Bis dass der Tod uns scheidet... von Galenhilwen ================================================================================ Kapitel 5: Du wirst sehen... ---------------------------- ~Aloha ihr Lieben! In diesem Kapitel passiert zwar in Bezug auf den Fall nicht viel, dennoch geht er drunter und drüber. Ich habe mal wieder ein Lied begleitend dazu herausgesucht: http://www.youtube.com/watch?v=PijJsCZU-Xg Ich hoffe, dass ich euch ein bisschen in die Gedankenwelt der beiden Protagonisten führen kann und dass es euch gefällt. Sicher bleiben noch Fragen am Ende offen, aber das ist durchaus beabsichtigt, denn immerhin wird die Vergangenheit der beiden parallel zu dem Kriminalfall aufgelöst ;) Also: Viel Vergnügen! GLG Galenhilwen~ Es war bereits dunkel, doch seit 2 Stunden brachte Sasori es nicht über sich zum Anwesen zu gehen und um Einlass zu bitten. An die Akte geklammert, die Nagato ihm vor seinem Gehen übergeben hatte, stand er auf der Promenade, stützte sich auf ein Geländer und blickte aufs Meer. Eine leichte, frische Brise strich beinahe zärtlich durch sein Haar, versuchte schwerfällig den schwarzen Mantel anzuheben und scheiterte doch immer wieder daran. Zwischen den schwarzen Schuhen stand ein kleiner, ziemlich alter Koffer, in dem der Rothaarige alles Nötige verstaut hatte. Er seufzte. Da er weder Deidara noch Hidan eine genaue Uhrzeit genannt hatte, konnte er sich auch nicht verspäten. Seit dem Nachmittag waren seine Gedanken nicht zur Ruhe gekommen und nun nahm er sich ein wenig Zeit, um dieses Chaos zumindest ein wenig zu sortieren. Das tat er schließlich auch in allen anderen Bereichen seines Lebens, wieso sollte es dann hier nicht funktionieren? Der Strand war kaum mehr besucht. In dieser Gegend wurde es abends doch recht still, da die Partys an anderen Teilen der Küste stiegen. Für Miami eine absolut ungewohnte, aber sehr angenehme Ruhe. Auch der Verkehr auf der Straße hinter ihm war kaum erwähnenswert. Hin und wieder fuhr ein vereinzeltes Auto hinter ihm entlang, das war aber auch schon alles. Die Sichel des Mondes spiegelte sich auf dem Wasser, das nur in kleinen, ruhigen Wellen auf den weißen Sand schwappte. Würde er sich selbst von außerhalb betrachten können, so würde er wohl einen friedlichen und ruhigen Eindruck machen. Doch der täuschte... Sasori schloss seine Augen und spürte, wie der Wind seine Wangen streichelte. Schon wieder wollte eine Erinnerung in ihm emporsteigen, doch für diesen Tag hatte er genug von Erinnerungen an die „guten, alten Zeiten“. Sie waren vergangen und er hatte kein Interesse daran, sie in irgendeiner Weise wiederaufleben zu lassen. Er war alleine und zufrieden damit. Zumindest hatte ihm seit dem Streit mit Deidara nie wieder jemand weh getan. Weil er es nicht zugelassen hatte, dass irgendwer überhaupt die Möglichkeit dazu bekommen hätte. Wie ein Igel hatte er sich eingerollt, mit den Stacheln auf seine Umwelt gerichtet. Er kontrollierte seine Kleidung. Alles saß so, wie es sollte. Die Boots; die enge, schwarze Hose; das schwarze Shirt mit den dämonisch wirkenden Augen; der Mantel, der eher wie ein Gehrock geschnitten war und und nur vor der Brust geschlossen wurde, und der mit Nieten und Lederbändern verziert war; das Lederband, das er um den Hals trug und welches mit einem Haken und kleinen, spitzen Nieten versehen war. Seufzend schob er den Ärmel des Mantels ein Stück nach oben. Das kleine, purpurrote Band an seinem Arm würde er gut verstecken müssen. Eigentlich wusste er nicht einmal, wieso er es überhaupt trug. Doch er hatte es nicht mit den anderen Erinnerungsstücken verbrennen können. Irgendwann war es so normal geworden, dass er es trug, dass es ihm nicht einmal mehr aufgefallen war. Bis heute. Der Rothaarige löste den Knoten des Freundschaftsbands und entfernte es von seinem Handgelenk. Er musste absolut sichergehen, dass Deidara es nicht sah. Vor allem wohl aus Angst. Angst vor der Tatsache, dass er es noch immer bei sich trug und Angst davor, dass diese Tatsache Deidara dazu verleiten könnte ihm doch wieder auf die Pelle zu rücken. Ein wenig abwesend strich Sasori über die Narben an seinem Unterarm. Seit einem Jahr schon hatte er es nicht mehr getan. Doch er spürte, dass der Druck wieder größer wurde. Der Druck, der Wunsch, das Verlangen. Doch noch spürte er sich selbst und wusste, dass er existierte. Noch gab es keinen Grund für selbst zugefügte, körperliche Schmerzen. Denn noch hielt sich der seelische Schmerz in Grenzen, den er damit oft versucht hatte zu überlagern. Noch! Seufzend strich er den Ärmel wieder nach unten und verstaute das Band in seinem Portemonnaie. Dort würde er es nicht verlieren und dort würde Deidara, wenn diesem sein Leben lieb war, auch nicht danach suchen. Abermals seufzte Sasori. Es brachte nichts, er musste los. Sich der Situation stellen, auch wenn er am Liebsten einfach nur fortlaufen würde. Immerhin war er kein Feigling. Deidara würde schon sehen, wie gut es ihm seit ihrem Streit, ihrer Trennung, ging. Er würde es sehen... Nervös, wie ein Tiger in seinem Käfig, streifte Deidara im Wohnzimmer auf und ab. Immer wieder. Seit gut einer Stunde. Hidan saß auf dem Sofa, beobachtete den Blonden und knurrte: „Man, ey, du machst mich kirre! Er wird schon auftauchen. Ich frage mich nur, wieso du so einen Aufstand nach der bescheuerten Nummer im Büro machst?! Ich meine: Scheiße, Alter! Der Idiot hält dir eine Knarre an die Birne und du takelst dich auf, als käme die Queen persönlich zu dir!“ Der Blonde blieb stehen und sah seinen Freund genervt an: „Das verstehst du nicht! Wenn er glaubt sich an dem Anblick weiden zu können, dass es mir wegen ihm beschissen geht, dann glaubt er falsch!“ - „Was laberst du?! Es geht dir wegen ihm beschissen!! Fuck, da komme ich echt nicht hinterher!“ Knurrend wandte Deidara sich dem Fenster zu: „MAAAN! Dir muss man auch alles erklären... also schön. Nach dem Treffen heute Nachmittag habe ich mich an etwas erinnert, weißt du?“ - „Aha.“ - „Ja und diese Erinnerung... wie erkläre ich das?“ Er überlegte kurz, ehe er weitersprach: „Jedenfalls... diese Erinnerung entspricht so gar nicht dem, was er da von sich gegeben hat. Wenn hier einer einen Grund hat sauer zu sein, dann bin ich es!...“ {Flashback} Die Haustür flog donnernd ins Schloss und Deidara sah seinem besten Freund entsetzt nach. Mit zittrigen Fingern hob er das Freundschaftsband vom Boden auf und keuchte: „Was... was war das denn jetzt? Habe ich etwas falsch gemacht?“ Kiba nahm den Blonden in den Arm und schüttelte den Kopf: „Nicht, dass ich wüsste. Er ist so abgerauscht, als ihr von gestern Abend gesprochen habt. Versuche dich mal zu erinnern, was passiert ist.“ Der Brünette setzte sich auf einen Stuhl und zog Deidara auf seinen Schoß, der angestrengt und laut überlegte: „Also... Um etwa 23 Uhr waren die meisten Gäste schon weg... ich glaube, dass ich mit Sasori sogar alleine gewesen bin. Wir haben es uns in der Küche gemütlich gemacht, die an den Saal angrenzte... Klar, wir wollten in seinen Geburtstag reinfeiern.“ Nickend hauchte Kiba Deidara einen Kuss in den Nacken und säuselte: „Und dann?“ Der Blonde seufzte: „Ja, und dann... Wir haben geredet und Unsinn gemacht, eigentlich wie immer. Bis es 0 Uhr war...“ Plötzlich riss er die Augen weit auf und stockte. Scheiße! Er erinnerte sich wieder! Ruckartig drehte er sich zu Kiba um und stammelte: „So ein Dreck... ich habe ihn im besoffenen Kopf geküsst...“ Der Brünette hob skeptisch eine Augenbraue: „Und deshalb so ein Aufstand von ihm?“ Einen Moment lang legte sich schweigen über die beiden, bis Kiba zu kichern begann und prustete: „Klar! Der Trottel hat wohl gedacht, dass das was Ernstes ist! Ich glaube, dein 'bester Freund' ist voll verknallt in dich!“ Zerknirscht befreite Deidara sich aus der Umarmung und sah seinen Freund skeptisch an: „Und was bitte ist so lustig daran? Wieso regst du dich nicht darüber auf, dass ich das gemacht habe?“ - „Also bitte, Deidara! War doch deine Rede von wegen nichts Ernstes mit uns und nur zum Spaß. Bin eh erstaunt, dass wir es nach drei Wochen noch immer treiben. Und ein Spießer wie der verknallt sich wegen einem dämlichen Kuss in dich. Da hast du schon für weniger wichtige Sachen deinen süßen Arsch hingehalten, als einen blöden Geburtstag.“ Entsetzt und aufgebracht stemmte Deidara die Hände in die Hüfte und keifte: „Sag mal, wie redest du eigentlich?! Nur, weil ich keine Lust auf ein Klotz am Bein habe heißt das noch lange nicht, dass du Sasori so beleidigen darfst!“ Amüsiert kicherte der Brünette jedoch weiter: „Wie jetzt? Sag nicht, dass du in diesen Spießer verknallt bist! Ich schmeiß mich weg!“ Völlig in Rage packte Deidara den Lachenden am Ohr und keifte, während er diesen in Richtung Haustür zog: „Halt dein dummes Maul! Ich bin nicht in ihn verknallt! ABER er ist mein bester Freund und auf den lasse ich nichts kommen, du Arsch! Und bevor DU dich wegschmeißt, schmeiße ICH dich raus! Verpiss dich!“ Unsanft schubste er Kiba in den Hausflur und knallte seine Wohnungstür vor dessen Nase zu. Der sollte noch ein falsches Wort über Sasori sagen! Würde sicherlich peinlich für ihn werden, nur in Shorts nach Hause zu laufen. Aber das geschah diesem Arsch mit Ohren wohl Recht. Hatte Sasori keine fünf Minuten gesehen und lästerte über diesen in SEINEM Beisein ab! Sauer stapfte er in die Küche zurück und griff nach dem Freundschaftsband, das er auf den Tisch gelegt hatte. Rasch band er es sich um den Fußknöchel und lächelte zufrieden. Vielleicht mochte er sich nicht gerne binden, da ihm seine Freiheit und seine kreative Entfaltung heilig war, aber immerhin hatte Sasori ihn von Anfang an immer unterstützt. Wenn es einen Menschen auf dieser Welt gab, den er immer um sich haben konnte, dann wohl den Rothaarigen. So komisch das auch sein mochte, da sein bester Freund irgendwie wirklich das genaue Gegenteil von ihm war: ruhig, bodenständig und introvertiert. Und durch nichts und niemanden zu ersetzen! Seufzend ließ er sich auf den Küchenstuhl fallen und hob seinen linken Fuß an, um das Band in Ruhe zu betrachten. Seines war azurblau, Sasoris Name in schwarz darauf gestickt. Er hatte sich wirklich sehr viel Mühe mit dem Geschenk gemacht und fühlte eine gewisse Enttäuschung, dass der Rothaarige es so einfach zu Boden geworfen hatte. Es war doch wirklich nur ein kleiner Kuss gewesen, nicht einmal ein Zungenkuss. Und Sasori war nun wirklich nicht der Typ, der auf solche Sachen viel Wert legte. Sich schon gar nicht in IHN, den unsteten Schmetterling, verliebte. Nicht von jetzt auf gleich. Nein, es musste etwas Anderes sein, das ihn so in Rage gebracht hatte. Plötzlich sah Deidara auf. Natürlich! Er hatte dem Rotschopf drei Wochen lang diese Liebelei mit Kiba verheimlicht, weil Sasori immer so streng mit ihm war, wenn er eine kurzweilige Liaison anschleppte. Immer gab es etwas auszusetzen und dieses Mal hatte er keine Lust auf Moralpredigten gehabt. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Eigentlich ging es seinen besten Freund doch gar nichts an, was in seinem Liebesleben passierte und was nicht. Das musste er klären! Und Sasori klar machen, dass dieser als bester Freund zu seinen Beziehungen nicht das Geringste zu sagen hatte, geschweige denn deshalb sein Geschenk einfach so wegzuschmeißen brauchte! Sicher wollte Deidara niemals auf diese Freundschaft verzichten. Aber sie schien damit anzufangen ihn einzuengen und das ging gar nicht! Er brauchte einen Freund und keinen Wachhund! Ein klärendes Gespräch war unausweichlich... {Flashback Ende} Hidan hob skeptisch eine Augenbraue und raunte: „Das hast du doch nicht ernsthaft gedacht damals?!“ Etwas verwirrt wandte Deidara sich ihm wieder zu und nickte: „Doch, natürlich. Er fing an zu klammern!“ - „Scheiße bist du blöd! Dein Macker hatte vollkommen Recht, das hat doch ein Blinder mit Krücke gesehen!“ - „So ein Unsinn! Dann hätte er mir das wohl gesagt. Ich meine: Hallo~hoo! Ich habe wegen ihm, meinem besten Freund, meinen 'Macker' achtkantig aus der Wohnung geworfen und ER...“ Er stockte und sah zu Boden. „Gut, ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr was danach passiert ist. Trotzdem! MIR war das Geschenk echt wichtig! ER war mir wichtig!“ Der Manager knurrte ungehalten, stand auf, ging zu dem Blonden und verpasste diesem eine Kopfnuss: „Sag mal, wer hat dir eigentlich das Hirn geklaut?! Gestern Nacht heulst du, weil du ihn so vermisst und heute willst du mir erzählen, dass du eigentlich sauer auf ihn bist?! Und das nach SO einer Aktion? Wie hättest du dich gefühlt, wenn du verknallt gewesen wärst und dein Angebeteter dir FREUNDSCHAFTSARMBÄNDER geschenkt hätte? Das raffe ja sogar ich, du Idiot!“ Deidara setzte zu einer aufgebrachten Antwort an, hielt jedoch plötzlich inne. Verflucht! Hidans Worte klangen sogar einleuchtend! Stammelnd sah er auf: „Ich... ich brauche fünf Minuten... für mich alleine...“ Rasch eilte er an seinem Freund vorbei und lief in sein Schlafzimmer, wo er sich auf das Bett fallen ließ und aus dem Fenster in die Dunkelheit der Nacht schaute. Mittlerweile war ihm doch mehr als klar, dass er einen fatalen Fehler begangen hatte. Aber er hatte es doch nicht mit Absicht getan! Damals hatte er wirklich aufrichtig geglaubt, dass Sasori ihn kontrollieren und nicht frei lassen wollte; dass Sasori neidisch auf seinen Erfolg gewesen war und ihn deshalb so mit Argusaugen im Blick gehabt hatte; dass Sasori unfähig gewesen war IHN zu teilen, sondern einfach nur egoistisch an sich selbst gedacht hatte. Doch der wahre Egoist unter ihnen war nur er selbst gewesen. Seufzend rollte er sich auf den Rücken und starrte an die Zimmerdecke. Stets hatte er vermieden sich diesen Fauxpas vor Augen zu führen, aber Hidans Worte waren so klar und deutlich gewesen, dass er gar keine andere Wahl hatte. Wie lächerlich mussten diese Bändchen damals gewirkt haben? Wie sarkastisch?! Wie... abscheulich? Er hob sein linkes Bein in die Luft und wedelte mit dem Fuß in seinem Blickfeld herum, bis seine Hose ein Stück nach unten rutschte und das kleine Band zum Vorschein kam. Ob er es damals schon geahnt und es deshalb nie weggeworfen hatte? Was es auch immer gewesen sein mochte, es war weit stärker als seine Enttäuschung gewesen. Stärker als seine Wut. Und sogar stärker als sein Drang zu absoluter Freiheit. Diese kleine Schelle der Freundschaft hatte er stets getragen. Abermals seufzte er. Deidara zog den Fuß näher zu sich und nahm zum ersten Mal seit fast 5 Jahren das Band von seinem Fußgelenk. Denselben Fehler würde er nicht noch einmal machen. Wie auch immer man es jetzt nennen konnte, was zwischen ihnen war, das Band würde nur Unheil stiften. So sehr er Sasori auch vermisste, die Reaktion am Nachmittag hatte ihm mehr als deutlich gezeigt, dass er wohl in Zukunft ohne den Rotschopf leben musste. Sein bester Freund hasste ihn und er müsste damit lernen zu leben. Er würde sich und Sasori beweisen, dass er das konnte. Er würde sich entschuldigen und danach, so weh es auch tat, mit der Ablehnung zurechtkommen. Sasori würde schon sehen, dass er es bereute, aber akzeptierte. Er würde es schon sehen... (*1*) Sasori stieß sich von dem Geländer ab, griff seinen Koffer und schritt langsam los, in Richtung Anwesen. Eine trügerische Ruhe legte sich um sein Herz. Seine Gedanken schienen besänftigt zu sein, doch sein Körper verriet, dass genau das Gegenteil der Fall war. Unruhig pochte sein Herz unter seiner Brust, aufgeregt tuckerte sein Puls hinter seinen Schläfen. Er würde es sich und allen anderen beweisen, dass sein neues Leben funktionierte. Dass er glücklich mit seinem neuen Leben war. Dass er diese Gefühle nicht brauchte, nicht mehr besaß. Stolz und mit erhobenem Haut würde er das Haus seines einst besten Freundes betreten. Das Haus des Menschen, den er über alles geliebt hatte; den er immer zu schützen und zu unterstützen versucht hatte; der noch immer seine Gedanken und seine Träume beherrschte. Doch er würde es nicht zeigen. Er war alleine stark, brauchte Deidara nicht. Brauchte niemanden. Seine nahezu schneeweiße Haut schimmerte im fahlen Mondlicht auf. Was machte er sich Sorgen? Er würde diesen Job, wie immer, professionell und erstklassig erledigen. Wie immer. Sie würden schon sehen. Deidara rollte sich aus dem Bett und trat an das große Fenster heran. Seine Finger glitten über die kalte, glatte Oberfläche, sein Blick verlor sich irgendwo in der Dunkelheit. Er würde Sasori während dessen Anwesenheit nicht zu nahe treten; würde stark sein und sich diesen Verlust nicht anmerken lassen, sondern lernen damit zu leben. Er hatte ihn selbst verschuldet. Für Reue und Gnade war es wohl lange zu spät. Er seufzte und legte seine Wange an das kühlende Glas. Vor allem war es zu spät für die Einsicht, dass er Sasori wirklich liebte. Damals schon. Doch er hatte es sich nicht eingestehen können. Hatte vergessen was passiert war. Konnte sich noch immer nicht an alles erinnern, und bedauerte das zutiefst. Wünschte sich nichts sehnlicher, als die Zeit zurückdrehen zu können. Aber das konnte er nicht. Er hatte nicht in Absicht gehandelt. Das würde er Sasori in ihrer gemeinsamen Zeit noch beweisen. Das war das Einzige, was er jetzt noch tun konnte. Sasori würde schon sehen, dass er ihn niemals so verletzen wollte. Sasori blickte auf und fasste das gesuchte Anwesen ins Auge. Er war fast da. Nur noch knapp 100 Meter trennten ihn von diesem Auftrag. Von Deidara. Erhobenen Hauptes wechselte er die Straßenseite schon einmal. Ignorierte die hupenden Autos, die ihn mit ihren Scheinwerfern blendeten. Er ging einfach. Wieso sollte er Rücksicht auf jemanden nehmen? Er brauchte niemanden. Nie hatte irgendwer Rücksicht auf ihn genommen. Er nahm sich lediglich das, was ihm zustand. Freiheit. Autonomie. Ruhe. Alleine war er besser dran. Auch wenn sein Herz sich nach Geborgenheit sehnte musste er alleine bleiben. Es gab ja doch niemanden, der ihn so nahm, wie er war. Niemanden, der verstehen konnte, wieso seine Arme von einem lieber ertragenen Schmerz zeugten, als den unter seiner Brust zu spüren. Niemanden, der erkennen konnte, wie viele Emotionen sich unter seiner blassen Haut versteckten. Und schon gar niemanden, der ihm die Angst nehmen konnte. Diese gehüteten Emotionen waren doch nur dort verschlossen, weil er die Verletzungen nicht mehr ertragen konnte, die man ihm mit ihnen zufügen könnte. Alleine war gut. Alleine bedeutete Stärke. Sie würden sehen. Die Faust ballend, festigte sich Deidaras Blick. Ja, er würde beweisen, dass er Sasori nie etwas Böses wollte. Er würde beweisen, dass dieser Angriff mit der Waffe nicht einfach nur ein Wutanfall gewesen war. Sasori war kein Brutalo und auch kein ausrastender Hitzkopf. Ungeduldig und schnell genervt, ja. Aber das heute war nicht Sasori gewesen. Deidara war klar, dass mehr hinter dieser kühlen Ablehnung stecken musste. Er hatte den Rotschopf damals schwer getroffen, was diesen bis heute mitzunehmen schien. Und das Schicksal hatte ihm hier in Miami die Chance geboten, endlich den Nebel des Vergessens von seinen Erinnerungen zu nehmen, alles aufzuarbeiten und zu klären. Und das würde er auch tun! Er hatte die Dinge immer angepackt, einfach ins Blaue hinaus losgelegt. Wieso sollte er es dieses Mal anders machen? Selbst wenn aus ihnen niemals etwas werden würde, so würde er die Vergangenheit zumindest bereinigen. Sasori würde schon sehen! Sasori überbrückte die letzten Meter bis zum Tor. Was hatte er zu verlieren? Nichts! Er hatte damals schon alles verloren. Das Leben ging eben weiter. Und es würde auch nach diesem Job weitergehen. Irgendwann würde sich der Nebel des Vergessens über seine Erinnerungen legen und er endlich seinen Frieden finden. Er musste einfach nur abwarten, auch wenn er das hasste. Doch dieses eine Mal in seinem Leben musste er sich zu Geduld zwingen. Dann würde es irgendwann nicht mehr so schmerzen. Er würde die Vergangenheit und Deidara endlich vergessen können. Frei sein. BEfreit sein! Wieder ruhige Nächte erleben und nicht länger von Albträumen geplagt sein. Das Leben ging weiter. Ob er es sich schwer machte oder nicht, es würde auch auf ihn nicht warten. Doch er würde wieder Schritt halten können. Sie würden schon sehen... Sie alle! Während Sasori die letzten Schritte machte, die ihn zur Sprechanlage des Tores führten, stieß Deidara sich leicht von der großen Fensterscheibe ab und schritt durch das Zimmer, in den Flur hinaus, bis ins Wohnzimmer. Er würde nicht wimmern, nicht schluchzen. Er würde handeln! Nach all den Jahren endlich an der richtigen Stelle handeln! Sasori stellte seinen Koffer ab und atmete einmal tief durch. Was auch passieren mochte, er würde es über sich ergehen lassen und weiterhin versuchen zu vergessen. Er war hier, um ein Profil zu erstellen und einen Stalker zu erledigen, nichts anderes! Und nichts anderes würde er tun! Seine zitternde Hand erhob sich, sein Finger legte sich locker auf den Knopf. Deidara nickte entschlossen. Er würde seine Erinnerungslücken beheben! Obwohl er sich eigentlich um diesen Stalker kümmern müsste. Aber diese Erinnerungen waren ihm wichtiger. Wie sie es längst hätten sein sollen. So, wie es endlich richtig war! Der Blonde und auch Hidan schreckten auf, als es plötzlich klingelte. Sofort spürte der Künstler kalten Schweiß auf seiner Stirn und seinem Rücken. Panisch sah er Hidan an: „Das ist er! LOS! Geh... geh du an die Gegensprechanlage und mach ihm auf! BITTE!“ Murrend erhob sich der Manager von der Couch und ging kopfschüttelnd auf die Anlage zu: „Du führst dich auf wie eine Dramaqueen! Alter, dich hats ja so verfickt erwischt...“ Er nahm den Hörer ab und brummte ins Telefon: „Ja, bitte? …. Aha... schön, ich mach dir auf.“ Er hängte wieder auf und drückte einen der Knöpfe. Ungeduldig hastete Deidara an die Fensterscheibe, die zum Tor gerichtet war, presste sich dagegen und starrte auf die Einfahrt. Sein Atem beschlug das Glas und versperrte ihm die gerade erlangte Sicht direkt wieder. Nervös drehte der Blonde sich herum und sah seinen Manager aufgeregt an: „Verflucht, da kommt er! Wie sehe ich aus? Gut? Nein?! Aber...“ Hidan verpasste ihm zum zweiten Mal an diesem Abend eine Kopfnuss und keifte: „Sag mal: geht’s noch?! Sasori kommt zu dir, weil dich ein beschissener Stalker verfolgt, schon vergessen? Und nicht, weil ihr ein Date habt! Also komm mal runter!“ - „Ach, sei doch still! Wir haben uns zwei Jahre nicht gesehen und ich habe keine Ahnung, worüber ich mit ihm sprechen soll, ohne dass das Ganze in einem Desaster endet!“ - „Dann halt deine kleine Schnute einfach und ICH rede...“ - „NEIN! Ich meine... vielleicht doch? Oh Gott, ich weiß es nicht! Scheiße, Hidan! Ich würde ihn am Liebsten sofort an mich drücken!“ - „Das würde ich mir nach dem heutigen Tag zwei Mal überlegen...“ - „Das weiß ich selber, du Schnellschalter! Aber... au man! Ich explodiere gleich vor Aufregung!“ ~BING~ Die Fahrstuhltür öffnete sich und Deidara wandte sich diesem ruckartig zu. Sasori trat mit dem Koffer in der Hand ins Wohnzimmer und dem Blonden klappte die Kinnlade herab. Diese wunderschöne, blasse Haut unter diesem wehenden, schwarzen Mantel. Was auch immer er sich bis gerade eben vorgenommen hatte, in diesem Augenblick wurde Deidara klar, dass das eine nahezu unmögliche Mission sein würde. Zumindest wenn er bedachte, dass er sich mit einer Niederlage hingeben müsste. Sasori hatte sich gewaltig verändert, was dem Künstler in diesem Büro in der ganzen Aufregung gar nicht aufgefallen war. Aber aus einem kleinen unscheinbaren Spießer, rein optisch gesehen, war ein verflucht heißer Profiler in Gothic- und Metalklamotten geworden! Der Blonde biss sich auf die Unterlippe und bemerkte gar nicht, wie er den Ermittler anstarrte. Der Rothaarige stellte den Koffer neben sich ab und sprach so monoton wie er blickte: „Guten Abend. Ich hoffe, dass ich nicht zu spät bin.“ Endlich aus seiner Starre erwachend schüttelte Deidara eiligst den Kopf: „Nein, nein. Kein Problem! Ich bin froh, dass du da bist.“ Innerlich musste Sasori irgendwie lächeln. So neben der Spur kannte er Deidara gar nicht. Ganz heimlich freute er sich über diesen überraschten und ungläubigen Blick. Ja, er hatte sich verändert. Sehr sogar. Dieser Blick aus den azurblauen Augen schien ihn regelrecht auszuziehen. Doch so schnell dieser Gedanke gekommen war, so schnell schob er ihn wieder beiseite. Er war hier um zu arbeiten. Und eine Versöhnung stand ganz außer Frage. Vergessen war das Stichwort. Er hob fragend eine Augenbraue: „Ich... würde sagen, dass wir Morgen nach dem Aufstehen mit der Arbeit beginnen. Ich hatte einen langen Tag und würde mich gerne hinlegen, wenn es Recht ist. Soll ich hier...“ Er sah sich im Wohnzimmer um. „...bleiben?“ Da Deidara noch immer nicht so recht reagieren wollte, trat Hidan an den Rothaarigen heran und schüttelte den Kopf: „Ähm, nein. Ich habe mich für ein paar Tage hier einquartiert, weil ich Blondi nicht so ganz alleine lassen wollte. Das Sofa gehört mir. Du hast die Wahl: entweder du teilst dir dieses mörderisch große Bett im Schlafzimmer mit Deidara, oder...“ - „Ich wähle 'oder'.“ Etwas irritiert sah Hidan auf, nickte dann aber: „Gut, wie du willst. Bereite ich halt das beschissene Arbeitszimmer extra vor und hol dich dann.“ Grummelnd sockte er los: „Scheiße, Alter, wieso muss ich das Maul nur immer so voll nehmen? Fuck... Scheißdreck...“ Sasori blickte den Blonden an: „Wenn sich eines nicht geändert hat, dann Hidans loses Mundwerk.“ Deidara lächelte und hatte sich endlich wieder gefangen: „Glaubs bloß nicht; das ist sogar noch schlimmer geworden!“ Er stockte kurz, blickte verlegen auf den Boden und versuchte irgendwie die erdrückende Stille zu umgehen: „Und... wie geht es deiner Großmutter?“ - „Chiyo? Keine Ahnung. Die hat mich vor drei Jahren aus dem Haus geschmissen und gesagt, dass sie mich nie wiedersehen will...“ Innerlich schlug sich Deidara gegen die Stirn. Das ging ja fantastisch los! Bedrückt schaute er schließlich auf: „Das... tut mir Leid... Moment! Vor drei Jahren? Wieso weiß ich davon nichts...“ Wütend funkelnde, rotbraune Augen sahen ihn an: „Weil es dir meilenweit am Arsch vorbei ging.“ - „Das... das ist nicht wahr! Wieso hast du mir das nie gesagt?“ - „Das habe ich. Aber du warst mit deiner Ausstellung auf Tour und am Telefon nur gesagt gehabt, dass sich das schon wieder einrenke. Hat es aber nicht. Hat dich auch nicht interessiert. Warst ja lieber mit deinen Künstlerkollegen auf Zechtour.“ Sauer stellte sich Deidara vor den Rothaarigen und keifte los: „Das ist nicht wahr! Du... du... Verdammt, Sasori! Wenn du nur einmal richtig den Mund aufgemacht hättest, dann hätte ich dir doch geholfen!“ - „Wieso? Ich habe es ohne dich geschafft und mir eine kleine Wohnung während der Semesterferien gesucht.“ - „Du hättest doch bei mir wohnen können!“ Plötzlich verzerrte sich das schmale Gesicht unter den roten Haaren vor Wut und Sasori fauchte gereizt: „Um mir anhören zu müssen, wie sehr ich dich behindere, während du mit einem Kerl nach dem anderen nach Hause kommst?! Du tickst doch nicht ganz sauber!“ - „Was hältst du eigentlich von mir? Als ob ich mich durch ganz Japan gevögelt hätte! So ein Blödsinn!“ - „Ach! Wirklich?!“ - „Ich habe nur nie den Richtigen gefunden und...“ Deidara schlug sich die Hand vor den Mund. Böses Foul! Die Wut in den rotbraunen Augen schlugen in deutlich sichtbare Traurigkeit um, die sich rasch mit dem ganzen Gesicht von ihm abwandten. Der Blonde hauchte: „Scheiße, tut mir Leid. Das war nicht so gemeint.“ - „Doch, war es. Aber ist doch egal. Als ob mich das stören würde. Pff. Ich hatte genug Zeit, um dich zu vergessen, Deidara. Und ich bin sehr, sehr dankbar dafür.“ - „Nein! Sasori, ich wollte dir nie, NIE!...“ - „HAST DU AUCH NICHT! Mir geht es blendend ohne dich, und nach diesem Job wird es mir auch wieder blendend gehen.“ Vorsichtig trat der Künstler an den Profiler heran und legte vorsichtig eine Hand auf dessen Schulter. Doch Sasori schüttelte sie ab und ging einen Schritt nach vorne, ehe er knurrte: „Hast du es schon vergessen?! Nicht! Anfassen!“ Bedrückt starrte Deidara auf den Rücken und seufzte leise: „Schon okay. Ich habe es ja verdient, dass du dich rächst. Hoffentlich geht es dir dann besser. Aber eines sage ich dir: egal wie du hinterher darüber denken wirst, ich habe niemals etwas mit Absicht getan, was dich verletzt hat. Niemals! Und das werde ich dir beweisen. Ich war damals einfach nur... dumm.“ Hidan kehrte ins Wohnzimmer zurück und knurrte verstimmt: „So, alles fertig. Wehe du schläfst beschissen nach der ganzen Arbeit, dann setzt es was!“ Sasori lachte trocken auf: „Hunde die bellen beißen nicht. Lass das mal meine Sorge sein wie gut ich schlafe.“ Rasch packte er seinen Koffer und stürmte aus dem großen Raum. Nach einigen Fehlversuchen hatte er schließlich auch das Arbeitszimmer gefunden, verschwand in diesem, schloss die Tür und lehnte sich von innen an diese an. Seufzend strich er sich über das Gesicht, auf dem schon wieder zwei, drei Tränen ihren Weg in die Freiheit gefunden hatten. Deidara war gut. Die letzten Worte hatten mehr als gesessen. Aber es war zu spät, er wollte einfach nur vergessen. Alles! Alles, was jemals zwischen ihnen geschehen war. Gutes, wie schlechtes. Denn das Gute ließ ihn letztlich doch nur wieder an die schlechten Dinge denken. Das konnte und wollte er einfach nicht mehr! Morgen würde es sicherlich schon ganz anders aussehen, da er sich dann in die Arbeit stürzen würde. Bis dahin musste er nur irgendwie die Nacht herumkriegen... Wie jede Nacht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)