Kurt das war's von Lotos ================================================================================ Kapitel 4: Ein unerwartetes Wiedersehen --------------------------------------- IV – Ein unerwartetes Wiedersehen Seine Mutter stand schon in der Tür als Kurt eine halbe Stunde später nach Hause kam. Sie hatte ein lächerliches rosa Nachthemd an. „Du bist spät.“, bemerkte sie. Nach einem Blick auf die Uhr an der Wand fügte sie hinzu: „Es ist fast Mitternacht. Wo warst du schon wieder?“ Kurt achtete nicht auf sie, sondern schob sie zur Seite. Sie wollte noch etwas sagen, ließ es aber bleiben, als sie sein finsteres Gesicht sah. Er stieg die Treppe hoch zu seinem Zimmer und öffnete die Türe, die zu seiner Verwunderung nur angelehnt war. „Hey!“, sagte eine vertraute Stimme. „Da bist du ja.“ Kurt fuhr herum, sah auf und erblickte schließlich die Person, die in seinem Zimmer auf ihn gewartet hatte. Ehe Kurt einen Gedanken fassen konnte, fragte er leise: „L- Lukas?“ „Richtig.“ Lukas lächelte. Kurt knipste die Lampe an. Dank der Straßenlaterne war das Zimmer wohl ausgeleuchtet, allerdings nur sehr spärlich. Er erkannte seinen ehemals besten Freund sofort wieder: kurzes dunkelbraunes Haar, grüne Augen, groß und ein gesunder aber schlanker Körperbau. Im Moment waren seine Haare jedoch schwarz gefärbt und fielen ihm offen bis über die Schultern. Kurt biss sich auf Lippen, da er plötzlich Zweifel hatte, ob er den Mut aufbringen konnte, Lukas auch tatsächlich die Geschichte mit Frieda zu erzählen, ihn auf seinen Verdacht anzusprechen. „Grüß dich.“, sagte er schließlich. „Was machst du hier?“ „Ich wollte mal wieder bei dir vorbeischauen, Kurt.“, antwortete Lukas und trat auf ihn zu. Kurt wurde unwohl. Obwohl er Lukas schon seit über fünfzehn Jahren kannte, hatte er ein ungutes Gefühl im Magen. „Aha?“, fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Nein, etwas an Lukas gefiel ihm im Moment absolut nicht. „Ich wollte dich sehen.“, erwiderte Lukas. „Und ich muss dir etwas erklären.“ Damit trat er weiter auf Kurt zu. Kurt wollte zurückweichen, konnte es aber nicht, da er die Wand im Rücken hatte. Als Lukas den räumlichen Abstand vollends schloss, wollte Kurt ihn von sich schieben, doch Lukas ergriff rechtzeitig seine Hände. Jetzt beugte sich Lukas zu ihm und küsste seine Lippen, wobei er vor Aufregung und weil Kurt zurück zuckte, eher seinen Mundwinkel erwischte. Einfach so, genau wie damals. „Reicht das als Erklärung?“, wollte Lukas wissen und zog seine Hände zurück. Kurt stand einfach nur fassungslos da. Als er sich einen Augenblick später wieder gefangen hatte, stieß er Lukas jedoch zurück, der ihn jetzt unsicher ansah. „Lass mich bloß in Ruhe!“, zischte Kurt noch, verließ dann den Raum. Er ließ Lukas einfach stehen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurt hatte keine Ahnung mehr, was er eigentlich denken sollte. Er war wieder auf die Straße gelaufen, um einen Abstand zwischen sich und Lukas zu schaffen. Er musste unbedingt einen klaren Gedanken fassen und hoffte, dass ihm die kühle Nachtluft dabei helfen würde. „Wie kann etwas, das ohnehin schon leer ist, sich noch leerer anfühlen?“, fragte er sich noch einmal selbst leise. Den Raum in seiner Brust konnte man mittlerweile wirklich als Vakuum bezeichnen. Er konnte einfach nicht glauben, was in dieser Nacht schon alles geschehen war. Sein nächster Gedanke galt allerdings schon wieder Lukas. Er war also tatsächlich richtig gelegen. Lukas stand wirklich auf ihn und war mit ziemlicher Sicherheit auch seine „Freundin“. Kurt seufzte auf und wäre am liebsten das zweite Mal in dieser Nacht in Tränen ausgebrochen. Er konnte es einfach nicht glauben, dass ihn Lukas – sein bester Freund – dermaßen hintergangen hatte oder dass Lukas überhaupt zu so einer grotesken Idee fähig war. Doch alles deutete darauf hin, dass es so war. Hatte dieser Kerl etwa tatsächlich Gefühle für ihn? Kurt seufzte. Er kam sich vor wie in einem schlechten Film oder irgendeiner Schmierenkomödie. Das durfte doch alles nicht wahr sein... Er hatte Lukas zweifellos einmal als seinen besten Freund bezeichnet. Seit sie als kleine Pimpfe im Sandkasten miteinander gespielt hatten, war es so gewesen. Und Johannes? Mit ihm verstand er sich einfach gut. Kurt hörte platschende Schritte hinter sich. Es hatte zu regnen begonnen, ohne dass er davon etwas mitbekommen hatte. Es musste schon eine Weile regnen; gerade rann ein Tropfen aus seinen Haaren übers Gesicht und von dort aus aufgewärmt den Hals runter. Kurt blieb stehen und fing einige Regentropfen mit der Hand auf. Kurz darauf patschte eine schwere Hand auf seine Schulter. Kurt schrak zusammen. „Hab dich.“, keuchte Lukas hinter ihm. „Was willst du noch!?“ Kurt gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, doch seine Wangen hatten schon wieder angefangen zu zucken. „Ich wollte das nicht so stehen lassen. Tut mir leid.“ Kurt fuhr zu ihm herum. „Dafür kann man sich nicht entschuldigen! Ist dir eigentlich klar, dass du mich die letzten fünf Wochen angelogen hast?“, schrie er ungehalten und funkelte Lukas böse an. „Ich weiß genau, dass du mir 'Frieda' vorgespielt hast!“ Lukas war leicht zusammengezuckt. „Es tut mir unheimlich leid, was passiert ist. Ich hab dich damals nicht geküsst, weil ich dich mit einem Mädchen verwechselt hab oder nicht mehr ganz klar im Kopf war. Es kam mir damals einfach 'richtig' vor. Und natürlich hast du auch mit dem recht, was Frieda anbelangt, aber...“ „Na, das wird ja immer toller! Als nächstes kommt wohl noch, dass du in mich verknallt bist. Als Frieda wolltest du wohl testen, ob ich Frauen mag, was!?“ Kurt wandte sich ab, um sicher zu gehen, dass er nicht ausrasten würde. Lukas schüttelte hinter ihm den Kopf. „Ich wollte mit dir zusammen sein. Kapier’s doch endlich! Ja, ich hab mich in dich verliebt. Und ich dachte, dass du mich mit ziemlicher Sicherheit komplett abgeschlachtet hättest, wenn ich es dir direkt gesagt hätte. Letztens hab ich dich dann mit diesem rotblonden Kerl gesehen. Und da hab ich mir gesagt, dass es jetzt wirklich Zeit wird, dass ich meinen Mut zusammen nehme, auf dich zugehe und dir alles erkläre.“ „Lass Hanne da raus!“ Kurt wirbelte wieder herum und sah ihn noch zorniger an als zuvor. „Das sind ja wohl eindeutig zwei Paar Stiefel. Weißt du was? Am besten lässt du mich einfach in Ruhe und verschwindest komplett aus meinem Leben.“ „Willst du gar nichts mehr mit mir zu tun haben? Wie wäre es, wenn du mir einfach einen Moment zuhörst?“ Kurt schnaubte. Er hätte Lukas einfach stehen lassen können, aber seine Neugierde hielt ihn zurück. „Du hättest mir schon tausendmal etwas erklären können, wenn du nicht so dumm rumstehen würdest.“, sagte er deswegen. „Also?“ „Es tut mir extrem leid, was passiert ist. Es waren einige wirklich blöde Zufälle. Gerade nach diesem doofen Kuss hatte ich das Gefühl, dass du mir den Hals umdrehen würdest, würde ich es dir erzählen. Ich hab mich einfach nicht getraut mit dir zu reden, auch wenn ich dich ab und zu mal gesehen habe. Und irgendwie wollte ich trotzdem wieder Kontakt zu dir. Als ich dich dann letztens beim Karneval gesehen hab, hat es mich einfach gepackt. Ich war besoffen, du warst besoffen. Ich hatte diese dumme Transenverkleidung und du warst dermaßen dicht, dass du nichts bemerkt hast. Und es hat mich wirklich gewundert, dass du auch die letzten paar Wochen nichts davon mitbekommen hast.“ Kurt musterte ihn wieder abschätzig. „Ach? Willst du etwa sagen, dass es meine Aufgabe gewesen wäre, dir auf die Schliche zu kommen? Das hab ich getan, wie du siehst.“ Lukas seufzte. „Ich gebe ja zu, dass ich einen Riesenfehler gemacht hab, Kurt.“ „Und jetzt hättest du wohl gerne, dass ich dir verzeihe und dir lachend in die Arme hüpfe, weil ich insgeheim auch auf dich stehe!? Ich glaube so langsam, dass du eine ziemliche Wirklichkeitsverzerrung hast! Oder glaubst du etwa allen Ernstes, dass es mir nichts ausmacht, von jemandem wie dir so verscheißert zu werden?“ „Nein! Um Gottes Willen, Kurt...“ Lukas schüttelte den Kopf. „Ich weiß auch nicht, wie ich mich bei dir entschuldigen kann.“ Kurts Wut verrauchte langsam, das spürte er deutlich. Schon wesentlich kühler meinte er: „Dein Wahnsinns-Selbstvertrauen beeindruckt mich immer wieder aufs Neue, Lukas. Aber weißt du was? Im Moment habe ich eh keinen Kopf für so etwas. Ich hab gerade auch noch andere Probleme. Vielleicht sollten wir uns später nochmal unterhalten.“ Kurt ging langsam durch die Siedlung in die Richtung von Hannes Wohnblock, um den Kopf ein wenig freizubekommen. Inzwischen wusste er wirklich nicht mehr, an was er sich zuerst die Nerven aufreiben sollte. Seine Gedanken und Gefühle waren ein einziger Wirrwarr und das einzige Gefühl, das er ganz klar spüren konnte, war, dass er maßlos von seinem ehemals besten Freund enttäuscht war. Gleichzeitig aber hatte ihn seine jetzige Offenheit auch überrascht. Es brauchte wirklich eine Menge Mut, über eine solche Geschichte offen zu sprechen. Aber was hatte Hanne mit der Sache zu tun? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)