Bis dass der Tod uns scheidet... von Galenhilwen ================================================================================ Kapitel 2: Glanz und Schmutz einer neuen Welt --------------------------------------------- „Man, du Arsch! Du hast versprochen NICHT zu lachen!“ Nichts zu machen. Die Tränen liefen Hidan bereits in Strömen von den Wangen, er verschluckte sich und kugelte sich regelrecht in der Küche über die teuren Fliesen. Seit geschlagenen 10 Minuten ging das schon so! Deidara knurrte wütend und zuckte gleich darauf zusammen. Seine Wange tat noch immer verflucht weh! Und von seinem Auge ganz zu schweigen. Ein riesiger roter Handabdruck glühte auf seiner linken Wange. Sein linkes Auge war angeschwollen und schillerte in den mannigfaltigsten Farben. Der Eisbeutel war schon wieder am Tauen. Die ganze Geschichte war ja ohnehin schon peinlich, aber Hidans lautstarkes Gelächter auf dem Küchenboden machte es wahrlich nicht besser. Woher hätte er denn bitte wissen sollen, dass dieser Student wegen einem One-Night-Stand einen solchen Aufruhr machte, nur weil Deidara den falschen Namen gekeucht hatte. Gut, wohl eher gestöhnt... Er seufzte. Okay, er hatte Neji den falschen Namen ins Gesicht geschrien. Aber ihm gleich eine Rechte zu verpassen, das war ja nun wirklich übertrieben! Und dieses nervtötende und dämliche Gelächter von seinem Manager tat sein Übriges, dass der Blonde sich wünschte an diesem Morgen bloß nicht aufgewacht zu sein. Wie gerne hätte er die Geschichte dieser treulosen Tomate vorenthalten. Doch genau zwei Dinge hatten ihn schlichtweg zur Wahrheit gezwungen: erstens hatte Hidan ihn und Neji gemeinsam von der Party abhauen sehen, und zweitens war Hidan es gewesen, der ihn aus dem Bett geschmissen und natürlich seine Blessuren gesehen hatte. Deidara seufzte laut. Was hätte er tun sollen? Sie kannten sich schon viel zu lange, als dass sein Freund und Manager ihm irgendeine Ausrede abgenommen hätte. Wobei der Blonde sich in seinen Hintern beißen könnte, dass er mit diesem Lachflash nicht gerechnet hatte. Eigentlich hätte er es wissen müssen. Aber da musste er jetzt wohl durch. Während Hidan noch immer prustete und lachte und nach Luft schnappte, beinahe zu ersticken drohte, versuchte der Künstler seinen Kaffee zu trinken und sah sich dabei in der Küche um, in die der morgendliche Sonnenschein fiel. Hochwertige Fliesen zierten den Fußboden. Er selbst saß auf einem Hocker an einer großzügigen Küchentheke vor dem Südfenster. Das Fenster, das nach Osten gerichtet war, tauchte die Arbeitsfläche aus schwarzem Marmor in sonniges Licht. Nichts ließ in diesem Kochpalast zu wünschen übrig. Jedes nur erdenkliche Küchengerät stand entweder auf der Arbeitsplatte oder in einem der Schränke bereit, auf Hochglanz poliert. Der aromatische Kaffee kam nicht aus einer gewöhnlichen Maschine, sondern einem modernen riesigen Kaffeevollautomaten. Ein monströser, typisch amerikanischer Kühlschrank aus Edelstahl funkelte im Schein der Sonne. Neben dem Blonden patschte eine Hand auf die Marmorplatte der Bar, an der er saß, und Hidan hievte sich mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das dieser vor Jahren immer nach dem Kiffen gezeigt hatte, wieder auf die Füße. Deidara presste den Eisbeutel auf seine Wange und knurrte: „Vollarsch! Ich erzähle dir nie wieder etwas...“ Zwischen Lachanfällen, die der Manager immer wieder runterzuschlucken versuchte, bekam dieser tatsächlich auch endlich mal wieder einen ganzen Satz aus dem Mund: „Alter, ich schmeiß mich weg! FUCK! So einen Patzer habe ja selbst ICH mir noch nie geleistet!“ „Könnten wir BITTE das Thema wechseln?“ maulte der Blonde und widmete seine Aufmerksamkeit demonstrativ seinem Kaffee. Zu seiner Erleichterung atmete Hidan tief ein und aus, ehe dieser in die Innentasche seines Jacketts griff und ein paar Briefumschläge daraus hervorholte: „Es ist kaum zu fassen, aber du hattest bereits Post im Briefkasten. Ich war so frei und habe sie mitgebracht.“ Hastig stellte Deidara seine Kaffeetasse auf den kleinen Teller und riss die Umschläge förmlich an sich. Der oberste war ein Werbeschreiben. Bereits der übertriebene Stempel auf dem weißen Papier und das bunte Faltblatt, das hinter dem Sichtfenster zu sehen war, deuteten darauf hin. Gelangweilt legte er ihn zur Seite und betrachtete den zweiten Umschlag. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er sah, dass es ein per Luftpost gesandter Brief aus seiner Heimat Japan war. Offenbar dachte dort jemand an ihn, und er erwischte sich bei dem Gedanken, ob es nicht vielleicht sein bester Freund Sasori sein könnte. Voller Vorfreude riss er den Umschlag auf. Hidan hob skeptisch eine Augenbraue, als Deidara den darin enthaltenen Brief auseinanderfaltete und eine ordentliche Prise Glitter auf seinen Schoß rieselte. Argwöhnisch fragte der Manager: „Was ist DAS denn, Alter?“ Genervt schaute der Blonde ihn über den Brief hinweg an und raunte: „Fanpost. Von einem Fanclub 12jähriger Mädchen, die irgendwie meine neue Adresse herausgefunden haben. Und glaube mir, der Glitter ist noch das geschmackvollste... Anhängsel auf dem Hello-Kitty-Papier...“ Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren faltete er das Papier wieder zusammen und legte den bunten Stapel auf der Bar ab, ehe er etwas zurückhaltender den dritten und letzten Umschlag in Augenschein nahm. Nach mehrmaligem Drehen und Wenden stutzte er: „Weder Adresse noch Absender stehen auf dem Umschlag... und eine Briefmarke klebt auch nicht drauf. Komisch.“ Hidan zuckte mit den Schultern: „Mach doch einfach auf, dann weißt du von wem der Brief ist.“ Deidara sah skeptisch auf: „Von Briefbomben hast du wohl noch nie gehört...“ Zunächst irritiert, dann ungläubig und schließlich absolut und total ungläubig sah Deidara seinem Manager dabei zu, wie dieser das Ohr an den Umschlag legte und den Kopf schüttelte: „Da tickt nichts...“ - „Ja, bei DIR tickts auch nicht mehr richtig...“ - „Hast du was gesagt?“ - „Ähm, ich... sagte nur: dass es nicht tickt, ist wichtig...“ Er nahm den Umschlag vom Ohr Hidans weg und öffnete ihn. Ein schmuckloser, weißer Brief kam zum Vorschein und er entfaltete das Stück Papier, nachdem er den Umschlag zu den anderen auf die Marmorplatte gelegt hatte. Deidara las sich die Zeilen mehrmals hintereinander durch, denn viele waren es nicht. Doch mit jedem Mal schien er blasser zu werden, dass auch Hidan nun ernsthaft besorgt aufsah: „Fuck, was ist denn mit dir los?“ Leichenblass sah Deidara auf, ließ den Brief langsam auf die Bar sinken und sah sich außerstande Hidan eine Antwort zu geben. Sein Herz schien auszusetzen, sein Verstand war schier zusammengebrochen und sein Magen krampfte sich unangenehm zusammen. Der Manager nahm das Stück Papier an sich und schaute neugierig und besorgt, was dort geschrieben stand. Plötzlich wurde ihm klar, wieso Deidara so unglaublich geschockt war... „Du bist Deidara, ich nenne dich nicht Bangart! Niemals! Du verleugnest dich, für diese scheinheiligen Nichtskönner! Das hast du nicht nötig!!! Ich werde dafür Sorgen, dass du das verstehst! Vertraue mir, DEIDARA, dann wird alles wieder gut! ICH mache alles wieder gut!!! Nur für dich! Hochachtungsvoll ~XX~“ Hidan sah den Blonden an und schluckte schwer: „Scheiße, mit was für Freaks legst du dich an? Danke! Und ich wollte mit den Bullen doch nichts zu tun haben...“ Aus seiner Starre erwacht schüttelte Deidara energisch den Kopf: „Nein, lass gut sein. Ist wahrscheinlich nur ein armer Irrer, der keine Ahnung hat wie man vernünftige Fanpost verfasst...“ - „Scheiße, Dei! Mach dich nicht lächerlich! Dieser arme Irre weiß offensichtlich wo du wohnst. Meinst du ich habe Bock darauf, deine Sachen für den dreifachen Wert zu verhökern, weil du in deinen eigenen vier Wänden den Löffel abgegeben hast?“ Skeptisch hob der Künstler eine Augenbraue: „Höfliche oder ehrliche Antwort?“ - „Ach, mach den Kopp zu! Wir sind in erster Linie Freunde. Da habe ich also definitiv keinen Bock drauf.“ - „Hidan, ehrlich. Mach dir nicht ins Hemd. Ich verspreche dir, dass ich zur Polizei gehen werde, sobald noch so ein Brief auftauchen sollte und...“ ~DINGDONG~ Der Blonde seufzte und tauschte einen Blick mit seinem Freund aus, ehe die beiden aufstanden und ins Wohnzimmer gingen. Neben dem Aufzug war eine Gegensprechanlage installiert, von der aus man direkt auf das Tor zum Anwesen gucken konnte. Deidara hob den Hörer ab und hielt ihn sich ans Ohr. Er erblickte den dunklen Wagen vor seinem Grundstück und schluckte schwer, ehe er mehr krächzte als sprach: „Ja, bitte?“ Verzerrt ertönte die Stimme eines Mannes: „Mister... Bangart?“ - „Ja.“ - „Wir sind vom CSI und müssten Ihnen ein paar Fragen stellen. Wir würden Sie bitten, das Tor zu öffnen und uns hereinzulassen.“ - „Natürlich. Einen Augenblick, bitte. Fahren Sie einfach nach oben. Die Tür wird offen sein.“ - „Vielen Dank für Ihre Kooperation.“ Deidara legte auf und drückte einen Knopf, der das Tor am Eingang öffnete und gleichzeitig die Haustür in der unteren Etage. Besorgt sah er Hidan an und raunte: „Was die wohl von mir wollen?“ Der Manager zuckte mit den Schultern: „Na, Autogramme werden es wohl nicht sein. Bin schon gespannt wie du ihnen dein Veilchen erklären willst...“ - „Shit! Au man! Was soll ich denn jetzt... BOAH! HÖR AUF ZU LACHEN, DU ARSCH!“ Hidan kicherte dreckig und versuchte verzweifelt es zu unterdrücken, was jedoch leichter gesagt, als getan war. Genervt wischte der Blonde sich über das Gesicht und seufzte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als gleich die Wahrheit zu sagen. Großartige Aussichten. Wirklich, wirklich großartig. Nach einer Weile, während der Aufzug nach unten fuhr, wagte er einen zweiten Gesprächsversuch. Er sah Hidan fragend an: „Was die wohl wollen?“ - „Scheiße, woher soll ich das wissen? Aber eines kann ich dir sagen: wenn das mal kein Wink mit dem Zaunpfahl ist, dann weiß ich auch nicht. Zeig denen den beschissenen Brief!“ Deidara seufzte leise: „Wahrscheinlich hast du Recht.“ Mit einem freundlichen und lauten „Bing“ erreichte der Lift wieder ihre Etage und ein Mann und eine Frau stiegen aus der Kabine aus. Die beiden traten an Deidara und Hidan heran und der Mann stellte sie ohne Umschweife vor: „Mr. Bangart und Mr. ….“ - „Nennen Sie mich Hidan, Alter.“ Eine Augenbraue des Ermittlers wanderte skeptisch in die Höhe, doch er nickte: „Wie Sie mögen, Mr. Hidan. Ich bin Lt. Caine und das ist Det. Duquesne vom CSI.“ Beide zeigten ihre Dienstausweise. Lt. Caine hatte kurze, rote Haare, trug einen einfachen Anzug und eine Sonnenbrille. Det. Duquesne war eine junge Frau mit langem,blondem Haar und einem freundlichen, aber aufgeweckten Blick. Deidara versuchte zu lächeln, während der Ermittler seine Sonnenbrille von der Nase nahm: „Was... was kann ich denn für Sie tun?“ Caine hielt ein Foto hoch, auf dem ein Mann abgebildet war: „Kennen Sie diesen Mann?“ Der Blonde musterte das Bild und nickte schließlich: „Ich glaube schon. Ich habe seinen Namen vergessen, aber er war, glaube ich, gestern auf der Vernissage.“ - „Richtig. Sein Name ist Marc Porter. Er wurde einen Block weiter von der Ausstellung tot aufgefunden.“ Deidara schlug sich eine Hand vor den Mund und keuchte: „Was? Was ist denn passiert?“ Die blonde Ermittlerin beobachtete ihn genau, während sie erklärte: „Er wurde erstochen. 15 Messerstiche in die Brust. Wir würden gerne wissen wo sie zwischen 21 und 0 Uhr gewesen sind und...“ Sie sah auf sein Veilchen. „...was sie gemacht haben.“ Ein wenig beleidigt und mit roten Ohren verschränkte der Künstler die Arme und seufzte: „Bis 22:30 Uhr bin ich noch auf der Vernissage gewesen. Danach...“ Er hüstelte. „Nun, danach habe ich die Feier in Begleitung eines Studenten verlassen und bin mit diesem hierher gefahren, mit dem Taxi. Zu meinem Leidwesen habe ich mich nicht unbedingt als fähiger Gastgeber herausgestellt, deswegen auch das blaue Auge. Ich glaube es muss so etwa 23:30 gewesen sein, als er abgehauen ist. Danach habe ich mir einen Eisbeutel aufs Auge gedrückt, allerdings alleine.“ Caine nickte: „Können Sie uns den Namen dieses Studenten geben, Mr. Bangart?“ Deidara seufzte: „Nicht den vollständigen. Aber er stammt ursprünglich, wie ich auch, aus Japan und studiert Anglistik. Sein Vorname war Neji. Ich hoffe, dass Ihnen das schon einmal weiterhelfen wird.“ Der Ermittler notierte sich die Informationen und nickte: „Wir werden sehen. Bitte verlassen Sie vorerst nicht die Stadt. Falls wir noch Fragen haben werden wir uns bei Ihnen melden.“ - „Natürlich.“ Plötzlich muckte Hidan auf: „Hey, warten Sie mal. Wollen Sie gar nicht wissen, wo ich gewesen bin? Und Dei... ähm, Bangart. Willst du den Herrschaften nicht den Brief zeigen?“ Der Ermittler wurde hellhörig und nahm seine Sonnenbrille wieder ab, die er sich soeben aufgesetzt hatte: „Nun, Mir. Hidan. Auch wenn ich Ihr Gesicht nicht Ihrem Namen zuordnen konnte war eine Befragung Ihrer Person nicht nötig, da Sie jedem einzelnen Gast noch gut im Gedächtnis waren. Aber über was für einen Brief sprechen Sie?“ Deidara seufzte auf: „Warten Sie, ich hole ihn eben.“ Rasch verschwand er in Richtung Küche. Eine bedrückende Stille entstand, die Hidan auf seine Weise zu überbrücken versuchte. Er grinste Det. Duquesne anzüglich an: „Wenn ich vorher gewusst hätte, was für verfickt heiße Käfer beim CSI arbeiten, dann hätte ich mich schon viel früher mal bei Ihnen blicken lassen.“ Die Blonde sah ihn skeptisch an: „Ganz ruhig, Kurzer. Sie sitzen schneller in einer Zelle, als Sie bis drei zählen können.“ Auch Caine sah ihn streng an: „Behalten Sie Ihre Finger schön bei sich und sehen Sie mal zu, dass Sie Ihre Umgangsformen aufbessern.“ Mit dem Brief in der Hand kehrte Deidara zurück und hielt diesen den Ermittlern entgegen: „Der war heute Morgen in der Post, ohne Absender oder Adresse.“ Der Rothaarige nickte seiner Kollegin zu: „Calleigh...“ Sofort holte sie eine Tüte hervor und sah Deidara an: „Bitte tun Sie den Brief hier herein. Den Umschlag am Besten auch.“ Der Blonde kam der Aufforderung nach, während Caine fragte: „Wer hat den Brief und den Umschlag angefasst?“ - „Nur mein Manager und ich.“ - „Dann müssen wir Ihre Fingerabdrücke nehmen, um sie vergleichen zu können. Wenn Sie so freundlich wären...“ Missmutig nickte der Künstler, ließ sich aber von Det. Duquesne geduldig die Fingerabdrücke nehmen, wie Hidan ebenfalls. Als alles erledigt war setzte Lt. Caine seine Sonnenbrille wieder auf und nickte den beiden verabschiedend zu: „Wir lassen den Brief untersuchen. Sie hören von uns. Auf wiedersehen.“ Die beiden Ermittler betraten den Aufzug wieder und fuhren ins Erdgeschoss zurück. Als sie schließlich auch das Gelände mit Deidaras Hilfe, der von der Sprechanlage aus wieder das Tor öffnete und schloss, verlassen hatten, ließ der Blonde sich laut seufzend auf das Sofa fallen und raunte ungehalten: „Verdammt, Hidan! Was soll ich denn jetzt machen? Scheiße! Wieso wird der Kerl abgestochen und bei mir im Briefkasten landet so ein Brief?!“ - „Fuck, woher soll ich das wissen? Aber scheiß doch drauf. Wir haben nichts gemacht, die werden den Spinner schon finden, der Marc abgestochen hat.“ Besorgt sah Deidara auf, nickte aber: „Vielleicht hast du Recht. Aber unter diesen Umständen macht mir dieser Brief noch mehr Angst.“ Hidan ließ sich neben ihm auf die Couch fallen und grinste aufmunternd: „Ich weiß was. Wir schmeißen Samstagabend eine Poolparty auf dem Dach. Dann kommst du auf andere Gedanken.“ - „Ach, ich weiß nicht...“ - „Doch, doch. Ich aber. Ich sorge für eine geile Sause, pass mal auf. Ich lade deine Konkurrenz ein, die du damit auch gleich um den Finger wickeln kannst.“ - „Aber...“ Der Manager sprang energisch auf und schüttelte den Kopf: „Kein 'Aber'! Ich werde mich um alles kümmern und bis dahin wird dein Auge auch wieder gut sein. Ich melde mich!“ Ohne eine Antwort abzuwarten hastete Hidan zum Aufzug, wartete auf den Lift und verließ guter Dinge die Wohnung, schließlich das Anwesen. Deidara blieb einfach sitzen und starrte seufzend aus dem Fenster. Er wusste nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Vor allem aber machte ihm eine Sache Sorgen: er dachte weit weniger darüber nach, dass ein Mensch gestorben war, der seine Vernissage besucht hatte, als darüber, dass er letzte Nacht das wohl bisher schönste Erlebnis in seinem Leben gehabt hatte, auch wenn es nicht unbedingt günstig ausgegangen war. Es war kaum zu übersehen, dass er sich ungeschickt angestellt hatte. Aber bis zu diesem Zeitpunkt war es himmlisch gewesen und er spürte trotz allem schon jetzt, dass er es vermisste. Er wollte Sasori wieder so nahe sein. Und dafür würde er sorgen. Spätestens am Samstag, wenn die Party steigen sollte. Irgendwer würde sich schon finden, um ihm ein paar gemeinsame Momente mit Sasori zu bescheren. Mit dem kleinen Unterschied, dass er sich dieses Mal nicht so dumm anstellen würde. Nein. Dieses Mal würde es niemand erfahren. In Zukunft würde das sein kleines Geheimnis bleiben. Er seufzte. Denn selbst wenn Sasori hier bei ihm wäre, dann würde das, was letzte Nacht in seinem Kopf passiert war, wohl niemals geschehen. Dafür war zu viel passiert. Dieser dumme Streit würde noch immer zwischen ihnen liegen und all seine Hoffnungen zunichte machen. Hoffnungen, die so lange so tief verborgen und vergraben waren, dass er sie selbst nicht mehr für real erachtet hatte. Doch das hatte die letzte Nacht völlig verändert. Er war sich nicht sicher, ob es wirklich Liebe oder einfach nur die Sehnsucht war. Er wusste es nicht. An Liebe hatte er noch nie gedacht. Sasori war ihm wichtig gewesen, aber Liebe?! Wieder seufzte er. Wahrscheinlich war es einfach nur Sehnsucht. Immerhin führte er ein Leben, in dem er alles was er wollte bekam. Nur Sasori war immer jemand gewesen, der ihm glaubhaft und standfest auch mal „Nein“ gesagt hatte. Egal um was es ging. Wahrscheinlich war das der Grund. Er wollte diesen Widerspruch einfach nicht. Und das war es, was Sasori für ihn so verlockend machte, ihn so herausforderte: die Tatsache, dass sein langjähriger Freund nie zu knacken gewesen war. Und nun konnte er im Grunde alles mit diesem machen, was er wollte, auch wenn es nur in seinem Kopf war. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Wieso bis Samstag warten? Er musste ohnehin duschen... Mit dem festen Plan das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, stand Deidara auf und verschwand im Badezimmer. Wochen vergingen. Wochen, die mit Partys, Alkohol und Affären gefüllt waren. Deidara genoss den Rausch des neuen Lebens. Vor allem aber den Höhenflug, der ihn immer wieder erfüllte, wenn er Liebesspiele mit seiner Fantasie ausschmückte. Sein Atelier im Erdgeschoss ruhte beinahe unberührt vor sich hin. Und der unbeschriftete Umschlag, der etwa einmal pro Woche in seinem Briefkasten lag, flog ungelesen in den Papierkorb. Auch die Untersuchung des ersten Briefes hatte nichts ergeben. Keine Fingerabdrücke, keine DNA, nichts. Einen Hauptverdächtigen in dem Mordfall gab es ebenfalls noch nicht. Verkatert verließ Deidara den Aufzug im Erdgeschoss und ging auf die Tür zu, die in sein Atelier führte. Er musste dringend mal wieder an die Arbeit denken, auch wenn er eigentlich keine Lust dazu hatte. Er wusste selber nicht so genau wieso eigentlich nicht. Er hatte einfach keine Lust auf Arbeit, sondern wollte lieber dieses neue Leben auskosten. Kosten war jedoch wohl das richtige Stichwort. Ohne seine Arbeit kein Geld, ohne Geld kein Luxus. So einfach war das. Also musste er mal wieder etwas Neues schaffen. Seine letzten Versuche waren jedoch alle eher schlecht als recht gewesen. Entweder er hatte mit roten und rotbraunen Tönen herumgepanscht, nicht fähig seine ganz spezielle Technik mit diesen Farben anzuwenden. Für üblich, und das war sein großes Geheimnis, füllte er kleine Beutel mit Farben, die er ausdrucksstark und gut fand. Diese Beutel positionierte er auf einem Ring aus einfachem Plastik. Und in der Mitte dieses Rings installierte er kleine Sprengsätze. Er besaß eine Genehmigung und einen Schein dafür. Wenn er alles vorbereitet und ausreichend Leinwände aufgestellt hatte, verließ er dann immer den Raum und löste eine kleine Explosion aus. Zu guter Letzt sortierte er gute und schlechte Ergebnisse aus. Die guten Arbeiten wurden dann an Hidan übergeben und verkauft oder ausgestellt. Doch irgendwie wollte diese Arbeitsweise seit Tagen nicht mehr funktionieren. Er brachte es einfach nicht über sich diese wundervollen Farbkreationen aus rot und braun in die Luft zu jagen. Statt dessen pinselte er stundenlang geistesabwesend auf einer Leinwand herum, wobei jedes Mal dasselbe Ergebnis herauskam: feuerrotes Haar und rotbraune Augen... Deidara konnte es sich nicht erklären. Warum nur spukte trotz all der schönen „gemeinsamen“ Stunden Sasori wie ein Geist durch sein Unterbewusstsein? Wieso verlor er jede Lust an seinen explodierenden Farben? Aus welchem Grund fühlte er sich trotz der Partys und des luxuriösen Lebensstils so furchtbar traurig und leer? Woher kam dieses Gefühl der Leere und wie konnte er es nur wieder loswerden? Kein Wunsch blieb in seinem neuen Leben offen, und doch fehlte ihm etwas. Er konnte nur nicht in Worte fassen, was ihm fehlte. Er hatte doch alles. Wirklich alles. Oder? Er betrat das Atelier mit einem lauten Seufzen und blieb plötzlich wie versteinert in der Tür stehen. Augenblicklich schoss kalter Schweiß aus seinen Poren, begann sein Herz zu rasen. Der Raum breitete sich groß und durch eine große Fensterfront lichtdurchflutet vor ihm aus. Seine Utensilien lagen entweder in Regalen oder auf dem Boden. Doch die weißen Wände, die seinen Arbeitsbereich für üblich umschlossen, waren mit großen, feuerroten Buchstaben beschmiert: „HÖR AUF MICH ZU IGNORIEREN! LIES MEINE POST! BEACHTE MICH!!!!“ Zitternd blickte er zu Boden. Vor seinen Füßen lag ein unbeschrifteter Umschlag. Deidara nahm ihn an sich, öffnete ihn und las mit Schrecken das, was dort geschrieben stand: „Liebster Deidara! Wieso tust du mir das an? Wieso wirfst du dein Leben inmitten dieser Lügner weg, vernachlässigst deine wundervolle Kunst so sehr? Und das nach allem, was ich für dich getan habe? War es nicht genug? Schön, wie du willst! Lies die Zeitung! Gleich! Und schau, was sie über dich sagen! Schau es dir an! Kulturteil, Tageszeitung! Es ist nicht das erste Mal! Ich werde nicht zulassen, dass sie so etwas über dich schreiben! Ich werde jeden bestrafen, der so etwas über dich schreibt! Das ist es doch, was du willst, oder?! ODER?! Bestimmt! Ich beschütze dich! ~XX~“ Noch immer am ganzen Leib zitternd ließ Deidara den Brief zu Boden fallen und eilte in den Flur, rannte zur Haustür und öffnete diese. Grell blendete ihn das Sonnenlicht, doch er ignorierte es. Er musste wissen, wovon dieser Verrückte schrieb. Er rupfte ungeduldig die Tageszeitung aus dem Postkasten und schlug den Kulturteil auf. Seine Augen weiteten sich. „Bangart, die Saisonsation Wie wir es von Importen aus Asien gewohnt sind, hält auch der hoch gelobte Künstler Bangart nicht das, was uns versprochen wurde. Seine angeblich genialen und einzigartigen Arbeiten wiederholen sich immer wieder. Ihm fehlt jede Spur von Innovation und Kreativität, liefert kaum mehr neue Arbeiten und ruht sich auf Erfolgen aus, die unsere Gemeinde schon lange zu Tode langweilt. Er scheint nicht viel mehr als ein Saisonartikel zu sein, der seine beste Zeit hinter sich hatte, ehe er in Miami angefangen hat. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass er den Sprung zurück in die Genialität schafft, wenn er denn überhaupt jemals dort verweilte. Viel eher traf er wohl nur im richtigen Augenblick den Geist der Zeit, dem er nicht zu folgen fähig ist. Mit freundlichem Gruß, Thomas Mayfield“ Deidara zitterte noch mehr. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie die Kritiker ihn in der Luft zerrissen. Er hatte es wirklich nicht mitbekommen! In seinem Rausch hatte er sich nicht ein bisschen darum geschert... Sein Herz drohte endgültig auszusetzen, als der dunkle Wagen von Lt. Caine und Det. Duquesne vor dem Tor seines Anwesens auftauchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)