Keep smiling von Jeschi ================================================================================ Prolog: The happiest of men --------------------------- ” You make me, the happiest of men, I am the happiest of men” Bless the Fall – With eyes wide shut Es ist Jamie, der mich aufweckt, indem er sich an meinem Hals entlang küsst und mir damit ein leises Stöhnen entlockt. Zufrieden damit, mich aufgeweckt zu haben, haucht er mir ein „Guten Morgen, mein Schatz,“ ins Ohr und ich kann nicht anders, als zu lächeln und öffne verschlafen die Augen, nur um sie wieder zusammenzukneifen. Die Sonne scheint bereits hell ins Zimmer und blendet mich. Warum nur musste er unbedingt die Vorhänge aufziehen? „Guten Morgen, Jamie,“ meine ich noch mit müder Stimme, kaum habe ich mich an das viele Licht gewöhnt. Er küsst mich und ich sehe genau, dass er dabei grinst. „Am liebsten würde ich wieder ins Bett kommen und den ganzen Tag hier mit dir liegen, Baby,“ flüstert er und krabbelt auf mich, schlingt die Arme um meinen Körper. Grinsend lege ich die Arme um seinen Hals. „Aber du hast gleich eine Lesung,“ erinnere ich ihn, auch, wenn mir diese Tatsache gar nicht in den Kram passt. „Mhmm,“ seufzt er und piekst mich in die Seite. „Und du musst in die Schule, Kleiner.“ Ich verziehe den Mund. „Ich glaube… ich bleibe lieber hier,“ lache ich. Jamie grinst. „Nichts da. Du gehst brav in die Schule, Sonnenschein.“ Ich kichere und ziehe ihn näher zu mir, küsse ihn. „Und du musst los, sonst kommst du zu spät – mal wieder…“ Ganz langsam löst er sich von mir. „Ja… Das sollte nicht noch mal vorkommen,“ stimmt er mir zu. Nun ist es endgültig um mich geschehen und ich lache laut los. „Dann musst du eben früher aufstehen oder dich wenigstens etwas mehr beeilen.“ „Von wegen!“, ruft er empört, „Ich bin pünktlich fertig! Und das jeden Tag! Aber es fällt mir nun mal sehr schwer, mich von dir zu trennen.“ Ich strecke ihm die Zunge raus. „Du Schleimer!“ Er lacht und ich mache eine scheuchende Bewegung mit den Händen. „Geh jetzt endlich, sonst kommst du wieder zu spät!“ Er küsst mich noch einmal, schnappt sich dann seine Autoschlüssel. „Ich bringe heute Abend Bratnudeln mit, okay?“, fragt er und ich nicke. „Was fragst du da noch?“ Wenn es etwas gibt, was ich liebe, dann chinesisches Essen. Vor allem Bratnudeln. Er schlüpft in seine Vans und wirft mir eine Kusshand zu. „Viel Spaß in der Schule, Schatz!“ Ich winke ihm zu und vergrabe mein Gesicht dann wieder im Kissen. In unserem kleinen Flur kann ich Jamie lachen hören. „Schlaf nicht wieder ein,“ ruft er mir zu, ehe er unser Zimmer, das wir gemeinsam im Wohnheim gemietet haben, verlässt. Ich grinse ins Kissen und beschließe, aufzustehen, ehe ich wirklich wieder einschlafe. Kapitel 1: I am losing you forever ---------------------------------- ”I am losing you forever I am lost in pain without you I am leaving ground forever” Dead by April – Losing you “Hey, Levi!”, ruft es irgendwo hinter mir und ich drehe mich rechtzeitig um, um noch zu sehen, wie Pascal die letzten Meter rennt, ehe er mich eingeholt hat. „Jetzt warte doch mal,“ beschwert er sich, weil ich derweil weitergelaufen bin und wirft sich mir um die Schultern. Unter seiner Last aufstöhnend, kann ich nicht anders, als zu fragen: „Man, Pascal! Sonst geht’s dir aber noch gut, ja?“ „Bestens,“ kichert er und hakte sich bei mir unter. „Was machst du Morgen Abend?“ Ich verdrehe die Augen. „Arbeiten. Wie jeden Samstag, Pascal.“ Das ich ihn daran immer wieder erinnern muss, hängt mir wirklich zum Hals raus. Er weiß genau, dass ich jeden Abend und fast jeden Samstag im Laden stehe, um mir mein Studium zu finanzieren. „Aber wenigstens einmal im Monat könnten sie dir ja freigeben, oder?“, will er wissen und ich seufze ungehalten. „Nein! Ich hab gesagt, ich arbeite jeden Samstag, damit ich unter der Woche nicht so viele Stunden habe,“ fauche ich. Auch etwas, was ich schon zigmal erklärt habe. Hört der Kerl mir eigentlich auch mal zu, wenn ich rede? Toller bester Freund, ehrlich! Es ist ja nicht so, dass ich gerne Arbeite… Ich hasse den Job! Aber was soll ich machen? Ich brauch das Geld nun mal. „So ein Dreck,“ schimpft Pascal. „Solche Sklaventreiber.“ Nein, er hört nicht zu. Ich habe doch gerade beteuert, das freiwillig zu machen. Ich gebe es auf. Soll er doch denken, was er will. „Es ist nämlich so,“ meint er, nachdem er einige Zeit ungehalten vor sich hin geflucht hat, „Anna gibt eine Party und ich soll dich einladen.“ „Ja… ich weiß. Anna gibt ja nun fast jedes Wochenende eine Party.“ Ehrlich gesagt macht das nicht mal mehr die Runde. Es geht einfach jeder von aus, dass Anna eine Party schmeißt. Deshalb wird es auch nur an die große Glocke gehängt, wenn Anna mal keine Party feiert. Anna ist übrigens Pascals Freundin, seit… schon immer! Und sie kann es sich auch leisten, jedes Wochenende eine Party zu machen. Keine Ahnung, was ihre Eltern eigentlich beruflich machen. Aber wahrscheinlich kann Anna in allen Punkten Paris Hilton Konkurrenz machen. Allerdings muss man Anna zu Gute halten, dass sie eigentlich ein sehr netter und gutmütiger Mensch ist, der nicht mit Geld prahlt und sich aufopferungsvoll für Andere einsetzt. Und das meine ich Ernst. Eigentlich hat Pascal sie gar nicht verdient! „Kannst du dir nicht einmal frei nehmen oder krank machen oder so?“, will dieser nun wissen und irgendwie reizt mich die Tatsache ja wirklich, einfach mal zu feiern, statt zu arbeiten. Aber alleine die Tatsache, dass der Vorschlag von Pascal kommt, lässt mich von de Idee Abstand gewinnen. Wenn man einmal tut, was er sagt, dann wird er immer wieder damit nerven, es noch mal zu tun. Also verdrehe ich die Augen, als wäre die Idee für’n Arsch und lehne ab. „Du weißt, ich brauch den Job. Im Gegensatz u deinen Eltern, haben meine nicht die Kohle, das Studium zu finanzieren.“ Das ich zu blöd bin, um ein Stipendium zu bekommen, lasse ich mal weg. Ich will ja nicht der neue Einstein werden. „Schon gut!“ Pascal hebt nun beschwichtigend die Hände und beschließt, das Thema – fürs erste? – gut sein zu lassen. Stattdessen erzählt er mir nun von einem Kommilitonen, der, wie es scheint, kein Hirn besitzt. „Der wusste keine Antwort – nicht mal auf die einfachsten Fragen! Und so was studier Politikwissenschaften. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn es immer weiter bergab geht, mit unserer Gesellschaft!“ Oh ja, Pascal bildet sich übrigens mächtig etwas darauf ein, Politikwissenschaften zu studieren. Obwohl er das eigentlich nur tut, weil sein Vater das so will und er Geld in Überfluss bekommt, solange der nur mächtig stolz auf ihn sein kann. Ich habe ja bereits erwähnt, dass Pascals Eltern ebenfalls gut betucht sind. Das liegt daran, dass sein Vater ebenfalls in der Politik sein Unwesen treibt. „Ich hätte wohl auch keine Ahnung von dem Kram,“ gebe ich zu. „Ja… Aber du studierst es nicht!“ Da hat er Recht. Ich studiere Medienwissenschaften. Das liegt mir nämlich eindeutig mehr. Wir sind übrigens auf den Weg zur Uni und erreichen das Gelände nun. Ich sehe mich und bin erstaunt, was viele für eine komische Miene aufgesetzt haben. Ich runzle die Stirn und wende mich an Pascal: „Was ist denn hier los?“ Er sieht mich nur erstaunt an. „Du weißt es nicht?“ „Was weiß ich nicht?“ Ich runzle die Stirn. Warum erfahre ich von den Neuigkeiten eigentlich immer als Letztes? „Liest du keine Zeitung?“ „Doch, Pascal. Zwischen Uni, Lernen, Job und Hausarbeit, nehme ich mir immer eine Stunde, um Zeitung zu lesen…“ „Schon gut… Jedenfalls… Du musst doch von dem Unfall an der Kreuzung unten gehört haben?!“ Ich nicke, denn davon habe sogar ich gehört. Und wenn ich mich recht erinnere, sogar flüchtig etwas gelesen. „Und warum wirft das alle so aus der Bahn?“, frage ich. „Mein Gott, du weißt es nicht!“ Hatte er das nicht gerade schon herausgefunden? Er schüttelt den Kopf. „Man, Levi. Wo bist du nur, wenn alle anderen Neuigkeiten erfahren?“ Ich verenge die Augen. „Pascal! Magst du mich nun aufklären, oder willst du dich och ein wenig länger über mich lustig machen. Weil wenn, dann kann ich auch jemand anderen fragen, der mir bereitwilliger Auskunft gibt, als du!“ Er seufzt auf, als wäre ich es, der die Nerven seiner Mitmenschen strapaziert! „Der Unfall… Ein LKW ist bei rot über die Kreuzung gefahren und hat einen PKW mit voller Wucht mitgenommen. Der Junge darin war sofort tot.“ Ich beiße mir auf die Lippen. Das klingt schrecklich. „Und lass mich raten,“ meine ich dann, „Er war hier an der Uni?“ „Ja. Er hießt Jamie Wagenknecht oder so… er hat das gleiche studiert, wie ich. Ich hab ihn öfters gesehen. Du sicher auch. Dieser eine Emo.“ Ja. Hier laufen ja auch so wenig von der Sorte herum… Manchmal glaube ich, alle Emos des Landes gehen auf unsere Uni! „Ist ein ziemlicher Hammer für alle hier. Er war sehr beliebt.“ Ich nicke und kann es mir gut vorstellen. Irgendwie nimmt mich so was immer mit, obwohl ich ihn ja gar nicht gekannt habe. Wer rechnet denn schon mit so was? Aber wenn man sich vorstellt, wie schnell es vorbei sein kann… Und wenn man darüber nachdenkt, dass auch jeder andere in dem Wagen hätte sitzen können - vielleicht auch man selbst… Über meine Gedanken hinweg merke ich gar nicht, dass Pascal schon weitererzählt: „Sie haben gesagt, sie mussten seinen Freund ins Krankenhaus einliefern, als er es erfahren hat. Der konnte sich wohl kaum beruhigen. Jamie war schwul, weißt du.“ „Ich konnt’s mir denken,“ murmle ich. „Er hat mit seinem Freund im Studentenwohnheim gewohnt.“ „Sagt mir nichts,“ gebe ich ehrlich zu. Ich kenne hier kaum Leute. Eigentlich kenne ich nur Pascal und Anna wirklich gut, seit ich sie an meinem ersten Tag hier kennen gelernt habe. Ich sinniere noch ein wenig darüber nach. Ich kann mir vorstellen, was es für ein Schock für seinen Freund gewesen sein muss. Wenn ich mir vorstelle, das Mädchen zu verlieren, dass ich liebe… damit käme ich wohl kaum klar. Gut, dass ich momentan single bin! „Du wohnst doch gegenüber vom Wohnheim!“ „Muss ich ihn deswegen kennen?“ Ich sehe Pascal mürrisch an. Mal ehrlich. Das Wohnheim ist riesig und das Gebäude, in dem meine winzige Mietwohnung liegt, auch. Wie soll ich da alle kennen? Ich bin ja schon froh, dass ich meine Nachbarn kenne! Meine kleine Wohnung finanziert übrigens meine Oma. Ist zum Glück relativ billig – dafür aber auch klein und schäbig -, aber sie reicht aus. „Man… wenn ich dort wohnen würde, würde ich hoffentlich mehr mitkriegen, als du!“ Pascal hat es gut. Sein Vater hat ihm ein Appartement gemietet, in dem er mit Anna wohnt. Es ist riesig, modern und schick. „Ich bin da ja nicht so oft. Nur zum schlafen, essen und lernen,“ rechtfertige ich mich und zucke mit den Schultern. „Egal. Meine Lesung beginnt um halb Zehn, ich muss los.“ Und schon bin ich weg. Endlich! Diese Infos am Morgen, haben schon wieder gereicht, mir den Tag noch mehr zu versauen, als eh schon! Sie legen eine Schweigeminute für Jamie ein, was eine wirklich nette Geste ist. Danach erst beginnt die Lesung. Aber darauf kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Immer wieder muss ich daran denken, dass es jeden von uns jederzeit treffen kann. Vielleicht gehe ich heute nach Hause oder zur Arbeit und werde angefahren. Dann bin ich tot, einfach weg. Plötzlich ist einfach alles vorbei… Ich schüttle kaum merklich den Kopf. Über so was will ich gar nicht nachdenken! Das deprimiert mich einfach zu sehr. Kaum ist die Lesung zu Ende, stehe ich auf und verlasse den Saal. Ich brauche ein wenig Ablenkung und hoffe, diese in der Cafeteria zu finden. Dort entdecke ich Pascal und Anna und lasse mich bei ihnen am Tisch nieder. „Na, ihr,“ begrüße ich sie. „Hab ihr auch eine Schweigeminute eingelegt?“, fragt Pascal mich sofort und ich nicke. Eigentlich würde ich gerne von was anderem reden, aber ehe ich das vorschlagen kann, legt Anna los. „Keine schöne Sache, was?“, wendet sie sich an mich und seufzt, rührt dann in ihrem Becher Kaffee. Sie trinkt ihn immer schwarz, aber mit so viel Zucker, dass der sich gar nicht ganz auflöst, sondern am Boden einen eklig-süßen Brei ergibt. „Ich kannte Jamie. Er hat gegenüber von Svenja gewohnt.“ Ich reiße die Augen auf und weiß endlich, wen sie alle meinen. Zwar war ich nur einmal kurz mit Anna bei Svenja, aber ich meine, Jamie und seinem Freund dort begegnet zu sein. Svenja ist übrigens die beste Freundin von Anna. Sie wohnt im Studentenwohnheim und wann immer Anna nicht bei Pascal ist, ist sie bei Svenja. Zu ihr verzieht sie sich auch, wenn sie mal Streit mit Pascal hat oder alleine zu Hause wäre und davor Angst hat. Es gibt nämlich nichts, was Anna mehr hasst, als alleine zu sein. „Wir haben öfters miteinander geredet,“ erklärt mir Anna und zuckt mit den Schultern. „Zwar nie wirklich tiefsinnige Sachen, aber trotzdem… er war sehr nett. Einmal hat er uns mit unseren Einkäufen geholfen und sie die Treppen hoch getragen, als der Aufzug kaputt war. - Du glaubst nicht, wie schwer die waren! Da waren massenhaft Flaschen für eine Party drin! – Und so manches mal konnte er mir sagen, wo Svenja ist, wenn sie nicht zu Hause war.“ Nun verliert sie sich in ihren Erinnerungen an Jamie und blickt an die Decke der Cafeteria, während sie weitererzählt: „Als Svenja einmal im Krankenhaus war – ihr wisst schon, wegen ihrer starken Grippe da neulich – da hat er ihre Blumen gegossen und sich um die Post gekümmert, damit niemand extra zum Wohnheim fahren musste.“ „Kanntest du auch seinen Freund?“ Ich sehe sie fragend an und kann nicht umhin zu denken, dass dieser Jamie wirklich ein toller Kerl gewesen sein muss. Es ist schön, dass es so viele gute Erinnerungen an ihn gibt. Anna grinst nun. „Natürlich kann ich ihn. Sie waren so süß zusammen. Man hatte immer das Gefühl, dass Jamie ihn auf Händen trägt.“ Ich nicke und blicke auf meinen eigenen Kaffee, rühre mit einem kleinen Holzstäbchen darin herum. „Wie schnell doch alles vorbei sein kann.“ „Da hast du Recht,“ meint Pascal und Anna nickt: „Und meistens trifft es die Menschen, die es am wenigsten verdient haben!“ „Die Besten sterben jung,“ nickt Pascal und hebt sein Glas. „Die besten sterben jung,“ fallen wir ein und trinken auf Jamie. Ein kurzer Augenblick und nichts ist mehr, wie es war. Das Leben… es ist so vergänglich. Nur ein kurzer Augenblick und nichts ist mehr, wie es war… Nach meinem morgendlichen Kaffee packe ich schnell meine Schulsachen zusammen. Ich würde immer noch gerne zu Hause bleiben, aber Jamie hat natürlich Recht, wenn er sagt, Schule ist wichtig. Also packe ich meinen Kram, schlüpfe in meine Sweatshirtjacke – weil es früh immer noch frisch ist, ist ja erst Anfang April – und verlasse dann unser kleines Zimmer im Wohnheim. Die Flure sind wie ausgestorben, was daran liegt, dass die Meisten entweder noch schlafen oder bereits ausgeflogen sind. Ich versuche, leise zu sein, während ich nach unten laufe. Die Wände sind hier nämlich nicht besondern dicke. Als ich das Gebäude verlasse, fröstelt es mich. Es wäre komfortabler, wenn Jamie mich mit dem Auto mitnehmen könnte. Aber oft fängt seine Lesung viel später an, als die Schule oder – an Tagen wie heute- beginnt die Schule später, als seine Lesungen. Folglich ist es nicht all zu oft möglich. Ich laufe das kleine Stück zur großen Kreuzung, an welcher es rechts zur Uni abgeht und link ein zehnminütiger Fußweg zu meinem Gymnasium führt. Die Kreuzung ist viel befahren und meist hört man den Krach schon von weitem. Heute ist es aber ungewöhnlich still und als ich näher komme, weiß ich auch, warum. Sie ist gesperrt und das einzige, was zu hören sind, sind Sirenen und viele Rufe. Hier gibt es des Öfteren kleine oder große Unfälle. Als ich nun näher komme, bemerke ich, dass es diesmal ziemlich übel aussieht. Scheint, als hätte ein LKW einen PKW mitgenommen. Das Teil ist jedenfalls nur noch ein Haufen Schrott. Plötzlich steigt in mir ein unangenehmes Gefühl auf und ich laufe schneller, bis ich endlich Details erkennen kann. Und darunter ist eines, dass mich augenblicklich erstarren lässt. Ich sehe auf den geschrotteten schwarzen VW, auf dessen zerbeultes Nummernschild, auf dem es mir stumm entgegen schreit: JD – 609 Ich weiß, was das bedeutet: Jamie Darian – Juni 2009 Plötzlich ist mir eiskalt, als mir klar wird, was mir das sagt. „Nein,“ stoße ich atemlos hervor. „Nein, nein, nein…“ Und das weiß ich nichts mehr. Ich fühle, wie ich mich in Bewegung setze, losrenne. Ich höre sie schreien, dass ich nicht in den abgesicherten Bereich darf. Und ich höre mich schreien. Immer wieder das Gleiche, immer wieder seinen Namen. „Die Beerdigung ist erst am Montag,“ klärt mich Levi auf, als er an die Kasse tritt. Er sieht mich abwartend an. „Gehst du hin?“, will ich wissen und scanne die vielen Schnapsflaschen ein. Wohl für Annas Party. „Ich weiß es noch nicht,“ gibt er zu, „Aber wahrscheinlich schon. Ich kannte ihn ja und Anna will da auf jeden Fall hin!“ Ich nicke und meine: „Ich werde nicht hingehen.“ Ich kannte ihn ja kaum und irgendwie finde ich es nicht gut, dort aufzutauchen. Ich würde mich fühlen, als wäre ich ein Schaulustiger. „Klar,“ nickt auch Pascal und bezahlt sein Zeug, winkt mir zu. „Sicher, dass du am Samstag nicht kannst?“, reitet er dann wieder auf seinem Lieblingsthema herum. Er hebt eine der Flaschen hoch: „Du verpasst was!“ „Tut mir Leid, Pascal,“ meine ich nur und er zuckt mit den Schultern, nimmt sein Zeug und macht sich auf den Weg. „Wie du meinst,“ ruft er mir noch zu. Ich bleibe alleine na meiner Kasse zurück und seufze. Wenn ich abends Dienst habe – was meistens der Fall ist –, geht meinen Schicht bis zweiundzwanzig Uhr. Ich weiß nicht, warum so ein kleiner Tante-Emma-Laden so lange offen hat, weil um die späte Zeit kaum noch Kunden kommen, aber ich gehe einfach davon aus, dass sich die Besitzer schon was dabei gedacht haben. Meistens bin ich dann alleine in dem kleinen Laden, räume die Regale neu ein und wische den Boden. Ab und an kassiere ich die Leute ab, die sich so spät noch hier her verirren. Eigentlich ganz chillig, aber auf Dauer ein einsamer und eintöniger Job. Mein Chef sitzt eine Etage höher in seinem Büro und lässt sie nie blicken. Irgendwann kommt er und rechnet mit mir die Kasse ab, dann kann ich gehen. Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich wie gesagt alleine und kann die Zeit wenigstens ab und an fürs Lernen nutzen, auch, wenn’s im großen Verschwendung davon ist. Aber immerhin: Ich krieg’s bezahlt! Ein bisschen habe ich zwar Angst, mal überfallen werden zu können, aber ich denke mal, ein Einbrecher ist so schlau, es lieber an der Tanke, ne Straße weiter, zu versuchen. Dort gibt es sicher mehr zu holen, als hier. Wäre ich ein Räuber, würde ich hier sicher nicht aufkreuzen. Da lohnt sich die Mühe gar nicht. Wahrscheinlich sind das wertvollste hier die Kaugummipäckchen. Und ohne es beschreien zu wollen, muss ich auch sagen, dass das wohl nicht nur ich so sehe: Der Laden hat nämlich noch nie einen Überfall erlebt! Was eigentlich alles sagt, oder? „Schluss für heute,“ meint mein Chef in dem Moment und taucht hinter mir auf. Ich zucke zusammen. Was muss der mich auch so erschrecken! Er schließt ab - wir werden später den Hinterausgang nehmen, wenn wir fertig sind -, während ich meine Kasse schnappe und hoch zum Büro gehe. „Wie war die Party,“ will ich am Montag wissen und lehne mich gegen den Kaffeeautomanten, an dem Anna steht und auf ihre heiße Schokolade wartet. Die trinkt sie fast so gerne, wie ihren Kaffee mit 3 kg Zucker. Von Pascal ist nichts zu sehen. „Ging so… Eigentlich war die Stimmung ganz cool, aber ständig hat man über den Unfall geredet.“ Sie seufzt. „Man kann nach so was einfach nicht richtig feiern. Ich fühle mich ein wenig taktlos, dass ich die Party nicht abgesagt habe!“ Ich würde ihr ja gerne sagen, dass sie sich auch genauso fühlen kann und das es wohl wirklich besser gewesen wäre, mal darauf zu verzichten, aber ich will sie nicht runterziehen. Also sage ich: „Das brauchst du nicht. Du kanntest Jamie ja nur flüchtig, so wie die meisten anderen auf der Party. Und die, die ihn näher kannten, waren sicher nicht dort.“ Und das stimmt ja auch, nicht? Ich lege ihr tröstend die Hand die Schulter und sie nickt langsam. „würden wir immer innehalten, wenn jemand stirbt, kämen wir gar nicht voran. Immerhin stirbt ständig irgendwer.“ „Ja. Aber Jamie war nicht irgendwer…“ Sie seufzt wieder. „Viele mochten ihn gar nicht. Einige haben immer über ihn hergezogen. Emo und so… Aber jetzt, wo er tot ist… da reden alle nur noch gut von ihm!“ „So ist das eben manchmal,“ nicke ich und nehme ihre Schokolade aus der Fassung, reiche sie ihr. „So lange du lebst, hassen und verletzten die Menschen dich. Aber wenn du tot bist, dann lieben und vermissen dich alle.“ „Du hättest Psychologie studieren sollen. Oder gleich Philosophie,“ kichert sie. Ich muss lachen. „Nein, ich bin eigentlich ganz zufrieden mit dem, was ich habe.“ Sie schenkt mir eines ihrer bezaubernden Lächeln. „Es ist aber echt spannend!“ Da spricht sie aus Erfahrung. Sie studiert nämlich Psychologie. „Das glaube ich dir sogar,“ meine ich und in dem Moment entdecke ich Pascal und winke ihn zu mir. „So kennt man dar nicht,“ meine ich dann anerkennend. Er trägt einen schwarzen Anzug und hat seine kurzen blonden Haare streng zurück gekämmt und sie nicht in ihrer typischen Igelform gelassen. „Ungewohnt, was?“, seufzt er. „Aber ich kann ja nicht so lässig bei einer Beerdigung aufkreuzen.“ Die hätte ich echt fast vergessen, wie konnte ich nur? Ich sehe zu Anna, die in einem schwarzen Kleid vor mir steht, wie ich jetzt erst merke, und frage: „Wann geht’s los?“ „Um Drei.“ Ich nicke. Kapitel 2: I’m standing lonley in tears --------------------------------------- “Now, I'm standing lonely in tears, my heart is gone, I'm falling behind!” Dead by April – Falling behind „Darian! Warte, bitte!“ Er packt meinen Arm und zieht mich zurück. Am liebsten würde ich auf ihn einschlagen, bis er sich nicht mehr regt. „Bitte… hör mir zu! Nur ganz kurz,“ fleht er und sieht mich dementsprechend an. „Ich wüsste nicht, warum ich dir noch zuhören sollte,“ wehre ich ab und versuche, mich aus seinem Griff zu befreien. Ich schaffe es nicht. „Wenn du redest, kommt nur Scheiße aus deinem Mund,“ fügte ich deshalb nur wütend hinzu. „Sei nicht so störrisch,“ murrt er und flucht ungehalten, als ich einen weiteren Fluchtversuch zu unternehmen versuche. Er packt nun auch meinen anderen Arm, um mich endgültig zum Ruhighalten zu zwingen. „Lass mich dir nur kurz etwas sagen,“ bittet er mich. Ich sehe ihn abwartend an, weil ich jetzt wirklich keine Möglichkeit mehr habe, wegzurennen. „Danke,“ meint er, als würde ich freiwillig zuhören. „Ich habe gelogen. Ich hatte kein Date mit David,“ erklärt er mir. „Und das soll ich dir glauben? Nachdem du mich so abserviert hast?“ Er sieht mich leidend an. „Das habe ich doch nur gemacht, weil…“ Er bricht ab. „Weil was?“, herrsche ich ihn an. „Warum musstest du mir vor versammelter Schülerschaft sagen, dass du nichts von mir willst und dass ich peinlich bin, wie ich dir nachlaufe?“ Er sieht zu Boden, aber ich lege jetzt erst richtig los: „Warum musstest du jedem erzählen, dass du ein Date mit David hast, weil er so viel besser zu dir passt, als ich dummes Kleinkind?“ „Ich weiß, dass das scheiße war, okay?“ Er funkelt mich an. „Aber ich hatte einfach Angst!“ Ich stutze. „Wovor denn?“ „Vor dir!“ Er zuckt hilflos mit den Schultern. „Vor dir und meinen Gefühlen zu dir.“ Hilflos sucht er mit seinem Blick meinen. „Darian… Ich liebe dich.“ Nun ist es an mir, zu Boden zu blicken. Das muss ich erst einmal sacken lassen. Er aber redet weiter: "Aber ich weiß nicht, ob ich für solch große Gefühle bereit bin.“ Ich weiß gar nicht, was ich darauf sagen soll. Ich will so viel Nettes sagen, aber das einzige, was ich sage, ist: „Das solltest du aber wissen. Weil du mich nur ganz haben kannst. Ganz oder gar nicht!“ Er sieht mich an, aus seinen schönen großen braunen Augen, die plötzlich so sanft dreinblicken. „Dann will ich dich ganz, wenn du es mir nur erlaubst?“ Ich lächle schwach und nicke. Er lächelt ebenfalls und küsst mich nur ganz leicht auf die Lippen. „Fühlt sich ziemlich gut an,“ meint er dann und ich muss kichern. Um Vier beginnt meine Schicht im Supermarkt. Ich habe die lange erwischt. Manchmal darf ich erst um Sechs anfangen. Neben mir ist noch ein pickliges Mädchen mit an der Kasse. Bis Sechs sind meistens zwei Leute hier, damit einer sich um die Kunden kümmern kann, während der andere die Regale auffüllt und im Lager Zeug auspackt. Das Mädchen, Loraine heißt sie, wird aber nur Lora genannt, kassiert gerade eine alte Dame ab und ich muss mich folglich an die Regale machen. Reden tun Lora und ich nicht sehr viel. Das liegt vor allem daran, dass ich sie nicht besonders mag. Zum einen kommt sie mir ein wenig seltsam vor, zum anderen ist sie meiner Meinung nach ziemlich faul. Während ich also Dosensuppen einräume, tritt Pascal zu mir. „Wie wars?“, will ich wissen. „Nun ja… Wie Beerdigungen halt so sind.“ Er zuckt mit den Schultern. „Sie haben ein bisschen was von ihm erzählt und darüber gelabert, wie hart und unfair die Welt manchmal ist.“ Er fängt an, mir das Zeug zu reichen und ich nehme es ihm dankbar ab. „Waren viele Leute da?“ „Absolut! Fast jeder, der ihn nur im Ansatz kannte oder irgendwas mit ihm zu tun hatte.“ Er reicht mir ein paar neue Dosen. „Svenja, Anna und ich waren zum Glück früh genug dort, um noch Plätze in der Kirche zu ergattern, so voll war es.“ „Echt? So viele Menschen?“, staune ich und denke, dass sicher die halbe Uni dort war. Vielleicht hätte ich ja doch auch mitgehen sollen… „Seine Familie ist von ganz Deutschland angereist. Jamie hat ja bei seiner Oma gewohnt, ehe die verstarb und er sich das Zimmer im Wohnheim genommen hat, weil er ihre große Mietwohnung nicht übernehmen konnte… Jedenfalls wollten seine Eltern ihn erst zu Hause bei sich beerdigen, aber dann hat wohl ausgerechnet sein Freund durchgesetzt, dass er hier bei seiner Oma beerdigt wird. Wusstest du das?“ Ich schüttle den Kopf. Woher hätte ich das auch wissen sollen? „Und warum hat er nicht bei seinen Eltern gelebt?“ „Die haben ihn zu seiner Oma abgeschoben, als er noch klein war. Weil sie mit ihren Jobs kaum Zeit für ihn hatten… Ich glaube zwar nicht, dass sie schlechte Eltern waren, aber wohl sehr karriereorientiert… Na ja… Seine Mum hat übrigens wahnsinnig geheult und sein Dad sah älter aus, als er es wohl ist!“ Ich nicke. Das kann ich mir vorstellen. Es muss schlimm sein, sein eigenes Kind zu Grabe zu tragen. „Aber am meisten hat mir sein Freund leid getan. Er ist fast zusammengeklappt. Jamies älterer Bruder musste ihn stützen. Krass, oder?“ „Ziemlich,“ nicke ich wieder. „Alles in allem eine wahnsinnig traurige Sache. Ich war froh, als es endlich vorbei war!“ Wir sind mit dem Regal fertig und Pascal verabschiedet sich. Er wollte ja nur kurz vorbeisehen, um mir einen Lagebericht zu liefern. Als er weg ist, denke ich noch ein wenig darüber nach und bin letztlich froh, nicht dort gewesen zu sein. Es ist Mittwoch, nach neun Uhr, und ich habe Spätschicht. Wie ja eigentlich immer… Diesmal zum Glück nur die kurze Schicht, ab Sechs. Aber ankotzten tut es mich trotzdem. Vor allem, weil Lora gerade gegangen ist und keine Sau außer mir mehr im Laden ist, dafür aber mächtig viel Arbeit, die Lora zurückgelassen hat, statt sie zu erledigen. Okay. Sie kommt nicht an die oberen Regale, aber wir haben eine Leiter im Lager, die sie sich hätte holen können… Ich rede ja nicht oft schlecht über andere, aber bei ihr… Da finde ich einfach nichts, was ich positives sagen könnte. Sie ist ein faules Miststück, ganz einfach! Mit deutlich schlechter Laune räume ich gerade das Shampoo ein, als mich jemand anspricht und mich fast zu Tode erschreckt. Müssen sich denn immer alle so anschleichen? „Habt ihr keine Pflegespülungen mehr?“ Ich drehe mich zu unserem Kunden um und sehe ihn an. Oh. Mein. Gott. Der Junge sieht wahninnig scheiße aus. Zerwühlte schwarze Haare, rotgeränderte Augen und in die abscheulichsten Schlabberklamotten der Welt gehüllt. Und so einer fragt nach einer Pflegespülung. Der hätte ein ganz anderes Pflegeprogramm nötig, ja… „Doch. Da hinten, im letzten Regal, ganz unten,“ meine ich und deute in die Richtung. „Danke,“ meint er und mustert mich argwöhnisch. Sicher ist ihm nicht entgangen, wie ich ihn angeglotzt habe. Tja… selbst Schuld. Ich meine, was läuft er so rum? Ist es zu viel verlangt, gepflegt auszusehen? Ich schaue ja auch, dass ich meine braunen Wuschelhaare unter Kontrolle kriege, ehe ich meine Wohnung verlasse. Na ja, soll nicht mein Problem sein. Jedenfalls trottet er nun zu den Pflegespülungen und ich räume das Regal weiter ein, bis ich merke, dass er mit seinem Hab und Gut an der Kasse wartet. Als ich ihn abkassiere, bezahlt er bar und verlässt dann ohne ein weiteres Wort den Laden. Was für ein unsympathischer Kerl! Am Donnerstag ist Lora ebenfalls im Laden und ich lasse sie den Boden wischen, aus Rache, weil ich die scheiß Regale alleine einräumen musste. Bodenwischen ist eine undankbare Aufgabe, die sie mehr als nur verdient hat. Warum sie immer noch hier ist – ist eigentlich schon zu spät, als dass man noch zwei Mitarbeiter braucht – weiß ich nicht. Ich vermute ja fast, dass sie jetzt, Ende des Monats, noch zu wenig Stunden hat. Ich gammle also solange an der Kasse und langweile mich, als plötzlich dieses Etwas in den Laden tritt. Ihr wisst schon, dieser ungepflegte Kerl von gestern. Ich mustere ihn. Wenn überhaupt möglich, sieht er noch schlimmer aus, als tags zuvor. „Da hat die Pflegespülung aber nicht viel genutzt,“ bemerke ich und starre ihn an. Ich kann nicht anders. So beschissen, wie er aussieht. Als hätte ihn jemand ausgekotzt. Ob er ein Penner ist? Aber was will ein Penner mit einer Pflegespülung? Kauft man sich als Penner nicht lieber was zu Essen? „Ich hab sie noch nicht ausprobiert,“ herrscht er mich an. „Solltest du vielleicht mal,“ gebe ich ihm den Tipp. „Dann hilft sie vielleicht auch.“ Er lässt mich stehen und ich höre ihn ‚Idiot’ murmeln, während er zu den Regalen geht. Ich weiß nicht genau, was er tut, aber im nächsten Moment fällt etwas zu Boden und zerschellt laut darauf. Eindeutig Glas, dass da zersplittert ist. Ich verdrehe die Augen. Anscheinend ist er nicht nur hässlich, sondern auch noch zu blöd, was aus dem Regal zu holen. Lora ruft, dass alles okay sei und das gar nichts mache. Eher aus Neugier, als aus Bedürftigkeit, gehe ich nach hinten und erblicke Lora, die sich dran macht, ein Glas Obst aufzuwischen, und diesen Kerl daneben, der sich entschuldigt. Allein dafür, dass Lora jetzt mehr Arbeit hat, hat er eigentlich schon wieder einen Orden verdient. „Muss er das jetzt bezahlen?“, frage ich Lora, die mich nur böse ansieht und mich schimpft, dass es ein Versehen war und ich nicht immer so wahnsinnig unfreundlich sein soll. Ich zucke mit den Schultern. „Er muss es aber trotzdem bezahlen!“ Der Kerl sieht mich wütend – und voller Abneigung – an. „Schön,“ meint er und stellt ein anderes Glas wieder ins Regal, ehe er weiter seine Einkäufe erledigt. Wahrscheinlich kann er nicht zwei davon bezahlen oder er ist einfach nur geizig, oder was weiß ich… Ich helfe Lora dabei, das Glas aufzusammeln, obwohl sie das sicher auch alleine geschafft hätte. Aber ich hab keinen Bock, wieder an der Kasse zu gammeln. Irgendwann ist der Kerl fertig und ruft nach mir, dass ich ihn abkassiere. Ich lasse ihn warten. „Könntest du mich vielleicht abkassieren oder soll ich noch länger hier warten?“, ruft er mir zu. „Geduld ist eine Tugend,“ brülle ich zurück und hole Lora noch frisches Wasser, ehe ich mich zur Kasse bequeme – natürlich nur, um ihn zu ärgern. Er funkelt mich wütend an. „Du hast dich aber beeilt, wie nett von dir!“, meint er zynisch. „Hättest du das Glas mal nicht kaputt gemacht…“, ich zucke mit den Schultern „...wäre ich auch eher da gewesen. Mit dem Glas sind es dann fünf Euro und zwanzig Cent.“ Er donnert mir das Geld hin und verschwindet, wieder ohne ein Wort. „Vielen Dank für deinen Einkauf,“ rufe ich ihm betont freundlich nach. Was für ein Idiot! Freitag habe ich frei. Gott sei Dank muss ich diesen komischen Kerl nicht sehen. Als ich am Samstag wieder im Laden stehe, fängt Lora ein Gespräch mit mir an, was mir eigentlich schon zu denken geben sollte. Tatsächlich fragt sie mich bald darauf, warum ich eigentlich immer so unfreundlich bin. Ob sie immer noch auf der Sache mit dem Kerl herum reiten will? Ich zucke jedenfalls nur mit den Schultern. Aber die Frage ist ja eigentlich berechtigt! Warum bin ich so gemein zu den Menschen? Na ja, ganz einfach: Ich hasse meinen job, ich hasse die Menschen, die mir ihre Arbeit überlassen, ich hasse die Menschen, die mir hier mehr Arbeit machen, als es die Sache wert ist… Menschen, die auf Sonderangebote noch mal Rabatt wollen Menschen, die Preisschilder falsch lesen und dann auf ein Recht beharren, das sie einfach nicht haben. Menschen, die Packungen aufreißen. Menschen, die was mitgehen lassen. Menschen, die was aus dem Regal werfen. Menschen, die mit ihren dreckigen Schuhen über meinen eben gewischten Boden laufen. Und so weiter und so fort. Ich hasse es auch, dass meine Tage der Uni stressig sind und ich sie dann hier ausklingen muss, statt auf dem Sofa. Und dass ich jeden Samstag hier stehe, statt Partys zu feiern. Und ich hasse verdammt noch mal Lora, die schon wieder geht, ohne mit ihrer Arbeit fertig geworden zu sein! Und den zotteligen Kerl, der nun in den Laden tritt, den hasse ich ganz besonders. „Du schon wieder,“ stelle ich fest. „Hast du kein Zuhause?“ „Ich freue mich auch nicht, dich zu sehen,“ entgegnet er und hält sich nicht länger bei mir auf, kauft nur ein, was er wohl so braucht und kommt wieder an die Kasse zurück. „Großeinkauf, oder was?“, will ich wissen und scanne den Berg an Zeug ein, den er hier so aufgetürmt hat. „Je mehr ich kaufe, desto länger muss ich nicht herkommen und deine Fresse ertragen.“ Ich ignoriere diese offene Anfeidung meine stattdessen: „Du solltest echt mal die Pflegespülung nutzen.“ Er sieht mich wütend an. „Macht dreiundzwanzig Euro und achtundneunzig Cent,“ flöte ich ihm entgegen. Er reicht mir eine EC-Karte, die ich in den dafür vorgesehenen Schlitz schiebe. „Sieht aus, als wärst du pleite,“ stelle ich dann fest. Er wird ein wenig rot und bittet mich, die Kartoffelchips wieder zu stornieren. Ich sehe ihn genervt an. „Das geht mir der alten Kasse nicht,“ maule ich und darf alles noch mal neu machen. Dann wieder die Karte. „Sieh es ein. Du hast kein Geld mehr drauf!“ „Schön,“ faucht er und reißt die Karte wieder an sich. Er wirkt peinlich berührt. Tja… „Dann kannst du alles wieder rauslöschen,“ verkündet er mir nun und lässt mich tatsächlich stehen. Ich sehe ihm fassungslos nach, ehe ich brülle: „UND ICH DARF DAS JETZT ALLES WIEDER EINRÄUMEN, ODER WAS?!“ „Na? Hast du heute wieder mehr Kohle, oder darf ich den Scheiß dann wieder ins Regal räumen?“ Montagsschichten sind die dümmsten, weil man da noch müde ist, nachdem das Wochenende gerade erst vorbei gegangen ist. Und heute ist es besonders schlimm, weil zu meiner Müdigkeit nun auch noch ein ungepflegter Spinner hinzukommt, der wohl meint, jetzt ständig hier einkaufen zu müssen. Garantiert macht er das mit Absicht, um mir jedes Mal aufs Neue den Tag zu versauen. „Scann sie ein, dann wirst du es ja sehen,“ mault er nur. Das tue ich dann auch und tatsächlich – es geht. Vielleicht hat er ja Geld überwiesen bekommen. Wir haben heute schließlich den ersten des neuen Monats. Oder er hat die Tanke, da eine Ecke weiter, ausgeraubt. So wie er aussieht, halte ich letzteres ja für wahrscheinlicher. Er sieht mich jedenfalls triumphierend an und nimmt sein Zeug, ehe er den Laden verlässt. Ich sehe ihm nach. Ob er weiß, dass er die Pflegespülung auch anwenden kann? Er sieht immer noch aus, als hätte er in die Steckdose gefasst. Zwei Tage hatte ich nun frei und heute darf ich wieder an der Kasse stehen und so tun, als wäre ich nett. Ich habe Lora gefragt, ob er der Kerl wieder hier war. Und sie hat gesagt, er wäre jeden Tag hier gewesen. Aha. Vielleicht ein irrer Stalker? Aber wen stalkt er? Mich? Lora? Unseren Chef? Das Pflegespülungregal? Jedenfalls zerplatzt mit dieser Ansage meine winzig kleine Hoffnung, er könnte heute nicht auftauchen. Und tatsächlich! Ich wische geraden Eingangsbereich, als er kommt. Ich sehe ihn an. „Was ist mit dir passiert?“ Er sieht ja mal richtig ordentlich aus. Zumindest seine Haare. Der Rest… naja… „Die Pflegespülung,“ erwidert er. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als er von dannen zieht. Wenig später stehen wir an der Kasse und ich scanne seine Fertignudeln ein. „Warum kommst du eigentlich jeden Tag her und kaufst ein?“, will ich wissen. „Was geht dich das an?“, entgegnet er. „Ich frag ja nur,“ murre ich und er bezahlt bar. Dann geht er, ohne auf meine Frage zu antworten und ich sehe ihm nach. Langsam gewöhne ich mich an ihn. Ich hasse Lora! Ich hasse, hasse, hasse sie! ICH HASSE SIE!!!! Nie kann sie Regale einräumen. Nie! Immer darf ich das machen. Dabei will ich um halb Zehn abends nichts mehr tun, außer die Minuten abzählen, bis ich endlich diesen scheiß verfickten Laden verlassen kann! Vor allem an einem Samstag, an dem ich einfach nur noch meine Ruhe will! Wütend stopfe ich die Reispackungen in das Regal und blöderweise stoße ich dabei an einen anderen Stapel, so dass dieser wieder krachend zu Boden fällt. Ich könnte heulen. Weil sich das aber nicht schickt, schreie ich einfach wütend auf. Gerade will ich von der Leiter steigen, um sie wieder aufzusammeln, als mir jemand eine Packung entgegen hält. Als ich nach unten sehe, hätte ich fast anerkennend gepfiffen oderr so. Da steht dieser durchgeknallte Typ und sieht mal wirklich gut aus. Er hat seine schwarzen Haare gestylt und seine Schlabberklamotten gegen eine schwarze Röhrenjeans und ein enges, gleichfarbiges T-Shirt getauscht, über dem er eine hellblaue Sweatshirtjacke trägt. „Und das alles dank einer Pflegespülung!“, meine ich teils anerkennend und teils belustigt. „Bitte, ich hab dir sehr gerne die Packungen gereicht,“ murrt er und ich winke ab: „Ja, ja. Danke.“ Er behält eine Packung Reis für sich und sucht dann seine restlichen Einkäufe zusammen. Als er an die Kasse kommt, haben wir unser kleines Lieblingsproblem wieder: „Du hast nicht genug Geld auf der Karte, Schnucki.“ Er stöhnt frustriert auf und ignoriert sogar mein >Schnucki<. „Dann stornier die Waffeln raus,“ meint er letztlich. Und so storniere ich genervt die Waffeln heraus und Gott sei Dank reicht das Geld dann. „Na… ging ja mal fast ohne Probleme,“ meine ich spöttisch. Er schnappt sein Zeug, während er mich mit hasserfüllten Blicken taxiert, und verlässt den Laden, rennt dabei fast jemanden um. Er entschuldigt sich zwar, aber ohne zu stoppen. Dieser Jemand, den er da fast umgenietet hat, ist übrigens kein geringerer als Pascal. Er sieht dem Kerl nach, dann sieht er zu mir. „Hey. Ich brauch noch mehr Alk für die Party. Und ich wollte wissen, ob du nach deiner Schicht noch vorbei schaust.“ Als er mich richtig ansieht, runzelt er die Stirn. „Was guckst du denn so genervt?“ „Wegen dem Emoboy, oder was er auch immer darstellt,“ meine ich und deute zum Ausgang. „Der kommt ständig her und geht mir auf den Sack.“ „Na ja,“ winkt Pascal ab und sucht sich seine Flaschen zusammen, die im Regal neben der Kasse stehen. „Sieh’s ihm nach. Er hat ’ne schwere Zeit.“ „Tss,“ mache ich. „Schwere Zeit.“ Ich schüttle den Kopf. „Wer hat die nicht?“ Ich deute auf den Berg an Zeug, das eigentlich Lora hätte einräumen sollen und das ich heute nicht mehr geschafft habe. „Siehst du? Ich hab’s auch nicht leicht!“ Pascal verdreht die Augen und bezahlt seinen Schnaps. „Viel Arbeit kann man ja wohl kaum mit einem toten Freund vergleichen,“ murrt er dann und ich sehe ihn verwirrt an. „Toten Freund?“ „Man Levi!“, stöhnt er auf. „Lebst du eigentlich hinter dem Mond, oder was ist los?“ Er deutet nach draußen. „Das ist Darian, du Idiot. Der Freund von Jamie.“ Ich starre ihn aus weit geöffneten Augen entsetzt an. Oh. Bitte. Nicht. „Kommst du dann noch zur Party?“, will er dann wissen, aber ich schüttle nur den Kopf. Ich bin ja so ein Idiot! „Dann nicht,“ mault er und verlässt den Laden. Kurz darauf kommt mein Chef nach unten und ruft mich zur Abrechnung. „Du siehst konfus aus, Junge. Alles klar?“, will er wissen, während er abschließt. „Ich glaube, ich hab da was total verbockt.“ „Das renkt sich schon wieder ein, Junge. Keine Angst! Manche Dinge erscheinen immer unangenehm, aber sie gehen vorbei. Glaube mir, Junge.“ Ich hasse diese Eigenart von ihm, an jeden Satz ein ‚Junge’ oder ein ‚Mädel’ ranzuhängen. Aber was er sagt, ist ein wenig tröstlich. „Und wenn nicht?“ „Dann musst du eben sehen, wie du es wieder gerade biegst, Junge.“ Ja. Der hat leicht reden. Hätte ich sicher auch, wenn ich den ganzen Tag nur in meinem staubigen Büro hocken und Geld zählen würde… Kapitel 3: I’m running out of time ---------------------------------- “I’m about to lose me mind You've benn gone for so long I'm running out of time” Dr. Dre feat. Eminem & Skylar Grey – I need a doctor „Fünf Euro zwanzig.“ Ich sehe ihn an, aber er ignoriert mich, kramt nur hochkonzentriert nach dem Geld, ehe er es mir reicht. Während ich es noch in die Kasse sortiere, ist er schon im Begriff, den Laden zu verlassen. „Hey,“ rufe ich ihm nach, ehe er ganz und gar verschwunden ist, „Du hast am Samstag was vergessen!“ Nun dreht er sich neugierig um und ich halte die Packung Waffeln hoch, die ich am Samstag habe herausstornieren müssen. „Falls es dir entgangen ist… Die konnte ich nicht bezahlen.“ Ich zucke mit den Schultern und halte ihm die Packung weiter entgegen: „Dann muss sie wohl jemand anderes bezahlt haben.“ Langsam kommt er zurück zu mir, runzelt die Stirn, während er sie an sich nimmt. „Warum tust du das auf einmal? Ich denke, du hasst mich?“, will er wissen und ich schüttle den Kopf. „Ich hasse dich nicht und es tut mir Leid, dass ich so blöd war.“ Er mustert mich skeptisch, wozu er wohl auch alles Recht hat. „Auf einmal, ja?“ Ich zucke erneut mit den Schultern. „Tut mir übrigens Leid… das mit Jamie…“ Dass ich was falsches gesagt habe, weiß ich in dem Moment, in dem er die Augen weit aufreißt und mich wütend anherrscht: „Willst du mir sagen, du bist jetzt nur nett, weil du irgendwie herausgefunden hast, wer ich bin?“ Ehe ich etwas sagen kann, hat er mir die Packung wieder gegen die Brust gedonnert. „Behalt deine scheiß Waffeln!“ Dann stürmt er davon und ich sehe ihm erschrocken nach. Ach man… der macht es einem aber auch nicht leicht! Naja… ich hab versucht, mich zu entschuldigen und wenn er das nicht will… Sein Pech. Was interessiert mich so ein blöder Emo? Deshalb ignoriere ich ihn auch, als er am nächsten Abend in den Laden tritt. Ich sehe ihn nicht mal an, als ich ihm den Betrag nenne, sondern blicke nur auf meine Kasse, die mich höhnisch anzugrinsen scheint. „Woher kanntest du Jamie?“, fragt er mich so plötzlich und unvermittelt, dass ich regelrecht zusammenzucke. Wahnsinn, er spricht mit mir! Ich sehe ihn nun doch an und nehme das Geld entgegen. „Ich kannte ihn nicht. Ich habe es nur gehört und die Freundin von meinem besten Freund ist die beste Freundin von Svenja,“ erkläre ich ihm und sehe ihn fragend an, ob er mir folgen kann. Aber er scheint zu wissen, wen ich meine, denn er nickt nur und meint: „Achso… Anna.“ Ich nicke und setze noch mal alles auf eine Karte: „Darian, es tut mir Leid, dass ich so scheiße war. Weißt du, ich hab es nicht so leicht im Moment und lass meinen Frust gern an anderen aus. Aber ich will den Frust nicht an jemandem auslassen, der schon genug andere – und vor allem größere – Sorgen hat, als ich.“ Er mustert mich und ich blicke ihn flehend an. Ich meine das ehrlich. Wie schäbig wäre es denn, wenn ich ihn absichtlich niedermache, wo ich doch nun weiß, wer er ist. Ich schäme mich ja schon dafür, es die ganze Zeit gemacht zu haben. „Schon okay,“ meint er dann zum Glück und ich greife hinter mir, um die Waffeln hervor zu holen. „Wenn du sie nicht willst, dann muss ich sie wegschmeißen. Weil ich Waffeln total hasse.“ Daraufhin lächelt er flüchtig und mir fällt auf, dass ich ihn noch nie wirklich ernsthaft lächeln oder gar lachen gesehen habe. Er nimmt die Waffeln an sich. „Danke,“ meint er und blickt auf mein Namensschild. „Danke, Levi.“ „Gern.“ Ich sehe ihn an. Und dann kommt mir eine blöde Frage, die ich aber trotzdem stelle, obwohl ich sie mir sicher selbst beantworten könnte: „Geht es dir gut?“ Er beißt sich auf die Lippen, was wirklich herzzerreißend aussieht. „Ich komm schon klar.“ Ich weiß nicht Recht, was ich darauf antworten soll. Man kann ja nichts lapidares sagen, wie ‚Das wird schon wieder’ oder ‚Kommt sicher wieder alles in Ordnung’. Ich kannte Jamie ja auch gar nicht. Vielleicht war er ja auch ein Arsch und Darian kann froh sein, dass er ihn los hat. Aber so, wie er leidet, wohl eher nicht… Da ich also nichts zu sagen weiß, sage ich nur: „Lass dir die Waffeln schmecken.“ „Ihr habt die Pflegespülung schon wieder woanders hingeräumt,“ klärt mich Darian zwei Wochen später auf. Bisher ist er noch immer jeden Abend in den Laden gekommen und war mir das früher ein Graus, freue ich mich nun jedes Mal darauf. Ich sehe zu ihm und grinse: „Du siehst auch so gut aus!“ Er weiß wohl nicht Recht, was er davon jetzt halten soll, denn er blickt nur die Regale an. Ich lache und meine: „Vor deiner Nase.“ „Oh,“ macht er und greift danach. „Danke.“ An der Kasse haben wir dann wieder unser kleines Kartenproblem. „Was soll ich stornieren?“, will ich wissen und freue mich, dass ich den Chef überreden konnte, eine neue Kasse zu kaufen. Aus dieser kann man nun Sachen herausstornieren, ohne alles neu eingeben zu müssen. Blöderweise hat er diesmal nur die Pflegespülung und Essen gekauft, nicht wieder Knabberzeugs. Deshalb deutet er schweren Herzens auf die Haarpflege, aber damit ist es nicht getan. Ich sehe ihn leidig an. „Geht immer noch nicht.“ Es ist ihm wirklich unangenehm und mir ist es auch unangenehm, weil er mir so leid tut. „Dann kein Abendessen,“ beschließt er und lässt mich auch noch die Fertignudeln herausnehmen. Es zerreißt mir fast mein Herz und ich meine: „Ich hab gleich Feierabend und wollte danach was essen gehen. Magst du mit?“ „Levi… wie du siehst, habe ich kein Geld und…“ „Jetzt tu nicht so. Du bist natürlich eingeladen.“ „Das geht nicht!“, wehrt er ab. War ja klar, dass das jetzt nicht ohne Diskussion vonstatten gehen kann. „Natürlich geht das. Bratnudeln beim Chinesen an der Ecke sind ja auch nicht teuer.“ Ich sehe, wie seine Augen zu leuchten beginnen. Wahrscheinlich steht er auf Bratnudeln oder so. „Danke, das ist wirklich nett von dir,“ meint er. Ich lächle und meine: „Unter einer Bedingung.“ Ich mache eine Kunstpause und füge dann hinzu: „Du musst mir das Problem hier mal ein wenig genauer erklären.“ Ich wedle mit der Karte und weiß, dass mich das eigentlich nichts angeht. Aber ich möchte ihm helfen. Und wie soll ich das, wenn ich nicht mal weiß, wo das Problem liegt? Er scheint einen inneren Konflikt auszudiskutieren, ehe er zustimmt. Ich grinse freudig. „In zehn Minuten hab ich Schluss, wartest du so lange auf mich?“ „Also…“ Ich sehe Darian fragend an, während wir unsere Bratnudeln verspeisen. „Warum hast du kein Geld?“ „Ich muss warten, bis mein Kindergeld und die Sozialhilfe überwiesen sind.“ Er sieht mich an. „Manchmal kommt es ein bisschen zu spät und dann habe ich Anfang des Monats noch kein Geld. Und Ende des Monats eh nicht, weil sie dann das Geld fürs Wohnheim abbuchen und ich auch kaum noch was übrig habe.“ „Wie alt bist du?“, will ich wissen. „Achtzehn.“ Ich ziehe die Brauen hoch. „Und da kriegst du schon Sozialhilfe?“ „Ja… auch nur, weil das Jugendamt sich eingeschaltet hat.“ Ich runzle die Stirn. „Bei was?“ „Als ich ausgezogen bin, zu Jamie.“ Er blickt mich leidend an und ich lenke ein. „Wenn du nicht darüber reden willst, dann…“ Er winkt ab. „So ein Geheimnis ist das nicht.“ Er nimmt einen Schluck Cola, ehe er weiter erzählt: „Meine Eltern sind ausgerastet, als ich ihnen gesagt habe, ich bin schwul. Sie wollten mich nicht zu Jamie lassen, haben mich eingeschlossen, verprügelt… das volle Programm…“ Er blickt auf den Tisch. „Daraufhin bin ich abgehauen und zu Jamie gezogen. Und hab mich beim Jugendamt gemeldet. Die haben beschlossen, dass ich nicht mehr nach Hause muss und deshalb krieg ich ein wenig Unterstützung von ihnen.“ „Und von dem Geld hast du Jamie mit der Miete geholfen?“ Er nickt. „Bisher hatten wir auch immer genug Geld. Seine Eltern haben ziemlich viel Kohle und so…“ Er zuckt mit den Schultern. „Aber ohne seinen Anteil stehe ich ziemlich blöd da.“ „Aber du kannst es dir leisten?“ „Ja. Gerade so.“ Er blickt zu Boden. „Ist ja nicht mehr lange, dann mach ich mein Abi und dann kann ich ja arbeiten.“ Ich nicke. Er erzählt weiter: „Wir haben ein großes Zimmer im Wohnheim, weißt du. Ein wenig eng für zwei Personen, aber es hat gereicht.“ Er entdeckt eine Nudel, die auf den Tisch gefallen ist, und hebt sie mit einer Serviette auf, um sie auf seinen leeren Teller zu legen. „Jetzt, wo er weg ist, kann ich mich ausbreiten. Aber das will ich nicht, weil ich mir einfach nur verdammt verloren darin vorkomme.“ Und dann fängt er an zu heulen. Ohne Vorwarnung. Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll. Einige andere Gäste starren uns komisch an und denken sicher, er weint wegen mir. Ich fühle mich vollkommen überfordert! „Darian,“ meine ich also und gehe vor ihm in die Knie. Unbeholfen nehme ich ihn in den Arm. „Ist schon gut.“ „Es ist nicht fair, Levi! Es ist nicht fair!“ „Das ist es auch nicht.“ Beruhigend streiche ich ihm über den Rücken. Er hat Recht, es ist nicht fair. Sie haben so viele Steine in den Weg gelegt bekommen und als endlich alles überstanden war und sie hätten glücklich werden können… muss so etwas passieren. Jetzt ist Jamie weg. Für immer. Und Darian ist jetzt ganz alleine. „Im Juni wären es zwei Jahre gewesen. Und einfach jeder Tag war bisher wundervoll.“ Mein T-Shirt ist schon ganz durchweicht, aber es stört mich nicht. Ich muss daran denken, was Anna zu mir gesagt hat. Dass man immer den Eindruck hatte, dass Jamie Darian auf Händen trägt. Sicher hat er ihn vergöttert. Sicher hatte Darian das Gefühl, Jamie würde sich jeden Tag neu in ihn verlieben. Fast bin ich ein wenig neidisch auf die beiden. Wenn man so darüber nachdenkt, muss es sicher die große Liebe gewesen sein. Darian scheint das ganz ähnlich zu sehen, denn er meint: „Ich werde nie wieder jemanden so lieben können, wie ihn.“ „Doch, bestimmt, Darian. Das Leben geht weiter und du bist noch so jung… Vielleicht nicht gleich, aber irgendwann ganz sicher.“ Es dauert noch ein wenig, ehe er sich langsam wieder beruhigt. Ich nehme meinen Platz wieder ein, während er sich mit dem Handrücken die letzten Tränenspuren wegwischt. „Tut mir Leid,“ meint er. „Ich konnte nur bisher mit niemanden darüber reden und jetzt kommt alles hoch und…“ Ich winke ab. „Schon gut. Du musst dich nicht entschuldigen. Ich verstehe das.“ Er lächelt flüchtig und beschließt dann: „Lass uns von was anderem reden!“ Er sieht mich an. „Hast du eine Freundin?“ „Im Moment nicht. Ich hab das Gefühl, dass ich gar keine Zeit dafür hätte…“ „So viel Stress?“ Ich erzähle ihm also ein wenig vom dem Unistress und das ich danach noch bis spät abends arbeiten muss. Davon, dass auch ich ab und an mit dem Geld kämpfen muss und wie anstrengend es ist, alles unter einen Hut zu kriegen. Aber im Gegensatz zu seinenen Problemen, kommen mir meine nichtig vor. Also höre ich auf zu jammern und erzähle ihm ein paar Anektoden von nervigen Kunden. Damit entlocke ich ihm ab und an eines seiner hübschen Lächeln, mehr aber auch nicht. „Ich habe dich noch nie lachen gesehen,“ stelle ich fest. „Ich habe im Moment auch nichts zu lachen,“ erwidert er und die Kellnerin kommt, um abzukassieren. „Tut mir Leid, das war jetzt blöd von mir,“ meine ich und bezahle. Er winkt ab. Dann gehen wir. Da das Wohnheim gegenüber von meiner Wohnung liegt, haben wir logischerweise den gleichen Weg. Ich setzte ihm vor dem Gebäude ab und er bedankt sich noch einmal für das Essen. Dann gehe ich zu meinem Loch, dass sich Wohnung schimpft. Auf dem Weg, über die Straße, denke ich, dass ich will, dass Darian wieder glücklich ist. Ich will ihn lachen sehen. Und ich denke, dass ich alles dafür tun werde, was mir nur möglich ist. „War das gestern Darian?“ Pascal sieht mich fragend an und ich blicke verwirrt zurück. „Was?“ „Ich hab dich gestern Abend beim Chinesen an der Ecke gesehen. Mit einem Emo-Jungen. War das Darian?“ „Achso… ja, war es.“ Ich nicke und blicke auf meine Schuhe. Sie sind schon ganz durchgelaufen, ich sollte mir mal neue kaufen! „Warum gehst du mit Darian essen?“ Er sieht mich verwirrt an. „Lange Geschichte, nicht so wichtig,“ winke ich ab. Aber eigentlich ist es wichtig. Darian ist wichtig. Darian und die Tatsache, dass es ihm gut geht. „Ach komm… ich bin dein bester Freund! Erzähl es mir!“, fordert er ungeduldig. „Da gibt es aber nicht viel zu erzählen,“ winke ich ab und seufze. Aus der Nummer komme ich nicht wieder raus. „Ich hab ihn eingeladen, mehr nicht. Dachte, das wäre ganz nett, wo ich so blöd zu ihm war,“ erzähle ich es ihm also. „Ja,“ lacht er daraufhin nur, „Das warst du in der Tat!“ Er klopft mir auf die Schulter und fügt mit fiesem Grinsen hinzu: „Aber das ist bei dir ja nichts neues.“ Manchmal hasse ich ihn. „Hallo Lieblingskunde,“ grinse ich und blicke auf Darian hinunter. Ich räume gerade ein Regal ein. „Hallo Lieblingskassierer,“ lächelt er flüchtig zurück. „Suchst du wieder die Pflegespülung?“, frage ich ihn interessiert. Daraufhin muss er schmunzeln und schüttelt den Kopf. „Nur Reis und Dosentomaten.“ „Na, die stehen noch, wo sie immer standen,“ lache ich und er findet sie auch sofort. „Du weißt, dass du voll Farbe bist?“, will ich wissen und steige von der Leiter herunter. „Ja. Ich hab ja auch gerade gestrichen.“ Er sieht auf die Dosentomaten. „Ich will ein wenig Veränderung haben, weißt du. Weil mich schon genug anderes an Jamie erinnert, da brauch ich das nicht auch noch.“ „Kann man dir helfen?“ „Nein, ich bin fertig. Und das schwerste… muss ich, glaube ich, alleine machen.“ Ich sehe ihn fragend an. „Seine Eltern holen morgen Abend seinen ganzen Kram ab. Wundert mich, dass sie ihn so lange bei mir gelassen haben. Es ist jetzt immerhin schon über einen Monat her, fast zwei… aber sie meinten, sie hätten so viel zu tun gehabt und noch keine Zeit dafür gefunden…“, er zuckt mit den Schultern, „Jedenfalls muss ich das Zeug aussortieren.“ Und dann sieht er aus, als wenn er gleich wieder zu heulen anfängt. „Vielleicht kann ich ja trotzdem mal vorbeisehen. Als Unterstützung… du musst das nicht alleine machen.“ Und schon kullert die erste Träne von seiner Wange. Ich nehme ihn in den Arm. „Wirklich?“ Er schnieft und durchnässt meine tolle Uniform. „Du fängst an und wenn die Uni vorbei ist, komme ich dazu.“ Er nickt. „Okay.“ Dann fällt ihm etwas ein. „Und dein Job?“ „Ich habe morgen frei. Überstunden abbauen.“ Er schnieft. „Gegenüber von Svenja, richtig?“ Er nickt wieder. Wir gehen an die Kasse und er bezahlt. „Dann bis morgen,“ winkt er mir zu. Ich winke ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen ist. Ich renne durch die Schulgänge und weiß dennoch, dass ich es nicht schaffen werde. Noch eine halbe Minute und ich muss noch durch den ganzen Ostflügel. Dabei hat mich der Mathelehrer schon dreimal verwarnt. Selbst, wenn ich pünktlich mit dem Klingeln im Türrahmen stehen würde, wäre ich wohl, seiner Meinung nach, noch zu spät. Deshalb habe ich jetzt keine Chance. Als es klingelt, haste ich gerade die Treppen hoch. Na super, dann darf ich jetzt sicher eine Strafarbeit schreiben. Als hätte ich nicht genug andere Sorgen. Hastig stürme ich um eine Ecke und renne frontal in jemanden rein. Unsanft pralle ich ab und falle nach hinten, finde mich im nächsten Moment auf meinem Hintern wieder. Das hat mir noch gefehlt! „Entschuldigung,“ meine ich peinlich berührt und sehe auf, als mir jemand seine Hand hinhält. Ich ergreife sie und werde hochgezogen. Wieder auf meinen Füßen, mustere ich den Kerl, den ich gerade halb umgeschmissen habe. Er sieht echt gut aus. Lange schwarze Haare, strahlende, eisblaue Augen, schwarz umrandet, eine tolle Figur, muskulös, aber nicht zu sehr… Und sein Gesicht… Es hat etwas markantes, aber nicht allzu männlich. Es wirkt immer noch sehr fein. Er ist… wow… Ich merke erst, dass ich ihn förmlich anstarre, als sich seine schmalen Lippen zu einem belustigten Grinsen verziehen. Augenblicklich werde ich knallrot. „Ich… ähm… muss dann… Mathe… zu spät… Strafarbeit,“ stammele ich zusammenhanglos vor mich hin und dränge mich an ihm vorbei. Ich will gerade weiter eilen, als sich schmale Finger zart um mein Handgelenk legen und mich zurückhalten. Ich bleibe wie angewurzelt stehen und sehe zu ihm. „Zu spät bist du jetzt eh schon… warum dann noch die Eile?“ Ich öffne den Mund, um zu antworten, dass es jede Minute noch schlimmer macht, aber irgendwie will mein Mund diesen Befehl nicht ausführen. „Ich bin Jamie,“ stellt er sich vor und sieht mich fragend an. „Darian,“ meine ich leise. Er lächelt mich an und ich schmelze dahin. Was ist denn jetzt kaputt?! „Okay, Darian,“ stimmt er zu, als gäbe es da was zu zustimmen und ich erschaudere. Es klingt wundervoll, wie er meinen Namen ausspricht, mit seiner tiefen, rauchigen Stimmen. „Du gehst in die Elfte?“ „Zehnte,“ stelle ich es richtig. „Okay… Dann bist du Sechzehn?“, fragt er und ich nicke. „Ich geh ich in die Zwölfte,“ meint er und sieht mich dann fragend an. „Heute Nachmittag habe ich Sport, das kann ich sausen lassen.“ „Ähm…“ Ich sehe ihn aus großen Augen an. „Was hast du nachmittags?“ „Nichts.“ „Dann hast du ja Zeit für mich.“ „Ähm…“ Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich sehe ihn nur weiter dümmlich an und er nickt und sieht begeistert aus: „Ich warte vor dem Eingang auf dich.“ Ich nicke mechanisch. Was soll das denn? „Musst du nicht zu Mathe?“, fragt er belustigt. Ich reiße die Augen auf. Das habe ich ja komplett vergessen! Hastig renne ich los. Fast stolpere ich den Raum, so eilig reiße ich die Türe auf. Unser Lehrer sieht mich streng an. „Du bist schon wieder zu spät, Darian. Langsam glaube ich, dass du das mit Absicht machst.“ „Tut mir Leid.“ „Hör auf, noch zu grinsen. Ich gebe dir später mehr Hausaufgaben.“ Ich grinse? Tatsächlich, ich grinse doof vor mich hin! Warum grinse ich doof vor mich hin? Der Tag an der Uni ist furchtbar lange. Irgendwie habe ich heute nur langweilige Lesungen und schlafe darüber fast ein. Das ist irgendwie nicht dumm, aber was soll’s. Ich könnte mich eh nicht konzentrieren. In Gedanken bin ich schon ganz und gar bei Darian und der Aufgabe, die heute auf mich wartet. Ich habe das vorgeschlagen, weil ich ihn nicht mit sowas alleine lassen wollte. Aber jetzt habe ich ein wenig Angst davor. Wie reagiere ich, wenn es ihm zu viel wird? Wenn er zu heulen anfängt oder wenn er sich von nichts trennen mag? Andererseits… er hat mir ja gesagt, er hat niemanden, an den er sich wenden kann. Egal, wie es kommt. Es ist ja schon fast meine Pflicht, ihm zur Seite zu stehen. Ich habe damit angefangen, als ich ihn zum Essen eingeladen habe. Ich kann es nicht beenden. Und ich will es auch nicht beenden. Er ist mir ans Herz gewachsen und meine Mission, Darian lachen zu sehen, habe ich auch noch nicht an den Nagel gehängt. Warum nur bedeutet mir das eigentlich alles so viel? Okay, er tut mir Leid und ich hab auch bisschen ein schlechtes Gewissen. Aber… verdammt. Ich reiß mir ganz schön den Arsch für ihn auf und mach mir mehr Gedanken, als eigentlich nötig. Als die Lesung endlich vorbei ist, stürme ich regelrecht zum Wohnheim. Kapitel 4: Bring me back to life -------------------------------- “I need a doctor, call me doctor, I need a docter, doctor, to bring me back to life” Dr. Dre feat. Eminem & Skylar Grey – I need a doctor Das Wohnheim sieht nicht unbedingt schäbig aus, aber sicher auch nicht besonders einladend oder gar so, als dass man sich sofort wohl fühlen könnte. Ich nehme den Fahrstuhl, um in den dritten Stock zu kommen, in welchem Svenjas und folglich auch Darians Zimmer liegt. Die Wände sind hier allesamt grau-weiß und durch die wenigen Fenster, zu beiden Seiten des Flures, kommt genau so viel Licht, dass man kein künstliches braucht, so lange es draußen nur hell genug ist. Ich weiß von Svenja, dass die Zimmer auch nicht viel besser aussehen, wenn sie unbezogen sind. Aber wenn man hier wohnt, kann man natürlich auch einiges daraus machen. Ich erreiche den dritten Stock und suche Darians Zimmer. Ich weiß nicht mehr genau, wo Svenjas Wohnung liegt, aber ungefähr. Und irgendwann habe ich die Türe gefunden, an der in großen Holzbuchstaben ‚Svenja’ steht. Die Tür gegenüber zeugt nicht sofort davon, wem sie gehört, sie ist karg und ungeschmückt. Aber ich weiß ja, dass ich hier richtig bin und klopfe deshalb bedenkenlos an. Schon öffnet sich die Türe und Darian erscheint vor mir, lässt mich rein. „Hey, Levi.“ Er wendet sich hastig wieder ab, damit ich es nicht sehe, aber ich habe es bereits gesehen. Er hat geweint. „Hey,“ meine ich und er versucht, unbeschwert zu klingen, als er mir etwas zu Trinken anbietet. Aber ich höre dennoch, dass seine Stimme noch ein wenig belegt klingt. Ich lehne ein Getränk fürs erste ab und sehe mich um. Im nächsten Moment überkommt mich ein ganz komisches Gefühl. Ich habe gerade ein Heiligtum betreten. Die Wohnung von Darian und Jamie… Jamies Gebiet. Ich schnaube leise. Was denke ich denn da für einen Schrott? „Setz dich ruhig,“ bittet mich Darian nun und scheint sich fürs erste gefangen zu haben. Ich sehe mich weiter um, während er auf das Bett deutet und ich der Aufforderung nachkomme, mich darauf niederlasse. Die Wohnung ist ein einziges Chaos. Überall fliegen Klamotten und anderes herum. Aber ich will nicht zu voreilig urteilen. Vielleicht sind das nur Jamies Sachen, die hier herumliegen, weil Darian sie aussortieren muss. Unbewusst streiche ich mit meinen Fingern über die Bettdecke. Hier haben die beiden also geschlafen. Nebeneinander… miteinander… Ich ziehe die Finger weg. Ich sollte aufhören, solchen Schrott zu denken. „Ich bin gerade über den Klamotten,“ klärt er mich auf und ich sehe zu ihm. Er hebt jedes Kleidungsstück einzeln an, besieht es sich genau, kämpft mit den Tränen und befördert es dann in einen Plastiksack. Nur einige andere wirft er bestimmt auf einen Stapel, neben mir auf dem Bett oder zieht sie auch wieder aus dem Sack, um sie darauf zu werfen. Ich schaue ihm zu. Ich werde ihm nur helfen, wenn er sie auch braucht. Ansonsten mische ich mich nicht ein. Woher soll ich denn auch wissen, was ich wegschmeißen darf und was nicht. „Sie haben gesagt, ich darf behalten, was ich will.“ „Das ist doch ein netter Zug.“ Das muss man Jamies Eltern wirklich anrechnen. Für ihn sind einige Sachen sicher sehr wichtig. Ich sehe auf den Stapel Shirts, auf dem Bett und ziehe eines heraus, besehe es mir genauer. Es ist ein Bandshirt von ‚Bullet for my Valentine’. Ungefähr meine Größe, schwarz mit hellem Print. „Das habe ich ihm zu Weihnachten geschenkt“, erklärt Darian mir nun, als er bemerkt, was ich in der Hand habe. „Er liebte die Band und wolle sich das Teil schon lange kaufen. Da dachte ich mir, schenke ich es ihm zu Weihnachten, weil es sonst sicher nie was geworden wäre.“ Ich sehe prüfend zu ihm. Ich habe echt Angst, dass er gleich völlig die Fassung verliert, während er das Shirt anstarrt und mir davon erzählt. Ich lege es lieber weg, aber zu spät. Es bilden sich wieder Tränen in seinen Augen. Er wischt sie energisch weg. Mit dem Klamotten scheint er dann auch fertig, denn er schafft nun Gegenstände heran, die wir zusammen durchsehen. Die meisten Kosmetikartikel behält er. Natürlich. Sie haben sicher viel gemeinsam genutzt und das andere kann er ja trotzdem mit weg machen. „Ich hab sein Duschgel immer heimlich benutzt. Ich wollte immer genauso riechen, wie er, dumm was? Irgendwann hat er es gemerkt und mir gebeichtet, dass er das gleiche mit meinem Duschgel gemacht hat. Jedenfalls haben wir ab dem Tag dann beide das gleiche genutzt.“ Er versinkt in Erinnerungen und ich kann nicht umhin zu denken, dass ich Jamie beneide. Dafür, wie nahe er Darian stand. Wie innig ihr Verhältnis war. Und welche Erinnerungen er mit ihm teilt. Erinnerungen, die auch über seinen Tod hinaus erhalten bleiben. Und mir wird etwas klar, was mich irgendwie heftiger trifft, als gedacht: In Darians Erinnerungen lebt er noch immer. Darian hat ihn noch nicht gehen lassen. Ich verdänge diese Gedanken und hebe einen Teddy auf. „Das war sein Lieblingsteddy. Den muss ich leider hergeben. Den haben ihm seine Eltern geschenkt, als er fünf war. Es ist ihr Erinnerungsstück.“ Er schluchzt auf und presst den Bären an sich. Offenbar hängt er sehr daran. Ich stehe auf und umarme ihn von hinten. „Ich kann Winnie Puh doch nicht hergeben,“ keucht er verzweifelt auf. Es ist kein Winnie Puh, es ist ein ganz normaler Teddy. „Jamie hat ihn so genannt, weil das damals seine Lieblingsserie war,“ klärt er mich unter Tränen auf. Er presst ihn noch enger an sich. „Ich kann ihn nicht hergeben! Ich kann gar nichts hergeben!“ Oh Gott, er wird hysterisch. Oh Gott, ich bin überfordert. Aber ich bin es, der den kühlen Kopf behalten muss. Also nehme ich ihm langsam den Teddy aus der Hand und verstelle meine Stimme, wackle mit Winnie Puh hin und her: „Hallo Darian. Ich muss auf Jamies Mama aufpassen, weil sie ganz sehr traurig ist. Und ich bin ja dafür da, andere zu trösten. Du bist auch traurig, aber du bist ein starker Junge, Darian. Du brauchst mich nicht, damit ich dich tröste.“ „Aber ich brauche dich, um mich zu erinnern…“ „Nein, Darian. Du erinnerst dich auch so an Jamie. Weil Jamie immer hier drin sein wird.“ Ich lasse den Teddy gegen seine Brust deuten. Er muss leicht lächeln. „Tschüss, Darian. Es war schön, mit dir zusammen zu wohnen.“ Ich lasse den Bären ihm einen Kuss geben, dann lege ich ihn in den Sack, zu den Klamotten, die weg können. „Tschüss, Winnie Puh,“ meint er leise. Ich presse ihn fest an mich und genieße das Gefühl, seinen zierlichen Körper an meinem zu spüren. Eine ganze Zeit stehen wir so dort, dann frage ich: „Was noch?“ „Seine CDs…“ Er packt sie weg. Die meisten, so erzählt er mir, hat er eh nie gehört und Jamie hat wohl auch härtere Sachen gehört, als er. Er behält nur zwei. Jamies Lieblings-CD, die wohl ständig rauf und runter lief, und eine, die er ihm letztes Weihnachten geschenkt hat, zusammen mit dem Shirt. Wenig später ist noch einiges andere in der Tüte. Ein wenig Schmuck, Bücher, Fotos, Krimskrams. Viele hat er auch behalten, weil er es selbst gebrauchen kann oder einfach als Erinnerung will. Den Rest holen wenig später Jamies Eltern ab. Jamies Mutter drückt Winnie Puh an sich und bedankt sich bei Darian, dass sie ihn behalten darf. Er lächelt tapfer, aber ich schätze, wenn sie nicht bald gehen, entreißt er ihr den Teddy wieder. Als sie weg sind, bleibt Darian verloren neben der Tür stehen. „Jetzt ist es noch leerer, als eh schon,“ meint er und sieht mich traurig an. Es ist wirklich leerer geworden. Aber das war ja von Anfang an klar. Ich ziehe in aufs Bett und mache uns einen Tee. Das macht man doch meistens, wenn jemand aufgewühlt ist, oder? Ich meine, Tee kochen? Er nimmt dankend die Tasse entgegen und ich lasse mich mit meiner neben ihm nieder. Ein wenig sehe ich mich um, während Darian wieder mit sich selbst in Einklang kommt. Der Tag heute war sicher anstrengend für ihn. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie schwer es ihm gefallen sein muss, sich von Jamies Sachen zu trennen. Andererseits war das ein wichtiger Schritt, um ihn endlich loszulassen. Ich stehe wieder auf und sehe mich um. Auf der Kommode stehen einige Fotos und ich besehe sie mir genauer. Sofort schreit mir ein Kussfoto der Beiden entgegen: Jamie, der Darian fest umschlingt und küsst und Darian, der in diesen Kuss lächelt, als gebe es kein Morgen. Sie sehen so glücklich aus… Etwas, in meinem Inneren, fängt an zu ziehen und ich stelle es hastig wieder weg. Auf einem anderen sieht man Jamie alleine. Ich hebe aus und betrachte es mir näher. Er war schon ein hübscher Junge. Obwohl das Bild irgendwie krass aussieht. „Das war an Halloween,“ erklärt mir Darian vom Bett aus. „Wir sind dem Emo-Klischee gefolgt und haben uns mit Kunstblut dekoriert.“ Ich muss lachen. Auf einem anderen sieht man Jamie ohne Kunstblut, dafür in die Kamera grinsend, das Peace-Zeichen machend. „Er war wahnsinnig sexy,“ meint Darian und tritt hinter mich, blickt auch auf das Bild. Und damit hat er Recht. Es gibt Menschen, die strahlen einfach das gewisse Etwas aus. Und Jamie war eindeutig so ein Mensch. „Manchmal frage ich mich, warum er sich ausgerechnet mich ausgesucht hat…“ Ich stelle das Bild weg und blicke zu Darian. „Ich kann es verstehen,“ sage ich und das ist auch ehrlich gemeint. „Du bist so hübsch, Darian. Wirklich.“ Er wird rot und ich lächle und blicke auf ein anderes Bild, auf den man ihn sieht. „Definitiv,“ meine ich leise, als ich ein Foto von Darian entdecke. Darauf strahlt er fröhlich in die Kamera und sieht unglaublich hübsch aus. Wie von selbst fällt mein Blick wieder aufs Kussfoto. Jamie war echt en Glückspilz… „Du verbringst im Moment viel Zeit mit Darian,“ stellt Pascal fest und ich versuche gar nicht erst, es zu leugnen. „Ich weiß,“ erwidere ich also nur. Er mustert mich. „Wie lange ist es jetzt her? Zwei Monate? Länger? Geht es ihm denn schon besser?“ „Nicht wirklich,“ meine ich und rühre nachdenklich in meinem Kaffee. Weil er Jamie nicht loslässt. Obwohl es gesünder für ihn wäre. Ich seufze verzweifelt auf. Okay, er hat ihn geliebt. Okay, zwei Monate sind eigentlich nichts. Aber er ist noch so jung… Er sollte sein Leben genießen… Auch ohne Jamie. Ich springe auf und werfe dabei fast meinen Kaffee um. Pascal sieht mich aus großen Augen an, als ich mein Zug zusammenpacke. „Wo gehst du hin?“, will er wissen. „Zu Darian.“ „Aber du hast gleich eine Lesung,“ erinnert er mich. „Ja… lass ich ausfallen.“ Ich lasse ihn stehen. Ich klopfe an Darians Türe. Im Moment habe ich immer ein ungutes Gefühl, wenn ich bei ihm auftauche. Aber ich kann auch nicht wegbleiben. Es ist nur so, dass mich eine Mischung aus Angst, Freude und dem unbestimmten Gefühl, Jamies Territorium zu betreten, überkommt. Angst, weil ich immer glaube, Darian völlig fertig vorzufinden und Freude, weil ich ihn wieder sehe. Aber es ist letzteres, der Genannten, dass am stärksten ist. Und gleichzeitig am lächerlichsten. Jamie ist tot – folglich ist dieses Zimmer nicht länger seines. Und selbst wenn man es immer noch als seines ansehen möchte – was hat das mit mir zu tun? Ist ja nicht so, als würde ich irgendetwas darin mit Darian anstellen, was Jamie gegen den Strich gehen könnte… Ich besuche ihn ja nur. Verwirrt, warte ich, bis Darian die Türe öffnet. „Hey,“ meint er und lässt mich ein. Ich blicke mich um. Er hat aufgeräumt und einige Möbel umgestellt. Es geht also doch voran, der Abnablungsprozess von Jamie, oder wie man das auch immer nennen möchte. „Was machst du?“ Im Hintergrund läuft irgendwelche depressive Musik. „Nichts,“ erwidert er und ich schalte seinen CD-Player aus. „Du musst aufhören, dir so was anzuhören. Das zieht dich nur runter.“ Er zuckt mit den Schultern. „Lass uns was machen, Darian. Du musst hier mal wieder raus.“ Er blickt überrascht drein, dann meint er: „Darf ich dich mal was fragen?“ Ich nicke. „Klar. Nur zu.“ „Warum tust du das alles für mich?“ „Weil ich dich mag,“ antworte ich postwendend und er nickt langsam. „Dann… lass uns was draußen machen.“ Wir gehen in den Park und spielen ein wenig Fußball. Er ist zwar kein begeisterter Sportler, aber gegen Fußball sagt auch er nichts. Zwar ist er nicht unbedingt Fan davon, aber es geh ja nur darum, dass wir ein wenig Spaß haben. Nachdem er mich zu allem übel auch noch geschlagen hat, lassen wir uns auf die Wiese fallen und futtern Waffeln, die er mitgenommen hat. Besser gesagt, er futtert Waffeln. Ich hab mir ein Eis gekauft und lecke begeistert daran herum. „Weißt du… ich komme viel zu selten hier her,“ stelle ich fest und sehe mich um. Ich hab so viel zu tun, dabei sollte ich echt öfters an die frische Luft und die Sonne genießen. „Ich auch,“ stimmt er mir zu und legt sich auf den Rücken. Ich sitze noch und blicke zu ihm nach unten. Ich will nicht schon wieder mit Jamie anfangen, aber ich kann einfach nicht anders. Es interessiert mich einfach brennend. „Denkst du noch oft an ihn?“ „Ständig,“ nickt er. Es ist jetzt zweieinhalb Monate her… Ich erwarte nicht, dass er ihn jetzt schon vergessen hat. Aber ich hoffe, dass er sich nicht all zu sehr hängen lässt und in seinen Erinnerungen vergräbt. Das sage ich ihm so auch. Er sieht fragend zu mir hoch: „Was meinst du?“ „Lernst du für die Schule? Isst du regelmäßig? Gehst du raus?“ Ich zupfe ein wenig Gras, ehe ich ihm ein paar Beispiele aufzähle. „Du bist wie er. Immer besorgt um mich.“ Ich weiß nicht, aber der Vergleich mit ihm stört mich. Irgendwie gibt es mir aber auch ein sicheres Gefühl, alles richtig zu machen. „Er muss ein toller Freund gewesen sein, wenn er so drauf war,“ stelle ich fest. „Das war er.“ Darian blickt in den Himmel. „Ja.“ „Ja?“ „Ja, ich lerne für die Schule. Ja, ich esse regelmäßig. Ja, ich gebe ab und an raus. Und ich benutze sogar meine Pflegespülung.“ Ich muss lachen und rucke näher na ihn heran. „Ich vermisse dein Lachen immer noch.“ „Ich kann nicht lachen. Das wäre, als wäre alles wie immer. Aber das ist es nicht, wo er doch weg ist.“ Ich seufze. „Darian.“ Sanft blicke ich in seine blauen Augen. „Jamie hätte sicher nicht gewollt, dass du nicht mehr lachst.“ Nun ist er es, der seufzt. „Ich weiß.“ Ich wische ihm eine Träne von der Wange und sehe ihn an. Er blickt zurück und versteift sich plötzlich ein wenig, vielleicht, weil ich so nahe bin. Ich sollte weg rucken, aber ich kann nicht. Ich bin wie festgewachsen. Er ist so schön, stelle ich wieder einmal fest. Trotz seiner Tränen. Vielleicht sogar wegen seiner Tränen. Dennoch. Ich will ihn lachen sehen. „Levi?“, fragt er ein wenig unsicher, weil ich ihn nur ansehe und nichts mehr sage. Ich schüttle ein wenig den Kopf, um wieder klar zu kommen. In mir formt sich eine Idee, der ich nicht widerstehen kann. Ehe er etwas tun kann, stürze ich mich auf ihn, um ihn zu kitzeln. Eine gute Idee, wie sich zeigt. Schon alleine, weil es ein wenig von der Situation ablenkt. Vor allem aber, weil er endlich lacht. Und er ist so schön, wie er lacht. Es klingt wunderbar. „Hör auf,“ jappst er und windet sich in meinem Griff. Aber so schnell höre ich nicht auf. Dafür habe ich zu lange darauf gewartet, dafür ist die Situation viel zu schön. „Bitte,“ quiekt er. Ich muss wieder an Jamie denken. Er hat sich sicher in Darians Lachen verliebt. Jeder würde das. Ob er es auch genauso geschätzt hat, wie ich? Ganz sicher! Jamie war sicher der glücklichste Mensch auf Erden, einfach, weil er Darian an seiner Seite hatte. Irgendwann höre ich wieder auf und er ringt nach Luft und bleibt halb unter mir liegen, sieht mich an. „Jetzt hast du mich doch dazu gebracht,“ rügt er mich, lächelt aber dabei. Ich lächle ebenfalls und sehe ihn an. Das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, überkommt mich mit einem Mal. Zu erst verstehe ich nicht ganz, was das soll, aber dann formt sich ein Gedanke in mir und ehe ich etwas tun kann, rutscht mir etwas heraus: „Du bist so schön, wenn du lachst.“ Er blickt mich an, wird rot. Dann scheint ihm klar zu werden, was er hier tut. Sicher fühlt er sich jetzt schlecht. Wahrscheinlich denkt er, dass er Jamie gerade hintergeht. So sieht er jedenfalls aus, wenn ich seinen leidenden Gesichtsausdruck richtig deute. Er macht sich aus meinem Griff los und steht auf. „Ich… muss gehen.“ Und schon ist er weg und ich bleibe zurück und frage mich, was all das gerade zu bedeuten hatte. „Was ist los?“ Pascal sieht mich misstrauisch an. Ich glaube, dass ist das erste Mal, dass ich von mir aus vor seiner Wohnung aufgeschlagen bin. Und nicht nur das. Ich habe ungeduldig an der Tür gehämmert, bis er endlich aufgemacht hat. „Ich bin ein Idiot,“ stelle ich fest und er zieht die Brauen hoch. „Das fällt dir erst jetzt auf?“ Ich sehe ihn verzweifelt an und dann bricht es aus mir heraus. Leugnen hilft nichts mehr: „Ich habe mich verliebt!“ Pascal mustert mich von Kopf bis Fuß, als wenn ihm das Aufschluss geben könnte. „Und warum genau bist du deshalb ein Idiot?“ „In Darian,“ füge ich hinzu. „Oh!,“ macht er und dann faucht er mich an: „Du Idiot!“ Ich sehe ihn verzweifelt an. „Zwanzig Jahre lang stehst du auf Frauen. Und jetzt verliebst du dich ausgerechnet in Darian?“ „Ich kann doch nichts dafür… Es hat sich so ergeben…“ Ich bin echt kurz davor, hysterisch zu werden. „Was soll ich denn jetzt machen?“ „Schlag ihn dir aus den Kopf. Er ist ne Nummer zu groß für dich. Wahrscheinlich bildest du dir das Ganze eh nur ein. Du hast eben einen… ausgeprägten Helfersinn entwickelt, das wird alles sein.“ „Das glaube ich kaum,“ halte ich dagegen. „Weißt du,“ erläutere ich ihm die Situation dann, „Ich hasse Jamie dafür, dass er Darians Freund war. Und ich hasse ihn dafür, dass er ihn immer noch besitzt, obwohl er kein Recht mehr auf ihn hat… weil er verdammt noch mal tot ist.“ „Alter…“, Pascal schüttelt den Kopf, „Du musst mal mit dir selbst klar kommen.“ Er seufzt. „Warum ausgerechnet Darian?“ „Glaubst du, ich hab mir das ausgesucht?“ Er sieht mich an, dann lacht er los. „Was ist daran denn jetzt so lustig?“ „Du bist lustig. Du und dein Talent, dich in saublöde Situationen zu bringen.“ Er schmeißt sich fast weg, vor lachen und ich lasse ihn stehen. Er ruft mir ein ‚Sorry’ nach, aber ich winke ab. Was wollte ich überhaupt hier? Ist doch klar, dass ich diese Sache alleine ausbaden muss! Ich mache mich schnurstracks auf den Weg zu Darians Wohnung. Ich werde die Sache jetzt einfach hinter mich bringen und ihm über alles aufklären. Und dann soll er entscheiden, ob er mich will oder lieber weiter Jamie nachtrauert. Ich jedenfalls kann das so nicht mehr länger ertragen. Ich liebe ihn. Und deshalb will ich ihn. Für mich alleine. Ich kann ihn nicht länger mit Jamie teilen! Als ich das Wohnheim erreiche, sieht es irgendwie bedrohlich aus. Als würde es mich verschlingen, wenn ich es betrete. Aber dann soll es mich eben verschlingen. Hauptsache, Darian erfährt endlich die Wahrheit! Ich steige in den dritten Stock, schnell, verzichte sogar auf den Fahrstuhl. Als ich dann vor seine Türe stehe, merke ich, wie mich langsam der Mut verlässt. Ich will klopfen, aber meine Hand sinkt wieder herab. „Reiß dich zusammen!“, rüge ich mich selbst und klopfe an. Kurz darauf öffne er die Türe und sieht mich fragend an. Kapitel 5: I love you --------------------- “And if god takes me befor you, I just want you to know, I love you" Bless the Fall – With eyes wide shut - Darian - Ich hasse mich dafür, es vergessen zu haben. Wäre ich nur nicht mit Levi in den Park gegangen, dann hätte ich sicher daran gedacht. Gott, wie konnte ich das nur vergessen. Es tut mir so Leid, Jamie? Traurig blicke ich auf den Kalender, der mir entgegen schreit, dass heute unser zweiter Jahrestag ist. Ich wünschte, er wäre noch hier. Dann könnten wir richtig feiern, so wie letztes Jahr. So aber sitze ich jetzt auf dem Bett und bin zu aufgewühlt, um zu feiern oder sonst etwas zu tun. Ich habe aber auch keine Lust, zu feiern. Was soll ich denn feiern? Jamie ist tot. Wie könnte ich da überhaupt feiern? Und wie gesagt. Meine Gedanken drehen sich schnell im Kreis. Immer wieder kommt mir die Situation in Park ins Gedächtnis. Was ist da nur vorhin passiert? Was war das zwischen Levi und mir? Als es klopft, zucke ich zusammen Es könnte jeder sein. Vielleicht Svenja, die was ausleihen will… Aber irgendwie weiß ich genau, dass es Levi ist. Ich fühle es einfach. Ich überlege, ob ich überhaupt aufmachen soll, entschiede mich dann aber doch dafür. Fragend sehe ich ihn an, als ich die Türe aufgerissen habe. Plötzlich tut es mir unendlich leid, dass ich ihn einfach habe stehen lassen. „Tut mir Leid, dass ich einfach weggerannt bin,“ entschuldige ich mich deshalb, ehe er etwas sagen kann. „Schon gut,“ winkt er ab und tritt ein. Ich sehe ihn an. „Das war eine blöde Situation,“ gibt er zu und ich nicke. „Irgendwie… war mir das alles zu viel,“ stimmte ich zu. Aber wenigstens scheint er es zu verstehen. Und vielleicht können wir so was ja in Zukunft vermeiden, damit wieder alles ganz cool ist, zwischen uns… „Hör zu,“ meint er dann aber und sieht mich wild entschlossen an, dass ich fast ein wenig Angst kriege. Was ist denn jetzt los? „Ich denke, es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen.“ Es ist, als reißt er mir mit diesen Worten den Boden unter den Füßen weg. Als wenn mein Herz einen Moment aussetzt. „Warum denn nicht?“, meine ich und klinge reichlich hysterisch. Erst verliere ich Jamie… und jetzt will er mich auch noch verlassen? Das kann er doch nicht tun, ich brauche ihn doch! „Weil du noch nicht über Jamie hinweg bist,“ klärt er mich auf, „Und ich das so nicht mehr kann…“ Ich verstehe gar nichts mehr. „Levi?“, frage ich verwirrt. „Ich liebe dich!“ Ich höre mich aufkeuchen und reiße die Augen auf. Das darf nicht sein. Es darf nicht sein, dass er sich in mich verliebt hat. Es darf nicht sein, dass er mich zwischen ihm und Jamie wählen lässt. Und es darf nicht sein, dass sich ein kleiner Teil in mir wahnsinnig darüber freut, das zu hören. „Ich weiß nicht so genau, wie das passieren könnte und überhaupt… Aber irgendwie… bin ich einfach glücklich, wenn du glücklich bist,“ erklärt er mir. Erstaunt blicke ich ihn an. Er hat mir gerade seine Liebe gestanden. Er hat mir seine Liebe gestanden und ist im Begriff, mich nun zu verlassen. „Lass mich wissen, wenn du wieder offen für etwas Neues bist… dann werde ich um dich kämpfen.“ Er blickt mich entschlossen an. „Aber so lange du noch an Jamie hängst, habe ich keine Chance. Wie soll ich denn gegen jemanden kämpfen, der gar nicht mehr hier ist?“ Er sieht mich leidend an und ich wiederhole erneut seinen Namen: „Levi…“ „Man sieht sich…“ Dann lässt er mich stehen und ich starre ihm nach und weiß nicht, was ich tun soll. „Was soll das denn?“ Ich lasse mich von Jamie führen, der mir die Augen verbunden hat und einfach nicht mit der Sprache herausrücken möchte. „Weißt du nicht, was heute für ein Tag ist, Süßer?“, kichert er und ich habe ehrlich keine Ahnung. „Was… ist denn heute für ein Tag?“, frage ich, während er mich weiter über die Wiese führt. Ich gehe davon aus, dass es eine Wiese ist, weil sich unter meinen Füßen so anfühlt. Ich würde echt gerne wissen, was heute für ein Tag ist. Vielleicht verstehe ich dann, warum er mich nachts weckt, aus dem Bett zerrt und nur in Boxershorts auf die Wiese vor unserem Haus entführt. „Unser Jahrestag, Hase,“ haucht er in mein Ohr. Ich erschaudere und stöhne dann auf. „Das hab ich total vergessen.“ Er lacht. „Das dachte ich mir schon. Dabei ist dieser Tag so wahnsinnig wichtig. Ein Jahr lang bist du nun schon meines.“ Er bleibt stehen und schlingt die Arme um meinen Körper, küsst meinen Hals. „Ein Jahr, und ich bin noch immer so verrückt nach dir, wie am ersten Tag.“ Ich lächle und er löst meine Augenbinde. Ich öffne die Augen und staune nicht schlecht: Er hat eine Decke auf der Wiese ausgebreitet und Kerze aufgestellt. „Ich hab alles besorgt, was du gerne isst… Nur Bratnudeln nicht. Die wären bis jetzt kalt geworden.“ Ich strahle ihn an. „Oh Jamie, du bist…“ Er sieht mich fragend an und ich falle ihn um den Hals. „Danke, das ist so süß von dir.“ Er kichert und presst mich an sich. „Ich liebe dich, Darian.“ „Ich liebe dich auch,“ meine ich und könnte heulen vor Freude. Er weiß gar nicht, wie glücklich er mich gerade macht. Und wie glücklich mich das Gefühl macht, dass er mir jedes Mal aufs Neue gibt. Das Gefühl, sein wertvollster Schatz zu sein. Ich habe im Schlaf geheult. Das wird mir klar, als ich aufwache und das Kopfkissen nass vorfinde. Wie bin ich überhaupt in mein Bett gekommen? Ich weiß nur noch, wie Levi gegangen ist und ich in meinem Schmerz und meiner Verzweiflung fast ertrunken bin. Kann er sich vorstellen, was ich gerade durchmache? Kann er sich vorstellen, was da gerade in mir vorgeht? Was will er denn hören? Das ich ihn auch liebe? Das kann ich ihm nicht sagen. Ich weiß ja nicht mal, ob es so ist. Aber selbst wenn… könnte ich es ihm nicht sagen. Noch nicht. Weil… es da immer noch Jamie gibt! Aber er darf auch nicht denken, dass er mir gar nichts bedeutet. Er bedeutet mir etwas, seit ich ihn das erste Mal getroffen habe. Wie er mich da im Supermarkt gemustert hat, das hat mich richtig wütend gemacht. Und das war wundervoll. Weil es das erste Mal seit langem war, dass ich wieder etwas anderes, als diesen Schmerz und diese Trauer gefühlt habe. Deshalb bin ich dann auch jeden Tag in den Laden gegangen, statt einfach für die ganze Woche einzukaufen. Weil er mich jeden Tag auf neue auf die Palme gebracht hat. Und weil er mich so abgelenkt hat. Und weil er Gefühle in mir wachgerüttelt hat, die unter diesem großen Gefühl absoluten Verlustes vergraben waren. Levi war für mich schon bedeutungsvoll geworden, noch ehe er selbst überhaupt etwas davon geahnt hat. Und als wir uns dann angefreundet haben… kann er sich denn gar nicht vorstellen, wie sehr mir das geholfen hat? Endlich wieder jemanden zum reden. Jemanden, der mich versteht. Endlich Ablenkung und das Gefühl, langsam wieder ins Leben zu finden. Warum fordert er gleich Liebe? Reicht es ihm nicht, dass er der wichtigste Mensch in meinem Leben ist? Müde vergrabe ich mein Gesicht im Kissen und lassen Tränen freien Lauf. Versteht er denn gar nichts? Der Juni geht ins Lande, ohne dass Levi sich bei mir meldet. Ich bin oft versucht, einfach zu ihm zu gehen, an seine Türe zu klopfen und… keine Ahnung, und was. Ich will ihn einfach nur sehen. Aber gleichzeitig will ich das nicht, weil ich ihm nicht wehtun will. Deshalb gehe ich jetzt auch gleich nach der Schule einkaufen, nicht, wenn er Schicht hat. So muss ich war ständig diese komische Lora ertragen, aber wenigstens kann ich ihm so aus den Weg gehen. Ich respektiere seine Entscheidung, auch wenn ich sie weder verstehen noch gutheißen kann. Ob er mich vermisst? Oder war das alles am Ende nur leeres Geschwätz und er hat schon jemand Neues? Aber selbst wenn dem so wäre, würde ich ihm gerne noch so viel sagen. Dass ich dankbar bin, dass er mir zugehört hat. Dankbar, dass er mir geholfen hat. Dankbar, dass er mir zur Seite stand. Dankbar… das er sich in mich verliebt hat. Als ich vom Einkaufen nach Hause komme, blicke ich frustriert auf den Kalender. Heute ist der vierte Juli. Heute, vor drei Monaten ist es passiert. Drei Monate, aber es fühlt sich an, wie gestern. Und doch ist etwas anders. Ich gewöhne mich langsam an meine leere Wohnung. Und daran, dass ich am morgen alleine aufwache. Jetzt, wo er mich nicht mehr weckt, verschlafe ich oft, bin öfters zu spät. Am Anfang hat man es mir noch nachgesehen, aber mittlerweile kassiere ich deswegen wieder Strafarbeiten. Aber es ist mir egal. Sie können alle froh sein, dass ich überhaupt noch in der Schule auftauche. Jeder Tag ist eine Qual. Wenn ich die Treppen hochsteige und an ‚unsere’ Ecke komme, dann erwarte ich jedes Mal, dass ich einfach wieder in ihn hineinlaufe. Dass er mich auffängt und mir sagt: „Hey, da bin ich wieder. Hast du mich vermisst?“ Ich presse mir die Hände gegen den Mund, während ich nach Hause laufe. Ich will nicht schon wieder heulen. Ich habe das Gefühl, dass ich in den drei Monaten nichts anderes getan habe, als zu heulen. Aber ich vermisse ihn so. Oh Gott, ich vermisse ihn so. Wie konnte er mich nur alleine lassen, wo ich ihn doch so vermisse… „Wie konntest du das nur tun?“ Drei Tage später wache ich nachts auf, als ich einen Arm um mich spüre. Als ich mich verwirrt im Bett drehe, höre ich das vertraue Lachen, dass ich so vermisst habe. „Hallo, mein Engel.“ „Jamie?“, stoße ich atemlos hervor. Er lächelt mich an und streich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Widerspenstig, wie sie ist, fällt sie zurück. „Was machst du hier? Was… geht hier vor?“ „Ich wollte dich sehen,“ lächelt er und ich keuche auf. „Jamie…“ Ich krabble in seine Arme und sehe ihm ins Gesicht. „Du bist es wirklich, oder?“ „Natürlich bin ich es. Wer soll es denn sonst sein?“, lacht er. Ich beuge mich vor, um ihn zu küssen. Er schmeckt wie immer. Nach Pfefferminz und nach Jamie. „Wie geht es dir, mein Schatz?“ „Gut,“ würge ich hervor und heiße Tränen laufen über meine Wange. Ob er sich vorstellen kann, wie glücklich ich bin, ihn zu sehen? Er küsst meine Tränen weg. „Hör doch auf zu weinen, Schatz. Ich will nicht, dass du wegen mir weinst. Wo du doch so viel schöner bist, wenn du lachst.“ Ich presse mich an ihn. „Wie soll ich lachen, wenn du nicht mehr bei mir bist?“ „Aber ich bin doch bei dir,“ meint er und sein Finger stupst gegen die Stelle an meiner Brust, unter der mein Herz schlägt. „Hier drin. Und in deinen Gedanken.“ Er küsst meine Stirn. „Ohne dich ist alles so anders, so… leer.“ „Ich bin doch aber bei dir, Süßer. Ich passe auf dich auf, auch wenn du mich nicht sehen kannst.“ Ich schluchze auf. „Jamie…“ „Aber ich kann dich nicht mehr so für dich da sein, wie ich es gerne hätte… Du brauchst wen, der hier unten auf dich aufpasst und dir hilft, wieder zu leben.“ Ich kralle mich in sein Shirt. Es ist das gleiche Shirt, das er an dem Tag trug, als… es passiert ist. „Du magst Levi, oder?“, will er wissen und ich sehe ihn an. Sehe in sein hübsches Gesicht, dass ich so vermisst habe. „Aber ich liebe nur dich,“ versichere ich ihm. „Aber es ist okay, wenn du dich neu verliebst. In Levi.“ Ich schüttle den Kopf und die Tränen laufen ungehemmt über mein Gesicht. „Ich will aber nicht.“ „Darian. Ich werde nie wieder zurückkommen. Du kannst nicht auf mich warten.“ Ich schüttle den Kopf. „Aber ich kann nicht ohne dich leben!“ „Doch das kannst du. Ganz sicher. Und Levi… er wird gut zu dir sein. Er kann dich zum lachen bringen und dir alles geben, was ich jetzt nicht mehr kann…“ Ich schüttle den Kopf. „Ich kann doch nicht…“ „Doch, du kannst. Und du weißt es. Er bedeutet dir viel. Du musst es nur zulassen.“ Er lächelt mich an und küsst mich. „Ich will, dass du glücklich wirst. Und er ist es, der dich glücklich machen kann.“ Ich sehe ihn leidend an. „Ich liebe dich, Jamie.“ „Ich liebe dich auch, mein Schatz.“ Er löst sich von mir. „Geh nicht weg!“, bitte ich ihn. „Ach Darian, Schatz.“ Er küsst mich ein letztes Mal. „Ich bin doch gar nicht hier.“ Im nächsten Moment ist er verschwunden und ich reiße die Augen auf, sehe mich um. „Jamie?“ Aber das Bett ist leer. Er ist nicht hier. Ich hab das alles… nur geträumt. Das einzige, was echt ist, sind die Tränen. Ich wische sie weg. „Jamie… Oh Gott… Jamie…“ Am nächsten Tag stehe ich vor Levis Türe und klopfe ungeduldig dagegen. Warum macht er nicht auf? Ich hämmere noch einmal gegen das Holz und im nächsten Moment wird die Türe energisch aufgerissen. „Pascal! Ich hab dir gesagt, deine Party interessiert-“, ruft er genervt, ehe er mich erkennt und mitten im Satz abbricht. „Darian…“ „Ich will nicht, dass wir uns nicht mehr sehen. Das ist doch lächerlich,“ platzt es sofort aus mir heraus. Er sieht mich nur überrascht an. „Ohne dich ist alles so viel schlimmer. Nur mit dir… ist es schön. Weil… wenn du bei mir bist, fühle ich mich nicht mehr so alleine.“ Das klingt total doof. Aber es ist eben so. Ich sehe in an, aber er sagt nichts. Also sehe ich es als meine Pflicht an, weiter zu reden: „Vielleicht brauche ich noch ein wenig Zeit… Aber ich will, dass du jetzt schon um mich kämpfst, weil du mir nämlich ziemlich viel bedeutest und…“ Ich breche ab. Ganz langsam tritt er zu mir und nimmt mich in den Arm. „Im Ernst?“ „Im Ernst.“ Er sieht mich prüfend an, dann haucht er mir einen zarten Kuss auf die Lippen. Ich blicke in seine tollen braunen Augen und lächle. „Ich… Du… bedeutest mir wirklich… viel“ Ich weiß nicht so genau, wie ich es ausdrücken soll, aber er scheint auch so zu verstehen. Eng presst er mich an sich und flüstert mir ins Ohr: „Ich liebe dich.“ Irgendwann… so bin ich mir sicher, werde ich es ihm auch so sagen können. Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ohne daran zu denken, dass es doch eigentlich falsch ist. Und bis jetzt… reich es ihm aus. Und das zu wissen, das tut so unsagbar gut… Das kann er sich gar nicht vorstellen. Jamie hat Recht. Levi kann mir alles geben, was ich brauche. Warum nur habe ich das nicht eher sehen wollen? Epilog: You’re everything to me ------------------------------- “And never will I give up tryin, 'cause you're everything to me” From first to last – Emily Am nächsten Tag gehe ich das erste Mal zu Jamies Grab. Bisher war ich nie hier, weil ich Jamie als eine Art Konkurrent betrachtet habe – nicht ganz grundlos, wenn ich ehrlich sein darf. Nun aber ist alles anders. Darian ist jetzt tatsächlich mein Freund. Und ich weiß das wirklich zu schätzen und werde alles tun, um es ihm leicht zu machen, mich zu lieben. Trotz Jamie… Er hat mir von seinem Traum erzählt und das ist der Grund, warum ich jetzt hier bin. Obwohl es nur ein Traum war, habe ich irgendwie das Gefühl, dass Jamie das doch wirklich gesagt hat, wirklich so denkt… wo auch immer jetzt ist… oder so… Deshalb bin ich hier, weil ich es Jamie einfach schuldig bin. Die Ganze Zeit habe ich ihn als Feind empfunden, aber eigentlich sind wir uns gleich: Wir wollen nur, dass Darian glücklich ist. Und jetzt, wo Jamie diesen Job nicht mehr übernehmen kann, hat er ihn mir abgetreten. Und dafür danke ich ihm. Ich lege eine Blume auf sein Grab und blicke gen Himmel. „Weißt du eigentlich, wie glücklich du dich hast schätzen können, so einen wundervollen Freund wie Darian gehabt zu haben?“ Ja, doch. Ich bin mir sehr sicher, dass Jamie das genau weiß. „Keine Angst, Jamie. Ich werde auf ihn aufpassen und ihn glücklich machen, so wie du es getan hättest. Das verspreche ich dir.“ Dann wende ich mich ab. Es gibt nichts mehr zu sagen, aber es gibt ein Versprechen, dass ich gerade gemacht habe und das ich jetzt auch einhalten muss. Ich verlasse den Friedhof und lächle. Ich werde alles tun, um Darian jeden Tag lachen zu sehen. Und ich werde ihm beweisen, dass ich ihn genauso sehr liebe, wie Jamie es getan hat. Und ich bin mir sicher, dass er mich irgendwann genauso lieben wird, wie ich ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)