Kurt das war's von Lotos ================================================================================ Kapitel 2: Gehirnerschütterung ------------------------------ II - Gehirnerschütterung Kurt wachte in einen weißen Krankenhausbett auf, auf dessen Kante seine Mutter saß. Sie strich ihm über die dunkelblonden Haare und als sie seine halboffenen Augen bemerkte, fragte sie: „Wie geht es dir?“ Kurt meinte: „Ist in Ordnung so.“ Sie brauchte ja nicht zu wissen, dass ihm Kopf und Nacken höllisch weh taten. Außerdem juckte das dicke Schaumstoffding um seinen Hals fürchterlich. Seine Mutter lächelte sanft. „Du bist am Zebrastreifen von einem Auto angefahren worden. Weißt du das noch? Die Ärztin meint, du hättest eine leichte Gehirnerschütterung. An der Schläfe hattest du eine Platzwunde, weil du da an die Bordsteinkante geschlagen bist. Die Ärztin hat sie dir genäht, während du noch geschlafen hast. Sie meint, dass du in drei Tagen wieder entlassen wirst. Wie ist das eigentlich passiert? Hast du nicht richtig geschaut?“ Kurt wich ihr bewusst aus und schob ihre Hand zur Seite, die noch immer an seiner Stirn lag. „Lass mich bitte schlafen, okay?“ „Beantworte mir meine Frage!“, forderte seine Mutter ihn auf. „Ich hab nicht drauf geachtet. Und dann ist das Auto plötzlich neben mir aufgetaucht. Ich wurde umgestoßen und weiter weiß ich auch nicht mehr. Reicht die Erklärung, Frau Polizistin?“, erwiderte Kurt genervt. Seine Mutter keifte zurück: „Dann brauch ich dir den Brief da auch gar nicht zu geben. Dein Vater hat ihn vorhin bei uns eingeworfen.“ „Gib das Ding her!“ Er wollte sich aufsetzen und ihr den Umschlag wegnehmen, doch er konnte den Kopf noch nicht so recht anheben. „Dummkopf!“, schimpfte seine Mutter, als er wieder ins Kissen zurückfiel, und lachte dabei. „Ich hab ihn dir schon aufs Nachtschränkchen gelegt.“ Kurt grummelte beleidigt. Die Mutter strich ihm wieder durchs Haar. „Was machst du nur für Sachen, Junge? Du weißt doch, dass du auf den Verkehr achten musst.“, fragte sie mehr sich selber. Kurt nahm sie schon gar nicht mehr wahr, da er wieder weggedämmert war. Er fühlte sich wirklich schläfrig. Seine Mutter blieb noch eine Weile bei ihm. Als sie ging, lief sie direkt der dicken dunkelhäutigen Ärztin in die Arme, die ihren Sohn schon vorhin behandelt hat. „Wie geht es ihm, Frau Wellinger? War er schon wach?“, fragte diese. „Ja, aber er ist recht schnell wieder eingeschlafen.“, gab sie der Ärztin Auskunft. „Ich konnte mich eigentlich gar nicht so richtig mit ihm unterhalten.“ Drinnen zog die Ärztin erst einmal das Schläuchchen aus der Kanüle, die in Kurts Armbeuge gelegt worden war. Dieser wachte davon auf, musterte die Frau zum ersten Mal richtig. „Was war das jetzt eigentlich?“ Die Ärztin antwortete: „Ein Mittel gegen die Schmerzen und damit Sie Ihren Kopf ruhig halten. Sie haben jetzt ein paar Stunden geschlafen.“ Kurt zog die Augenbrauen hoch soweit es mit der frischen Binde um seine Stirn möglich war und fragte: „Und was haben Sie sonst noch so gemacht?“ Sie schaute auf ihn herab. „Sie haben eine leichte Gehirnerschütterung und sollten deswegen viel und ruhig liegen. An der rechten Schläfe hatten Sie eine Platzwunde, die zugenäht werden musste. Am Freitag können wir bereits Fäden ziehen.“ Kurt nickte leicht, obwohl es wegen der Kopfschmerzen unangenehm war. „Wann darf ich aufstehen?“ „Übermorgen, wenn Sie sich halten. Morgen nehmen wir auch die Halskrause ab, okay? Hey, das kriegen wir schon wieder hin, Herr Wellinger, das dürfen Sie mir gerne glauben. In dem Bett hier sind schon ganz andere Fälle gelegen, die auch wieder kerngesund rausspaziert sind.“ Kurt lächelte, da ihm die Ärztin irgendwie sympathisch war. Sie war nicht so schrecklich ernst wie andere Ärzte, sondern hatte sich einen gewissen Humor bewahrt. „Gut.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurt fühlte sich gar nicht mehr so mies, wie es noch beim Besuch seiner Mutter kurz nach dem Aufwachen der Fall gewesen war. Klar, ihm war ein wenig schlecht und Kopfweh hatte er auch wie die Hölle, aber die Schmerzen in seinem Nacken, der wahrscheinlich ganz einfach ein bisschen gezerrt war, hatten sich bereits gebessert. Zufrieden schloss er die Augen, doch anstatt dessen, dass er wieder einschlief, wanderten seine Gedanken zurück zu Lukas und Frieda, die er wohl kaum als seine Freundin bezeichnen konnte. Die beiden waren sich ähnlicher, als er es bisher bewusst wahrgenommen hatte. Gesichtszüge, Gestik, das laute Lachen – alles kam ihm so furchtbar bekannt vor. Und dennoch wollte sich der Gedanke nicht so recht durchsetzen, der ihm jetzt durch den Kopf ging. Vielleicht wollte er diesen Zweifel gar nicht erst weiterdenken. Kurt musste auch wieder Johannes denken, der eigentlich auch echt nett war. Er freute sich schon darauf, ihn wiederzusehen und mit ihm einen Film anzuschauen. Schließlich gelang es ihm doch, noch kurz wegzudämmern. Kurz vor dem Abendessen wachte Kurt wieder auf. Er musste wieder an Lukas denken. Konnte es nicht tatsächlich sein, dass er sich als Frieda ausgab? Da waren so viele Gemeinsamkeiten und seit er es seinem Vater gegenüber ausgesprochen hatte, kam ihm der Gedanke immer naheliegender vor. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Am nächsten Tag erwachte Kurt bereits sehr früh. Ein Blick auf die Uhr seines Handys, das im Nachtschränkchen lag, zeigte, dass es erst sechs war. Da seine Kopfschmerzen ein bisschen zurückgegangen waren, setzte er sich vorsichtig auf. Die Platzwunde an der Schläfe pochte wieder, aber ansonsten fühlte er sich gut. Vorsichtig erhob er sich ganz vom Bett, nahm den Umschlag auf, den ihm seine Mutter gestern gegeben hatte, und knipste die Deckenlampe des Zimmers an. Er tapste vom Lichtschalter an der Tür wieder zum Bett zurück, setzte sich auf die Matratze und öffnete den Brief vorsichtig mit den Fingern, um sehen zu können was sein Vater in den Umschlag gepackt hatte. Eine Glückwunschkarte zum 20. Geburtstag kam ihm entgegen, die so schreiend bunt war wie jedes Jahr. Kurt lächelte, klappte die Karte auf und überflog kurz das Gekrakel seines Vaters und die schöne Handschrift seiner Freundin. In den Umschlag hatte sein Vater außerdem die Anzeigenseite aus der Zeitung gelegt und hatte sogar ein paar der Texte mit Kugelschreiber angestrichen. Eine sehr nette Geste, wie Kurt fand. Er faltete alles wieder zusammen und steckte es zurück in den Umschlag. Am späteren Vormittag kam sein Vater auch noch persönlich vorbei, um ihm Alles Gute zu wünschen. „Deine Mutter hat mir erst vorhin gesagt, dass du einen Unfall gehabt hättest. Sonst wäre ich schon früher gekommen. Wie fühlst du dich jetzt?“ „Ganz gut. Ich hab noch ein bisschen Kopfschmerzen. Danke übrigens für die Karte und die Anzeigen.“ Sein Vater ließ sich jetzt zu ihm auf die Bettkante sinken. „Kein Problem, Kurt, wirklich.“, wehrte er dann ab. „Du solltest vielleicht auch eine Suchanzeige aufgeben, sehr viele Wohnungen werden gar nicht mehr ausgeschrieben.“ „Hm, sicher.“, stimmte Kurt ihm zu. „Du, nochmal wegen Frieda. Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass sie mir was vormacht. Sie ist Lukas so ähnlich.“ „Denkst du etwa er hat nochmal eine Schwester?“ „Nein, das nicht. Ich hab es wohl noch nie jemandem erzählt, aber ich glaub, der Lukas war in mich verknallt. Das wird mir jetzt immer klarer. Er hat mich sogar mal geküsst.“ Kurt fuhr sich durchs Haar und machte ein unglückliches Gesicht. „Und jetzt denkst du, dass er sich dir gegenüber als Frieda ausgibt? Na, das ist doch wirklich eine verrückte Idee. Vielleicht redest du einfach mal mit ihr darüber, wenn du wieder gesund bist.“ Nachdenklich strich er über eine Haarsträhne seines Sohnes. „Weißt du, vielleicht bist du dann auch nicht mehr ganz so aufgewühlt.“ Kurt nickte leicht. „Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ich ihr über den Weg trauen soll, oder nicht. Sie verhält sich einfach komisch.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Am Nachmittag bekam er wieder Besuch. Mit halboffenen Augen sah er zur Tür, die sich gerade geöffnet hatte. Seine ältere Schwester war gekommen. Er öffnete die Augen ganz und wollte sich aufsetzen. Maike drückte ihn sofort wieder runter. „Schön liegen bleiben! Du mit deiner Gehirnerschütterung.“, meinte sie vorwurfsvoll. „Ist ja gut.“, murrte Kurt und schaute zu seiner Schwester auf. Sie war eigentlich Krankenschwester, arbeitete aber im Moment nicht wegen Sara und erwartete inzwischen auch ihr zweites Kind. Dann lächelte er allerdings. „Hallo Sara.“, sagte er und winkte seiner fast dreijährigen Nichte zu, die im Moment recht unsicher neben ihrer Mutter stand. Sara guckte ihre Mutter an. „Ist der Kurt krank?“, fragte sie und steckte den Finger in den Mund. „Nein. Der Kurt hat einen Unfall gehabt und hat sich ganz doll den Kopf gestoßen.“ „Ist aber in Ordnung, oder?”, wollte die Kleine weiter wissen. Kurt musste lachen. „Ja, schon wesentlich mehr in Ordnung. Ich hab nur ein bisschen Kopfweh, Sara, ist also gar nicht schlimm.“ Maike lächelte ebenfalls, schlüpfte aus ihrer Jacke, half auch ihrer Tochter beim Ausziehen und hängte die beiden Jacken schließlich an den Kleiderhaken neben der Zimmertüre. Dann streckte Sara ihre Ärmchen nach Kurt aus. Ihre Mutter zog ihr die Schuhe aus und setzte sie auf Kurts Bettdecke. Sofort streckte Sara ihre Hand nach Kurts Gesicht aus. „Du riechst nach Zigarette.“, sagte sie vorwurfsvoll und zog die Nase hoch. Sie schob seine halblangen Haare zurück und legte so auch das Wundpflaster frei, das die genähte Platzwunde bedeckte. Kurt kam mit Schrecken in den Sinn, dass sie schon einmal auf die Idee gekommen war, ihm mit ihren pinken Haarklammern eine Frisur zu machen. Am Ende hatte sie es hinbekommen, dass sämtliche seiner Haarsträhnen irgendwie ziemlich wirr nach oben gesteckt waren und er überall kleine knallig pinke Spängchen hatte ablösen müssen. Sowohl Maike als auch seine Mutter hatten lauthals gelacht. Maike beobachtete ihre Tochter bei dem, was sie tat. „Sag mal Kurt,“, meinte sie dann, „wann hast du dir denn die Haare abgeschnitten?“ „Gestern war ich beim Friseur.“, antwortete er. Maikes Gesicht erhellte sich so, als sei ihr gerade etwas eingefallen. „Alles Gute zum Geburtstag, Kurt. Deine Frisur ist gut geworden.“, meinte sie dann lachend und drückte seine Hand. Offenbar hatte Sara plötzlich Lust bekommen, Krankenschwester zu spielen, denn sie hatte Kurts zweites Handgelenk von der Bettdecke genommen. Kurt hätte am liebsten den Arm weggezogen, denn er erinnerte sich böse an das, was letzten Winter passiert war. Er hatte eine leichte Grippe gehabt und Maike war mit Sara zu Besuch bei seiner Mutter gewesen. Sara hatte, wie jetzt auch, Krankenschwester gespielt und er hatte brav mitgemacht. Irgendwann hatte sie ihm im Spiel Medizin gegeben und er hatte die Augen zugemacht, als sie ihm erklärte, dass er müde sei. Weil er aber tatsächlich schläfrig vom Fieber war, war er kurz darauf wirklich eingeschlafen. Damit hatte er ihr mehr oder weniger freie Verfügung überlassen und sie hatte sich an seinem Körper zu schaffen gemacht. Jedenfalls hatte sie es irgendwie geschafft, ihm die Schlafhose ein Stück über die Hüften zu schieben und war dann an seinen Unterleib gekommen. Neugierig wie sie war, hatte sie sein Geschlechtsteil berührt, er war steif geworden ohne davon aufzuwachen und Sara hatte den Schreck ihres Lebens bekommen. Sie war aus dem Zimmer gerannt und hatte ihrer Mutter erzählt, dass der Onkel „was ganz Komisches zwischen den Beinen“ hätte. Daraufhin war Maike ohne Sara ins Zimmer gestürmt und hat Kurt eine kräftige Ohrfeige gegeben. Die Schimpfworte, die damals gefallen waren, sollte man besser nicht wiederholen. Obwohl Kurt versucht hatte, ihr alles zu erklären, hatte sie ihm nichts davon geglaubt. Mittlerweile hatte sie ihm aber wieder verziehen und auch Sara schien sich an nichts mehr zu erinnern. Sara war gerade dabei, Kurts Puls zu suchen. Sie fand ihn aber nicht und ihre Mutter zeigte es ihr zum wiederholten Mal. Kurt ließ die teilweise unsanfte Behandlung über sich ergehen. Maike bemerkte, dass Kurts Geduld bald zu Ende sein würde und sagte: „Der Onkel muss jetzt schnell wieder gesund werden. Und dazu muss er viel schlafen.“ Zu Kurt gewandt schlug sie vor: „Sollen wir wieder gehen?“ „Bleibt doch noch da.“, wehrte er ab. „Ich hab Zeit.“ Sara hatte sich neben Kurt ins Bett gelegt, wie sie es insgesamt sehr gerne tat. Er rückte ein bisschen zur Seite, damit sie mehr Platz hatte und deckte sie vorsichtig zu. Dann strich er liebevoll über den Rücken seiner kleinen Nichte. Maike seufzte. „Na gut.“ Sie setzte sich auf einen Stuhl, um ihren Rücken vom Babybauch zu entlasten. „Wie lange dauert es noch?“, fragte er und wies auf ihren Bauch. „Ich bin im siebten Monat. Also noch 8 Wochen.“ Nach einer Weile flüsterte sie: „Es bewegt sich. Fühl mal.“ Sie legte seine Hand an die Rundung ihres Bauches. Tatsächlich trat oder boxte etwas gegen seine Hand. Vorsichtig drückte auch er dagegen. Maike lachte. „So macht das Bernd auch immer.“ Maike hatte Bernd vor über drei Jahren geheiratet, als sie gerade mit Sara schwanger war. Neben ihm regte sich Sara und lenkte ihn somit ab. Sie wollte nach Hause. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Am Freitagmorgen, dem Tag seiner Entlassung, ging Kurt in das Untersuchungszimmer am Ende des Flurs. Er klopfte an und trat daraufhin ein. „Guten Morgen, Herr Wellinger!“, begrüßte die dunkelhäutige Ärztin Kurt, die ihn während seines Krankenhausaufenthaltes schon regelmäßig untersucht hatte. „Mit was sollen wir anfangen? Mit den Fäden oder der Kanüle?“ „Die Kanüle vielleicht?“, schlug er vor. Im Grunde genommen war es ihm ja egal, aber der Fremdkörper in seinem Unterarm störte ihn mehr, als er zugegeben hätte. „Gut.“, meinte sie. „Legen Sie sich am besten auf die Liege.“ Kurt ließ sich behutsam sinken und stülpte seinen Ärmel zurück. Die Ärztin befreite ihn zunächst von der Mullbinde, löste dann das Pflaster und zog schließlich die dünne Kanüle aus seiner Vene. Anschließend drückte sie einen feuchten Tupfer auf den Einstich und wickelte die frische bereits bereit gelegte Binde darum herum. Kurt zog seinen Ärmel wieder nach vorne und war froh darüber, zumindest das überstanden zu haben. „Schön.“, sagte sie wieder. „Dann kümmere ich mich auch gleich noch um Ihre Fäden.“ Kurt schloss auf ihre Aufforderung die Augen, während sie auch dort das große helle Pflaster löste. Danach hielt sie für ein paar Sekunden eine kühlende Kompresse auf die Nahtstelle, um dann die Fäden zu ziehen. Kurt biss die Zähne fest zusammen und verkrampfte seine Hände, die er zuvor locker auf seinem Bauch abgelegt hatte. „Sehr gut.“, lobte sie. Sie kühlte wieder die Stelle, die noch immer schwach pochte. Kurt legte seine Hand auf die Kompresse und drückte sie seinerseits auf seine Braue, sodass die Ärztin loslassen konnte. „Sie sollten sich die nächsten Tage noch ein bisschen schonen. Ich werde Sie für heute und morgen krankschreiben.“, erklärte sie jetzt. „In Ordnung.“, erwiderte Kurt und setzte sich auf. Er nahm die Kompresse wieder weg, um sich über die Stelle über der Braue zu streichen. „Benötigen Sie Schmerzmedikamente?“, fragte sie weiter, während sie ihm bereits die erwähnte Krankmeldung ausstellte und ausdruckte. Kurt verneinte und erklärte, er habe noch entsprechende Tabletten zu Hause. Die Ärztin trat wieder zu ihm und reichte ihm das Formular. Sie drückte seine Hand und wünschte ihm weiterhin gute Besserung. Auch Kurt bedankte sich noch einmal bei ihr. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurt trat vor das Krankenhaus und musste seine Jacke ganz zuknöpfen. Es war empfindlich kalt geworden über Nacht. Noch gestern war er mit Frieda draußen gewesen, als sie ihn besucht hatte. Leider hatte er nicht den nötigen Mut aufgebracht, sie zur Rede zu stellen, hatte sie aber wiederum eindringlich gemustert und beobachtet. Es war der gleiche Krampf wie immer gewesen. Sie war immer ein bisschen distanziert ihm gegenüber, doch trotzdem schien sie vollstes Vertrauen in ihn zu haben. Es war ein merkwürdiges Verhältnis zwischen ihnen beiden. Sie bezeichnete sich gerne selbst als seine Freundin, wollte aber keine Berührung von ihm. Das einzige, was sie zuließ war, dass er ihre Hand hielt. Gerade als er von den Knöpfen aufsah, kam ihm seine Mutter entgegen. Sie hatte versprochen, ihn vom Krankenhaus abzuholen, obwohl er genauso gut den Bus hätte nehmen können. Sanft legte sie ihren Arm um ihn und schob ihn vor sich her. „Weißt du“, sagte sie dabei „ich bin so erleichtert, dass du entlassen worden bist. Wie geht es dir denn?“ Kurt befreite sich aus ihrem Arm und ging so neben ihr her. „Es geht mir schon wieder besser. Für die nächsten paar Tage hab ich aber noch eine Krankmeldung bekommen.“ Sie nickte. „Entschuldige übrigens, dass ich im Krankenhaus so ein Theater gemacht habe. Es tut mir auch leid, dass ich dich gezwungen hab, zum Friseur zu gehen. Deine Haare sehen übrigens echt toll aus. Es steht dir wirklich.“ „Danke. Weißt du, ich bin dir gar nicht mehr böse deshalb. Natürlich hat es mich verletzt, aber jetzt kann ich darüber lachen.“ Wenn Kurt recht darüber nachdachte, mochte er seine Mutter sogar sehr gerne, wenn sie so klar miteinander redeten wie jetzt. „Ich wollte mal was Neues ausprobieren.“ Seine Mutter schaute ihn verdutzt von der Seite an. Sie wusste genau, wie wütend und verletzt er gewesen war und fragte sich jetzt, was diesen Meinungsumschwung herbeigeführt hatte. Normalerweise war Kurt nämlich wesentlich nachtragender ihr gegenüber. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)