Wenn alles zu spät ist... von Cindy ================================================================================ Kapitel 2: Warum er? -------------------- So schnell es ging rappelte sich Ray wieder auf und stürzte zu Kai. "Kai! Kai! Was ist?" Vorsichtig drehte er ihn so, dass er ihm ins Gesicht sehen konnte. Er war nicht mehr bei Bewusstsein. Was sollte er tun? Er war total geschockt. Nicht fähig sich weiter zu bewegen. Er kniete einfach da, mit Kai leicht in seinen Armen und schaute in seine schmerzvoll zusammengekniffenen Augen. Was war nur passiert? Langsam löste er sich aus seiner Starre und suchte verzweifelt nach der Ursache. Die hatte er auch schnell gefunden. Kais Hemd hatte sich rötlich verfärbt und auf dem Boden hatte sich bereits eine kleine Pfütze gebildet. An der Backe hatte er einen ziemlich tiefen Ratscher. Wahrscheinlich ein Messer. Was hatte dieser Mann nur getan? Er schaute sich um. Knapp neben sich fand er das besagte Messer. Er musste schwer schlucken. Das sah gar nicht gut für Kai aus. Ray kam ein schrecklicher Gedanke. Was... wenn er ihn verlieren würde? Er spürte wie seine Augen langsam feucht wurden. Nein! Er durfte jetzt nicht weinen. Das verbot ihm sein Stolz. Kenny stürzte sofort den Flur hinunter, auf der Suche nach einem Telefon. Er musste unbedingt den Krankenwagen rufen. Vielleicht konnte man Kai noch retten! Max stand immer noch bewegungslos in der Tür. Vorsichtig näherte sich Tyson. "Was ist passiert?", fragte er leise. Ray deutete mit leerem Blick auf das Messer. In ihm trafen zwei völlig verschieden Gefühle aufeinander und vereinten sich zu einer einzigen wirbelnden Spirale. Die Sorge um Kai und die Wut auf diesen unbekannten Mann schlossen sich zusammen und ließen die Wut überwiegen. Rays Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Er nahm Kai vorsichtig auf den Arm und stand energisch auf. Tyson wich sofort ein paar Schritte zurück, als Ray so auf ihn zugestampft kam. Er drückte Kai Tyson in die Arme. "Kümmert euch um ihn!", fauchte er Max an und knallte die Tür lautstark hinter sich zu. In ihm hatte sich eine ungeheure Wut angestaut... und sie musste raus. Er würde diesen Mann schon finden! Mit hochrotem Kopf ging er den Flur ins Freie hinunter. Mit verschränkten Armen und dem Rücken zur Tür stand er da. Seine Augen stur geradeaus gerichtet. Seinen Pupillen wanderten die eine Straße rauf und schwenkten zur anderen über. Auf beiden Seiten des Gehweges waren Büsche, perfekt um sich darin zu verstecken. Er wusste nicht warum... vielleicht war er so sauer, dass er sich das nur einbildete... aber er spürte das dieser Mann in seiner Nähe war. Obwohl, er war sich gar nicht Mal so sicher ob dieser wirklich ein Mann war. Jetzt, wo er im Nachhinein darüber nachdachte sah er eher aus wie ein Junge. So in seinem Alter. Rays Augen wechselten noch einmal die Straßenseite. Da! Da war eindeutig jemand durchs Gebüsch gehuscht. Vorsichtig schlich er sich zur Hecke. Schnell sprang er durch den Busch und nagelte, nach einem kurzen Handgemenge, diesen jemand am Boden fest. "So, jetzt rede! Warum hast du..." Er verstummte. Das konnte doch nicht sein. Ausgerechnet er? "Warum habe ich was?" "D... du? Aber warum?" Er konnte es nicht glauben. Warum hatte er das getan? Das hätte er ihm nie zugetraut. Ihm nicht. Der andere begann zu sprechen: "Warum bist du damals gegangen? Warum hast du die Anderen und mich zurückgelassen? Warum hast du mich nicht mitgenommen? Wenigstens mich. Ray, du hast mir damit das Herz gebrochen." Die ersten Sätze hatte er beinahe geschrieen, den letzten hatte er jedoch nur geflüstert. Mit einer schnellen Bewegung schubste er Ray von sich runter und stand auf. Ray richtete sich ebenfalls auf und stellte sich vor ihn. In ihm kochte immer noch diese Wut. Es war ihm egal, dass er ihn kannte. Und das seit er klein war. Es war ihm egal, dass er sein Freund war. Was er getan hatte, konnte er ihm nicht verzeihen. "Ist das ein Grund Kai umzubringen!?!", schrie er ihm ins Gesicht. Er war unglaublich wütend. Erschrocken wich sein Gegenüber etwas zurück. Dass Ray sich SO aufregen würde, hätte er nicht gedacht. War das... wahre Liebe? Wenn... dann konnte er dagegen nichts tun. Dann musste er sich beugen. "Es tut mir Leid, Ray." Betreten senkte er den Kopf. Als Antwort bekam er einen bösen Blick. "Wenn du Kai wirklich so doll liebst... Es tut mir ehrlich Leid was ich getan habe... Werde glücklich mit ihm, wenn es noch geht." Er drehte sich um und rannte davon. Schnellstens verschwand er im Gebüsch. Er wollte nicht, dass Ray sah, dass er weinte. Er hatte begriffen, dass er nichts gegen diese Liebe tun konnte. Was war nur in ihn gefahren?!? Langsam blieb er stehen. Mit einem Seufzer ließ er sich auf den Boden sinken und lehnte sich gegen einen Baum. Ray war schon außer Sichtweite. Er hatte das Gefühl, dass er ihm nicht folgen würde. Ein paar Tränen liefen noch seine Wangen hinunter. Gedankenverloren richtete er seinen Blick Himmel. Was hatte er eigentlich gedacht? Das Ray sich in ihn verlieben würde, wenn Kai nicht mehr da wäre? So ein Unsinn! Was er gemacht hatte war falsch. Aber jetzt war es zu spät. Er konnte nicht mehr rückgängig machen, was er bereits getan hatte. Er konnte nur hoffen, dass Kai es schaffen würde. Wie hatte er das nur tun können? Er richtete seinen Blick wieder auf den Boden. Immerhin hatte er schon aufgehört zu weinen. Schnell wischte er sich mit der Hand noch mal über die Wange. Dann stand er auf und ging. Es war wohl besser, wenn er Ray einige Zeit nicht mehr sehen würde. Besser für ihn und für Ray. Den Blick wieder in den Himmel gerichtet, machte er sich auf den Weg zu den Anderen seines Teams. Im Unterbewusstsein nahm er wahr, dass sich der Himmel langsam mit dicken schwarzen Wolken verdunkelte. Es würde wohl bald regnen. Da landete schon der erste Tropfen auf seiner Nasenspitze. Er schüttelte kurz den Kopf. Der Himmel spiegelte seine Gefühle tief in ihm wieder. Die Gefühle für Ray. Doch wenn er Kai liebte... Nein! Er musste Ray vergessen. Er wollte es so. Im strömenden Regen ging Lee schweigend nach Hause... Ray schaute ihm ratlos hinterher. War diese Entscheidung richtig?! Er wusste es nicht. Hätte er anders reagieren sollen?! Wahrscheinlich. Vielleicht sollte er ihm nachlaufen?! Lieber nicht. Ray ließ die Schultern sinken. Innerlich bedauerte er seine Entscheidung. Er hätte es ihm wohl nicht so direkt sagen sollen. Irgendwie tat er ihm schon Leid. Und das, obwohl er das mit Kai gemacht hatte... Oh Gott Kai! Er hatte ihn völlig vergessen! Schnell drehte er sich um und rannte zurück. Gerade als er wieder auf den Gehweg kam, fuhr der Krankenwagen weg. Langsam stoppte Ray und blieb schließlich vor der Tür stehen. Mit zusammengebissenen Zähnen schaute er dem Wagen nach. Mist, zu spät! "Wo warst du denn?" Ray wandte seinen Kopf überrascht zur Tür. Kenny stand dort und blickte ihm entgegen. Seinen Computer hatte er wieder unter den Arm geklemmt. Allerdings wirkte er ein bisschen unsicherer als sonst. Mit einer kurzen Bewegung zog sich Ray ein Blatt aus den Haaren. "Wo ich war? Ich möchte nicht darüber reden. Aber, Max und Tyson sind doch sicher bei... Kai... mitgefahren, warum bist du noch hier?", fragte er. "Ich wollte auf dich warten, um dir zu sagen das Kai in das Krankenhaus hier gebracht wird.", antwortete er. "Danke... Jetzt weis ich es ja. Ich gehe dann auch dahin." Mit diesen Worten verabschiedete er sich von Kenny und ging langsam die Straße hinunter. Kenny schaute ihm nachdenklich hinterher. Er würde Ray gerne helfen. Allerdings wusste er nicht so genau wie... Bedauernd schaute Ray auf die Straße vor sich. Lee... Kai... Das war alles zu viel für ihn. Um ihn herum wurde es dunkel. Schnell schaute er zum Himmel. Eine schwarze Wolke verdeckte die Sonne. Bald würde es regnen. Na und? Das konnte ihm doch egal sein. Er hatte ganz andere Probleme. Jetzt fing es auch schon an. Erst ganz leicht. Viele kleine Tropfen fielen auf Rays Gestalt herunter und durchnässten seine Haare. Langsam regnete es immer stärker. Um ihn herum herrschte immer noch diese Dunkelheit. Irgendwie verabscheute er sie. Sie erinnerte ihn an etwas. Er wusste nur nicht so genau was... Er hasste die Dunkelheit! Wütend richtete Ray seinen Blick auf die Straße. Der Regen ließ sie leicht glänzend wirken. Ray blieb stehen. Konzentriert schaute er auf eine Stelle. Als Kind konnte er immer die Formen von Menschen und Tieren erkennen. Vielleicht würde er sich dann daran erinnern was er vergessen hatte. Langsam konnte er etwas sehen. Er kniff die Augen zusammen. Fast... Gleich... Ray wich erschrocken zurück. Es war Kai, den er gesehen hatte! Aber warum ausgerechnet ihn? Ray wich noch weiter zurück, bis ihn eine Wand daran hinderte. Wie hypnotisiert fing er wieder an zu gehen. Am Schluss rannte er wieder. Immer Richtung Krankenhaus. Er wollte zu dem echten Kai und nicht irgendeine billige Imitation vor Augen haben. Natürlich! Deswegen hatte er Kai gesehen. Er rief nach ihm. Das spürte er. Er musste sich beeilen. Im strömenden Regen erreichte Ray endlich das Krankenhaus... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)