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Kurt das war's

von

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Klarer geht's nicht

XV – Klarer geht's nicht
 

Hanne war nach dem Streit mit Kurt nicht nach Hause gegangen, sondern zu seiner Schwester. Sie war vor knapp einem Jahr ebenfalls nach Stuttgart gezogen, hatte zuerst bei ihm gewohnt bis sie eine eigene Wohnung gefunden hatte. Er klingelte bei Sandra und als er schon wieder umkehren wollte, knackte die Gegensprechanlage. „Ja?“, fragte die Stimme seiner Schwester.

„Hi Sandra. Ich bin's – Hanne.“, antwortete er.

Seine Schwester stöhnte. „Warte kurz. Ich mach dir auf.“

Kurz darauf wurde die Tür einen Spalt geöffnet. Sandra lugte heraus und als sie ihn erkannte, öffnete sie die Tür komplett. „Du weißt schon, dass es elf Uhr nachts ist?“, fragte sie gereizt.

„Sandra, bitte.“ Hanne seufzte.

„Meinetwegen. Komm rein.“, antwortete Sandra ergeben.

Sie erschrak, als Hanne in das Licht des Flurs trat. „Mein Gott, Hanne! Was ist denn mit dir los?“, fragte sie besorgt. Als sie sich das letzte Mal vor ungefähr drei Wochen gesehen hatten, hatte er bei weitem gesünder ausgesehen. Er war blasser als sonst und auch seine Wangen wirkten eingefallen. Man sah ihm deutlich an, dass er Sorgen hatte.

Hanne stützte sich an der Wand des Flurs ab. Ihm wurde wieder ein bisschen schwindlig. Schon im Kino hatte er leichte Migräne bekommen, was ein deutliches Zeichen für Fieber war.

„Alles in Ordnung, Hanne? Mach ja keinen Blödsinn, hörst du?“ Sandra beugte sich zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Komm erst mal mit nach oben.“

Hanne ließ sich von seiner Schwester die Treppe nach oben begleiten. Er wartete bis sie die Türe geöffnet hatte und folgte ihr dann zur Couch, auf die er sich ebenfalls sinken ließ.

„Was machst du so spät noch in der Stadt?“, wollte Sandra schließlich wissen.

„Ich hab mir einen Film angeguckt. Kurt hat mir schon länger einmal angeboten, dass wir zusammen ins Kino gehen.“

„Und? War euer Film gut?“

„Hm. Geht so.“, meinte er gleichgültig. „Irgendeine komische Liebeskomödie mit zwei Scheidungsanwälten, bei der das Ende schon am Anfang klar war. Ich wollte mich eigentlich nur ablenken, aber trotzdem hab ich mir den Film besser vorgestellt.“

„Was ist passiert?“

Hanne sah für einige Sekunden auf seine Knie hinab, bevor er antwortete. „Ich hab mich wieder mit ihm gestritten.“ Es fiel ihm nicht leicht, mit Sandra darüber zu sprechen. Er hatte ihr bereits von seiner neuen Bekanntschaft erzählt, auch über den Bluttausch hatte er mit ihr gesprochen. Bisher hatte sie immer eher ablehnend auf Kurt reagiert, obwohl sie ihn noch nicht persönlich kennen gelernt hatte.

„Um was ging es denn?“

Hanne ließ seinen Kopf gegen ihre Schulter sinken. Ab und zu tat ihm diese Nähe einfach gut. „Weißt du, es ist im Moment echt nicht einfach. Er steckt seine Nase ständig in Sachen, die ihn nichts angehen. Manchmal hab ich einfach das Gefühl, dass wir eine zu unterschiedliche Auffassung von Freundschaft haben.“

„Wie meinst du das?“, fragte sie nach.

„Wie schon gesagt steckt er seine Nase ständig in meine Angelegenheiten. Er erwartet von mir, dass ich ihm alles sage, was mich beschäftigt und so weiter. Er begründet es immer damit, dass wir doch befreundet seien. Dabei geht ihn das alles doch nichts an, oder? Weißt du, ich vertraue ihm schon vollkommen, aber ich hab immer wieder Angst, dass er mich fallen lässt, wenn ich ihm wirklich jedes verdammte Detail anver­traue. Es gibt nach wie vor einfach Dinge, die ich lieber für mich behalte und die ich ihm nicht unter die Nase reiben will.“

Sandra ließ ihre Finger sanft und beruhigend über sein Haar streichen. Sie kannte die Denkweise ihres älteren Bruders gut genug, um sie zumindest ein bisschen nachvollziehen zu können, obwohl sie ihr oft vollkommen unlogisch erschien. Unabhängig davon war Kurt wohl tatsächlich kein guter Freund für Hanne, wenn er ihn ständig bedrängte. Außerdem war ihr Kurts impulsive Art schlichtweg unsympathisch. „Und weiter? Was genau ist dann passiert?“

Hanne richtete sich auf. „Er wollte wissen, was mit mir los sei. Weswegen ich wieder dermaßen abgenommen hab und ich insgesamt so krank aussehe. Und als ich es ihm nicht sagen wollte, wurde er grob.“ Er zog seine Ärmel zurück und zeigte Sandra seine bläulich schimmernden Unterarme. „Ich hätte den Kinobesuch einfach verschieben sollen. Mir war klar, dass er etwas bemerkt, wenn er mich so sieht. Ich bin eben blass und es ist leider auch offensichtlich, dass ich dünner geworden bin die letzten zwei Wochen. Momentan fehlt mir einfach der Appetit und wenn ich fast nichts esse, macht sich das sofort bemerkbar bei mir. Ich hab schon geahnt, dass er mich ausfragen und keine Ausreden oder sonst etwas akzeptieren würde. Deshalb wollte ich eigentlich nach dem Kino möglichst schnell verschwinden und es ihm irgendwann später erzählen. Davon wollte er aber nichts hören. Ich hab noch versucht, ihn abzuwimmeln. Am Ende hat er mich an den Handgelenken gepackt und gegen die Wand gepresst. Ich hab nachgegeben, weil er eh nicht locker gelassen hätte. Dann ist mir die Sicherung durchgebrannt.“, ergänzte Hanne. Er zog seine Knie näher zum Körper heran und bettete seinen schmerzenden Kopf darauf. Es fühlte sich wirklich so an, als würde er jeden Moment platzen.

Sandra seufzte und streichelte seinen Rücken. Was machte Hanne denn für Sachen? Eigentlich sollte sie sich freuen, dass dieser Kurt nicht wieder auftauchen würde, da der Kerl scheinbar ziemlich gewalttätig werden konnte. Außerdem schien er auch ein recht unsensibler Trampel zu sein, der nicht die Fähigkeit hatte auf andere Menschen einzugehen. Dennoch spürte sie, dass Hanne ihn brauchte und an ihm hing, obwohl es offensichtlich viele Differenzen zwischen ihnen gab. „Dann frag ich dich jetzt: was ist mit dir?“

„Dr. Hanselmann, mein bisheriger Arzt, geht demnächst in Ruhestand. Er hat mir für meine weitere Behandlung den Arzt der HIV-Ambulanz im Krankenhaus empfohlen und er will ihm auch noch meine Behandlungsakte zukommen lassen. Ich war im März schon mal bei ihm wegen der Resistenz. Er ist noch relativ jung, mir persönlich recht sympathisch, und er kennt sich sehr gut mit HIV-Patienten aus.

Ich war vorletzte Woche bei ihm in der Sprechstunde und hab mich mit ihm unterhalten wegen den letzten Testergebnissen von Dr. Hanselmann. Ich hatte wieder eine leicht erhöhte Viruslast, gerade so über der Nachweisgrenze, nicht mehr darunter. Dr. Hanselmann meinte wohl, dass ich mich nicht beunruhigen lassen sollte deswegen, aber ich wollte trotzdem wissen, was mit mir los ist und noch eine zweite Meinung hören. Dr. Müller hat mir dann noch ein paar Blutproben entnommen, die er jetzt vergangenen Mittwoch mit mir besprochen hat. Über diese Blutproben hat er rausbekommen, dass ich eine geschädigte Niere habe, was wohl von den Medikamenten kommt. Ich schlucke eine recht starke Mischung und noch dazu sehr viele Präparate gleichzeitig, einige auch nur wegen der Nebenwirkungen der Kombinationstherapie. Seiner Meinung nach sollte ich einige der Tabletten austauschen oder sogar ganz absetzen, um zumindest die Medikamente gegen die Nebenwirkungen weglassen zu können. Im Moment geht er meinen Einnahmeplan durch und vielleicht muss ich auch ein paar Tage in die Klinik, um mich noch genauer untersuchen zu lassen.“

„Vielleicht ist das alles nur ein Irrtum?“, widersprach sie vorsichtig.

Hanne schüttelte den Kopf. „Nein. Er hat darauf bestanden, dass wir einen ziemlich umfangreichen Bluttest machen. Es ging dabei vor allem um meine Nieren und die Leber, gerade auch weil ich meine Medikamente schon so lange einnehme und Dr. Hanselmann diese Werte nie überprüft hat. Dann wollte er auch noch nach irgendwelchen Nährstoffen oder Mineralien im Blut schauen. Meine Leber ist in Ordnung, Nährstoffmängel habe ich auch keine. Nur die Niere war eben nicht okay. Die Testergebnisse sind in jedem Fall richtig, Sandra, daran gibt es nichts zu rütteln. Und dass irgendwelche Blutproben vertauscht wurden, geht auch nicht, weil überall mein Name und eine Nummer draufgeklebt war.“

Nach einer langen Pause fragte sie: „Was willst du jetzt machen? Lässt du dich auf die Untersuchung ein, die er dir vorschlägt?“

„Ich weiß es nicht. Ich denke, ich schlafe mich jetzt aus und dann, morgen, auch noch mal. Wenn ich jetzt etwas überstürze, bringt es sowieso niemandem etwas. Das Fieber geht meistens genauso schnell wieder, wie es kam, weißt du? Es ist ja nicht so, dass ich das Bett hüten müsste. Und außerdem kann es ja wirklich sein, dass meine Werte nur vorübergehend so mies waren und auch der Nierenwert nur unglücklich erwischt war. Man macht sich oft viel zu viele Gedanken um nichts.“

Sandra glaubte ihrem Bruder kein Wort von diesem verzweifelt wirren Gerede, nickte aber trotzdem. Ein Widerspruch ihrerseits würde ihn mit Sicherheit nicht dazu bringen, den Ernst seiner Situation zuzugeben. Dass mit der geschädigten Niere und seiner erhöhten Viruslast nicht zu spaßen war, wusste er selbst nur zu genau. „Aber überanstreng dich nicht. Wenn es schlimmer wird oder sich nicht bessert, gehst du zum Arzt und lässt dich ordentlich behandeln. Versprochen?“

Er lächelte. „Aber ja. Natürlich.“

Es entstand wieder eine Pause, die er dann aber brach. „Kann ich heute bei dir schlafen?“

„Glaubst du, ich lass dich in deinem Zustand heimgehen? Natürlich schläfst du heute Nacht hier. Du kippst mir sonst noch irgendwo um.“

„Danke, Sandra.“, erwiderte er.

„Du bist sicherlich müde, Hanne.“, meinte Sandra dann. „Ab ins Bad mit dir. Du kannst meine Zahnbürste mitbenützen.“

Johannes erhob sich zögerlich, bewegte sich auf Sandras Badezimmer zu. Er fand, dass er sich wirklich glücklich schätzen konnte, so eine Schwester zu haben. Nein, das würde nicht jeder Mensch für ihn tun. Hanne zog die Tür hinter sich zu und schlüpfte aus der leichten Jacke und seiner Jeans, sodass er nur noch in Unterwäsche, Socken und T-Shirt da stand. In seinem Kopf drehte sich alles, sodass er sich abstützen musste. Am heutigen Abend war schon so viel geschehen. Der Streit mit Kurt und seine Sorgen wegen Dr. Müllers Diagnosen, die sich jetzt wieder in sein Bewusstsein gedrängt hatten. Das ungute Gefühl beim Gedanken an den fast schon geplanten Klinikaufenthalt, bei dem der Arzt ihn näher untersuchen und die neue Medikation einsetzen wollte. Hanne schüttelte den Kopf, griff dann nach der angebotenen Zahnbürste seiner Schwester, gab etwas von der Zahnpasta darauf und putzte sich schließlich die Zähne.

Als Johannes dann wieder aus dem Bad kam, hatte Sandra schon das Sofa hergerichtet. Sie ging auf ihn zu, musterte ihn wieder besorgt, lächelte dann allerdings. „Leg dich hin, Hanne.“

Hanne stimmte dankbar zu. „Gute Nacht.“
 

Die Nacht auf Sandras Sofa war die schlimmste in Hannes bisherigem Leben gewesen. Nicht, dass es unbequem war. Ihm war abwechselnd heiß und kalt. außerdem hatte er Fieber und starke Kopfschmerzen. Nicht einmal Sandras Schmerztablette hatte ihm wirklich Ruhe verschaffen können. Außerdem war zu seinen ohnehin schon unangenehmen Symptomen über Nacht auch noch ein Kratzen im Hals gekommen.

„Hast du wenigstens ansatzweise geschlafen?“, fragte seine Schwester besorgt als sie gemeinsam frühstückten.

Hanne schüttelte den Kopf. „Kaum. War ich sehr unruhig?“

„Du hast dich sehr viel hin und her gewälzt“, erwiderte sie und schaute dann noch einmal zu seiner blassen Gestalt hinüber. „Soll ich dich nachher nicht besser zum Arzt bringen?“

„Nein. Lass nur. Ich hab dir doch versprochen hinzugehen, wenn’s nicht besser wird.“ Er lächelte sie dankbar an und rieb sich unauffällig die schmerzende Stirn.

„Na dann ist ja gut.“

Hanne sah von seiner Tasse auf. „Ich gehe am besten wieder nach Hause. Ich will mich noch ein bisschen hinlegen.“

Sandra stimmte zu. „Soll ich dich noch nach Hause begleiten?“, bot sie an.

Hanne nickte. „Ja. Das wäre klasse.“
 

Draußen schien die Sonne und es war angenehm warm, doch Hanne fror trotzdem. Als ein leichter Windhauch aufkam, zitterte er sogar ein bisschen. Sandra bemerkte es nicht, denn im selben Moment kam ein Bus. Sie setzte sich zu ihm und fragte, ob alles in Ordnung sei. Er nickte, obwohl es nicht so war. In seinem Kopf drehte sich alles. Und er hatte Angst. Zum einen davor, Kurt zu begegnen, da dieser ihn nur wieder unter Druck setzen würde. Es war wirklich genauso, wie er es seiner Schwester beschrieben hatte: obwohl er Kurt vollkommen vertraute, konnte und wollte er ihm nicht alles von sich erzählen, da er noch immer befürchtete, dass Kurt ihren Kontakt abbrechen könnte - aus Unsicherheit oder weil er einfach dem Ernst seiner Situation entfliehen wollte.

Zum anderen fürchtete er sich davor, wieder umzukippen und dann völlig hilflos da zu liegen. Was wäre damals im März wohl gewesen, wenn Kurt ihn nicht ins Krankenhaus gebracht hätte? Es hätte ja sein können, dass Kurt einfach weggegangen wäre und ihn sich selbst überlassen hätte. Er hatte die Medikamente aus dem Krankenhaus damals wirklich gebraucht…

„An was denkst du?“, fragte Sandra und riss ihn so aus seinen düsteren Gedanken.

„Nichts.“, log er und verscheuchte die letzten Gedankenfetzen aus seinem Kopf. Er wollte unter keinen Umständen, dass seine Schwester sich um ihn sorgte. Sandra sollte sich voll und ganz auf ihr Studium konzentrieren können.

Sie sah ihn von der Seite an, ließ es dann aber bleiben, weiter nachzufragen.

Hanne sah wieder zum Fenster. Insgeheim beneidete er seine Schwester ein wenig um ihr Studium. Sie studierte Sozialpädagogik und arbeitete während ihrer Praxissemester in einer offenen Einrichtung, die jungen Menschen half, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Es machte ihr Spaß und sie ging völlig in ihrer Arbeit dort auf. Sie wurde sowohl mit Suchtproblemen als auch mit familiären Problemen konfrontiert, oft auch mit Gewalt oder einer ungewollten Schwangerschaft.

Johannes musste seit langem wieder an seine Mutter denken, die Maskenbildnerin gewesen war. Sie hatte ihn als er noch klein war, oft abends mit zur Arbeit ins Theater genommen. Es hatte ihm gefallen, seiner Mutter beim Schminken zuzusehen, die Veränderung des Äußeren zu beobachten.
 

„Du hängst schon wieder deinen Gedanken nach, was, Hanne? Ich wollte, du würdest mit mir über das reden, was dir so zu denken gibt.“

„Ich musste nur gerade wieder an Mama denken.“, antwortete er.

„Geht dir die Sache immer noch nach?“, fragte sie vorsichtig. Im Gegensatz zu ihr hatte Hanne den Unfall direkt miterlebt. Er hatte nachts lange Zeit Alpträume gehabt, aus denen er schreiend aufgewacht war.

Hanne schüttelte den Kopf. „Nein, ganz bestimmt nicht. Ich denke nur noch sehr selten an sie.“

„Papa hat auch manchmal über sie geredet, als ich noch daheim gewohnt hab.“, erwiderte sie. „Er meinte auch ab und zu, dass du ihn manchmal an sie erinnerst seit du erwachsen bist. Ihr habt eine ähnliche Art euch auszudrücken.“

Hannes Gesicht nahm einen schmerzhaften Ausdruck an. Er schlug die Augen nieder. „Es wundert mich, dass Papa überhaupt über sie redet. Und über mich.“

Sie seufzte, weil sie es schon längst aufgegeben hatte, ihn davon zu überzeugen, dass er sich die Abneigung seines Vaters nur einbildete. Hanne hatte die ganzen Jahre über darunter gelitten, dass sein Vater kaum Zeit für ihn hatte und hatte geglaubt, dass er ihn nur als Belastung sah. Mit der Zeit hatte er zusätzlich die Einbildung entwickelt, dass dieses Vermeiden vor allem damit zusammenhing, dass er seiner Mutter stark ähnelte und sein Vater es einfach nicht ertrug, ihn so nah bei sich zu haben.

Allerdings hatte das alles nie gestimmt. Hanne teilte mit seiner Mutter wohl das rötliche Haar und seine blaugrünen Augen, doch diese Ähnlichkeiten hatte sein Vater immer als positiv aufgefasst. Sie hatten ganz einfach zu Johannes gehört, waren schon da gewesen, als er noch ein Baby war.
 

Mittlerweile waren sie in der Siedlung angekommen und Johannes drückte den Stopp-Knopf, sodass der Bus an der nächsten Haltestelle anhielt. Sie stiegen aus und Sandra begleitete Hanne noch bis zu seiner Wohnungstüre. Sie bot ihm noch an, ihm drinnen Tee zu kochen oder ihm Fieberwickel zu machen, doch das lehnte er ab.

„Pass auf dich auf.“, sagte sie zum Abschied. „Und mach dir nicht so viele Gedanken.“
 

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Kurt war wieder mal heilfroh, nicht alleine zu seiner Mutter gehen zu müssen. Es war nicht so, dass er sich vor ihr fürchtete. Er wollte einfach nicht mehr mit ihr alleine sein, denn dann lief er Gefahr, wieder etwas Unbedachtes zu ihr zu sagen. Mittlerweile wusste er ja schließlich, wie sehr ein einzelnes Wort verletzen konnte.
 

Kurt war angenehm überrascht, als seine Mutter ihn und Lukas so nett empfing. Sie schien sich ehrlich zu freuen, dass die beiden gekommen waren.

Lukas lächelte ebenfalls.
 

„Aber jetzt erzähl mal, Kurt.“, forderte Kurts Mutter ihren Sohn nach dem gemeinsamen Essen auf. „Wie geht’s dir? Wie kommt ihr zurecht?“

„Gut, Mama, wirklich. Ich fühle mich wohl.“, erwiderte er und lächelte. „Uns geht es echt bestens.“

Seine Mutter verzog das Gesicht. „Na ja, ich weiß nicht, Kurt.“, meinte sie dann zweifelnd. „Ich bin mir nicht sicher, ob dir dieses Zusammenleben so gut bekommt.“

„Wieso?“ Kurt wurde wachsamer, zog die Brauen zusammen. Gleichzeitig spürte er Lukas Hand auf seiner. Er saß direkt neben ihm.

„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Haushalt funktioniert, der nur von Männern geführt wird.“

„Worauf willst du hinaus?“ Kurt saß inzwischen kerzengerade.

Seine Mutter seufzte leise. „Ich hätte gerne, dass du wieder nach Hause kommst, Kurt. Das ist doch nichts auf diese Art.“

Lukas schüttelte leicht den Kopf. Auch Kurt schwieg ebenfalls einen Moment lang, starrte nur auf seinen Schoß hinab. „Ich glaub, du hast nen Vogel.“, erwiderte er dann und ein Anflug von Ärger schwang in seiner Stimme mit. „Ich werde hier nicht wieder einziehen.“

Lukas schaute nur verdutzt zwischen Gertrud und seinem Freund hin und her.

„Aber Kurt. Was...?“

„Nichts aber, Mama.“, widersprach Kurt aufgebracht. „Da ist nichts zu diskutieren.“

Seine Mutter schüttelte ebenfalls den Kopf. „Das hast du dir doch nie wirklich überlegt, Kurt, oder?“

Kurt seufzte. „Lass das. Ich denke nicht mal dran, wieder bei dir einzuziehen. Mir geht’s besser denn je seit ich mit Lukas zusammenlebe.“

Lukas Hand schloss sich ein bisschen fester um seine. „Vielleicht gehen wir besser wieder,Kurt.“, meinte er. „Was meinst du?“

Kurt wandte sich zu ihm um und erinnerte sich wieder daran, dass er sich eigentlich nicht hatte streiten wollen. „Richtig.“
 

Als ihr Sohn und Lukas tatsächlich verschwunden waren, legte Gertrud ihr Gesicht in die Hände und seufzte. Dieser Hanne hatte doch recht gehabt. Kurt war erwachsen geworden. Das hatte sie gesehen, als sie ihn besucht hatte. Alles war in bester Ordnung gewesen und sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Hatte sie Kurt nicht versprochen, sich aus seinem Leben herauszuhalten? Sie hatte sich wirklich daran halten wollen, aber dann hatte ihr Mund wieder etwas anderes gesagt, als ihr Kopf es gewollt hatte. Sie hing viel zu sehr an ihm, als dass sie ihn gehen lassen konnte und wollte wirklich nur sein Bestes. Dann brach auch wieder der alte Egoismus in ihr durch, mit dem sie schon Kurts Vater vertrieben hatte.

Eigentlich hatte sie doch wirklich nur einen schönen Nachmittag mit ihrem Sohn und seinem Freund verbringen wollen. Doch jetzt würde Kurt wohl so schnell nicht wieder kommen.



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