Kurt das war's von Lotos ================================================================================ Kapitel 27: Lungenentzündung ---------------------------- XXVII – Lungenentzündung Als Kurt Hanne am folgenden Montag wieder besuchte, sah dieser noch übler aus, als zuvor. Er schien hohes Fieber zu haben und war völlig durchgeschwitzt. Die Haare klebten ihm richtiggehend am Kopf, sein Gesicht war gerötet. In Johannes rechten Arm war eine neue Infusion gelegt worden, über die er jetzt irgendein Medikament bekam. An seinem anderen Arm, den er sich letzten Samstag verletzt hatte, war allerdings die Binde entfernt worden und nur noch ein großes Wundpflaster bedeckte gut ein Drittel seines Unterarms. Kurt beugte sich jetzt über Hanne, flüsterte seinen Namen. Als Johannes seine Augen öffnete, strich er ihm gerade über die viel zu warme klebrige Stirn. „Möchtest du einen kalten Umschlag?“, fragte er Hanne. „Ich kann dir schnell eine Kompresse vom Flur holen.“ Johannes nickte und Kurt ließ von ihm ab. Er schlüpfte auf den Flur hinaus und ging an die niedrige Kommode, in der die kalten Kompressen lagen. Die Umschläge waren sowohl für die Infektiologie als auch für die HNO-Station, die hier ihre Patienten mit einer Mandeloperation untergebracht hatte. Kurt nahm auch noch ein weißes Tuch aus dem Schrank, in das er Hanne die Kompresse einwickeln konnte, damit es nicht zu kalt wurde. Hanne lächelte ihn an, als er wieder den Raum betrat und nahm dankbar das flache Päckchen entgegen. Kurt ließ sich zu ihm aufs Bett sinken und strich ihm wieder über die Wange. „Wie fühlst du dich heute?“, wollte er dann wissen. Eine Frage, die er Johannes bei jedem Besuch stellte, obwohl sie sich im Grunde genommen erübrigte. Schon an Hannes Gesichtsausdruck sah man, dass es ihm nicht gut ging. „Ich hab ganz schön hohes Fieber.“, antwortete Hanne. „Ich hab ehrlich gesagt so langsam keine Ahnung mehr, wo mir der Kopf steht.“ „Und diese Infusion?“ „Schmerzmittel.“, antwortete Hanne einsilbig. „Mir tun meine Arme scheußlich weh.“ „Deine Schnitte von Samstag, nicht wahr?“, fragte Kurt mitfühlend nach. Hanne schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht, Kurt. Wegen einer solchen Lappalie würde ich nie und nimmer eine solche Infusion wollen. Nein, die Schmerzen haben heute Nacht ganz plötzlich angefangen. Richtig brennend, wie eine Million Wespenstiche. Kannst du dir das vorstellen? Dr. Müller sagt, dass das mit meinem Nervensystem zusammenhängt. Die Viren schädigen es und meine Nervenenden entzünden sich. Durch die Infusion hier wird es aber erträglicher. Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte mich jemand komplett in Schaumstoff oder Watte gepackt.“ Kurt schwieg. Es war schwer für ihn, sich die ganzen Folgeerscheinungen von Johannes Krankheit vor Augen zu führen. Inzwischen konnte er sogar verstehen, weswegen Johannes sein Leben nur noch als Qual empfand. Es traten ständig neue Probleme auf, die von den Ärzten und Schwestern gelindert wurden. Eine komplette Heilung gab es nicht, sondern nur immer wieder Aufschübe. „Weißt du, die Schmerzen kommen eher schubweise. Der Arzt meinte, dass ich vielleicht tagelang auch mal kaum mehr etwas spüren werde.“ „Schon in Ordnung, Hanne.“, erwiderte Kurt beruhigend und strich dann über Hannes feuchtes Haar. Hanne schloss die Augen. Er schien seine Berührung wirklich zu genießen. Kurt fiel außerdem auf, wie friedlich Johannes jetzt insgesamt war. Die Reibungspunkte waren zwischen ihnen verschwunden, seitdem er sich selbst mit Johannes Aufgeben abgefunden hatte. Auch zwischen ihm und Lukas lief es nach wie vor sehr gut, nachdem sie sich zu Weihnachten wegen Hanne ausgesprochen hatten. Lukas achtete darauf, dass er, wenn er nach Hause kam, auch tatsächlich entspannen konnte. Er küsste ihn oft und hatte ein offenes Ohr für ihn, wenn er über Johannes sprechen wollte. Meistens jedoch sprachen sie über alltägliche Dinge, die in jeder Beziehung auftraten. Gerade in den letzten Wochen hatten sie sich viel über Haustiere unterhalten und langsam zeichnete sich ab, dass die Entscheidung auf einen Hund fallen würde. Kurt selbst hätte sich auch vorstellen können, eine Katze zu sich zu holen, aber Lukas liebte Hunde über alles, da seine Familie ebenfalls eine Labradorhündin hatte. Kurt zuckte zusammen, als sich Johannes plötzlich zusammenkrümmte und hustete. Mühsam setzte er sich auf und sank schließlich in sich zusammen, als der kleine Anfall vorbei war. Kurt musterte ihn besorgt. In dem tiefen Rückenausschnitt von Hannes Krankenhaushemd sah er seine hervortretende Wirbelsäule. „Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich. „Ja. Ich hatte nur einen trockenen Hals.“, erwiderte er. „Okay.“ Kurt glaubte ihm, wollte ihm glauben und ganz einfach ignorieren, dass so ein starker Hustenanfall nicht nur von einem Kratzen im Hals kommen konnte. „Vielleicht trinkst du etwas.“, schlug er vor und drückte Hanne seinen Becher vom Nachttisch in die Hand. Hanne nahm tatsächlich ein paar vorsichtige Schlucke Mineralwasser und stellte den Becher schließlich wieder ab. Wieder hustete Hanne. Sein ganzer Körper zuckte zusammen und scheinbar hatte er dabei Schmerzen in der Brust. Kurt erhob sich jetzt endgültig vom Bett und stützte Johannes ab, griff ihm unter die Arme. „Was hast du nur, Hanne?“, fragte Kurt besorgt, denn das Geräusch des Hustens gefiel ihm nicht. Hanne keuchte richtiggehend dabei. „Vielleicht hab ich mich irgendwo erkältet, Kurt, ich weiß es nicht.“ Hanne griff wieder nach seinem Becher und trank ein paar weitere Schlucke. „Das kann keine Erkältung sein, Hanne. Du klingst echt nicht gut. Soll ich mal schauen, ob ich vielleicht eine Schwester erwische?“ „Ja, danke. Aber ich denke, es wäre besser, wenn du gleich einen Arzt mitbringst. Dr. Müller hat heute Nachmittag auf jeden Fall Dienst.“ Er wollte Kurt den Gefallen tun, damit sich dieser nicht sorgte und wusste, dass alles okay war. Kurt stimmte zu und legte Hanne vorsichtig ab. „Bin gleich wieder da.“ Schon nach ein paar Minuten kehrte Kurt mit Dr. Müller zusammen zurück. Kurt war sich zunächst ziemlich bescheuert vorgekommen, wie er so im Sprechzimmer gestanden und von diesen starken Hustenanfällen erzählt hatte, doch der Arzt hatte ihm geduldig zugehört. Hanne hatte sich inzwischen wieder zurück gelehnt. Er schlug die Augen auf, als er Schritte im Zimmer hörte. „Ah, gut dass Sie kommen.“, sagte Hanne erleichtert. Er schlug die Decke zurück und löste die Schleife in seinem Nacken, die das Krankenhaushemd zusammenhielt. Er setzte sich auf und ließ Dr. Müller den dünnen Baumwollstoff von seinen Schultern schieben. „So, dann will ich mir mal Ihren Husten anhören. Jetzt atmen Sie bitte tief ein und aus.“, forderte der Arzt ihn auf und drückte ihm das kalte Endstück des Stethoskops auf den Rücken, lauschte konzentriert. „Und jetzt husten Sie bitte.“ Hanne tat es, zunächst eher vorsichtig und verhalten, dann wurde er jedoch wieder von einem Hustenanfall geschüttelt und zuckte richtiggehend zusammen, keuchte. Dr. Müller zog sich die Stöpsel des Stethoskops aus den Ohren, ließ es wieder um seinen Hals hängen und steckte das Endstück in die Brusttasche seines weißen Kittels. Hanne hatte sich inzwischen wieder beruhigt und lag in seinem Kissen. Er hatte den Blick auf Kurt gerichtet, der an der Wand des Zimmers lehnte und ihn besorgt anschaute. „Seit wann haben Sie diese Beschwerden?“, wollte Dr. Müller jetzt wissen. „Ich glaube, gestern hat es angefangen.“ Dr. Müller nickte. „Ich sollte noch einen Abstrich aus Ihrer Mundhöhle nehmen.“, erklärte er dann und trat zu dem Schrank an der Tür, indem auch Verbände und Pflaster waren und zog schließlich ein verpacktes etwas längeres Wattestäbchen heraus. Johannes öffnete den Mund und ließ den Abstrich geduldig über sich ergehen. Er musste beinahe würgen, da Dr. Müller auch ziemlich weit hinten im Rachen ansetzte. „Ihre Körpertemperatur ist auch wieder stark angestiegen, nicht wahr? Frieren Sie auch?“, meinte er Arzt als er mit dem Abstrich fertig war. Hanne bejahte. Er hatte wirklich wieder glühendes Fieber; heute morgen waren es vierzig Grad gewesen. Außerdem hatte er ein leichtes Kältegefühl, obwohl er eigentlich völlig verschwitzt war. Bevor Kurt gekommen war, hatte er sich ernsthaft überlegt, sich seinen Bademantel überzuziehen. „Ist es sehr schlimm?“, fragte er jetzt. Inzwischen konnte er sich nicht mehr einreden, dass alles mit seiner Gesundheit in Ordnung war. „Es deutet alles auf eine bakterielle Lungenentzündung hin. Den Abstrich werde ich zum Labor zur Untersuchung geben. Sie werden in den nächsten Wochen mit Antibiotika behandelt.“ Hanne nickte. Es schockierte ihn ziemlich. Bisher war so etwas nur eine Theorie, eine Vorstellung gewesen, auf die er nicht im geringsten vorbereitet gewesen war. Ihm schnürte es beinahe die Luft ab. Der Gedanke an seinen Tod gewann nun an schrecklicher Realität. Hannes Hände zitterten leicht, während er seine Decke höher zog. Er bekam nur verschleiert mit, dass Dr. Müller sich von ihm verabschiedete und das Zimmer verließ. Nachdem die Zimmertür ins Schloss gezogen worden war, ließ Hanne seinen Tränen freien Lauf. Obwohl er es zunächst wegen Kurt vermeiden wollte, rollten sie jetzt doch fast lautlos über seine überhitzten Wangen. Er zog seine Decke so hoch, dass er sein Gesicht unter ihr verbergen konnte. Kurt trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Hey, beruhige dich doch bitte.“, flüsterte er sanft. Er fuhr durch Hannes Haar, das noch unter der Decke hervorschaute. „Ich hab solche Angst, Kurt.“, schluchzte Hanne und schob die Decke ein wenig tiefer, sodass er wieder unter ihr hervorschauen konnte. „Es ging so schnell, schneller als ich schauen konnte. Ich möchte nicht sterben müssen. Ich hab einfach wahnsinnige Angst.“ Kurt wusste, dass er jetzt für Hanne stark sein musste. Zu seiner eigenen Verwunderung kostete es ihn keine Anstrengung, jetzt in die Hocke zu gehen und Johannes in die verheulten geröteten Augen zu schauen. Er hatte seit ihrem Streit, den Infusionen von vorhin und Hannes Gesamtzustand auf seltsame Art und Weise die Krankheit akzeptiert und mit Hannes Situation Frieden geschlossen. Er hatte verstanden, dass Johannes Tod irgendwann eintreten würde. Und ihm war genauso bewusst, dass sein Freund gerade jetzt so viel Unterstützung benötigte, wie er bekommen konnte. Nicht, weil er Kraft zum Gesundwerden brauchte, sondern um ihm den Halt und den Trost zu geben, den er jetzt in diesen Tagen so dringend brauchte. „Das kann ich gut verstehen. Schau mich mal an, Hanne.“, sagte Kurt sanft und wartete ab, bis Hannes Augen ihn gefunden hatten. „Ich bin hier, siehst du? Und ich werde jeden Tag ein bisschen bei dir sitzen. Ist das okay?“ Hanne nickte matt. „Danke. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll. Bisher war Kranksein für mich nur eine Art Theorie. Mir war immer klar, dass es so kommt, aber jetzt erscheint es mir um so viel schwieriger. Ich hänge einfach viel zu sehr am Leben, Kurt.“ „Aber das ist doch nur natürlich, Hanne. Du hattest schon die ganze Zeit einen wahnsinnigen Lebenswillen und der wird dir auch noch ewig lange erhalten bleiben. Aber gerade das mag ich so an dir, Hanne.“ Hanne lächelte und mit seinen verweinten Augen sah das wirklich sehr merkwürdig aus. „Wirklich? Ich mag dich auch sehr, Kurt. Und ich freue mich auch unheimlich über deine Besuche.“ Kurt lächelte zurück und freute sich, Hanne ein bisschen ablenken zu können. „Soll ich dir morgen mal ein bisschen Obst mitbringen? Was magst du denn besonders?“ „Das ist nett von dir. Ich esse recht gerne Bananen. Du darfst gerne die ganz reifen Dinger mit den braunen Flecken mitbringen. So schmecken sie mir am besten.“ „Gut. Dann werde ich danach schauen. Ich sollte jetzt aber ganz schnell gehen. Ich hab Lukas nämlich versprochen, ein bisschen früher heimzukommen.“ „Kommst du morgen wieder her?“ „Sicher. Und jetzt weinst du nicht mehr, hörst du? Bis morgen, Johannes.“ Damit erhob sich Kurt wieder und wischte ihm noch einmal über die feuchte Wange. „Bis morgen, Kurt.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Eilig verließ Kurt die Station. Er hatte schon wieder die Zeit vergessen. Bei Hanne lief alles einfach langsamer ab. Genau genommen spielte bei ihm Zeit überhaupt keine Rolle mehr. Nach kurzer Zeit war er zu Hause und wollte die Wohnungstüre aufschließen, doch diese war schon offen. Kurt ärgerte sich im Stillen über seine eigene Schusseligkeit. Kurt ließ die Türe ins Schloss fallen. „Kurt, bist du das?“ Gerade schlüpfte Kurt aus den Schuhen. Lukas kam ihm schon entgegen, als er aufsah. „Hallo!“ Lukas nahm Kurt in den Arm, drückte ihm einen vorsichtigen liebevollen Kuss auf die Wange. „Tut mir leid, Lukas.“, meinte Kurt. „Ich weiß, dass ich früher hätte kommen sollen. Ich hab die Zeit vergessen.“ Lukas schaute irritiert zu Kurt und schüttelte dann den Kopf. „Du bist doch genau richtig. Ich bin heute früher gegangen, weil ich dich überraschen wollte.“ „Ach, Lukas! Ich hab dir doch versprochen, dass ich heute mal wieder koche.“, widersprach Kurt. „Lass mal. Du hast gerade viel um die Ohren. Außerdem hab ich eine Überraschung für dich.“ Er lächelte. „Was denn?“ Lukas antwortete nicht, sondern schob ihn ins Badezimmer. „Ich hab uns ne Badewanne eingelassen.“, erklärte er dabei und deutete auf die gut halbvolle Wanne, die sie normalerweise als Dusche verwendeten. Sie war wider Erwarten groß genug, dass sie beide darin Platz fanden. „Danke, Lukas. Das ist eine wirklich wunderbare Überraschung gewesen.“, murmelte Kurt gänzlich zufrieden, obwohl das Wasser langsam abkühlte. Er hätte ewig so an Lukas gelehnt und mit seinen Armen um sich in der Wanne sitzen können. Schon eine gefühlte Ewigkeit lang hatten sie nicht mehr einfach nur so gekuschelt, sich geküsst. Lukas lächelte und streichelte liebevoll Kurts Schläfe. „Das war noch gar nicht meine Überraschung für dich.“ „Nein?“ Kurts Augenbrauen hoben sich leicht an, doch seine Lider waren noch immer geschlossen. Lukas schüttelte den Kopf. „Ich war heute beim Tierheim und hab mir mal den Hund angeschaut, den wir letztens in der Zeitung entdeckt haben. Dieser Mischling mit dem milchkaffeebraunen Fell, weißt du noch?“ Kurt musste lächeln. Sie hatten sich in den letzten Wochen häufig über Haustiere unterhalten. „Wir können morgen Abend mit auf die Gassi-Runde gehen, damit wir ihn besser kennen lernen. Aber er ist echt süß.“, erzählte Lukas weiter. „Das ist wirklich schön, Lukas.“, freute sich Kurt und setzte sich auf, um Lukas umarmen zu können. „Wenn jetzt Hanne noch gesund werden würde, dann wäre ich wirklich der glücklichste Mensch der Welt.“ Hanne. Dieser Name hatte die gesamte Stimmung verdorben. Lukas schluckte. „Du kaust immer noch daran, oder?“, fragte er gedämpft. „Ich wollte dir einen schönen Abend machen, damit du deine Sorgen für ein paar Stunden mal vergisst. Ich beobachte schon eine Weile, dass du immer zermürbter wirst. Bitte, tu dir selbst den Gefallen und mach ein paar Tage Pause. Was du machst, ist echt super und du weißt, dass ich es ihm auch von Herzen gönne. Aber du musst auch an dich selbst denken, Kurt! Bitte, hör dieses eine Mal auf mich.“ Sein Arm lag wieder um Kurt und presste diesen an seine Brust. „Entschuldige. Ich hab mir nichts dabei gedacht, als ich Hanne erwähnt habe.“ Kurt löste sich von Lukas bevor er fortfuhr. „Aber du täuschst dich. Es macht mir nichts aus. Ich hab mich inzwischen damit abgefunden, dass er sich mehr oder weniger selbst aufgegeben hat. Das einzige, was mich immer wieder zusammenzucken lässt, sind diese vielen kleinen Dinge, die ihm Probleme machen. Seit heute bekommt er wieder Infusionen. Er sagt, dass sich durch die Viren seine Nervenenden entzünden würden, ein richtig übler brennender Schmerz. Er hustet jetzt auch und der Arzt meinte, er hätte eine Lungenentzündung. Hanne regt sich schrecklich darüber auf und hat sogar richtig geweint. Er hat eine wahnsinnige Angst davor, dass er bald stirbt. Ich selbst kann eigentlich recht gut damit umgehen, aber ihn macht es unheimlich fertig. Ich bin es einfach nicht gewohnt, dass er so aufgelöst in seinem Bett liegt und ihm die Tränen über die Wangen laufen. Ihm geht’s einfach immer beschissener. Und genau das macht mich fertig, wenn ich sehen muss, wie er immer mehr abbaut und schwächer wird, kränker.“ „Das kann ich gut verstehen, Kurt. Als ich letztens bei ihm war, hatte ich genau denselben Eindruck. Er ist wirklich ziemlich geschwächt.“ Lukas klang so, als habe auch er mit einem Kloß im Hals zu kämpfen. „Du warst bei ihm? Wann denn?“ Kurt blickte sein Gegenüber fragend an. „Nach dem ihr euch letzten Samstag so gestritten habt. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich überreagiert habe und recht wütend war, als ich ihn deshalb zur Rede gestellt hab. Er hat müde ausgesehen und war völlig verzweifelt wegen dir. Er hat dich wirklich total gern und vertraut dir. Du scheinst ihm während seiner Zeit im Krankenhaus noch wichtiger geworden zu sein, als du es davor schon warst. Du bedeutest ihm jetzt scheinbar genauso viel wie mir. Danach haben wir uns noch wegen unserer Nacht unterhalten. Ich verstehe ihn jetzt besser und ich sehe jetzt auch das Dilemma, in dem er damals gesteckt hat. Ich freue mich fast für ihn, dass er dir derart vertrauen kann. Weißt du, ich hab ihm irgendwie sogar verziehen. Ich kann ihm heute nichts mehr vorwerfen, was er mit einundzwanzig angestellt hat, oder? Er hat sich sehr verändert.“ Kurt lächelte. „Siehst du? Ich wusste es irgendwie schon immer, dass ihr beiden euch irgendwann einmal aussprechen könnt. Und ich glaube auch, dass ihm die Sache mindestens genauso gut tut wie dir.“ Kurt ließ sich wieder gegen Lukas Brust sinken und dieser streichelte sein nasses Haar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)