren nun blutrot und ihre großen braunen Augen hatten einen gelblichen Schimmer. Aber obwohl sie nun so anders aussah hatte ihr diese Weiterentwicklung wohl das Leben gerettet, denn hätte sie sich nicht zu einem Nachtara entwickelt, wäre sie wohl erfroren. Außerdem hatte Tara nun genügend Energie um das Rudel einholen zu können. Darum rannte sie los. Doch es dauerte über einen halben Tag, bis sie frische Spuren fand. Tatsächlich erreichte sie die Gruppe, als diese einen großen Höhleneingang betrat. Der Pfad, der hier begann, würde sie tief in die Höhle und weit in das innere des Berges führen. Dort verbrachten sie jedes Jahr den Winter, ohne die Gefahr erfrieren zu können. Nachtschatten warf einen prüfenden Blick auf das Rudel und dann zu Max, der neben ihm auf dem Boden saß und mit hängenden Ohren den Boden anstarrte. Sein Vater konnte die Trauer gut verstehen. Erst war Tara im Schneesturm abhanden gekommen und dann hatte Moritz auch noch dieses schrecklich hohe Fieber bekommen... In einer Nacht hatte er beide Geschwister verloren, kein Wunder, dass er so erschöpft und deprimiert war, es ging seinem Vater ja nicht anders... Das Nachtara wollte gerade etwas sagen, als man lautes Knurren vom Ende der Truppe hören konnte. Nachtschatten rannte dort hin und sah ein Blitza, welches ein schmächtiges, weißes Wesen anknurrte. „Der Zwerg da hat uns verfolgt!“. Der Rudelführer drängte Blitza beiseite und beäugte den Verfolger. Es war ein Nachtara, sehr klein und schmächtig, mit einem weißen Fell. Das kleinere Pokemon hatte plötzlich ein freudiges Grinsen auf dem Gesicht und rannte auf ihr Gegenüber zu. „Papa ich bin so froh! Ich hab mich weiterentwickelt; schau mal, ist doch super!“. Nachtschatten knurrte laut und schüchterte so sein Gegenüber ein. „Verschwinde!“ bellte er Tara an. Diese war total verwirrt. Warum reagierte ihr Vater so gereizt? War er nicht froh sie wieder zu sehen? Da erblickte sie Max, der sich nach vorne gedrängelt hatte und nun neben seinem Vater hockte. Sie sprang auf ihn zu, wenigstens er musste sie doch erkennen! Doch Max wich erschrocken zurück und Nachtschatten reagierte sofort. Das erste Mal in ihrem Leben bekam sie nun zu spüren, was richtige Attacken ausmachten. Ein gekonnter Tackle ihres Vaters schob sie kräftig weg. „Was soll das Papa? Ich bin’s doch, Tara! Warum greifst du mich an? Und wo ist Moritz?“ Der verbitterte Gesichtsausdruck ihres Vaters wich nun einem wütenden Blick. „Ich werde nicht zulassen, dass jemand wie du meine Familie bedroht!“ Tara verstand nicht warum ihr Vater so wütend war, aber sie hatte auch keine Zeit darüber nachzudenken, denn ein Kampf begann. Nachtschatten hämmerte einen Eisenschweif gegen ihre Vorderläufe, wodurch sie den Halt verlor und hinfiel. Dann folgte noch eine Finte, durch die Tara gegen eine Felswand geschleudert wurde. Einige rote Spritzer verfärbten den Schnee, aus dem sich das weiße Nachtara aufrappelte. Ihre Pfote schmerzte schrecklich und sie konnte kaum noch auftreten. Nun setzte Nachtschatten noch einen Spukball an und auch dieser traf. Mit vor Angst erstarrten Augen sah die Besiegte ihren Vater an. Dann füllten sie sich mit Tränen und das junge Pokemon rannte an der Gruppe vorbei den verschneiten Pfad entlang. Alle sahen ihr nach, danach ließen sie sich von ihrem Anführer in die Höhle führen. Als letzter saß Max im rotgetupften Schnee und sah seiner Schwester nach. Erst als sein Vater rief folgte er ihm in die Höhle, aber obwohl er in seinem Kopf wusste, dass Tara unmöglich den Sturm überlebt haben konnte, war sich sein Herz unsicher darüber, ob sie nicht doch lebte und vielleicht gerade davongelaufen war. Tara rannte durch den Schnee, der eisige Wind donnerte ihr ins Gesicht, aber sie hielt nicht an. Tränen stiegen ihr in die Augen und liefen über ihr Gesicht, ihre Sicht wurde schlechter, alles verschwamm vor ihren Augen, aber Tara lief weiter. Ein plötzlicher, stechender Schmerz durchfuhr ihre Vorderpfote. Nun brach Tara endgültig zusammen. Die Stelle, an der ihr Vater ihr Bein erwischt hatte, war offen und blutete, ihr Körper zitterte und sie keuchte vor Erschöpfung. Wie lange war sie gerannt? Und was war mit ihrem Bruder passiert? Warum wollte sie keiner erkennen? Fragen über Fragen, aber nur eines war ihr klar: So konnte sie nicht in ihr Rudel zurückkehren. Notgedrungen beschloss sie alleine weiter zu gehen. Leichter Schneefall setzte ein, doch der Schnee war nicht ihr Problem. Sie war noch keine vier Monate alt und wusste kaum etwas über das Überleben alleine. Wie also sollte sie den Winter überstehen? Das weiße Nachtara mit den roten Ringen hatte wohl mehr Glück als Unglück, denn sein Weg führte es am Tohjo Gipfel vorbei direkt nach Kanto. Hier endete der felsige und steile Weg nach unten und Tara gelangte auf eine schneebedeckte Ebene. Der eisige Wind pfiff über die Ebene und trug dabei einen nebelähnlichen Schleier mit, der aus winzig kleinen Flocken und Eiskristallen bestand. Obwohl der Schneesturm hier wohl nicht so stark gewütet hatte, lag der Neuschnee doch sehr hoch. Das junge Pokemon musste nun also gegen den hohen Schnee, den eiskalten Wind und den stechenden Schmerz in ihrer Pfote ankämpfen, um weiter zu kommen. Tara hatte Hunger, war erschöpft und wusste nicht wohin sie gehen sollte. 'Hauptsache weg!' war ihr einziger Gedanke. Nach einem Marsch, der den ganzen Tag dauerte, erreichte sie ein Waldstück. Zwischen den Bäumen lag kaum Schnee, es wuchsen sogar noch vereinzelt Beeren, die wohl kälteresistent waren. Sofort stürzte sich das hungrige Nachtara auf den verdorrten Strauch und wollte fressen, doch in diesem Moment hörte es ein Geräusch. Als sie auf sah konnte Tara erkennen, dass sich ein kleines Pokemon hinter einem Baum versteckte und sie beäugte. Tara wollte gerade etwas sagen, als das Kleine hervor sprang, auf sie zu rannte und aus voller Kehle brüllte: „Mama! MAMA!! Ein Dieb! EIN DIEB!!“. Das Nachtara ging einen Schritt zurück und sah das Kind auf sich zu flitzen. Es sah aus wie ein hellbrauner Teddybär, also eigentlich ganz niedlich, aber es machte fürchterlichen Lärm. „Ich bin kein Dieb..“ Versuchte sie zu erklären, aber es hatte keinen Sinn, das kleine Pokemon schrie weiter herum. Und als sich Tara umdrehte um zu gehen stand sie plötzlich zwei großen Pokemon gegenüber, zwei dunkelbraune und sehr wütend aussehende Bären. Sie knurrten den Eindringling böse an und holten gleichzeitig mit ihren Pranken aus. Nur knapp entging Tara dem Angriff und rannte dann einfach drauf los. Sie konnte an den wütenden Rufen genau hören, dass sie immer noch verfolgt wurde, also musste sie noch schneller werden, irgendwie! Da geschah was sie schon befürchtet hatte: Ein stechender Schmerz fuhr durch ihre Vorderpfote, mit der sie deswegen umknickte, dadurch geriet sie ins rutschen und verfing sie sich dann auch noch im Gestrüpp eines Busches. Die nächsten Minuten waren für Tara blanker Horror. Eines der Ursaring, die sie verfolgt hatten, schlug Tara mit einem kräftigen Megahieb aus dem Busch heraus. Sie kullerte über den Boden und versuchte sich wieder aufzurichten und in Sicherheit zu bringen, aber ihre Beine versagten ihr nach wenigen Metern den Dienst. Dann feuerte das andere Pokemon einen kräftigen Energiestrahl auf sie und das angeschlagene Nachtara wurde gegen einen Baum geschleudert. Dort blieb es benommen liegen und konnte nur noch sehen wie ein heller Lichtblitz an ihr vorbei schnellte. Dann sah sie noch einen Schatten auf sich zu kommen bevor sie endgültig das Bewusstsein verlor. „Glaubst du es wird wieder gesund werden?“ „Ich tue was ich kann, aber es ist wirklich ziemlich fertig..“ Die Stimmen klangen von ganz weit weg an Taras Ohr. Waren sie nur Einbildung? Nein, sie waren wirklich da! Und langsam wurden sie deutlicher. Die eine Stimme klang besorgt und leise, es war ziemlich sicher eine weibliche Stimme. Die andere dagegen war eine tiefere und irgendwie beruhigende Stimme, eindeutig die eines Jungen. Tara öffnete langsam ihre Augen. Sie konnte anfangs nur verschwommene Schatten sehen, aber sie hörte wieder diese Stimmen. „Es wacht auf!“ sprach der Junge und Tara konnte spüren wie sich der Boden leicht bewegte. Der hintere Schatten saß nun nahe bei ihr neben dem anderen. Langsam wurde das Bild klarer. Die Schattengestalten entpuppten sich nun als Wesen, die Tara bisher kaum zu sehen bekam, von ihrem Vater Nachtschatten aber als sehr gefährliche Lebewesen bezeichnet wurden: Menschen! Der Junge hatte eine schwarze Mütze auf dem Kopf, aber an seiner Stirn kamen trotzdem einige grüne Strähnen zum Vorschein. Auch das Mädchen trug eine Mütze, allerdings eine dunkelgrüne Wollmütze unter der ihre braunen, mittellangen Haare zum Vorschein kamen. Beide waren in dicke Winterjacken gehüllt, kein Wunder bei dieser Kälte. Tara wäre am liebsten aufgesprungen und geflüchtet, aber ihr ganzer Körper fühlte sich irgendwie taub an, ob nun von der Kälte, den Wunden oder der Erschöpfung an sich. Erst jetzt bemerkte sie auch, dass ihr gesamter Rumpf, ihre verletzte Vorderpfote und ein Hinterlauf bandagiert waren. Mit vor Angst aufgerissenen Augen starrte das verletzte Pokemon die beiden Menschen an. Was hatten sie mit ihr vor? Die beiden Menschen schienen zu verstehen, dass sie Angst hatte. Der Junge ging etwas nach hinten, damit sich Tara nicht beengt fühlte, und legte dem Mädchen dabei eine Hand auf die Schulter. „Lassen wir ihr etwas Ruhe, ok?“. Seine Begleiterin nickte und beide gingen ein paar Meter weg. Sie setzten sich zusammen um ein kleines Lagerfeuer und unterhielten sich. Tara beschloss erst mal liegen zu bleiben und abzuwarten was passieren würde. Trotzdem behielt sie diese Menschen im Auge, für den Fall, dass sie flüchten musste. Aber die beiden jungen Leute entpuppten sich im Laufe des Abends als sehr gutmütig. Als es dunkel wurde deckten sie das verletzte Pokemon zu und stellten Tara etwas zu fressen und zu trinken hin. Doch erst nach langem zögern fraß sie, obwohl ihr Hunger riesig war. Schließlich entschloss sich Tara dazu diesen Menschen etwas mehr vertrauen zu schenken, immerhin hatte sie ja nichts mehr zu verlieren, vielleicht aber konnte sie etwas gewinnen, auch wenn es nur eine Nacht in Frieden und etwas Futter war. Außerdem sahen sie viel zu friedlich aus, von ihnen schien wirklich keine Gefahr auszugehen. Die beiden hatten ihre Pokemon versorgt und sich dann ans Feuer gesetzt. Der grün-haarige Junge, der vorher noch Tara’s Bandagen gewechselt hatte, saß mit dem Rücken an einen Stein gelehnt und sah ins Feuer, seine Begleiterin hatte es sich mit einem warmen Tee neben ihm bequem gemacht und ihren Kopf an seine Schulter gelehnt. In Decken eingehüllt saßen sie so zusammen, als sie plötzlich sahen wie sich Tara einfach in ihrer Nähe neben das Feuer legte und sie ansah. Die Trainer lächelten sich an und sahen dann wieder ins Feuer. Diesen kleinen Vertrauensbeweis wussten sie wirklich zu schätzen. Der Abend war sehr ruhig und Tara fühlte sich das erste Mal seit dem Vorfall mit ihrem Vater einigermaßen wohl. Doch leider hielt auch diese schöne Zeit nicht lange an... Der nächste Morgen brach an. Nachdem sie alle aufgewacht waren untersuchte der Junge mit dem grünen Haar Tara’s Verletzungen erneut und stellte erfreut fest, dass die Arzneien, die er ihr gegeben hatte ihren Dienst getan hatten und die Wunden schon gut geheilt waren. Das Nachtara biss die Zähne zusammen, als der Trainer eine Salbe auf die Wunde an ihrer Pfote auf trug. Sie brannte höllisch, aber der Schmerz war mit ihrem innerlichen Schmerz nicht zu vergleichen. So ließ Tara diese Prozedur halbherzig über sich ergehen. Am Nachmittag aber brachen die beiden Menschen auf und mussten sie zurücklassen. Zwar hätte das Mädchen Tara gerne mitgenommen, aber das Nachtara wollte nicht. Sie war ein freies Pokemon, außerdem musste sie ja ihren Traum erfüllen und irgendwann wieder zu ihrem Rudel zurück kehren. So trennten sich ihre Wege. Die nächsten Tage waren weniger ereignisreich. Tara verließ endlich die Gegend rund um den Tohjo Gipfel und folgte einem Wanderweg. Hier fanden sich oft Essensreste, die von Wanderern und Trainern zurückgelassen wurden. So kam Tara gerade mal durch. Aber sie war nun mal ein Pokemon mit einer besonderen Färbung, daher blieb sie nicht lange unentdeckt. Ihre erste Begegnung mit Menschen auf ihrer weiteren Reise war, als sie mit knurrendem Magen ein Waldstück durchquerte. Sie hatte den Geruch von gebratenem Fisch wahrgenommen und wollte nachsehen, wo dieser herkam. Der Verursacher war ein junger Trainer, der sich im See etwas zu essen gefangen hatte. Nun saß er mit seinem Moorabbel am Lagerfeuer nahe dieses kleinen Sees und aß. Doch bevor sich Tara überlegt hatte, wie sie etwas von dem leckeren Schmaus ergattern könnte wurde sie schon bemerkt. Das Pokemon des Trainers bewegte kurz die Flosse auf seinem Kopf und richtete dann seinen Blick in die Richtung, in der Tara kauerte. Sie duckte sich und wollte sich nach hinten fort schleichen, doch nun hatte auch der Trainer bemerkt, dass da jemand war. „Was hast du Moorabbel? Ist da wer?“ In diesem Moment sah der Junge etwas weißes und etwas rotes im Gebüsch. Tara wusste, dass er sie gesehen hatte. Sie konnte nicht nach hinten weg rennen, denn einige Dornenzweige waren ihr im Weg. Die einzige Möglichkeit war nach vorne aus dem Gebüsch zu springen und dann ab zu hauen. Aber sollte sie das riskieren? Das junge Pokemon nahm allen Mut zusammen und sprang. Der Trainer reagierte sofort. Noch nie hatte er so ein merkwürdig gefärbtes Pokemon gesehen, er musste einfach versuchen es zu fangen. Daher befahl er seinem Moorabbel den Angriff. Es feuerte eine Aquaknarre auf Tara, als diese noch im Sprung war und schleuderte sie so nach hinten. Das Nachtara kullerte über den Boden, stand aber sofort wieder auf. Sie hatte große Angst und rannte los, in ihrer Eile sah sie aber nicht wohin. Das nutzte der Gegner aus, um ihr immer wieder mit Lehmschuss den Weg abzuschneiden. So drängte Moorabbel sie weiter in Richtung des großen Sees. Das merkte sie erst, als das kalte Wasser schon ihre Pfoten umspielte. Nach vorne konnte sie nicht, da wartete der Gegner. Hinten aber lag der See! Wo sollte sie hin? In diesem Moment wurde sie von einer weiteren Aquaknarre erfasst und landete in hohem Bogen im Wasser. Hustend versuchte Tara mit dem Kopf über Wasser zu bleiben. Moorabbel schwamm bereits auf sie zu und würde sicher gleich angreifen! Da geschah etwas, was niemand erwartet hätte. Tara’s Augen leuchteten eisblau auf und das Wasser um sie herum gefror zu einer festen Eisschicht. Diese Eisstraße zog sich in eine Richtung bis zum Ufer. Obwohl sie nicht wusste, wie das geschehen war erkannte Tara ihre Chance, das Nachtara kletterte auf das Eis und rannte so schnell es konnte davon. Erst als es den zugefrorenen See verlassen und im Wald verschwunden war rief der Trainer sein Moorabbel zurück. Nie hatte er so etwas ungewöhnliches gesehen. „Viel Glück auf deiner Reise, du wundersames Wesen. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.“ Tara rannte, wollte einfach nur weg! Sie rannte so lange, bis ihre Beine nachgaben und sie keuchend am Boden liegen blieb. Ihr Körper bebte, zitterte vor Kälte, sie konnte kaum noch atmen, alles um sie herum schien sich zu bewegen. Was war gerade passiert? Als ihre Augen so aufgeleuchtet hatten hatte sie eine unglaubliche Kraft gefühlt, begleitet von einer fürchterlichen Kälte. Beides hatte ihren ganzen Körper erfüllt. Aber wo kam diese Kraft her? Und warum zitterte sie immer noch so sehr? Hatte sie solche Angst vor diesen unbekannten Kräften? Tara kauerte sich auf dem Boden zusammen. Sie wollte nicht mehr aufstehen, wozu auch? Ihre Familie hatte sie verstoßen, die Menschen jagten sie, andere Pokemon wollten sie nicht akzeptieren. Wozu lebte sie überhaupt, welchen Sinn hatte ihre Existenz? Warum konnte nicht alles einfach wieder wie früher sein? Tränen liefen über ihre Wangen und sie fiel erst nach Stunden in einen leichten Schlaf, der ihr aber keinesfalls Erholung brachte. Ein warmer Lufthauch berührte Tara’s Gesicht. Sie spürte ein angenehmes Kribbeln, welches durch ihren Körper fuhr. Langsam öffnete sie die Augen. Wo war sie? In einer Höhle? Tatsächlich lag das Nachtara in einer kleinen Höhle. Nahe ihres Körpers brannte eine Flamme. Es war aber kein Lagerfeuer, es war die Flamme eines Glurak! Dieses gewaltige Pokemon saß vor der Höhle und ließ nur seinen Schweif in der Höhle liegen, wo er als Wärmequelle diente. Tara stand auf und setzte sich neben das Feuerpokémon. Sie sah zu seinem Kopf hinauf und fing an leise zu sprechen. „Wieso hast du mich hier her gebracht? Wieso hast du mich nicht einfach da liegen lassen? Keiner braucht mich mehr..“ Das große Pokemon sah sie kurz an und sah dann wieder in die Ferne. „Jedes Wesen, ob Mensch oder Pokemon, hat auf dieser Welt einen Platz. Eine Aufgabe, die vielleicht nicht jedem von Anfang an klar ist. Wenn du aber dein Leben aufgibst bevor es richtig angefangen hat, wirst du deine Aufgabe nicht entdecken. Glaub mir Kleines, eines Tages findest du jemanden der dich braucht, jemanden den du auch brauchst, und wenn du diesen gefunden hast wirst du sehen, dass dein Leben sehr wohl einen Sinn hat.“ Tara hörte dem Glurak zu. Seine tiefe Stimme erinnerte an einen Großvater, der seinen Enkeln von seinem Leben erzählte. „Aber woher soll ich denn wissen, wer dieser jemand ist?“ Sie bezweifelte, dass es jemanden geben könnte, der sie so akzeptieren würde, wie sie war. „Wenn du ihn triffst wirst du es wissen.“ antwortete das Glurak mit einem Lächeln. Tara sah es noch mal an und folgte dann seinem Blick in die Ferne. Man konnte sehen, dass sie sich auf einem kleinen Berg befanden. Unten lag ein verschlafenes Dörfchen an einem Fluss, weiter hinten sah man eine Ebene beginnen, auf der schon kein Schnee mehr lag. Der Mond und die Sterne erhellten diese weite Fläche und Tara schien es wie ein Zeichen. Irgendwo dort unten gab es jemanden, den sie finden musste um den Sinn ihres Lebens finden zu können. Lange saßen die beiden Pokemon noch schweigend da und sahen in die Ferne, dann flog das Glurak im Morgengrauen zurück nach Hause, in das Dorf, wo sein Trainer wartete. Tara allerdings machte sich mit den ersten Sonnenstrahlen auf den Weg durch die Ebene, auf der Suche nach dem Sinn ihres Daseins. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)