Eiskalter Engel von Calafinwe (Loki/Jane Foster) ================================================================================ Kapitel 6: Muspelheim --------------------- Sie trabten eilig auf dem Kiesweg dahin, der durch die kleine Parkanlage führte. Bunte Blüten streckten sich in die Höhe, doch die beiden Männer hatten keine Zeit für ihre Schönheit. Thor und Heimdall wollten zum Ende der Regenbogenbrücke, als der Wächter abrupt stehen blieb. „Oh nein...“, murmelte er. Thor hatte ebenfalls angehalten und drehte sich nun besorgt zu ihm um. „Was ist los, mein Freund?“, fragte der Thronfolger. „Schlechte Nachrichten. Wie ich es geahnt hatte, hat Loki Jane nicht nach Asgard gebracht.“ Angst flüchtete sich kurz über Thors Gesicht und er machte einen Schritt auf Heimdall zu. „Wohin dann?“ „Muspelheim...“ Thor machte auf der Stelle kehrt und stürmte zum Palast zurück. Der Wächter seinerseits überlegte, ob er ihm folgen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Odin würde seinem Sohn zweifelsohne Glauben schenken. Es war sinnvoller, direkt zum Biefröst zurückzukehren und darauf zu warten, dass der Blondschopf mit seinem Hammer angeflogen kam. Heimdall zweifelte nicht daran, dass Thor seinen Vater so lange drangsalierte, bis dieser ihn ziehen ließ. Er setzte seinen Weg fort. Der Thronfolger war mittlerweile beim Seiteneingang des Palastes angekommen. Schnell trugen ihn seine Füße hinauf und innerlich verfluchte er sich dafür, seinen Hammer nicht gleich mitgenommen zu haben. Mit diesem wäre es ihm ein leichtes gewesen, gleich oben durch eines der Fenster zu fliegen. So musste Thor sogar noch den Umweg über seine Gemächer in Kauf nehmen, um die gefährliche Waffe aufzulesen. Als er den Thronsaal betrat, war der König nicht mehr da. Vermutlich hatte Odin sich in seine Gemächer zurückgezogen, er verbrachte die Nachmittage in letzter Zeit oft mit seiner Frau Frigg. Auf dem Weg zu den Privaträumen seiner Eltern wurde Thor nicht aufgehalten, er besaß aber trotz allem den Anstand, nicht einfach einzutreten, sondern sich vorher ankündigen zu lassen. Im nächsten Augenblick befand er sich schon im Vorzimmer und wurde herzlich von seiner Mutter umarmt. Der Raum war als privates Empfangszimmer eingerichtet und außer dem Herrscherpaar befand sich momentan niemand hier. Ein Feuer brannte in einem Kamin an der Wand und spendete wohlige Wärme. „Thor, was ist los? Du siehst so bekümmert aus.“, fragte Frigg, nachdem sie einen Schritt zurückgetreten war und ihn gemustert hatte. Der Blondschopf antwortete ihr nicht, sondern wandte sich direkt an Odin: „Vater, Loki hat Jane nach Muspelheim gebracht.“ Odin stand von dem Sofa auf, auf dem er bis jetzt gesessen hatte und ging zu seinem Sohn hinüber. Der König war ehrlich betroffen, äußerte sich aber nicht. „Ist das die Frau, die du auf der Welt der Sterblichen kennen gelernt hast?“, fragte Thors Mutter. Der Thronfolger nickte, richtete seinen Blick aber weiterhin auf Odin. „Vater, bitte lass mich ziehen...“, bat er. „Du weißt, wie ich dazu stehe, Sohn...“, antwortete der König zögerlich. Seine Gattin blickte zwischen ihm und ihrem Sohn hin und her, und als keiner etwas sagte, richtete sie ihre Worte an den Herrscher: „Der Junge ist verliebt...“ Thor wurde leicht rot im Gesicht. Es stimmte, er fühlte sich zu der Sterblichen hingezogen und andererseits fühlte er sich dafür verantwortlich, was ihr jetzt widerfuhr. „Na gut.“, antwortete Odin, „Aber pass auf dich auf. ... Und schau, dass du auch Loki mitbringst.“ Der letzte Satz des Herrschers klang nicht wütend, sondern flehend. Es war klar, dass Thors Eltern ihrem Adoptivsohn längst vergeben hatten. Der Blondschopf nickte und machte auf dem Absatz kehrt. ~ Loki stand auf einem Hügel und blickte in die Senke hinab. Es war unwahrscheinlich, dass sein Opfer ihn hier erspähen konnte. Er war ziemlich schnell gewesen darin, Jane auf Muspelheim abzusetzen und sich dann wegzuteleportieren. Der junge Mann beobachtete, wie die Physikerin ziellos durch die Gegend lief. Anfangs hatte sie noch nach ihm gerufen, es aber dann aufgegeben. Loki schätzte, dass sie früher oder später auf die Bewohner dieser Welt stoßen würde. Zweifelsohne würde er also noch einmal auf seine Kosten kommen, wenn Jane von den Feuerriesen gefangen genommen und später von ihrem Anführer Surt verhört wurde. ‚Hm, ob ich die Feuerriesen auf sie aufmerksam machen sollte?“, überlegte er. Loki kicherte und wandte sich ab. Er wusste ungefähr, wo eine Siedlung der hiesigen Bevölkerung war. Und sicher konnten sie Surt schnell von der neuen Situation in Kenntnis setzen. Der Magier drehte sich um und lief davon. Jane ihrerseits tapste weiter vor sich hin. Zum Glück war es nicht kalt, aber die trockene Luft machte ihr mittlerweile zu schaffen. Sie hatte vergessen, eine Flasche Wasser einzupacken. Zugegeben, sie hatte auch nicht damit gerechnet, in einer öden Wüste zu landen. Sie fragte sich, wie kalt es in der Nacht werden würde. Vielleicht fand sie ja eine Höhle, in der sie sich verkriechen konnte. Die Forscherin hatte schon überlegt, ob es hier eingeborene Bewohner gab. Aber andererseits war es vermutlich besser, eine Konfrontation zu vermeiden, so lange sie nicht wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Nach einer halben Ewigkeit, wie es ihr erschien, blieb Jane stehen. Es hatte keinen Sinn, einfach in irgendeine Richtung weiterzulaufen. Mittlerweile glaubte sie, der Planet sei vollkommen unbewohnt. Sie war nicht mal Tieren begegnet, was bei dieser trockenen Atmosphäre auch nicht verwunderlich war. ‚Dieser verfluchte Magier!’, dachte sie wütend. Inzwischen glaubte Jane nicht mehr, dass Loki ihr nur habe helfen wollen. Wäre sie aus Versehen hier gelandet, dann hätte der Schwarzhaarige ja auch irgendwo sein müssen, aber von Loki war weit und breit keine Spur. Janes Stimmung sank mit jeder Minute. Wie zur Antwort zogen sich am Himmel Wolken zusammen. Oder war es dieser Rauch, der aus den vielen kleinen Gruben im Loch aufstieg? Sie wollte gerade weiter gehen, als es dunkel grollte. ‚Na toll, jetzt auch noch ein Gewitter...’ Jane sah sich um und entdeckte in einiger Entfernung eine Felsengruppe. Vielleicht hatte sie ja Glück und konnte sich dort unterstellen. Sie lief los und war gerade bei ihrem Ziel angekommen, als es einen fürchterlichen Knall gab. Irgendwie kam der Physikerin das Geräusch wage bekannt vor. Vorerst blieb der Regen aus, aber Jane konnte deutlich hören, dass in einiger Entfernung ein ziemlicher Tumult zugange sein musste. Doch sie wagte nicht, aus ihrem Versteck hervorzukommen. Etwa eine viertel Stunde dauerte das Getöse, dann war alles vorbei. Kein Wind, kein Blitz und kein Regen. ‚Ob das auf diesem Planeten normal ist?’, überlegte Jane. Sie linste vorsichtig um den Felsen herum, hinter dem sie stand. Doch mehr als eine Sandwolke sowie einzelne Wolken waren nicht mehr zu sehen. Die Frau überlegte, ob sie noch eine Weile warten sollte, entschied sich dann aber dagegen. Es war vermutlich besser, so schnell wie möglich einen großen Abstand zur Ursache des Getöses zu bekommen. Jane lief weiter. ~ Thor lag auf dem Boden und hustete. Staub war ihm bei seiner Ankunft in Mund und Nase geflogen. „Verflucht, Loki! Wieso gerade Muspelheim?“, schimpfte er. Schwerfällig kam der Blondschopf auf die Beine und er sah sich um. In einiger Entfernung war Mjölnir gelandet. Thor holte seine Waffe und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Nirgends waren ein Lebewesen zu sehen, nur karge Landschaft und trockene Dämpfe, die aus der Erde aufstiegen. Nicht mal einen Baum oder wenigstens einen Strauch schien es hier zu geben. Die letzte Information, die Thor von Heimdall erhalten hatte, war, dass Jane irgendwo in der Einsamkeit herum lief. Loki hatte scheinbar darauf verzichtet, sie direkt zu den Feuerriesen zu bringen. Wer weiß? Vielleicht hatte sich sein Stiefbruder ja einfach nur verschätzt und war fälschlicherweise auf Muspelheim gelandet? Diese Erklärung klang selbst in den Ohren des Thronfolgers ziemlich unglaubwürdig. ‚Na ja, es hilft alles nichts...’, dachte er. Thor verzichtete vorerst darauf, mit Heimdall Kontakt aufzunehmen. Der Biefröst hatte anfangs ganz normal gearbeitet. Als er aber auf die Heimat der Feuerriesen zugeflogen war, wurde er ziemlich durchgeschüttelt. Zwischendurch hatte sich sogar die Farbe der Regenbogenbrücke verändert, aber letztendlich war er in einem Stück hier angekommen. Thor fragte sich, ob ihm und Jane eine Rückreise nach Asgard möglich war. Und ob Loki sich überhaupt dazu bereit erklären würde, mitzukommen. Der Blondschopf zweifelte daran, verschob die Gedanken aber auf später. Jetzt war es wichtiger, Jane zu finden. Thor hob seinen Hammer nach oben und flog los. Die karge Landschaft erhob sich bis an den Horizont. „Wo soll ich nur anfangen?“, dachte er, als er auf Baumhöhe über die Landschaft flog. Thor flog Schlangenlinien in die Richtung, in der es ein Gebirge gab. Er wusste nicht viel über Muspelheim, schätzte aber, dass sie sich von den Eisriesen nicht allzu sehr unterschieden. Der Thronfolger wollte gerade etwas höher fliegen, als ihm ein schwarzer Punkt ins Auge stach. Er befand sich fast am Horizont und schien sich zu bewegen. Thor beschloss, hinzufliegen und nachzusehen. Schon als er die Entfernung verringert hatte, sah er, dass es definitiv keiner der einheimischen Bewohner sein konnte. Die Person lief in die entgegen gesetzter Richtung davon und schien ziemlich orientierungslos zu sein. Thor landete in einiger Entfernung und blieb unbemerkt. „Jane?“, fragte er, als er aufgeholt hatte. „Die Person blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihm um. Sie sah mitgenommen aus und war von Staub eingehüllt. Aber trotzdem erkannte der Donnergott die Sterbliche, an die er all die Jahre gedacht hatte. Jane machte einige Schritte auf ihn zu und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie ihren eigenen Augen nicht richtig zu trauen schien. „Bist du es wirklich?“, fragte sie. Thor ging zu ihr hin, nahm ihre rechte Hand und küsste sie, wie er es immer tat. Tränen stiegen Jane in die Augen und er nahm sie in die Arme. „Ist ja gut.“, meinte er lahm. Jane wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte überhaupt nicht damit gerechnet, ihn hier zu sehen. Den Mann, der ihr vor Jahren versprochen hatte, wieder zu ihr zurückzukommen, es aber nicht getan hatte. Komischerweise fühlte sie überhaupt nichts. Nur ein Gefühl der Erleichterung, das aber mehr davon herrühren zu schien, dass sie jetzt nicht mehr allein war in dieser Wildnis. Jane schluchzte. „Komm, wir müssen schauen, dass wir Loki finden.“, meinte der Donnergott. Ungern unterbrach Thor die Umarmung, aber es war wichtig, dass sie so schnell wie möglich von hier wegkamen. „Wo ist er?“, fragte er. „Ich weiß nicht. Ich habe anfangs nach ihm gesucht, aber er scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein.“, erklärte Jane, „Wie bist du überhaupt hierher gekommen?“ „Mit dem Biefröst. ... Damit bin ich damals auf die Erde geschickt worden.“, erzählte Thor, als Jane ihn nur fragend ansah. „Ich dachte, es wäre kaputt gegangen.“, murmelte sie. „War es auch, aber wir konnten den Biefröst reparieren.“ „Wieso müssen wir dann Loki finden?“, fragte die Physikerin. Thor legte den Kopf schief und sah sie an. Er hatte nicht erwartet, dass sie solch eine Frage stellen würde. „Na ja, er ist ja immerhin mein Bruder. Zu Hause vermissen ihn schon alle. ... Und möglicherweise kommen wir nur mit seiner Hilfe zurück nach Asgard.“, antwortete der Blondschopf. „Warum? Können wir nicht mit dem Biefröst reisen?“ Janes Gesprächspartner druckste etwas herum. Er wollte sie nicht damit beunruhigen, dass ihnen die Regenbogenbrücke vielleicht verschlossen blieb. Gut möglich, dass sie von Heimdall keine Antwort erhielten, wenn Thor nach ihm rief. „Es war nicht ganz einfach, hierher zukommen, aber sorge dich nicht. Wir werden schon einen Weg zurück finden.“, meinte er. Jane nickte nur und sagte dann: „Ich traue ihm nicht mehr.“ „Wem?“ „Loki... Das ist doch merkwürdig. Er war eigentlich kerngesund, als wir gestartet sind und hat mit seinen Fähigkeiten nicht gerade hinterm Berg gehalten.“ Thor brabbelte etwas Unverständliches. Er wollte ungern mit Jane über seinen Stiefbruder reden, vor allem nicht hinter seinem Rücken. Allerdings musste er ihr auch Recht geben. Es war merkwürdig, dass er Jane hierher gebracht hatte. Heimdalls Auffassung, das sei von Anfang an Lokis Plan gewesen, teilte er aber bis jetzt nicht. „Wo meinst du, wird er sein?“, fragte er. „Ich weiß nicht. Ich habe ihn nicht gesehen, seit ich hier bin. ... Vielleicht hat er sich ja verdrückt.“, sagte sie genervt. Der Blondschopf kicherte. Es war unglaublich, wie gut seine Freundin Loki mittlerweile einschätzen konnte. Es stimmte, falls der Magier nicht irgendwo verletzt im Graben lag, hatte er sich bestimmt vor Scham verdrückt. „Na, wir werden ihn schon finden. Ich kenne meinen Bruder.“ Die beiden gingen los, um Loki zu suchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)