Die Sache mit der Hochzeit von Himi_und_Nami ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Der Versöhnungspudding hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Die beiden GazettE-Gitarristen hatten gemeinsam drei neue Stücke geschrieben. Aoi war überrascht und erleichtert. Der allmonatliche Anruf seiner großen Schwester kam überraschend, war aber so schön wie immer. »Und? Was gibt’s Neues, Ototo-chan?« Es war süß, wie sie ihn trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch so betitelte. Und noch schöner war es für ihn, weil es ihn nicht störte. Er war der kleine Bruder. Und er hatte es schon immer geliebt, das Nesthäkchen zu sein. Bei seiner Mutter und seiner Schwester hatte das immer Verwöhnung und Verhätschelung bedeutet – nicht so bei den männlichen Mitgliedern der Familie ... »Na ja ... Kouyou hat sich verlobt – und wird wohl Vater werden«, erzählte er ihr, während er versuchte, einen guten Film für den heutigen Abend in der Fernsehzeitung zu finden. Da war er wohl doch noch altmodisch, obwohl er sich gern mit Schnickschnack schmückte. »Was? Kou-chan?« Sie begann zu kichern. »Ich wusste gar nicht, dass er weiß, wie das geht!« »Das ist unfair, Mya«, verteidigte Aoi seinen alten Freund. »Meinst du nicht, das ist ihm gegenüber etwas fies?« »Etwas? Das ist ganz schön fies ... aber du weißt ja, dass ich das nicht böse meine. Richte ihm und seiner Verlobten die besten Glückwünsche aus. Und hoffentlich wird das Kleine gesund auf die Welt kommen.« »Ganz bestimmt, is’ doch ein guter Gen-Cocktail bei den Beiden.« Er seufzte, als er die Zeitung zur Seite legte und sich die Augen rieb. »Du hörst dich müde an. Hattest du einen langen Tag?« »Schon, aber er war ertragreich. Wir haben einiges geschafft, allerdings ...« »Was denn?« »Was haben deine Freundinnen gemacht, als du dich verlobt hast?« »Uff ... ähm ... sie haben mir unanständige Dinge geschenkt. Kleine Sachen für die Zeit, wenn ich alleine bin und Nowaki unterwegs ist.« Myaka blieb nach diesem Satz still, als würde sie auf ein erschrockenes Keuchen oder einen Ausdruck purer Empörung warten. Doch es kam nichts. »Yuu?« »Das können vielleicht Tomoko-chans Freundinnen übernehmen – auch wenn das vielleicht nicht mehr allzu lang nötig sein dürfte«, fügte er leise hinzu, so für sich selbst, sprach aber gleich weiter, um seine Schwester daran zu hindern, über seine unbedachten Worte nachzudenken. »Ich möchte ihnen Beiden etwas schenken, etwas, das sie nicht so schnell vergessen werden.« Ein Schluck aus seiner Fantaflasche füllte die Pause. »Womit kann ich ihnen eine Freude machen und ihnen zeigen, dass ich mich für sie freue?« »Was mag sie besonders gern? Und was ist sein größter Wunsch, den nur du erfüllen kannst?« Nur ich? Aois Stirn kräuselte sich. Ein Wunsch, den nur ich erfüllen kann? Schnell schüttelte er den Kopf. »Sie ist China-Fan – sie trägt so gern chinesische Mode.« »Kannst du denn etwas tun, um sie zum Lächeln zu bringen?« »Ich denke schon – und außerdem kann ich ja mal mit ihr reden ...« »Wow ... Yuu-chan ... das klingt ja richtig erwachsen!« Sie lachte auf und Aoi sah in Gedanken ihre lächelnden Lippen vor sich. »Wie lange sind die beiden denn schon zusammen?« »Seit Weihnachten letzten Jahres.« »Also schon ne ganze Weile. Das ist doch schon lange für euch, oder? Ich meine, es ist hart, wenn ihr Lebensgefährtinnen außerhalb der Branche habt.« »War es schon immer. Aber sie bemüht sich, oft auf Konzerten dabei zu sein – holt ihn von der Arbeit ab und so was ...« »Das ist süß. Dann könnt ihr ja bald kleine Kopfhörer für das Würmchen besorgen, damit es keinen Hörschaden bekommt.« »Kopfhörer? Du meinst, wenn es im Backstagebereich dabei ist?« »Richtig. Wäre das nicht niedlich? Also natürlich nicht in den ersten Monaten, aber mit einem Jahr oder so kann man das Kind ab und zu mitnehmen ... Du bist so still – hast du nie darüber nachgedacht, dein Musikerdasein mit der Familie zu verbinden?« Und das war der Moment, in dem Aoi ein Licht aufging. Plötzlich hatte er Kraft und Inspiration. Er stand auf und ging in sein Arbeitszimmer. »Daran hab ich tatsächlich noch nicht gedacht – aber Kouyou auch nicht!« Schnell war der zweite Rechner angeworfen, auf dem keine wichtigen, bandinternen Dateien waren, den man aber ans Internet anschließen konnte. »Mya, bist du mir böse, wenn wir unser Gespräch verschieben? Mir ist gerade eine Idee gekommen, die ich nicht aufschieben kann.« »Nein, kein Problem. Du gibst mir aber Bescheid, wenn etwas entstanden ist, ja? Und bestell Kou-chan meine besten Glückwünsche.« »Richte ich aus. Küss Aoi von mir und umarme Nowaki-san.« Sie kicherte. »Hoffentlich verwechsle ich das nicht! Arbeite nicht mehr zu lang und schlaf dann schön!« »Mach ich. Bis dann!« Aoi legte auf und begann auf seiner Tastatur herum zu tippen, während sich ganz langsam ein immer breiteres Strahlen auf seinem Gesicht entwickelte. ~~~ Freitagabend hatte Aoi mit Kais Erlaubnis die Proben früher verlassen dürfen – angeblich, um rechtzeitig nach Mie nach Hause zu kommen, weil dort seine Verwandten warteten. Aber Aoi ging woanders hin. Er war nervös und aufgeregt, weil er so etwas noch nie getan hatte. Und auch voller Hoffnung, dass alles nach Plan lief. Er klingelte an der Wohnungstür; im Foyer war er problemlos am Pförtner vorbeigekommen, weil sie sich bereits seit ein paar Jahren kannten. Sekunden später öffnete sich die Tür und vor ihm stand Tomoko, in Shorts und T-Shirt mit hochgesteckten und trotzdem chinesisch-anmutenden Haaren. »Shi-shiroyama-san?« Sie trat durch die Wohnungstür und spähte auf den Flur. »Ist etwas passiert? Wo ist Kouyou?« »Nichts ist passiert, alles in Ordnung ...« Sie dachte doch wirklich, es müsste etwas Schlimmes passieren, dass er alleine auftauchte. »Ich-ich wollte nur ... Darf ich hereinkommen, Tomoko-chan?« »Ja ... natürlich.« Sie trat zur Seite und machte eine einladende Bewegung in Richtung Wohnungsflur. Seit ein paar Wochen lebten sie zusammen in der für japanische Verhältnisse großen Wohnung mit drei Zimmern, einer Küche und einem Duschbad. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Happen zu essen?« »Nein, danke, ich brauche nichts. Ich störe, oder?« »Aber nicht doch!« Sie begann zu kichern. »Wenn es Sie nicht stört, dass ich nebenbei das Badezimmer saubermache?« »Ähm ... ich glaube nicht.« Aoi folgte ihr in den kleinen gekachelten Raum, wo die junge Frau sich sogleich auf den Boden kniete und die Duschwanne zu putzen begann. Der Gitarrist fühlte sich unwohl und begab sich auch auf die Knie. »Tomoko-chan, ich ...« »Es freut mich, dass es Ihnen besser geht«, flüsterte sie gegen die Kacheln. »Kouyou hat mir erzählt, dass Sie krank waren.« »Ja, das stimmt, wohl eine Magenverstimmung.« Er räusperte sich und gewann so tatsächlich Tomokos Aufmerksamkeit. Ihre dunkelbraunen Augen betrachteten ihn wie einen Unbekannten. Er war ihr unbekannt. Und das galt es zu ändern. »Ich möchte, dass wir vertrauter miteinander werden.« Sie blinzelte und legte den Putzlappen zurück in den Eimer. »Wie meinen Sie das?« »Es fängt mit dem Siezen an.« Er lächelte und schloss für einen Moment die Augen. Als er sie wieder ansah, bemerkte er das Zucken ihrer Mundwinkel. »Da Sie mit Kouyou ...« Was? Ein Kind gezeugt haben? Aus unserem Leben verschwinden wollen? »... eine so liebevolle und, wie ich meine, auch lang anhaltende Beziehung führen wollen ... was ich sagen will, weil Sie Kouyou heiraten, möchte ich, dass wir Freunde werden.« Er rückte ihr etwas näher, obwohl er befürchtete, ihr damit zu nahe zu treten. »Ich möchte zu Besuch kommen dürfen – « »Aber Sie dürfen doch -!« »Schsch!« Aoi legte sich einen Finger auf die vollen Lippen und lächelte dabei sanft. »Ich möchte bei euch Dreien zu Besuch kommen dürfen.« Tomokos Reaktion war unerwartet. Ihr Lächeln widersprach den Tränen in ihren Augen, aber als sie in seinen Armen lag und sich bedankte, wusste er, dass alles gut werden würde. Auf die eine oder andere Art. ~~~ Etwa eine Woche später wachte Uruha auf und war überrascht, dass er alleine im Bett lag. »Tomo?« Er rieb sich die Augen und setzte sich auf. Die Schlafzimmertür stand sperrangelweit offen und auch die Badezimmertür war geöffnet. Er lächelte weich, stand auf und folgte dem seufzenden Geräusch seiner Verklebten, wie er sie liebevoll nannte. »Guten Morgen, mein Schatz«, flüsterte er und sie hob den Kopf, um ihn anzusehen. Ein schwaches Lächeln zierte ihre Lippen. »Morgen ... der kleine Wurm meinte mich aus dem Bett schmeißen zu müssen.« »Ich hab gehört, manche Frauen werden davon verschont.« Er strich ihr die Haare aus der Stirn und hinters Ohr, dann kraulte er ihr den Nacken und Tomoko schloss genießend die Augen. »Mich hat’s nun mal erwischt ... das heißt aber auch, dass alles gut geht, glaube ich.« »Natürlich.« Sie schmollte, weil er jetzt ihre Lippen küsste. »Mach mir doch erst mal Kaffee!« »Sehr wohl, Madame«, sagte er und begab sich in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Ein paar Minuten später folgte sie ihm und sah Dank ihrer Fünf-Minuten-Schminkkünste so aus, als hätte sie nicht eine halbe Stunde lang der Toilettengöttin gehuldigt. »Sag ... Hast du heute Abend schon etwas vor?« Ihr Augenaufschlag lenkte ihn von ihren nackten Beinen ab, die unter seinem T-Shirt hervorlugten, das ihr natürlich zu groß war. »Wenn du so guckst, habe ich nur einen Gedanken für heute Abend ...« Uruha näherte sich ihr, doch sie hob die Hände und grinste. »Gut zu wissen, dass du keine Skrupel hast, mit einer schwangeren Frau zu schlafen, aber das war es nicht, woran ich gedacht habe. Da wartet ein Tisch auf uns in unserem Lieblingsrestaurant ...« »Zum Buffet?« »Japp, so ist es gedacht. Was hältst du davon?« »Finde ich gut. Das wird bestimmt wieder lecker.« Schon rieb er sich den Bauch und schmatzte laut, ehe er ihr den Stuhl hervorzog, damit sie sich setzte. In einer ruhigen Minute schrieb sie eine SMS. >Köder ausgelegt. Fuchs wartet auf Beute in der zuschnappenden Falle.< ~~~ Warum bitte sollte er sich halb legère, halb fein ankleiden? Das war schon etwas merkwürdig ... aber vielleicht wollte sie ihn einfach als ihren geschmeidigen Rocker neben sich wissen. Als sie zum Sonnenuntergang zu ihrem Lieblingsrestaurant fuhren, klopfte Uruha seiner Liebsten auf die Schulter, denn schon aus dem Auto heraus sah er die vielen Leute im dezent beleuchteten Restaurant. Wenn Tomoko keinen Tisch reserviert hätte, würden sie wahrscheinlich doch wieder nach Hause fahren oder dem Schnellimbiss einen Besuch abstatten. Nachdem sie endlich einen Parkplatz gefunden hatten, schlenderten sie Hand in Hand zum Eingang, wo Uruha zum ersten Mal stutzte, denn er glaubte, das Profil eines Freundes gesehen zu haben, dessen Nase doch oft geplättet wirkte. Doch er schüttelte den Kopf über diesen Gedanken. Reita konnte nicht hier sein – selbst wenn, wäre es doch ein schöner Zufall, denn Reita mochte das gemüsereiche chinesische Essen nicht. Sie kamen herein, wurden begrüßt und erstarrten. Der Grund ihres Innehaltens war ein Altar mit Räucherstäbchen und einem Schwarzweißbild mit schwarzen Band an der ... oberen Ecke. Uruha glaubte den Boden unter den Füßen zu verlieren und biss sich auf die Unterlippe. »Isshi ...« Was war das hier? Ein schlechter Scherz? Tomoko stupste ihn an. »Kouyou ... Es ist hart, aber ... schau bitte hier hin«, flüsterte sie im sanften Ton und deutete neben ihn, wo ebenfalls ein Altar stand, allerdings war dieser nicht für die Trauer geschmückt. Viele kleine Geschenke standen auf der unteren Stufe. Weiße, rosé- und lavendelfarbene Kerzen umrandeten den Bilderrahmen in der Mitte. Auf diesem Bild war ein junger Mann mit kurzen honigfarbenem Haar und glänzenden Augen abgebildet, dessen Arme sich von hinten um eine junge Frau mit dunkelbraunen Zöpfen und strahlendem Lächeln schlangen. Es war ihr erstes gemeinsames Bild, das geschossen worden war, nachdem sie zusammengekommen waren. Nach dem Neujahrsfest, dass sie zusammen besucht hatten. An diesem Tag hatte Uruha seinen Freunden das Mädchen vorgestellt, das er liebte. Jetzt brauchte er einige Sekunden, bis er begriff, was über dem Bild auf einem Schriftband stand. »Wir wünschen euch alles Liebe für eure Ehe.« Die männliche Stimme mit dem grinsenden Unterton ließ ihn aufhorchen und langsam die Worte begreifen. Mit großen Augen drehte er sich so weit, bis er den Mann sah, der ihm noch zwei Wochen zuvor solchen Kummer beschert hatte. Dessen fast schwarze Augen funkelten und sein blondiertes Deckhaar leuchtete rötlich im schummrigen Licht. »Ich habe dir doch eine Party versprochen.« »Es ist so schön geworden, Yuu!« Tomoko umarmte Aoi wie einen alten Freund. »Obwohl Kouyou durch den Altar für Isshi-san fast in Ohnmacht gefallen wäre. Aber es ist eine wundervolle Geste!«, flüsterte sie ihm zu und küsste ihn auf die Wange. Danach verbeugte sie sich vor den restlichen Gazettos, woraufhin Reita sie zur Seite nahm, um sie – wie Uruha erst jetzt feststellte – der versammelten PSC mit ihren Bandmitgliedern und Managern vorzustellen. Aoi grinste noch immer und tätschelte kurz seine Schulter, bevor er sich zum Restaurantleiter umdrehte, der sich wohl heute noch mehr als sonst bemühte eine gute Arbeit zu leisten. »Du hast eine lange Nacht vor dir«, meinte Kai plötzlich und sah hinüber zu Reita und Tomoko, die gerade ScreW gegenüberstanden. »Sie wird sich nie und nimmer alle Namen auf ein Mal merken können.« »Damit muss ich wohl leben«, seufzte Uruha und strahlte, gleichzeitig versuchte er auch die Tränen der Freude zu unterdrücken. »Die Hauptsache ist doch, dass sie ihren zukünftigen Namen kennt. Nichts anderes zählt momentan.« »Oh, diese Verliebten«, säuselte Ruki und grinste ebenso wie Aoi. »Wir müssen Aoi daran erinnern, nachher die Altäre kurz abzudecken, wenn die Eltern kommen.« »Ja, stimmt«, sagte Kai und kräuselte die Lippen, weil das die Information war, die nicht an Uruha weitergehen sollte, bevor die Eltern kämen. »Mist«, kommentierte er seinen Versprecher und schlug sanft mit der flachen Hand auf Rukis Kopf. »Du wieder!« »Ja, ja, gib ruhig mir die Schuld!« »Unsere ... unsere Eltern kommen auch noch?« Jetzt wurde ihm richtig schlecht. »Wann?« Ruki sah auf seine Armbanduhr und überlegte. »Wir haben jetzt kurz nach Sieben ... eingeladen sind sie für um Neun.« Er guckte lieb unterm Pony hervor. »Angeblich hat dein Papa das Meckern angefangen, dass man doch nach sechs Uhr nicht mehr essen soll. Ist er so schlimm?« »Noch schlimmer. Wenns nach ihm ginge, würde alle Welt die letzte Mahlzeit am Tag um Fünf einnehmen und um Acht im Bett liegen. Unter anderen Umständen würde ich sagen, er schläft am Tisch ein, aber ... bei der Gesellschaft ...« Wie um seine Worte zu unterstreichen, kam von hinten ein Grölen; wahrscheinlich hatte irgendjemand in Tomokos Gegenwart einen schmutzigen Witz gerissen, denn Uruha hörte ihr höfliches Kichern. »Er wird wahrscheinlich bis morgen Mittag kein Auge zu tun.« »Hab keine Angst, sie müssen heute nicht mehr nach Hause fahren. Sie sind im Hotel nebenan untergebracht. Beide Elternpaare, natürlich. Auf Verdacht auf einem Stockwerk, aber nicht direkt nebeneinander, falls sie sich nicht leiden können.« Uruha nickte. Da wurde anscheinend mitgedacht. »Ich hoffe, sie verstehen sich.« »Ich hab die Statistik befragt«, meinte Ruki. »Meistens verbünden sich die Mütter untereinander, selbiges die Väter, also mach dir nicht zu viele Gedanken.« »Weiß Tomoko das auch schon? Dass unsere Eltern kommen?« »Sie hat immer wieder nachgefragt«, klinkte sich Aoi wieder ins Gespräch ein und lächelte weiterhin. »Also wahrscheinlich ahnt sie es. Sie freut sich so auf die Hochzeit und hat sich nicht getraut, ohne dich vorher zu fragen, zum Beispiel ihrer Mutter davon zu erzählen. Ich hoffe, du bist nicht böse, weil ich sie eingeladen habe.« »Nein, wirklich nicht.« Doch Uruha seufzte. »Wir müssen es ihnen ja sagen ... es kommt jetzt nur etwas überraschend, dass es heute passieren soll. Aber das ist schließlich der Sinn einer Überraschungsparty, nicht wahr?« »Richtig!« Ruki kicherte und sah sich um. Die dunklen Vertäfelungen im Restaurant waren aufgelockert durch weiße und pastellfarbene Stoffbahnen, die Tische erleuchtet mit den gleichen Kerzen wie der Verlobungsaltar. »Du hast das irgendwie richtig gut hinbekommen, Aoi ... Ich weiß zwar nicht wie, aber es sieht hübsch aus.« »Hübsch?« Aoi zog eine Augenbraue in die Höhe. »Gibt es noch ne Steigerungsform davon oder war’s das dann schon?« »Ich finde, hübsch ist angemessen«, wiegelte der Sänger die Situation ab. »Wenn du es für mich gemacht hättest, hätte ich es mir ... peppiger und edler gewünscht.« »Ach, du heiratest auch? Wusste ich gar nicht.« Aoi besah sein Werk und freute sich, als er Tomoko zusammen mit Reita hinten bei den Bands sitzen entdeckte, weil die meisten Bandmitglieder das Weibchen in ihrer Runde wahrscheinlich schon ins Herz geschlossen hatten. Tomoko saß in ihrer Mitte und machte einen durchaus glücklichen Eindruck. Dass sie Dank Mutter Natur so strahlte, konnte ja niemand ahnen. »Erinnere mich an deine Wünsche, wenn du heiratest, Ruki. Obwohl ... müsste die Planung dann nicht Reita übernehmen?« »Na toll!«, warf Kai absolut unamüsiert ein. »Und wer kümmert sich um meine Feierlichkeiten?« »Keine Sorge, Kai-chan ...« Aoi setzte seinen Aufreißerton auf, legte einen seiner Arme um Kais Schulter und grinste breit. »Ich hab genug für Zwei von euch zu bieten.« Der junge Drummer versuchte ein Grinsen zu unterdrücken, während sich seine Nase rümpfte und er Aois Hand wie eine erschlagene Fliege mit spitzen Fingern von seiner Schulter hob. »Aha ... ist klar, großer Pasutasu ...« Der ältere Gitarrist grinste und schickte Ruki zusammen mit Kai los, um Tomoko zu bespaßen. Er bemerkte Uruhas abwesenden Blick, der auf Isshis Bild gerichtet war, auch die hilflos aufeinander gepressten Lippen entgingen ihm nicht. »Er hätte es sicher toll gefunden, dich zusammen mit deiner Braut bei der Hochzeitszeremonie zu sehen.« Uruha blinzelte und sah nun endlich in Aois Augen. »Danke. Nach diesen schrecklichen Monaten wird es doch Zeit, etwas Schönes zu verkünden, oder?« »Glaubst du etwa, ihr dürft nicht glücklich sein?« »Na ja ...« Sein Blick wanderte wieder zum Gedenkaltar. Dass er an die Opfer des Tsunami und der damit zusammenhängenden Atomkatastrophe dachte, musste Aoi nicht erraten, denn er wusste es. »Kouyou ... ich ... Wir alle wünschen uns Gründe zum Freuen. Und eine Hochzeit in der PSC ist doch der beste Grund, den wir uns erträumen könnten. Ganz abgesehen von eurem kleinen Geheimnis.« Er zwinkerte dem Größeren zu und drückte ihn an der Schulter. Die Umarmung, die folgte, war für Aoi wie Balsam für die Seele nach dem Planungsstress der vergangenen Woche sowie Belohnung für die erlittenen Strapazen. Dass er mehr als das wollte, konnte er sich kaum selbst geschweige denn Uruha eingestehen. Doch er genoss die Berührung, wenngleich er sich wünschte, sie hätten nicht so viele Leute um sich herum. »Danke, Yuu ... ich habe nicht damit gerechnet, dass du so etwas auf die Beine stellst! Ich bin so froh, dass du mir wirklich nicht mehr böse bist und auch Tomoko an meiner Seite akzeptierst!« »Mach dir keine Sorgen mehr darum! Wir kriegen das alles hin ...« Als Familie, fügte er in Gedanken hinzu, aber das wollte er Uruha noch nicht wissen lassen. »Möchtest du nicht deiner Frau beim Kennenlernen deiner Kollegen zur Seite stehen?« Auf sein Nicken hin schlängelten sie sich am Buffet vorbei, das immer wieder fleißig aufgefüllt und ebenso reich besucht wurde. Es war ein wirklich einmaliger Anblick, wie die verschiedenen Musiker in privater Kluft in der Reihe standen und sich ihre Teller befüllten. Besonders, da sich ScreW und auch SuG vor den warmen Schüsseln drängelten, weil dort irgendetwas ganz Leckeres zu warten schien. »Danke übrigens für die Firstpress-CD von Toxic!«, rief Tora gerade den Gazettos zu, als sie ankamen. Und prompt war Uruha wieder bei seiner Verlobten, berührte ihre Schulter, sie griff nach seiner Hand und lächelte ihn an. »Besonders bei Track elf hab ich mir gedacht ...« Er wartete extra, damit ihm alle ihre Aufmerksamkeit schenkten. »Reita braucht unbedingt Englisch-Unterricht!« »Warum das denn?« Angesprochener blinzelte niedlich. »Ich kann mir das im Aufnahmeraum richtig vorstellen!« Tora schloss die Augen und hielt tastend wie ein Blinder die Hand nach vorne. »Play of Psychopaths! – Und dann: Oh Reita, du hast schon wieder Psychobass gesagt! – Hab ich gar nicht. Psychobass! – Ja, da schon wieder! Psychobass!« »Das stimmt doch gar nicht!«, protestierte Reita kleinlaut und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist doch nicht böse gemeint«, äußerte sich Hiroto und legte sein Handy zur Seite. »Tora meint, das sei niedlich!« »Oh ja!« Der GazettE-Bassist verdrehte die Augen. »Endlich habe ich es geschafft, mein jahrelanges Ziel ist endlich erreicht ... ich wollte schon immer niedlich sein ...« »Das wissen wir doch, Reita«, schaltete sich Aoi ein und versuchte wieder woanders hinzusehen als auf das Paar des Abends. »Deswegen lassen wir dich demnächst die Frauenparts bei Filth in the beauty singen.« »Ja, danke, Aoi ... darauf habe ich auch schon-« »OH MEIN GOTT!« Es war Rukis Stöhnen, das alle aus ihrem Gespräch riss. Alle Augen waren nun auf den Sänger gerichtet, der mit Messer und Gabel bewaffnet am Tisch saß, neben ihm ein grinsender Takeru, der seinen Teller wieder an sich zog, auf dem ein kleines angeschnittenes Teigtäschchen lag. »Das ist pervers ...« »Er hat ja so Recht«, schmatzte Takeru und leckte sich die Lippen, um kurz darauf schwingenden Schrittes zu verschwinden. »Was war das?«, erkundigte sich Kai und blickte dem SuG-Sänger nach. »Ruki, was ...?« »Probier das ja nicht!«, rief Ruki aus und räkelte sich wie eine Katze im Kaminschein vor Wonnegefühl. »Das schmeckt gar nicht, Kai, wirklich!« Er lachte – und alle anderen Musiker guckten verdutzt. »Du hast doch gar keinen Sinn für Geschmack mehr«, murmelte Reita und schnappte sich das von Sagas Teller, das so aussah wie das frittierte Etwas von Takeru, hielt es zwischen zwei Fingern und knautschte es leicht. »Weich ist es ... und es riecht auch gut ...« »Warum soll ich das dann nicht probieren?«, erkundigte sich Kai und starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen zu Ruki hinüber. »Du verträgst solche Geschmacksorgasmen gar nicht!« »Geschmacksorgasmen?« Tomoko begann zu kichern und ihr Verlobter war sich augenscheinlich nicht sicher, ob das aus Höflichkeit geschah oder ob sie tatsächlich aufgrund der Worterfindung amüsiert war. »Ruki-san, darf ich denn probieren?«, fragte sie und deutete auf das Gebäck in Reitas Hand. »Hm ...« Ruki hob den Finger an seine Lippen und tippte darauf. Dann blitzten seine Augen spitzbübisch. »Nur, wenn du mir ein Geheimnis verrätst ...« Sie grinste. »Welches?« Der Ältere winkte sie zu sich heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Uruha wechselte nervös von einem Bein aufs andere, Aoi tippte ihm auf die Schulter und lächelte, um ihn zu beruhigen. »Er beißt sie nicht ... und er kennt seine Grenzen!« Tomoko grinste weiterhin und schloss kurz die Augen, bevor sie sich ihrerseits an Rukis Ohr wandte, um ihm etwas einzuflüstern. Anscheinend war er mit ihrer Antwort zufrieden, denn er lächelte und schnippte mit den Fingern, damit Reita wie ein Diener zu ihnen kam und Tomoko das Stückchen in die Hand legte. Sie drückte es ebenfalls vorsichtig und ihr Gesicht hellte sich auf. Sie biss hinein und hatte anscheinend schon vorher gewusst, womit sie es zu tun hatte. »Was war es denn nun?«, wollte Kai endlich wissen. »Frittierte Schokocreme-Kekse.« Die Verlobte strahlte und sah zu ihrem Verlobten hinüber. »Das schmeckte gerade noch besser als vorher!« »Vorher?« Uruha hob die Augenbrauen und überlegte tatsächlich, wovon sie sprach. Ihre glänzenden Augen ließen Aoi sofort wissen, was sie meinte, woraufhin er seinem Gitarrenpartner in die Seite stieß und die Lippen schürzte. »Ach ... vorher!« Jetzt glänzten auch Uruhas Augen. »Vorher?«, wiederholten jetzt die umstehenden Künstler, mitsamt den Gästen, die noch niemand wirklich wahrgenommen hatte. »Na ja ...« Uruha wurde verlegen, doch Tomoko strahlte weiterhin, auch als sie die vier Neuankömmlinge entdeckte und ihnen unauffällig zunickte. »Das ist die perfekte Überleitung, Tomoko!« Aoi grinste und griff unter die Sitzbank, wo er eine größere Reisetasche hervorholte, die er öffnete und ein kleines, weißes Kleidungsstück in die Höhe hielt. Die Gazettos lächelten und klatschten in die Hände, alle anderen Musiker starrten den Stoff an, den Aoi dort in den Händen hielt. »Das ist doch ...« »Nicht wahr! Unser Uruha-chan wird Papa!« Der werdende Papa und seine Freunde zuckten zusammen, als sie die Stimme hörten. Langsam drehten sie sich um, ihnen blieb der Atem weg. Dort stand Akiya zusammen mit den drei anderen Kaggra,-Members und lächelte weich. »Danke für die Einladung, Aoi-chan«, sagte er und verbeugte sich höflich und synchron mit den anderen. »Wir ... haben uns auch sehr über die Anteilnahme gefreut«, fügte er leise hinzu und ließ die Schultern sinken. Es war nicht zu übersehen, dass ihnen allen Isshis Altar sehr nahe gegangen war. Nao presste die Lippen aufeinander und schluckte schwer, doch er überwand sich. »Jetzt guckt doch nicht so bedröppelt, Leute! Wir haben schließlich etwas zu feiern! Die PSC bekommt doch nicht jeden Tag Nachwuchs!« »Also stimmt es?«, rief Keiyuu aus und begutachtete den Body in Aois Händen, weiß und mit kleinen mit lächelnden Sternen besetzt. »Uruha-kun wird Papa?« Tomoko begann zu grinsen und nickte, als plötzlich alle Blicke auf ihr und ihrem Verlobten lagen. Und Aoi legte weitere Bodys auf den Tischen ab, verschieden in Farbe und Größe und Design. Auf einem stand in Gazetto-Manier: ‚Little Baby-Rockstar’. Izumi und auch Shin kamen zusammen mit den beiden anderen näher an die restlichen PSC-Members heran und begrüßten erst die werdende Mama und den Papa, ehe sie von ihren alten Arbeitskollegen empfangen wurden. »Ich hatte mit allem gerechnet – oder mit jedem – aber du, Uruha-kun, ausgerechnet du wirst als Erster Vater!« »Hey Jungs!« Tomoko blies die Wangen auf. »Immer wenn ich das höre, glaube ich, ihr zweifelt an seiner Männlichkeit!«, lachte sie und schlug mit dem Handrücken gegen seinen Bauch, woraufhin Uruha zuckte und die Nase rümpfte. »Er ist gar nicht so weich, wie ihr denkt! Glaubt mir ruhig, wenn ihr wüsstet, was – « Eine große Hand schob sich über ihre Lippen. »Schatz, meine Kollegen müssen nicht alles über uns wissen.« »Glaub ihm kein Wort, was er über uns erzählt hat!«, maulte Saga los. »Wir sind gar nicht so schlimm, wie man denken könnte!« »Stimmt«, pflichtete Shou bei. Hiroto äffte ihn in seiner Haltung mit den verschränkten Armen und geschlossenen Augen nach, während der weiße Kleinspitz Mogu auf seinem Schoß umhertollte. »Wir sind viel schlimmer!« Die Frau in der Männerrunde begann zu kichern und stemmte ihre Hände im Sitzen in die Taille. »Das kann ich mir durchaus vorstellen, dass ihr noch schlimmer seid ... wenn man kein eigenes Sex-Leben hat, ist das schon dramatisch ...« Alle, ausnahmslos alle, bedachten sie nun mit großen Augen. Allerdings grinsten einige und andere schienen wahrlich geschockt zu sein. Aoi war es, der schließlich eine tatsächliche Reaktion zeigte: Er senkte den Kopf, griff sich ans Herz und fiel zurück auf seinen Stuhl. »Oh Schmerz ... Tomo-chan, du hast uns enttarnt!« Sie lächelte und tätschelte Aois Knie. »Besonders du, Yuu, wirst nicht mehr lange brauchen, um Jemanden für dein Herz zu finden. So liebevoll, wie du dich um mich und auch um Kouyou kümmerst, glaube ich gar nicht daran, dass es niemanden gibt, der dich wahrhaftig liebt.« Aoi errötete und öffnete die Augen, um sie gleich darauf wieder zu schließen. Uruhas warmherziger Blick schien ihm allen Mut zu rauben. Nein, er war nicht verliebt in ihn! Und schon gar nicht umgekehrt. Uruha war ihm dankbar und er war erleichtert, dass er gelernt hatte, mit der Situation umzugehen, aber mehr war da nicht – und mehr wollte Aoi auch nicht! Er räusperte sich. »Danke, Tomo-chan, das ist wirklich lieb von dir.« »Aoi-kun ist tatsächlich sehr lieb«, sagte Takeru und klang ganz überrascht. »Du hast das selbst gemacht, oder?«, fragte er und zeigte auf die Schrift des Baby-Rockstar-Bodys. »Alle«, antwortete er und lächelte genant. Ein erstauntes ‚Awww’ ging durch den Raum und alle stürzten sich auf die Bodys, auch Tomoko, die jetzt noch mehr zu Tränen gerührt war als zuvor, während Uruha bei Aoi stehen blieb und sie sich in die Augen sahen. »Yuu ...« »Kouyou.« Aoi atmete tief ein und hielt die Luft an. »Das ist dein: ‚Bleib bei uns’, richtig?« Nein, es ist mein: ‚Bleib bei mir’. »Du kannst, darfst und sollst sogar mit Familie bei uns bleiben ... Wir sind auf deiner Seite, weißt du. Ich bin ausgetickt, ehe ich richtig darüber nachgedacht habe ... und das tut mir wahnsinnig leid.« »Das weiß ich doch«, sagte Uruha und beugte sich zu ihm hinunter, um seine Arme um ihn zu legen und ihn zu halten. »Warte kurz, streng deinen Rücken nicht zu sehr an«, sagte der Ältere und stand schnell auf, ehe er seine Arme erneut um Uruhas Körper schlang und der seine Umarmung erwiderte. Die Wärme, die ihre Verbindung in ihm auslöste, war unheimlich erholsam. Der Körper unter seinen Fingern war zwar schmal, aber warm und weich. Kurz gab er sich dem Wunsch hin, die glatte Haut zu spüren, ihm durch die Haare zu fahren, ihn zu streicheln. An seinen Lippen spürte er die Wärme von Uruhas Hals, fühlte die warme Ausstrahlung, die von ihm ausging, weil er seinen Kopf in dessen Halsbeuge verborgen hielt. Augenblick, verweile doch, du bist so schön ... Ein Seufzen entkam ihm, so sehr genoss er die Nähe seines Gitarrenpartners, und hoffte, dass er seine Meinung ändern konnte. Dass er blieb. Bei GazettE, bei ihm. Dann erschrak er. Es war nur ein kurzer Moment, in dem zarte Haut seinen Hals berührte, ein Atemzug seine Härchen aufstellen ließ. Uruha schien sich selbst gerade erst bewusst zu werden, was er getan hatte. Seine Wange wurde heiß. Er ließ Aoi los, hob den Kopf und flüsterte: »Gomen«, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen. Dann ging er hinüber zu Tomoko und leckte sich die Lippen vor Scham, ehe Tomoko ihn bemerkte und ihn zum Body-Aussuchen animierte. Aoi seinerseits sank zurück auf den Stuhl. Was war das? Sicher hatte er sich getäuscht und es war nur Uruhas Atemluft gewesen. Aber warum hatte er sich dann entschuldigt? Ein Kuss – oder doch ein Versehen ...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)