Storytime von Swanlady (100 Geschichten) ================================================================================ Kapitel 5: Fisch [Ron/Cho] -------------------------- Für Ächzend ließ er sich auf den bequemen Stuhl fallen. Seit Monaten hatte alle Hände voll zu tun. Hätte er gewusst, wie anstrengend es war, einen Laden zu leiten, wäre er gleich zu Beginn abgesprungen. (Nein, wäre er nicht, er gab sich nur gern dieser Vorstellung hin.) Ron Weasley klappte die Menükarte auf und überflog die Speisen, die dieses neue Restaurant am Ende der Winkelgasse zu bieten hatte. Sein Magen knurrte bereits und er war sich sicher, dass die Hexe am Tisch neben ihm verwirrt den Blick hob. Schnell vergrub er seinen Kopf noch mehr in der Speisekarte. „Darf ich Ihre Bestellung aufnehmen?“, ertönte eine helle, freundliche Stimme, die Ron merkwürdig bekannt vorkam. Er sah auf und riss augenblicklich die Augen auf. Die junge Hexe, die er gerade ungeniert anglubschte, war keine andere als Cho Chang. Die weiße Schürze, die sie um ihre Hüften gebunden hatte, deutete darauf hin, dass sie hier arbeitete. Ihre Frage hatte er nämlich schon wieder vergessen. (Nein, hatte er nicht, er war nur viel zu überrascht, um sie zu verarbeiten.) „Was machst du hier?“, fragte Ron plump. Auch Cho schien nicht mit ihm gerechnet zu haben, aber sie war weniger verblüfft als er, wenn auch deutlich verlegener, denn ein paar undeutliche Silben rollten über ihre Lippen, während sie das schwebende Pergament und die magische Schreibfeder anschielte, um den Rotschopf nicht ansehen zu müssen. „Ich… ich arbeite…“, presste die ehemalige Ravenclaw schließlich deutlicher hervor. Darauf wusste Ron nichts zu erwidern. Nun wurde auch ihm bewusst, wie peinlich diese Situation war und schnell wandte er sich wieder dem Menü zu. „Ähm…“, machte er unschlüssig. „Ich dachte, du wolltest…“ Ja, was hatte Cho nach der Schule tun wollen? Er hatte keine Ahnung, deswegen beendete er den Satz auch nicht. Sein Hals wurde ganz trocken, als er daran dachte, wie wütend er damals im fünften Schuljahr auf sie gewesen war. Er konnte sich an dieses Gefühl erinnern, aber es nicht mehr nachempfinden, weil sie, wie so viele andere, in der finalen Schlacht um Hogwarts auf ihrer Seite gekämpft hatte. Sie hatte es getan, als es wirklich gezählt hatte. Aus diesem Grund hatte er keine Ahnung, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. „Darf ich mich kurz setzen?“, fragte Cho, die sich anscheinend wieder gesammelt hatte, weil ihre Stimme sicherer klang. Perplex nickte Ron und sah ihr dabei zu, wie sie auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz nahm. „Ich möchte immer noch Heilerin werden, aber ich musste meine Pläne etwas… verschieben.“ Erneut nickte Ron, denn als er ihren ernsten Gesichtsausdruck sah, hatte er das Gefühl, in etwa zu verstehen, was sie meinte. Auch er hatte seine Pläne über den Haufen geworfen, um George zu helfen. Er tat es gern, keine Frage, weil er wusste, dass sein Bruder ihn brauchte, aber es war gewiss nicht das, was er bis ans Ende seines Lebens tun wollte. Er beneidete Harry schrecklich um seine Aurorenausbildung. „Wieso?“ So etwas wie Taktgefühl besaß Ron durchaus, aber meistens wurde sein Verstand einfach von der Neugier ignoriert und er registrierte seinen Fehler auch sofort, als Cho plötzlich die Maserung des Tisches anschaute und sich nervös über die Lippen leckte. „Sie haben mich nicht angenommen“, erklärte sie leise. „Es gab zu viele, die sich beworben haben.“ Ron wollte gerade den Versuch starten, sie aufzumuntern, indem er die Schuld den anderen zuwies, die ihr den Platz weggeschnappt hatten, aber in seinem Kopf ertönte Hermines strenge Stimme: Hast du eigentlich eine Ahnung, was so etwas für jemanden aus Ravenclaw bedeutet?! Nur allzu genau sah er das Gesicht seiner besten Freundin vor sich, als ihre ZAG-Ergebnisse erhalten hatte. Ron wusste nicht, inwiefern Cho diese Charaktereigenschaft mit Hemine teilte, aber er wollte auch nicht nachhaken. „Ich arbeite hier, weil ich mir eine eigene Wohnung gesucht habe. Meine Eltern… sie wissen nichts davon…“, fuhr Cho auch schon fort und ließ Ron somit keine Möglichkeit mehr, etwas dazu zu sagen. Noch immer war ihm schleierhaft, wieso sie einfach so offen mit ihm sprach, aber wenn er ehrlich war, dann war auch er froh, ein bekanntes Gesicht zu sehen. (Nein, war er nicht. Er war mehr als froh.) „Ich hoffe, dass ich es nächstes Jahr schaffe. Bis dahin…“ Cho zuckte mit den Schultern, ließ ihren Blick demonstrativ durch den Raum gleiten und setzte ein Lächeln auf, von dem Ron nicht sagen konnte, ob es echt war oder nicht. Was sagte man in solchen Situationen? Ich bin mir sicher, dass du es schaffen wirst? Sie kannten sich kaum, also fiel das wahrscheinlich weg. Es waren ganz andere Worte, die aus seinem Mund sprudelten, bevor er sich davon abhalten konnte. „Ich werde es nächstes Jahr auch versuchen.“ Chos Augenbrauen hoben sich überrascht, was Ron dazu veranlasste, unruhig auf einem Stuhl herum zu rutschen. „Also… Auror zu werden…“, ergänzte er nuschelnd und sah zögernd zu Cho hinüber. Ihre Blicke trafen sich zum ersten Mal für längere Zeit. Überraschenderweise wurde Ron Zeuge dessen, wie sich ihre Lippen zu einem noch breiteren Lächeln verzogen. Dann versuchen wir es gemeinsam. Keiner von ihnen sprach diese Worte aus, aber sie waren da, hingen in der Luft und Ron hatte große Lust nach ihnen zu greifen. „Ähm… was kannst du mir empfehlen?“, wechselte er abrupt das Thema und deutete auf die Speisekarte. Chos Lippen formten sich zu einem stummen oh!, fast so, als hätte sie vergessen, dass sie zurück zur Arbeit musste. „Die Fischgerichte sind alle sehr gut. Man könnte sagen, dass sie unsere Spezialität sind“, antwortete sie. Als Ron eine Stunde später Weasleys Zauberhafte Zauberscherze betrat, fragte George ihn, wie ihm das Essen im neuen Restaurant geschmeckt habe. Gegen das Grinsen ankämpfend, das an seinen Mundwinkeln zog, sagte er: „Der Fisch war gut.“ (Nein, nicht wirklich, aber er würde ihn morgen noch einmal bestellen.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)