Kurt das war's von Lotos ================================================================================ Kapitel 11: Die Taufe --------------------- XI – Die Taufe Am darauf folgenden Sonntag war Taufsonntag. Kurt war schon am Vortag total durch den Wind gewesen. Lukas wusste genau, wieso: Kurt hatte Angst vor einer direkten Begegnung mit seiner Mutter, weil er sehr genau wusste, dass sie böse auf ihn war und sie ihn das auch spüren lassen würde. Lukas beschloss deshalb, auf die kleine Familienfeier mitzugehen, um Kurt diese Angst zumindest teilweise zu nehmen. Ein Angebot, das Kurt dankbar angenommen hatte. Mit seiner Hand in die von Lukas gelegt, betrat Kurt schließlich die Kirche, sah sich nach seinen Verwandten um. Die Kirche war ziemlich gut besucht, da neben Markus auch noch zwei andere Neugeborene getauft werden sollten. Kurt entdeckte seine Schwester und ging mit Lukas zusammen zu ihr. „Na endlich!“, rief Maike ihnen entgegen. „Ich hatte schon Angst, du lässt mich sitzen.“ Sie fiel Kurt um den Hals. „Oh, den Lukas hast du auch mitgebracht! Wie schön!“. Sie löste sich von ihrem Bruder und streckte Lukas die Hand hin, die er misstrauisch ergriff. „Schön, dass du da bist. Ich hab dich schon so lange nicht mehr gesehen.“ Kurt beäugte sie ebenfalls misstrauisch. Konnte das sein? Vor zwei Wochen hatte sie ihm eine solche Szene wegen Lukas und Hanne gemacht. Sollte das schon alles gewesen sein? Maike bemerkte sein Gesicht und lachte. „Guck nicht so, Kurt. Es ist okay. Ich hab über alles nachgedacht und deine Vorwürfe waren schon irgendwie berechtigt. Es tut mir leid, einen solchen Aufstand gemacht zu haben. Es ist ja schließlich dein Leben.“ Kurt lächelte. „Schon in Ordnung. Ich hätte es dir schonender beibringen sollen.“ Lukas kam sich relativ fehl am Platz vor. Seine ganzen Befürchtungen schienen sich nicht zu bewahrheiten und er hätte wohl gar nicht mitkommen brauchen „Wo ist eigentlich dein Sohn, Maike?“, fragte er. „Da vorne. Siehst du meine Mutter? Sie müsste ihn noch auf dem Arm haben.“ „Wollen wir?“, fragte Lukas. Er wartete Kurts Antwort gar nicht erst ab, sondern zog ihn einfach mit sich. Kurt lächelte und ließ sich von seinen Großeltern umarmen. Wie immer behauptete seine Oma, dass er schon wieder gewachsen sei, obwohl sie ihn erst zu Weihnachten gesehen hatte und Kurt garantiert nicht mehr im Wachstum war. Dann begegnete er seinem Cousin, der nur ein paar Jahre älter war als er und seine Verlobte bei sich hatte. Er hatte sich eigentlich immer recht gut mit ihm verstanden und stellte ihm schließlich auch Lukas vor. Schließlich erreichten sie Kurts Mutter, die tatsächlich noch immer den kleinen Säugling im Arm hielt. Im Moment hatte sie ihnen allerdings den Rücken zugewandt und unterhielt sich angeregt mit Bernd. Dieser erkannte Kurt natürlich ebenfalls sofort und hob grüßend die Hand. Auch Kurts Mutter wandte sich jetzt um, erstarrte, als sie ihren Sohn sah. Wie automatisch erwiderte sie Lukas Begrüßung und nickte noch einmal als ihr Sohn sie anlächelte Erst langsam erwachte Gertrud aus ihrer Fassungslosigkeit darüber, dass plötzlich ihr Sohn vor ihr stand. Noch immer musste sie an Hanne denken: an das, was er bei diesem kurzen Gespräch gesagt hatte und an seinen Ärger. Sie schluckte. „Hallo.“, sagte sie schließlich noch einmal leise. Hatte dieser Johannes nicht gesagt, dass Kurt unter ihr litt? Dass sie ihrem Sohn gegenüber ein Zuviel an Fürsorge übrig hatte? Kurt spürte ihre Unbehaglichkeit. Es beunruhigte ihn. Er trat einen Schritt vor, legte seine Arme um Lukas und lehnte seinen Kopf gegen seine Schulter. Lukas drückte seine Hand, als wolle er sagen, dass alles in Ordnung ist. Vielleicht war es das auch, aber nicht für Kurt. Es machte ihm Angst, wenn seine Mutter so drauf war. Trotz allem Streit und aller Probleme hatte er eine sehr enge Bindung zu ihr. Er befürchtete, dass sie sich wieder aufregen könnte, war aber erstaunt darüber, dass es bisher noch kein Donnerwetter gegeben hatte. Gerade als Gertrud etwas sagen wollte, trat der Pfarrer nach vorne. Er wollte mit dem Gottesdienst beginnen und so ließen sich alle auf den Kirchenbänken nieder. Während des Gottesdienstes bemühte sich Kurt, so wenig wie möglich an seine Mutter zu denken, die einem so unruhigen Eindruck auf ihn machte. Stattdessen konzentrierte er sich vollkommen auf die kurze Ansprache des Pfarrers, auf die Lieder aus dem Gesangbuch und die Texte, die gemeinsam gesprochen wurden. Zur Taufzeremonie trat er schließlich mit Maike, Bernd, dem kleinen Markus und seinem Cousin, dem weiteren Taufpaten, nach vorne zum Altar. Als diese Zeremonie schließlich abgeschlossen war, kehrten sie zu ihren Plätzen zurück. Bereits kurz darauf war der Gottesdienst zu Ende. Lukas lächelte ihm zu. „Macht ihr jetzt noch ein paar Photos?“ Kurt nickte. Als sie kurze Zeit später die Kirche vollends verließen, nahm Gertrud Kurt beiseite. „Ich wollte nochmal mit dir reden. Gerade auch wegen deinem... Umzug.“ Rausschmiss traf es wohl eher. Doch diesen Gedanken behielt Kurt für sich. „Neulich war dein Freund, dieser Johannes, bei uns zu Hause. Wir haben auch ein bisschen über seine Beziehung zu dir gesprochen, aber eigentlich vor allem über dich. Er mag dich ziemlich, glaube ich.“ „Ihr habt über mich gesprochen?“, wiederholte Kurt ungläubig. „Genau.“ Dann sah seine Mutter zu Boden, schluckte, wusste nicht, was sie weiter sagen sollte. „Er sagte, dass ich dich einengen würde, Kurt, und dass du dich nicht wohlfühlst. Stimmt das?“ Kurt schluckte, fühlte sich irgendwie schon wieder wie im falschen Film. „Mama, das ist echt nicht so einfach. Aber es ist schon ein bisschen so, wie es Johannes beschrieben hat.“ Kurt schluckte noch einmal. Die Situation, in der er jetzt steckte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Zu seiner absoluten Verwunderung nickte seine Mutter nur. „Ich enge dich ein, oder?“, fragte sie leise. „Ich wollte das nicht, verstehst du? Aber ich kann eben auch nicht so einfach aus meiner Haut raus.“ „Ist gut, Mama.“, sagte Kurt schließlich, um zumindest eine Kleinigkeit zu sagen. Kurt wandte sich um, als Lukas seinen Namen rief. „Ach, da bist du ja. Warum sagst du denn nicht, dass du raus gehst?“ Lukas kam neben Kurt zum Stehen und bemerkte jetzt auch Kurts Mutter, die etwas deplatziert wirkte. „Störe ich?“, fragte er. Kurts Mutter schüttelte den Kopf. „Ich wollte sowieso gerade gehen.“ „Was ist denn passiert?“, wollte Lukas wissen, als Kurts Mutter außer Sichtweite war. „Deine Mutter war ja komplett fertig. Hattet ihr wieder Streit?“ Kurt antwortete nicht sofort. „Wir haben uns nicht gestritten. Aber wir haben uns nochmal wegen meinem Umzug unterhalten.“ Kurt biss sich auf die Lippen. „Johannes war neulich bei meiner Mutter und hat auch noch einmal wegen meinen Problemen mit ihr gesprochen.“ „Wie?“ Lukas Brauen zogen sich zusammen. „Als ich nach dem Umzug so komisch war, bin ich auch Hanne im Treppenhaus begegnet. Na ja, er hat mich natürlich auch gleich gefragt, was los sei und dann hab ich ihm von dem Rausschmiss erzählt. Und daraufhin ist er wohl zu meiner Mutter gegangen.“ „Aber das kann ihm doch so was von egal sein!“, rief Lukas. „In was will sich dieses Miststück eigentlich noch einmischen? Das ist ja wohl ganz allein deine und meine Angelegenheit.“ Kurt seufzte. „Lukas, bitte. Ich bin eigentlich ziemlich froh, dass meine Mutter jetzt Bescheid weiß.“ Lukas schnaubte noch einmal verächtlich, beruhigte sich dann allerdings. Kurt lächelte. „Und weißt du auch, worüber ich noch froh bin? Dass du ganz einfach hier bist.“ Damit küsste er vorsichtig Lukas' Schläfe und umarmte ihn. Plötzlich vernahm er ein vertrautes „Onkel, da bist du ja!“ hinter sich. Sara. Sie war erstaunt stehen geblieben und Kurt löste sich von Lukas. „Was ist denn passiert, Sara?“, fragte er. Sara war ganz aufgeregt gewesen, doch jetzt war sie still. „Das ist nicht die Frieda, oder?“, fragte sie und deutete zu Lukas hin. Kurt seufzte und ließ sich in die Hocke sinken. Er hatte gewusst, dass diese Frage irgendwann auftauchen würde. „Richtig. Das ist Lukas, meine Kleine.“ Sie nickte, guckte aber immer noch misstrauisch drein. „Und warum nimmst du ihn in den Arm?“ „Ich hab den Lukas sehr lieb, Sara. So doll, wie du deinen Lieblingsteddy lieb hast, wenn du ihn knuddelst.“ „Aber warum ist der Lukas dann wie ein Mädchen herumgelaufen, wenn du ihn lieb hast? Das ist doch komisch.“, stellte Sara fest. Lukas prustete los und bekam dafür einen bösen Blick zugeworfen. Kurt antwortete: „Ganz am Anfang, da wusste der Lukas noch nicht, dass ich ihn lieb hatte und da er gerne mit mir zusammen ist, hat er sich so verkleidet.“ „Und er konnte nicht so normal rumlaufen?“ Kurt lächelte. „Nein. Wir haben uns vorher ziemlich heftig gestritten. Aber jetzt sind wir wieder gut miteinander.“, erklärte er. Sara nickte, obwohl es für sie vollkommen zusammenhangslos erschien und sie noch viele Fragen hatte. „Was wolltest du mich jetzt eigentlich fragen?“, fragte Kurt, als sich ein peinliches Schweigen ausgebreitet hatte. „Kann ich am Mittwoch nach dem Kindergarten mit zu dir kommen? Der Markus muss zum Doktor und Mama hat gemeint, dass du auf mich aufpassen sollst. Dabei kann ich das auch schon alleine, oder?“, fragte sie schüchtern. Kurt bemühte sich, nicht loszulachen, weil sie in diesem Moment total niedlich aussah. „Aber natürlich ist das in Ordnung. Und alleine ist es doch auch langweilig für dich, oder? So, und jetzt gehen wir zu deiner Mama.“ Damit hob er seine kleine Nichte auf den Arm, die ihn anstrahlte. Kurt fühlte Lukas Arm um sich, während er mit dem kleinen Mädchen auf dem Arm zum Vorplatz der Kirche ging. Nur noch seine Verwandten standen dort, warteten auf ihn und seinen Freund. Maike wandte sich um „Und? Nimmst du sie am Mittwoch?“, fragte sie. „Klar.“, erwiderte Kurt und setzte Sara, die ihm langsam zu schwer wurde, ab. Dann kam seine Mutter auf ihn zu. „Ich muss mich wohl bei dir entschuldigen.“, sagte sie leise. Bevor sie weiterreden konnte, fiel er ihr ins Wort. „Ist schon gut, Mama. Ich will nicht, dass du dich irgendwie schuldig fühlst.“ Sie drückte ihn an sich. „Dankeschön, Kurt. Ich werde mich ab jetzt raushalten.“ Auch Kurt legte seine Arme von sich aus um sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)