Sommer Gedanken von Alwena ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ein sommerlicher Wind zieht über die ergrünten Bäume auf dem Astraea-Berg, wirbelt die satten sommerlichen Gerüche bis in die tiefsten Winkel der drei Schulen. Eine Ruhe liegt über dem Hügel, dass selbst die Vögel ihre Lieder leiser zwitschern als sonst. Süßlicher Blumenduft beflügelt die Geister der Schülerinnen und spornt sie noch mehr an. Nagisa Aoi, ein junges Mädchen, mit dunkel-roten Haaren lehnt, ihre Sommeruniform tragend, nahe des Reiterplatzes an einem Baum und betrachtet den strahlend blauen, manchmal von seichten Wolken benetzten Himmel. Wie eine Statue, einem Ölgemälde gleich, saß sie dort, regt sich nicht, ließ einzig den lauen Wind mit ihren Haaren spielen. Ein Seufzen dringt der Jungen aus der Kehle, als sie die Arme hebt und sich wild mit den Fäusten auf den Kopf klopft. „Argh! Ich verstehe das nicht!“ Sie lässt die Hände sinken, krallt sie sogleich in dem saftigen Gras fest und schnauft. Ihr Inneres passte nicht zu ihrer Ausstrahlung, durchlebt sie doch in sich einen mächtigen Kampf von Vernunft, zweideutigen Gefühlen, gemischt mit einem bitterem Beigeschmack. Nagisas Gedanken springen immer wieder an diesen einen Abend zurück, an dem sie zusammen mit Shizuma Hanazono das Feuerwerk betrachtet hatte, an das seichte, lockere Gespräch der beiden und dann...an den Kuss, der Kuss im Schwimmbecken. Mit der Hand fährt sich die Rothaarige über die Lippen, erinnert sich an ihn und wieder fluten ungewollte Emotionen durch ihren Körper und wieder fluche die Schülerin laut auf. „Das ist doch...Also echt...wie kann sie...Argh! Verdammt!“ „Aber Nagisa, eine junge Dame flucht doch nicht.“ Erschrocken wendet die Miator Schülerin ihren Kopf und blickt in die Augen einer Blauhaarigen, die sie belustigt angrinst. Beschämt schaut Nagisa auf den Boden und rupft etwas von dem Gras aus, räuspert sich dann. „Ich...es tut mir leid. Ich bin...also ja...verwirrt.“ murmelt sie und schaut wieder auf die, in Reiterkluft dastehende Schülerin der Spica Mädchenschule, eine Schwesterschule der Miator. Amane Ohtori lässt sich neben die Rothaarige sinken, lehnt sich ebenfalls an den Baum und schlägt die Beine übereinander. „Das merkt man auf jeden Fall.“ ist die schlichte Antwort der Älteren und Nagisa kommt nicht darum herum, die Reiterin genauer anzuschauen. Amane Ohtori ist der Prinz der Spica und die beliebteste Person. Wettkampf für Wettkampf gewinnt sie für die Schwesterschule der Miator und zeigt sich dabei noch nicht einmal hochmütig, sonder eher schüchtern. Ganz anders als Shizuma Hanazono, die wohl die aller beliebteste Frau von allen drei Schulen ist. Étoile-sama, wie sie alle nennen. Die oberste Persönlichkeit, die, die das Machtwort über alle Gemeinschaftsräte hat. Nichts passiert ohne die große Étoile-sama. „Geht es um Étoile-sama?“ fragt die Reiterin unverblümt und wie ertappt fängt Nagisa an, mit den Armen herum zu fuchteln. „Nein! Nein! Also...nein...ich...“ „Du musst mich nicht belügen.“ Wieder diese hilfsbereite Ader. „Ich möchte dich nicht volltexten, Ohtori-sempai.“ Das bringt die Ältere zum lachen. „Amane. Amane reicht völlig. Aber glaub mir, manchmal ist es einfacher zu reden, als zu schweigen. Und da ich nicht direkt betroffen bin, ich höre gern zu.“ Schüchtern knetet die Jüngere ihre Hände, blickt dann hinauf in den Himmel und seufzt laut. „Benimmt sie sich etwa wieder nicht?“ „Was? Was? N...Nein. Sie ist sogar...ziemlich zuverlässig in letzter Zeit.“ „Das hört man doch gerne. Unsere Gemeinderatsmitglieder regen sich ja immer wunderschön darüber auf, dass sie nicht da ist.“ ein keckes Lachen dringt aus Amanes Kehle und der Prinz von Spica zupft an einer ihrer blauen Haarsträhnen. „Es ist...komplizierter...?“ „War das eine Frage?“ Amane fixiert dann Nagisa und blickt sie fragend an. Die zuckt nur die Schultern und zerupft den Grashalm in den Fingern. „Sagen wir so...ich bin mächtig, total...100%, völlig verwirrt.“ „Das ist eine Menge. Hat es mit dem Sommerfest zu tun gehabt?“ Ein geschockter Blick, weit aufgerissene Augen. „Wie...was?“ „Also ja.“ kommentiert die Ältere die Reaktion. „Was Étoile-sama wohl gemacht hat, dass du so komisch bist.“ „Woher...?“ Jetzt grinst Amane wieder und blickt zu den Wolken hoch. „Du bist erst seit diesem Zeitraum so komisch. Dass fällt nicht nur mir auf. Eigentlich sehr vielen, die dich kennen. Selbst den Schülern aus Lulim. Irgendwie ist die lustige Nagisa abgetaucht und hervor kam eine nachdenkliche Rothaarige, die mehr als nur verwirrt ist. Ich mein...nicht böse gemeint. Aber jeder weiß eigentlich wie du bist.“ Nagisa nickt, folgt den Ausführungen. „Und deshalb sind wir alle ein bisschen besorgt.“ „Wow...wer hätte dass gedacht. Dass...wow...“ Soll Nagisa dem Prinz von dieser Nacht erzählen? Darf sie das überhaupt? Was ist wenn es heraus käme. Dann würde Shizuma genau das machen, was sie immer bei den Mädchen getan hat, sie abschießen. Diese Erkenntnis versetzt ihr einen Stich ins Herz. War sie...für Shizuma vielleicht nur eine unter vielen? Ein weiterer Triumph der großen Étoile-sama, die kein reines Jungfrauenherz ausließ, um ihren Spaß zu haben. Zerknirscht kratzt sich Nagisa an der Wange und dann beginnt sie einfach zu erzählen. Von Anfang an, vom Treffen mit Shizuma am Baum, mit den Konfrontationen der beiden, bis hin zu dieser ja schon schicksalhaften Nacht, in der ihr die Heldin der drei Schulen ihren ersten Kuss raubte. Amane unterbricht sie nicht, sondern hört aufmerksam zu, nickt ab und an. „...Und deshalb bin ich so verwirrt. Ich kann das alles nicht einordnen...Weißt du Rat?“ bittend sieht sie die Reiterin an, hofft auf ein kleines bisschen Hilfe. „Hm...Die Geschichte ist...interessant. Wirklich sehr. Und dass was dich so verwirrt, es scheinen Gefühle zu sein...aber ich denke du weißt das schon.“ Weiß sie es? Wusste sie es vielleicht schon vorher? Will sie es wahrhaben? Kann sie? Ja, es wirkt jetzt klarer und sie ist, bereit diese kleinen Gefühlsfäden zu packen. Aber da war diese Mauer, die, die Shizuma um sich aufbaut und nur wenn sie es will, lässt sie Menschen hinein, kann sie aber auch so schnell wieder aussperren. Étoile-sama ist ein Buch mit sieben Siegeln. „Sprich am besten mal mit ihr, weil, vielleicht hast du ja Glück.“ Skeptisch sieht sie die Blauhaarige an, knetet mit den Schneidezähnen ihre Lippe, eine der Lippen, die die von Shizuma berührten und es jagt wild wie ein Blizzard über Nagisas Rücken. „Sieh einer an. Kaum lässt man dich aus den Augen, findet man dich mit anderen Frauen.“ Beide blicken hoch, zu einer, in den Sommeruniformen der Miator gekleideten jungen Frau, deren Haare silbrig im Sonnenlicht glitzern. Amane springt auf und verbeugt sich kurz. „Étoile -sama. Einen schönen Tag wünsche ich.“ Shizuma nickt und blickt dann hinunter zu Nagisa, die nicht aufgestanden ist. „Ich werde dann mal wieder zu meinem Pferd gehen. Bis dann.“ Und schon ist Amane Ohtori verschwunden. „ Étoile -sama...Ich...“ „Für dich Shizuma.“ leicht lächelt die Größere und lässt sich neben den Rotschopf nieder. „Ich...will das aber nicht. Alle nennen dich Étoile, warum sollte ich eine Sonderbehandlung genießen. Ich bin doch nicht besser als sie.“ sagts und springt wild schnaufend auf, läuft schnell auf und ab, immer verfolgt von den grünen Augen der Älteren. Die seufzt laut auf und erhebt sich, packt den Wirbelwind am Handgelenk und bringt sie dadurch zum Stehenbleiben. „Nagisa. Wovor fürchtest du dich. Was für ein Problem hast du?“ Unsicher schauen die rötlichen Augen in das tiefe Dunkel ihres Gegenübers. „Ich will nicht anders sein wie die anderen!“ bricht sie heraus und tritt dabei einen Schritt zurück. Sie muss diesen Augen widerstehen. Sie muss und nicht wieder sich in ihnen verlieren. „Ach, du Baka!“ flucht die Silberhaarige leise, grinst dabei aber leicht. „Du bist doch schon etwas besonderes. Deine Art, dein Charakter, er ist wunderbar. Ich freue mich dich kennengelernt zu haben.“ Nagisa starrt sie an, völlig geschockt über die Worte. Sonst kam ihr Shizuma immer abgeklärt und distanziert vor, selbst wenn sie es darauf anlegte, sie zu küssen. „Warum tust du das immer?“ „Was meinst du?“ „Solche Dinge zu sagen! Und sie doch nicht ernst zu meinen!“ Jetzt blickt sie Étoile geschockt an. „Ich meine solche Dinge immer ernst!“ „Und was ist mit den anderen Mädchen, mit denen du genauso redest?“ Nagisa unterdrückt gerade noch die Tränen, die immer mehr gegen ihren Willen drücken. „Das ist vorbei...“ flüstert die Miator Schülerin und langsam geht sie auf Nagisa zu, diese tritt Schritt für Schritt zurück, bis sie mit dem Rücken gegen den Baum steht, spürt den Atem der Älteren an ihrem Hals. „Nicht...“ haucht die Rothaarige, kann sie sich doch nicht mehr gegen diesen Angriff wehren, versinkt in einem sinnlichen Kuss, der jedoch zu früh abgebrochen wird, als Shizuma von ihr ablässt. „Wa...Was?“ Ihr Gegenüber schüttelt den Kopf. „Ich will das nicht...“ „W...Was? Aber du...“ Nagisa blickt auf ihre Füße, ihr Puls rast. Was sollte das? Ein Spiel? Sie will Antworten. „Ich möchte das, dass hier...mit dir...dass das kein Spiel ist. Keine Trophäe für mich. Sondern das wirklich zu wollen. Mit dir. Du bist anders. Anders wie alle. Ich habe aufgehört... Étoile zu sein, weil ich meinen „Spaß“ haben wollte. Doch du kamst und...ich möchte mich wieder verändern. Früher war ich anders und wenn du da bist, dann kommt immer mehr davon wieder zum Vorschein. Ich weiß nicht wieso, aber wenn du da bist, dann bin ich glücklich. Miyuki meinte, ich soll mir überlegen, was ich will. Ich habe so lange nachgedacht. Mir den Kopf zerbrochen und dabei fast eine Gemeinschaftsratssitzung verpasst.“ Kurz lacht die Größere auf. „Aber ich bin nicht wirklich zu einem Ergebnis gekommen. Ich wollte mit dir reden, weißt du? In Erfahrung bringen, was du so von mir hältst, von meinem Verhalten. Und dann sah ich dich dort mit Spicas Ohtori sitzen, in trauter Zweisamkeit und irgendwas in mir ist halb explodiert. Ich...war wütend und traurig zu gleich.“ Nagisa traut ihren Ohren nicht. Shizuma Hanazono ist eifersüchtig auf Amane? Also muss hinter ihren Worten mehr stecken als nur der Spaßfaktor. Schließlich war es ihr sonst auch immer egal, mit wem ein Mädchen, welchem sie das Herz gebrochen hatte, danach herum lief. Das interessierte sie schlicht weg nicht. Doch jetzt steht sie dort, mit diesem Blick der völlige Ernsthaftigkeit und Wahrheit ausstrahlt. Kann sie das glauben? Nagisa schüttelt den Kopf und antwortet: „Ich muss nachdenken...tut mir leid.“ Shizuma nickt und geht ein Stück von dem Baum. „Ich...warte an unserem Baum...wenn...du willst...“ Und schon ist sie fort. Ist es ein Fehler? Soll Nagisa hinterher laufen? Innerlich tobt ein Orkan. Sollte sie glauben? Ihr glauben? An die sie ihr Herz verloren hat? „Du musst Shizuma glauben, Nagisa-san.“ spricht sie jemand von hinten an, eben jene Person, mit der Étoile gesprochen hatte. Miyuki Rokujou, die Gemeinderatsvorsitzende von Miator. Ihr blaues, kurzes Haar weht ihr um den Kopf und sie sieht streng, doch mitfühlend aus. „Sie meint es ernst. So ernst wie sie schon lange nichts mehr ernst gemeint hat. Weißt du? Sie kam schon lange nicht mehr zu mir, um mit mir zu reden. Besonders nicht über so etwas. Doch wie sie da saß, über dieses Wirrwarr in ihr erzählte, da wurde es mir klar. Sie hat sich verändert. Weil du an diese Schule kamst. Und ich glaube dass sie dir auch nicht ganz egal ist, oder? Du bist anders als sonst. Jedem fällt das auf. Das wurde sogar beiläufig bei einer Gemeinderatssitzung besprochen, bei der sich Shizuma verspätet hatte.“ Nagisa schluckt heftig und schaut auf ihre Schuhe. „Ich habe einfach nur Angst. Verstehst du nicht? Ich...habe noch nie so etwas gefühlt. Das ist total komisch...“ Unschlüssig läuft die Jüngere auf und ab. „Sie wartet auf dich. Wer nicht wagt der nicht gewinnt. Das hat mir Shizuma beigebracht. Geh zu ihr. Vertrau ihr.“ Ja, sie soll es wagen, warum warten? Sie tut sich so auch genug weh, mit dem Gedanken. Nagisa nickt und folgt der Schülerin in Richtung des Baumes, an dem sie Shizuma das erste Mal gesehen hatte. Die beiden sich getroffen hatten. Wo beide...sich verliebt hatten. Immer schneller werden ihre Schritte, immer eiliger hat sie es anzukommen. Außer Atem erreicht sie den großen Baum, stützt sich wie damals ab und lauscht kurz dem Rauschen des Windes, hört das leise knacken eines Astes und öffnet wieder die Augen. Dort steht sie, Shizuma, blickt sie aus ihren grünlichen Augen an, ein Blick der so voller Emotionen steckt. „Du...hast dich entschieden?“ fragt sie leise, fast vorsichtig. Nagisa nickt tritt auf sie zu. „Ja, dass habe ich. Wer nicht wagt der nicht gewinnt. Es ist immer schlecht gegen Gefühle zu kämpfen.“ Ein Lächeln schleicht sich auf die sanften Lippen Étoiles und Nagisa grinst mit ihr zusammen. Ein letzter Augenblick, ein letztes Mal einsam sein und dann, dann sich hingeben in einen Kuss, der mehr als nur das bloße Aufeinandertreffen zweier Lippenpaare ist. Voller Herzblut, voller Liebe und Gefühl liegt er, bringt einsame, nach Nähe suchende Herzen zusammen und verbindet sie zu einer Einheit. Kein Platz mehr für Zweifel, kein Platz mehr für Angst. Nur das stetige schlagen des Herzens ist wichtig, wie es pulsiert, in einem Takt, zusammen. Gemeinsam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)