Word Forward von mystique (Sherlock/John (Sherlock BBC)) ================================================================================ Act III ------- B]Act III Drei Tage nach dem skandalösen Essen bei der Holmes Familie stand John kurz davor, Sherlock mitsamt seinem Totenschädel, den Experimenten und jedem einzelnen Finger im Kühlschrank aus der Wohnung zu werfen. „Erklär es mir bitte.“ Er marschierte bereits seit beinahe fünf Minuten aufgebracht vor dem Sofa auf und ab, welches sich ein ganz bestimmter Colsulting Detective ausgesucht hatte, um sich dramatisch zu einer Kugel zusammen zu rollen und John sowie dem Rest der Welt den Rücken zu kehren. „Nein, ganz ehrlich, erklär es mir, Sherlock.“ Er war sich sicher, dass er etwas sehr Unüberlegtes tun würde, sobald er stehen blieb, darum konzentrierte er sich auf die fünfeinhalb energischen Schritte, die das Wohnzimmer zuließ, bis er kehrt machte. Immer wieder. „Wir haben darüber gesprochen. Ich habe dich verdammt nochmal davor gewarnt. Wieso willst du einfach nicht auf mich hören? Oder auf Lestrade? Wenigstens auf ihn!“ Sherlock rührte sich nicht. John hatte nichts Anderes erwartet. „Du bist selbst schuld daran. Ich werde das ganze bestimmt nicht gerade biegen. Abgesehen davon, dass ich es nicht einmal könnte. Den Verweis hast du verdient und du kannst froh sein, dass du keine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung, vorsätzlicher Beweisvereitelung und was-weiß-ich-noch dazu bekommen hast. Herrgott, wir können froh sein, dass das Scotland Yard nicht wieder eine -“ Unten hämmerte jemand gegen die Tür. John blieb stehen und wirbelte herum. Er hörte, wie die Tür von Misses Hudson sich öffnete. „Sherlock, erwartet ihr Besuch?“ „Na großartig. Einfach nur großartig.“ Er musste nicht einmal genau hinhören, um zu wissen, dass es in den nächsten Minuten voll in ihrem Appartement werden würde. „Bist du jetzt zufrieden?“, herrschte er Sherlocks Rücken an. „Ist es das, was du gewollt hast?!“ Er war lange nicht mehr so wütend gewesen. Im Vorbeigehen trat er gegen das Sofa. Schließlich ließ er sich in den Sessel mit dem Union Jack-Kissen fallen und verschränkte die Arme. Schritte erklangen auf der Treppe. Lestrade schob die Tür zum Appartement auf. Er sah nicht minder angespannt aus, als John sich fühlte. „Doktor Watson.“ Er nickte ihm zu. Dann erblickte er Sherlocks Gestalt auf dem Sofa und baute sich vor ihm auf. „Ich hoffe du weißt, wie tief du in der Scheiße steckst, Holmes.“ John verzog das Gesicht. „Wir konnten gerade noch verhindern, dass Devon seine Schwester ebenfalls erwürgt. Sie liegt mit Quetschungen am Hals im Krankenhaus und kann froh sein, wenn sie bis Neujahr entlassen wird. Ist dir bewusst, dass du deswegen belangt werden kannst? Du hast die Ermittlungen nicht nur behindert, du hast vorsätzlich Informationen zurück gehalten und damit beinahe einen Mord zugelassen!“ Er war zum Ende hin immer lauter geworden. Tatsächlich war es das erste Mal, dass Lestrade in Sherlocks Gegenwart ernsthaft die Stimme gehoben hatte. Ein Blick zur Tür verriet John, dass Sally Donovan und Anderson dort warteten. Hinter ihnen standen Schatten im Treppenhaus. Vermutlich weitere Beamte. Seine Stimmung sank noch um einiges mehr. Er konnte sich weitaus bessere Gesellschaft für den Abend vorstellen. „Wenn auch nur einer von euch ein wenig über seinen beschränkten Horizont hinaus gedacht hätte, würdet ihr erkennen, dass dieses Risiko notwendig war.“ Sherlocks Stimme war vom Stoff der Sofalehne gedämpft, doch jeder im Raum konnte ihn hören. John presste sich eine Hand gegen die Augen.  Lestrade starrte fassungslos auf Sherlocks Rücken. „Notwendig? Sherlock du scheinst hier etwas zu missverstehen: Du bist kein Polizist. Du bist ein Berater, mehr nicht! Deine Meinung wird geschätzt, aber du hast keine Befugnis, der Polizei Informationen vorzuenthalten. Ganz egal, wie schlau du bist, dein Anspruch endet hier.“ „Langweilig.“ „Ich meine es ernst!“ John zuckte zusammen. Sherlock regte sich zum ersten Mal seit einer dreiviertel Stunde. Er drehte sich auf den Rücken und presste die Fingerspitzen aneinander. „Stellen wir etwas klar, Detective Inspector.“ Seine Stimme war ruhig, doch die letzten beiden Worte hatte er mit beißendem Nachdruck ausgesprochen. „Ohne mich hätte das Scotland Yard die vergangenen sechs Monate dreiundvierzig Prozent ihrer Fälle nicht aufklären können. Was die unaufgeklärten Fälle angeht, habe ich jeden dritten der vergangenen fünf Jahre lösen können. Rechnen wir das hoch, bin ich als Einzelperson so effektiv wie halb Scotland Yard. Betrachtet man es realistisch“, und dabei sah er Anderson an, „erbringe ich die Leistung von fünfundsechzig Prozent.“ Er richtete seinen Blick auf Lestrade. „Wie effektiv wäret ihr wohl ohne mich?“ „Hörst du dich eigentlich reden, Freak?“, fragte Donovan von der anderen Seite des Raumes. „Noch etwas größenwahnsinniger und wir sollten uns Sorgen machen. Aber Moment! Das sollten wir ja ohnehin, nicht wahr?“ John biss die Zähne aufeinander. Lestrades Worte waren gerechtfertigt, aber Sallys Beleidigung war unangebracht. Fehlte nur noch, dass Anderson - „Ich habe es von Anfang an gesagt. Sherlock Holmes ist ein Risiko. Und verrückt noch dazu.“ „Anderson, würde auch nur irgendwer in diesem Raum Ihnen Beachtung schenken -“, setzte Sherlock gelangweilt an, doch Lestrade brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Genug.“ „Tho-Anderson hat recht!“, protestierte Sally Donovan und machte einen Schritt in den Raum. „Der Freak mag schlauer sein als alle anderen, aber er ist dafür skrupelloser. Er hat es heute gezeigt! Das Leben der Frau hat ihm nichts bedeutet, es ging ihm lediglich darum, den größtmöglichen Nervenkitzel zu bekommen.“ „Donovan“, mahnte Lestrade, doch sie sprach weiter. „Sherlock Holmes ist eine Gefahr für sich und seine Mitmenschen. Können wir das wirklich verantworten, wo unser Kodex doch lautet, die Menschen zu beschützen?“ Das Knirschen seiner Zähne musste mittlerweile hörbar sein. John krallte sich mit den Händen in die Sitzlehne. So wütend er auch auf Sherlock gewesen war, was er in diesem Moment zu hören bekam, entfachten einen ganz anderen Zorn.  Lestrade ließ die Hand sinken und seufzte. „Nein“, stimmte er zu und wandte sich ab. „Wir haben einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung. Alle Unterlagen zu sämtlichen Mordfällen, die Sherlock Holmes in den letzten sechs Monaten für das Scotland Yard übernommen hat, sind ihm mit sofortiger Wirkung zu entziehen.“ John stand ruckartig auf. Er wusste, was die nächsten Worte waren und er musste verhindern, dass Sherlock sie zu hören bekam. „Inspektor“, sagte er nachdrücklich, doch Lestrade schüttelte den Kopf. „Tut mir Leid, Doktor Watson, aber daran ist nichts zu ändern. Sherlock Holmes wird vorläufig keine Fälle mehr erhalten.“ John wagte es nicht, zum Sofa zu sehen. Stattdessen trat er näher an Lestrade heran. „Ist das wirklich nötig?“, fragte er leise und ignorierte die empören Blicke von der Tür. „Nach allem, was Sherlock für Sie getan hat?“ „Glauben Sie mir, das ist nicht meine Entscheidung. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihm eine verpasst und ihm einen Monat lang Tatortverbot erteilt. Dieser Befehl kommt von weiter oben.“ Das war nicht gut. John biss sich auf die Lippe. „Ist Ihnen bewusst, was das für ihn bedeutet?“ Ein Schatten legte sich auf Lestrades Gesicht. Einen Moment lang erinnerte er ihn an Mycroft und John erkannte, dass noch jemand anderes Sherlock am Boden gesehen hatte. „Es ist mir mehr als bewusst, Doktor Watson.“ John nickte. „Dann werden Sie wohl auch verstehen, warum ich das jetzt tun muss.“ Ein stirnrunzelnd war seine Antwort, doch John wartete nicht auf eine Antwort. Stattdessen trat er zurück und warf einen finsteren Blick in die Runde. Als er den Mund öffnete und sprach, war seine Stimme ruhig und ohne irgendwelche Emotionen. Er wusste, dass er so die größtmögliche Wirkung erzielte. „Raus. Allesamt.“ Die Beamten an der Tür, inklusive Anderson und Donovan starrten ihn an, als haben sie sich verhört. John gab ihnen ganze drei Sekunden, bevor er seine Worte wiederholte. „Sie können uns nicht einfach rauswerfen“, entgegnete Sally und verschränkte die Arme. Das machte keinen Eindruck auf John. „Und ob ich das kann.“ Er nickte zur Tür. „Und jetzt raus.“ Hilfesuchend sah sie zu Lestrade, der John anstarrte, als sei er ihm noch nie zuvor begegnet. Es stimmte, dass John bisher keinen Grund gehabt hatte, sein Militärverhalten einzusetzen. Er erwiderte den Blick des Inspektors unberührt und fand schließlich den Funken, den er gesucht hatte. Lestrade nickte. „Wir kommen morgen früh wieder.“ Er gab den anderen einen Wink. „Wir gehen.“ „Aber Inspektor!“ „Wir gehen. Jetzt. Wir haben unseren Mörder, da kommt es auf acht Stunden nicht an.“ Widerwillig zogen sie ab. Lestrade warf einen letzten Blick über die Schulter und schloss die Tür. Sofort fiel sämtliche Spannung von John ab und er atmete aus. Dann nahm er allen Mut zusammen und sah Sherlock an. „Das lief überraschend gut.“ Sherlock hatte sich mittlerweile aufgerichtet, doch sein Blick lag an der gegenüberliegenden Wand. Sein Gehirn schien wieder bei voller Arbeitskraft zu sein. „Und nun zum nächsten Schritt: Den Mörder finden.“ „Sherlock.“ „Wo habe ich die Nikotinpflaster, John? Das ganze ist nicht mehr als ein Zwei-Pflaster Problem, aber auf der Skala mindestens eine fünfeinhalb.“ „Sherlock Holmes!“ Ihre Blicke trafen sich. „Was spielst du hier?“, fragte John entnervt. „Hast du etwa nicht mitbekommen, was Lestrade gerade gesagt hat?“ Sherlock winkte ab. „Irrelevant. Sobald wir den eigentlichen Mörder gestellt haben, werden alle Einschränkungen aufgehoben.“ „Den eigentlichen Mörder?“, echote John und ließ sich in den Sessel fallen. Das war für den Moment einfach zu viel. „Sherlock, war das eine Farce?“ „Eine überaus clevere List mit fabelhafter Mitwirkung deiner Seite aus, John.“ Sherlock musterte ihn aufmerksam und ein selbstgefälliges Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. „Abgesehen von der Tatsache, dass du es für etwas Anderes gehalten hast. Es war dir ernst.“ „Und ob es das war! Sherlock, habe ich gerade eine Einheit der Polizei mitsamt Inspektor  für einen deiner Pläne vor die Tür gesetzt?“ „Offenkundig.“ Er vergrub die Hände in den Haaren. Nach einigen Sekunden ließ er die Arme sinken und schüttelte erst langsam, dann immer bestimmter den Kopf. „Nein. Nein, ganz ehrlich? Ich hab genug.“ Er drückte sich mit einem Ächzen hoch - sein Bein setzte ihm gerade heute wieder besonders zu. „Erinnerst du dich an das, was ich dir Weihnachten gesagt habe?“ Er wartete gar nicht erst auf eine Antwort. „Es ist eine Sache, wenn du mich ignorierst oder bevormundest. Aber wenn du mich ohne mein Mittwissen zu einem Teil deiner Scharaden machst, hört bei mir der Spaß auf, verstanden?“ Sherlock hörte ihm gar nicht mehr zu. Er hatte begonnen, wie John einige Minuten zuvor, im Wohnzimmer auf und ab zu gehen. Sein Blick wechselte zwischen hochkonzentriert und geistesabwesend, während seine Lippen sich lautlos bewegten. John kannte dieses Verhalten. Sherlock würde ihn nicht einmal wahrnehmen, wenn er ihn anschrie. Das schlimmste daran war, dass es keine eigentliche Unhöflichkeit war. Denn Sherlock konnte nicht anders. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren, analysierte und ermittelte sämtliche Fakten des Falls. In gewissem Sinne arbeitete er wie ein Computer. John fühlte sich schrecklich ausgelaugt. Er sollte froh darüber sein, dass Sherlock Lestrades Worte offensichtlich so wenig zugesetzt hatte. Seine Befürchtungen waren weitaus schlimmer gewesen (und er hatte sich erschreckenderweise sehr an Mycrofts Worte während des Dinners erinnern müssen). Dennoch blieb der bittere Beigeschmack. Ohne ein weiteres Wort verließ John das Wohnzimmer. Die Stufen hinauf in sein Zimmer hatten lange nicht mehr so viel Zeit in Anspruch genommen. Er erwischte sich einen Moment lang bei dem Gedanken, die Abwesenheit des Stocks zu bedauern. Als er sich dessen bewusst wurde, breitete sich eine kalte Frustration in seinem Magen aus und er beschleunigte die Schritte.  In seinem Zimmer angekommen streifte er sich die Jacke ab, die er die ganze Zeit über getragen hatte und legte sie über seinen Stuhl. Sein Laptop stand aufgeklappt auf dem Tisch in der Ecke, doch er verspürte kein Verlangen danach, etwas vom heutigen Abend aufzuschreiben. Sein Kopf schwirrte vor Gedanken. Ob es Sherlock immer so ging? Das Ziehen in seinem Bein wurde nun immer unerträglicher. Er fluchte, denn er wusste, dass es psychosomatisch war. Doch so sehr er sich konzentrierte, es linderte den Schmerz nicht. „Das ist deine Schuld, Sherlock“, murmelte er. Eine schwache Lüge. Er konnte niemandem außer sich die Schuld dafür geben. Wenn ihn etwas störte, dann dass Sherlock das Humpeln nicht wieder wundersamerweise verschwinden ließ. Schließlich konnte er nicht länger stehen und setzte sich auf sein Bett. Und starrte in die Dunkelheit vor sich. Und starrte. Und starrte. Unter ihm im Wohnzimmer konnte er Sherlock hören. Hin und wieder erreichten Wortfetzen Johns Ohren. Fakten über die Tatorte. Die vergangenen Morde. Blutwerte der Opfer. Phorensische Details. Die Zusammensetzung des Seils. Sein Blick verschwamm und sein Verstand driftete ab, während das Echo von Sherlock Deduktionen sich mit seinen eigenen halb bewusstlosen Gedanken vermischte. Es kann unmöglich der Bruder gewesen sein. Er hat nur ein Motiv für seine Schwester. Die anderen Morde stehen damit nicht in Verbindung. Wenn er etwas tut, dann das bereits existierende Muster nachahmen. Mycroft ist offensichtlich sehr besorgt um Sherlock. Oh, das ist er. Schon immer. Das Seil war jedes Mal ein anderes. Und die Haare der Opfer ... Die Garderobe ... Oh! „Hüte“, murmelte John, als er mit einem Schlag wieder zu sich kam. Er lag rücklings auf dem Bett und sein Blick fiel auf eine Gestalt, die am Fenster stand. „Deine Aufnahmefähigkeit im Halbschlaf ist bemerkenswert“, sagte Sherlock und drehte sich um. „Weitere Experimente würden zeigen, wie weit sich dieses Potential ausschöpfen lässt.“ John war noch immer nicht wirklich wach. „...Sherlock?“ Das Bett senkte sich unter dem Gewicht einer zweiten Person. Ein flüchtiges Blinzeln und Sherlock hatte sich nun direkt über ihn gebeugt. „Sag mir, was du denkst, John.“ „Die Hüte“, wiederholte er nuschelnd, denn sein Körper musste sich erst noch daran erinnern, wie er die erforderlichen Muskeln aktivierte. „Sie lagen am Boden, obwohl die Hutablagen viel zu hoch waren, um bei einem Kampf in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Der Mörder ... Hat etwas bei den Hüten gesucht ...“ Er musste sich konzentrieren, um sich nicht irgendwo zwischen Sherlocks Kragen und seinem Kinn zu verlieren. Es war nur ein heller Fleck im halbdunkel des Zimmers. „Fahre fort.“ „Das nächste Opfer sollte Devons Schwester sein, doch ihr Bruder kam dem Mörder zuvor.“ John blinzelte, die Worte fielen ihm immer leichter. „Ein unwahrscheinlicher Zufall, dass zwei unterschiedliche Leute sie tot sehen wollten. Der Mörder sucht etwas und er wird es als nächstes bei Susan Devon suchen.“ Sherlock gab einen zustimmenden Laut von sich, der irgendwo zwischen einem Brummen und einem sonoranten Summen lag. Es ging John bis ins Mark. „Und das alles durch dein Unterbewusstsein. Was für einen beeindruckenden Einfluss ich auf dich habe, John.“ Einen verdammten Einfluss, dachte John, besaß jedoch nicht die nötige Kraft, um Sherlock zu korrigieren. „Hast du Lestrade schon informiert?“, fragte er und rappelte sich auf, bis er sich auf seinen Ellbogen abstützte. Sherlock wich nicht zurück, sodass sich ihr Atem vermischte. John dachte an Violinenmusik und den Geschmack von Himbeersorbet an Weihnachten. „Unnötig“, wurde er aus den Gedanken gerissen. „Uns bleibt noch mindestens eine halbe Stunde, ehe der Mörder bei Susan Devon einbricht. Genug Zeit, um uns selbst auf den Wag zu machen.“ „Wa-hä ... Meinst du das ernst?“ „Sei etwas aufmerksamer John. Man könnte noch den Eindruck gewinnen, deine Zweckdienlichkeit sei bei vollem Bewusstsein gemindert.“ „Es ist noch zu früh für Respektlosigkeiten.“ John setzte sich ganz auf und fasste sich an seine Schulter. Die Geste erntete ihm einen Seitenblick von Sherlock, der mittlerweile wieder stand. Ohne ein weiteres Wort machte er kehrt und verließ das Zimmer. Seine Schritte entfernten sich. John starrte ihm abwesend hinterher. Erst als von unten Sherlocks eindeutig ungeduldige Stimme zu ihm herauf wehte („John, der Mörder fasst sich wirklich nicht von allein“), verstand er, dass Sherlock auf ihn wartete. „Sag das doch gleich“, antwortete er und beeilte sich, ihm zu folgen.  ∼*∼ Eine Stunde später erkannte John, dass es so nicht weiter gehen konnte. „Ruf. Lestrade. An“, knurrte er durch zusammengebissene Zähne, um zu verhindern, dass sie klapperten. Er hatte bereits vor zehn Minuten das Gefühl in seinen Zehen verloren. „Damit das Scotland Yard sich auch diesen Fall wieder auf die eigenen Fahnen schreiben kann? Du solltest anfangen, praktischer zu denken.“ „Ich denke gerade vielmehr pragmatisch.“ Er rieb sich die steifen Oberarme. „Und das Maximum an Pragmatik bietet ein verdammter Anruf bei Lestrade!“, zischte er die letzten Worte. „Irrelevant.“ „Effektiv.“ „Langweilig.“ Ein Totschlagargument. John schwieg beleidigt. Bis er eine Bewegung im Inneren des Hauses wahrnahm. Ein Funke Wärme kehrte in seinen Körper zurück. „Da ist jemand.“ Keine Antwort zu erhalten, war nichts Neues für ihn, doch ein Blick nach links zeigte einen leeren Fleck, an dem vor einigen Sekunden noch Sherlock gehockt hatte. Er verbiss sich ein Fluchen und folgte dem Schatten, der sich dem Haus näherte. Als er die Hausecke umrundete, wurde es für einen Moment taghell und Schmerz explodierte in seinem Kopf. Als er sich auf dem kalten Boden liegend wiederfand, dämmerte ihm, dass sowohl Sherlock als auch er niemals den Gedanken berücksichtigt hatte, es könnte zwei Täter geben. Jemand packte ihn am Kragen und zog ihn hoch. Sämtliche Militärreflexe aktivierten sich und Johns Körper reagierte, noch bevor sein Geist sich ganz von dem Schlag gegen den Kopf erholt hatte.  Ein Tritt gegen das Knie. Gleichgewichtsverlust. Lockerung des Griffs. Seine rechte Hand schloss sich um das linke Handgelenkt des Angreifers. Mit der Linken schlug er die zweite Hand zur Seite. Keine Deckung. Angriffsfläche. Eine Drehung zur Seite, Ellbogen gegen den Solar Plexus.  Die Person sackte mit einem Stöhnen in sich zusammen und wand sich nach Luft schnappend am Boden. Zehn Minuten Minimum, bis er überhaupt wieder daran denken konnte, aufzustehen. Genug Zeit, um nach Sherlock- Im Haus schepperte es. John rannte mit hämmerndem Kopf und rauschendem Blut in seinen Ohren los. Die Hintertür stand offen, wahrscheinlich hatte Sherlock das Schloss geknackt. Oder die Mörder waren selbst durch die Hintertür eingestiegen. Er duckte sich in die Küche und folgte den Geräuschen eines Kampfes. Er erreichte das Wohnzimmer rechtzeitig, um zu sehen, wie Sherlock einem Mann mit Messer erst ein Buch frontal ins Gesicht schleuderte und ihn anschließend mit einem Knie in den Magen kampfunfähig machte. Schwer atmend stand er über der eindeutig bewusstlosen Gestalt und musste John wohl an seinem nicht minder schnellen Luftholen gehört haben. „Zwei Täter“, konstatierte er und richtete sich den in Mitleidenschaft gezogenen Kragen.  John tastete mit einer Hand nach Halt, als das Wohnzimmer eine hundertachtzig Grad-Drehung machte. Der Adrenalinschub ließ wohl schon nach. Leichtes Schädeltrauma, kein Blut, keine Gehirnerschütterung. Eine Welle von Übelkeit zwang ihn beinahe in die Knie. Die Gehirnerschütterung war wohl doch nicht ausgeschlossen. „Hier ist er.“ Sherlock hielt plötzlich einen Hut in Händen. Außerdem trug er Handschuhe.  „Und was ist jetzt so besonders daran?“, fragte John und lehnte sich gegen die Wand, um nicht stumpf umzukippen. „Das Hutband." „Das Hutband.“ „Vielmehr das, was in dem Hutband ist.“ John schnaubte. „Oh, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen. Geheimcodes?“ „Wirklich John, ein bisschen mehr Finesse. Ich meinte es wörtlich. Das Hutband ist aus einer überaus seltenen Seide - höchst illegal nach England gebracht und - Oh.“ „Oh?“ Sherlock drehte den Hut. „Ein Blutfleck. Identisch mit dem genetischen Material auf deinem Hemd.“ Der Mann, den er außer Gefecht gesetzt hatte. Gott wusste, woher Sherlock die Sicherheit nahm, dass ausgerechnet er es war und nicht die Gestalt, die zusammengesunken zu seinen eigenen Füßen lag. Polizeisirenen näherten sich dem Haus. John bemerkte erst jetzt, dass er grinste. „Anderson wird sich schwarz ärgern.“ Er freute sich auf den Gesichtsausdruck. Sherlock ließ den Hut sinken. Auch er grinste. „Allerdings.“ Sie hätten wohl angefangen zu kichern, hätte nicht die Polizei in diesem Moment das Haus gestürmt. ∼*∼ Die Taxifahrt zurück zur Baker Street verlief in einvernehmlichem Schweigen. Sherlock beschäftigte sich eingehend mit seinem Handy (vermutlich überprüfte er im Internet den Preis der Seide, sowie ihre genaue Zusammensetzung), während John die rote Schock-Decke enger um sich schlang und müde aus dem Fenster blickte. Die vorbeirauschenden Lichter hatten eine äußerst einschläfernde Wirkung. Außerdem ließen sie ihn das kontinuierliche Pochen hinter der Stirn etwas vergessen. Sobald sie zurück im Appartement waren, würde er eine Schmerztablette nehmen. Vielleicht auch vier. John hatte eine plötzliche Eingebung. Umgehend sprach er sie aus: „Ich hätte gerne gesehen, wie Lestrade dir eine reinhaut.“ Er spürte eine Bewegung neben sich und das Klicken der Handytastatur verstummte. „Ich wäre nichts so dramatisch zu Boden gegangen, wie du es dir vorstellst.“ „Woher weißt du, wie ich es mir vorstelle?“ Langsam drehte John den Kopf und sah seinen Sitznachbarn an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Sherlocks Wange sich dunkel verfärbt hatte. Wohl ein nicht geblockter rechter Harken. Nicht ganz durchgezogen. Zwei Knöchel hatten ihn getroffen. Glück für Sherlock, sonst wäre der Knochen durch gewesen. John hatte die Arme des Mannes gesehen, als er abgeführt worden war. Bei seinen Worten hatte Sherlock das Handy ganz sinken lassen. „Du dachtest, Lestrades Schlag würde mich unvorbereitet treffen. In deiner Vorstellung wäre ich über den Hocker am gestrigen Tatort gestolpert und hinten rüber gefallen. Der Ausdruck meiner Überraschung und Fassungslosigkeit hätte dir Genugtuung bereitet. Darüber hinaus“, Sherlocks Blick wanderte über sein Gesicht, als würde er es scannen, „hätte es dich erregt.“ John hob abwehrend die Hände. „Okay, ich würde normalerweise fragen, wie du es schaffst, in meinem Kopf zu sehen, würdest du nicht mit der letzten Annahme so verdammt ...“ Seine Worte verloren sich irgendwo zwischen Sherlocks plötzlicher Nähe und seinem Atem auf Johns Gesicht. „Korrekt liegen?“ „Korrekt. Falsch. Ich meinte falsch.“ Sherlock brachte lehnte sich zurück. „Selbstverständlich.“ Er widmete sich wieder seinem Telefon und John atmete frustriert die angehaltene Luft aus. Fünf Minuten später hielt der Wagen und Sherlock war ausgestiegen, noch bevor John sich aufgerichtet hatte. Missmutig blickte er ihm hinterher und rappelte sich knurrend auf. Sein Kopf dröhnte, als er auf dem Bürgersteig stand und den Fahrer bezahlte. Den Weg von der Eingangstür durch den Flur und die Treppen hinauf waren ein Schleier aus Schwindel und Schmerz. Im Wohnzimmer angekommen, ließ er sich stumpf aufs Sofa fallen.  Schmerztabletten waren oben in seinem Zimmer oder im Medizinkasten im Badezimmer, doch für beide Distanzen hatte er nicht mehr genug Kraft. Stattdessen schloss er die Augen und schlief umgehend ein. Es konnte Minuten, aber auch Stunden später sein, dass ihn die Kopfschmerzen weckten. Im ersten Moment war er orientierungslos und versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien, die ihn bewegungsunfähig machte. Erst als er auf dem Boden lag, wurde ihm bewusst, dass er sich einfach in der Decke verheddert hatte. Er hörte Schritte und sah auf. Sherlock stand vor ihm, ein Glas Wasser in der Hand. Er beugte sich vor und half John, sich wieder auf das Sofa zu setzen. Er reichte ihm zwei Tabletten. John hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich zu bedanken. Er schluckte sie und nahm das Glas, das Sherlock ihm regelrecht unter die Nase hielt. Es würde etwas dauern, ehe die Wirkung einsetzte. Selbst im Halbdunkel konnte er das Feilchen erkennen, dass sich immer prägnanter auf Sherlocks Gesicht bildete. Er hob die Hand und drehte Sherlocks Kopf, sodass er einen besseren Blick hatte. „Im schlimmsten Fall, ist es eine Prellung des Jochbeins“, nuschelte er und spürte, wie seine Augen drohten, wieder zuzufallen. Sherlock griff nach Johns Hand und hielt sie einige Sekunden lang fest. Anschließend drückte er ihn so weit nach hinten, bis er schließlich wieder auf dem Sofa lag. Ohne ein weiteres Wort verließ er das Wohnzimmer. John driftete bereits wieder ab, da erfüllte Violinenmusik die Luft. Entgegen seinen Befürchtungen heizte sie die Kopfschmerzen nicht an, vielmehr begleitete sie ihn, während er in immer tieferem Schlaf versank. ∼*∼ Der achtundzwanzigste Dezember war ein düsterer Tag für John Watson. Die meiste Zeit lag er fluchend auf dem Sofa, zu ermattet, um aufzustehen und von den Kopfschmerzen in eine liegende Position gezwungen. Er konnte Sherlock nicht an dem Experiment in der Küche hindern, das beinahe die Spüle zu einem unbrauchbaren Klumpen Metall reduzierte. Er konnte die unangenehm riechenden Finger im Kühlschrank nicht entfernen. Darüber hinaus besaß er nicht einmal mehr genug Überzeugungskraft, um Sherlock dazu zu bewegen, Milch zu kaufen. (Nicht, dass er sie jemals besessen hätte, besten Dank.) Ein überaus schwarzer Tag, dieser achtundzwanzigste Dezember. „Sherlock.“ Stille. „Sherlock.“ Keine Antwort. Lediglich ein Knistern von Papier. „Sherlock.“ John würde nicht jammern. Nein, er würde nicht jammern. Er tastete nach seinem Telefon, dass auf dem Wohnzimmertisch lag und tippte: SHERLOCK „John, du störst beim Denken.“ „Reich mir bitte meinen Laptop.“ Er konnte das Luftholen sogar vom Sofa aus hören und fiel Sherlock ins Wort, bevor er etwas erwidern konnte. „Und wehe, du sagst mir jetzt, dass der Rechner doch nur drei Meter von mir entfernt steht. Sherlock, wenn du das sagst, dann schwöre ich dir, Schmerz hin oder her, ich werde die Finger im Gefrierfach aus dem Fenster werfen!“ „Zweieinhalb Meter.“ „Sherlock!“ Das war nicht gut für die Kopfschmerzen. John presste sich beide Hände gegen die Schläfen. Als er die Augen wieder öffnete, stand der Laptop neben ihm auf dem Wohnzimmertisch und Sherlocks Gestalt entfernte sich von ihm. „Danke.“ Er klappte ihn auf und legte ihn sich auf die Beine. „Was ist mein Passwort?“, fragte er, nachdem er es eingegeben hatte, in den Raum.  „picadillymurderR, letztes R groß geschrieben. Beim Tippen auf der Tastatur brauchst du für das i länger als für die anderen Vokale. Darüber hinaus war die Pause zwischen den zwei ‘R‘ kürzer, als bei den anderen. Du schreibst mit zwei Fingern und brauchst dadurch allgemein dreißig Prozent länger als der Durchschnitt. John, ich wiederhole mich ungern: Ich denke nach und benötige dafür Ruhe.“ „Erstaunlich“, formte John lautlos mit den Lippen und öffnete den Internet Browser. Dann wählte er die Seite für seinen Blog und kontrollierte den letzten Eintrag. Er hatte drei Antworten. Damit ist er wirklich durchgekommen?  Mike Stamford, 28. Dezember 13:56 Klingt nach einer erfreulichen Nachweihnachtszeit, Brüderchen. Harry Watson, 28. Dezember 14:22 Ach übrigens, was machst du Silvester? Meld dich mal bei mir. Harry Watson, 28. Dezember 14:23 Seine Hand verharrte über der Taste zum Antworten. Er hatte an Weihnachten mir Harry telefoniert. Ihr Verhältnis war nach wie vor angespannt und der alleinige Gedanke, den ganzen Abend von Silvester mit seiner Schwester zu verbringen, bereitete ihm Unbehagen. Gleichzeitig meldete sich sein schlechtes Gewissen. Was war er nur für eine Entschuldigung von einem Bruder? Er schluckte die Reue. Tut mir leid, Harry, aber ich habe schon Pläne. Vielleicht nächstes Jahr, schrieb er ihr zurück und hoffte, sie würde nicht weiter nachhaken. Danach schaltete er das Gerät ab, drehte sich auf die Seite und zwang sich, zu schlafen. Es war etwa sechs Uhr abends, als er von Sherlocks Stimme geweckt wurde. „Angelo oder Bestellung?“, fragte er aus der Küche. John rieb sich die Augen und setzte sich vorsichtig auf. Die Schmerzen hatten nachgelassen. Zur Sicherheit würde er wohl noch eine Tablette nehmen. „Chinesisch?“, schlug er vor und das Ausbleiben einer Antwort war ihm Bestätigung genug.  Zum ersten Mal an diesem Tag erhob er sich vom Sofa und hatte nicht das Gefühl, sich sofort übergeben zu müssen. Er ging ins Badezimmer, entledigte sich seiner Kleidung und nahm eine Dusche. Anschließend zog er sich frische Kleidung an und kehrte ins Wohnzimmer zurück.  Auf dem Tisch stand bereits das Abendessen, sowie eine Packung Schmerztabletten und ein Glas Wasser. Sherlock hatte tatsächlich alles erledigt. Vielleicht sollte er öfter den Tag auf dem Sofa verbringen? Kopfschüttelnd erinnerte sich an das Gespräch mit Sherlock an Weihnachten und schallt sich innerlich erneut einen Idioten, weil er ihn beschuldigt hatte, sich nicht genug zu kümmern. An Sherlocks Maßstäben gemessen, waren diese Gesten jetzt schon wirklich bemerkenswert.  „Kommst du essen?“, fragte er in Richtung Küche. „Keinen Hunger.“ „Sherlock, ich habe dich das letzte Mal bei deiner Mutter richtig was essen sehen.“ „Hättest du genauer aufgepasst, wäre dir nicht entgangen, dass ich gestern Morgen gefrühstückt habe.“ „Oh, wie unaufmerksam von mir.“ „Prioritäten, John.“ „Sherlock. Komm essen.“ Ein frustrierter Laut war alles, was er als weitere Antwort bekam. Drei Minuten später senkte sich das Sofa neben John, der bereits angefangen hatte. Er lächelte in seine Pappschachtel mit gebratenen Nudeln und schob den Reis in Sherlocks Richtung, während er mit der freien Hand nach der Fernbedienung tastete und den Fernseher einschaltete. Er vergaß Silvester für den Moment. ∼*∼ Viel später am Abend saßen sie nebeneinander auf dem Sofa und sahen fern. Genaugenommen sahen sie eine Quizshow und John lauschte belustigt Sherlocks Ausführungen darüber, warum manche Fragen doch so offensichtlich waren, wohingegen andere (beispielsweise über das Sonnensystem oder die derzeitige Regierung) absolut irrelevant und langweilig waren. Sherlocks Ernsthaftigkeit machte es John nicht schwer, ihn aufzuziehen. „Aber unser Premierminister. Wirklich, Sherlock, das ist Grundschulwissen.“ Sherlock hatte sich verstimmt in den eigenen Bademantel gewickelt und die Arme verschränkt. „Und was bringt es mir in einem Fall? Ich werde ihn nicht schneller lösen, weil ich weiß, dass der Premierminister ein besonderer Idiot ist, so wie sein Vorgänger und sein Nachfolger.“ John musste zugeben, dass Sherlock einen Punkt hatte, aber er wollte nicht locker lassen. „Und was ist mit dem Sonnensystem?“ „Irrelevant.“ „Aber wenn du einen Mörder hast, der Personen mit dem Namen des Premiers umbringt und dabei die Position der Sonne eine Schlüsselrolle spielt?“ Im ersten Moment wirkte Sherlock, als würde er er diese Frage nicht einmal mit einer Antwort wert empfinden, dann änderte sich seine Haltung. Er ließ die Arme sinken und beugte sich vor. Sein Blick bohrte sich in Johns. „In diesem Fall werde ich ihn anhand der Handschrift seiner Morde überführen, denn seine Übergriffe wären gezeichnet von einer angestauten Wut. Er würde Fehler machen und selbst wenn nicht, würde ich etwas finden. Fasern seines Anzugs unter den Fingernägeln der Opfer. Tierhaare am Tatort von einer seiner Katzen. Der Winkel, von dem aus die Opfer angegriffen wurden, welcher eindeutig zeigt, dass er Linkshänder ist und Piano spielt.“ Sherlock war ihm jetzt so nah, dass John Mühe hatte, sich auf die Worte zu konzentrieren. So viele Fragen schwirrten ihm im Kopf umher. Was tun wir hier, Sherlock? Was ist das für dich? Ein Spiel? Sollten wir nicht darüber reden? Wie soll es weitergehen? Ich bin Ex-Soldat, sollte ich so weinerlich klingen?! Er holte Luft, um all diese Gedanken endlich mit einem Gespräch aus der Welt zu schaffen (auch, wenn er viel lieber andere Dinge mit seinem Mund und Sherlock angestellt hätte). Doch wieder kam er nicht dazu, denn Sherlocks Gesicht erhellte plötzlich ein Gedanke und er sprang von der Couch. „Piano, John. Piano. Das ist es.“ Auf einmal hielt er sein Telefon in der Hand und tippte. „Lestrade dachte, es sei Zufall, so etwas es ist nie Zufall.“ „Äh...“ John wusste nicht, wohin mit seinen Hände. Und mit seinen Gedanken. „Hast du einen neuen Fall?“ Sherlock antwortete, ohne ihn mit irgendeiner Geste zur Kenntnis zu nehmen. „Offenkundig, John. Nicht alle können den Tag auf der Couch verbringen und nur schlafen.“ „Als ob ich das gerne gemacht hätte“, murmelte John und lehnte sich zurück. Er öffnete die Augen, als er eine Bewegung an der Garderobe wahrnahm. „Willst du weg?“ Sherlock hatte den Bademantel achtlos fallen gelassen und John realisierte, dass er darunter die ganze Zeit angezogen gewesen war. Nun schlüpfte er in seine Schule und warf sich den Mantel über. „Du musst nicht auf mich warten, ich bin vor morgen früh nicht zurück.“ Ehe John fragen konnte, was zur Hölle Sherlock vorhatte, war er bereits die Treppe hinunter. Im Erdgeschoss fiel die Tür zu. „Das darf doch wohl nicht wahr sein.“ Müde rappelte John sich auf. Es würde eine lange Nacht mit unruhigem Schlaf werden. Wenigstens hatte Sherlock die Aufmerksamkeit besessen, seine ungefähre Rückkehr anzugeben. John blickte an sich hinab und fluchte. Er brauchte eine kalte Dusche. Sherlock, dieser sprunghafte, ignorante Stimmungskiller. ∼*∼ Bis Ende Dezember löste Sherlock Holmes einen mysteriösen Uhrendiebstahl, den Fall des tanzenden Mädchens (einer von Johns persönlichen Favoriten) und überführte den Klempner von Mrs Hudson des Haustierschmuggels.  Zwei weitere Gelegenheiten, mit Sherlock über die Spannung zwischen ihnen zu reden, verstrichen abrupt. Das führte zu einer unliebsamer Ernüchterung und John gab die Versuche vorerst auf. Es wäre der durchaus gelungene (gleichzeitig sexuell äußerst frustrierende) Abschluss eines außergewöhnlichen Jahres gewesen, hätte am Morgen des einunddreißigsten um 10.22 Uhr nicht zum ersten Mal seit zwei Monaten das pinke Handy vibriert. [tbc] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)