69 Hungergames von abgemeldet (Thalias Year) ================================================================================ Kapitel 1: Neues Zuhause - Thalia ----------------------------------- Schleppenden Schrittes verlasse ich mit meinem kleinen sechs Jahre jüngeren Bruder an der Hand das Justizgebäude. Obwohl ich am liebsten weinen würde, zwinge ich mich für Jaro, der flennend neben mir her tappst, stark zu sein. Dieser Vorsatz hält aber nur so lange an, bis ich Finnick vor dem Gebäude stehen sehe. Sanft und mitfühlend sieht er mich an und breitet seine Arme, sobald Jaro und ich vor ihm stehen, einladend aus. Meinen Tränen nachgebend schmeiße ich mich in seine Arme und schmiege mich an ihn. Zärtlich streicht Finnick mir über meine Locken, während er meinen kleinen Bruder und mich fest an sich drückt. Beruhigende Worte murmelt er uns zu, die aber nicht wirklich wirken. Was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, denn gerade eben durften wir uns bedeutungslose tröstende Worte über unseren verstorbenen Vater sowie uns das Versprechen anhören, dass der Bürgermeister eine Bleibe für uns suchen wird. „Sie wollen uns irgendwo hinstecken“, schniefe ich Finnick ins T-Shirt. „Wahrscheinlich trennen sie uns auch! Finn, lass bitte nicht zu, dass ich und Jaro getrennt werden. Wir haben uns beide doch nur noch!“ Panisch keuche ich, leide richtig unter Atemnot und verkrampfe meine zitternden Hände fest in dem Stoff seines Shirts. „Pscht, ruhig! Keiner wird euch trennen. Das verspreche ich dir“, wispert Finnick. Mit großen Augen schaue ich zu ihm hoch. „Wirklich? Wie?“ „Was habe ich dir vor sieben Jahren denn gesagt. Und was sag ich dir seit dem immer wieder, wenn wir beide etwas machen, vor dem du Angst hast?“, entgegnet er. „Du passt auf mich auf und lässt nicht zu, dass mir etwas passiert“, schniefe ich. „Genau, deshalb werden wir drei zurück gehen und bescheid geben, dass du und Jaro ab sofort bei mir wohnen werdet“, stimmt Finnick mir zu und schiebt mich fast im selben Moment wieder die Treppen zum Justizgebäude hoch. „Wer weiß wo ihr sonst noch unterkommt. Und wie will ich den sonst auf euch beide aufpassen können.“ „Ich kann es immer noch nicht glauben. Wir haben ein Dach überm Kopf.“ Fassungslos starre ich meinen besten Freund oder vielmehr meinen einzigen Freund im ganzen Distrikt an. „Ich weiß nicht, was… wie … Danke, Finn.“ Zitternd atme ich aus und lass mich an der Wand, im Flur von Finnicks Haus im Dorf der Sieger, runter gleiten. Sprachlos sehe ich mich um. Hier in diesem prächtigen Gebäude sollen Jaro und ich zusammen mit Finnick ganz alleine Wohnen. Seine Eltern sind genau wie die meinen schon vor Jahren verstorben. Die Einzige, die sich jetzt um den 18-jährigen kümmert ist seine Mentorin aus den Hungerspielen. Mags eine wirklich liebenswürdige ältere Frau, die sowohl mir, als auch Finnick schon so einiges beigebracht hat. Zärtlich tätschelt er mir den Kopf. „Kannst du aber. – Du solltest dich auch schlafen legen. Es ist schon spät und du musst morgen in die Schule.“ „Ich will aber nicht!“ Trotzig verschränke ich meine Arme vor der Brust. Liebevoll lächelnd kniet sich Finnick vor mir nieder und meint: „Ich weiß, Kleine! Aber an Schule führt kein Weg dran vorbei.“ Schmollend schiebe ich meine Unterlippe vor. „Du bist fies!“ „Ich weiß. Jetzt komm, du Trotzkopf! Das Bett ruft.“ Geduldig hält er mir jetzt eine Hand hin, um mich hochzuziehen. „Und wenn ich nicht gehe. – Du hast schließlich keine Ahnung, wie doof Schule ist. Wie doof ohne dich“, versuche ich mich weiterhin rauszureden. Wirklich es weiß niemand wie sehr ich die Schule hasse. Niemanden, mit dem ich reden kann. Niemand, der mich oder den ich einigermaßen mag. Nur ich und mein Mittagessen, dass meistens eher meinen Kopf oder meine Kleidung ziert, anstatt mich zu sättigen. Wie ich Ermet Renest und seinen Hass gegen mich, denn ich nicht verstehen kann, hasse. „Tally, wir hatten niemals zusammen Unterricht, geschweige denn, haben wir eine gemeinsame Pause gehabt. Und in den letzten vier Jahren bist du doch auch ohne mich in die Schule gegangen. Also wo liegt da der Unterschied, ob du jetzt morgen wieder hingehst oder aber die letzten Jahre ohne mich gegangen bist?“, entgegnet Finnick. „Doch, da…“ Ich halte inne, um mir ein wirklich gutes Argument zu überlegen, doch zu meiner Schande will mir nichts einfallen, was meinen besten Freund und ab sofort auch Vormund überreden könnte, dass ich morgen nicht in das mir so sehr verhasste Gebäude gehen muss. „Da ist kein Unterschied“, gebe ich zerknirscht von mir. „Na siehst du. Und jetzt komm!“ Seufzend lasse ich mir von meinem besten Freund hoch helfen und gehe neben ihm die Treppe hoch in den Ersten Stock. Sanft aber bestimmt schiebt er mich ins Badezimmer und schließt hinter mir die Tür. „Mach dich schon mal fertig. Ich komm gleich wieder“, ruft Finnick mir durch die Tür zu. „Ich hab aber nichts zum anziehen hier im Bad“, jammere ich. „Hab dir eben schon was raus gelegt“, erwidert er, genau in dem Moment, in dem mein Blick auf ein sauber gefaltetes Nachthemd, Unterwäsche und meine Utensilien zum Waschen und Zähneputzen fällt. „Danke“, rufe ich zurück und ziehe mir meine Kleidung vom Leib, um anschließend unter die Dusche zu gehen., Nachdem ich mich gewaschen, Zähne geputzt und für die Nacht angezogen habe komme ich raus aus dem Badezimmer. Im Flur an der Wand gegenüberlehnt Finnick und scheint geduldig auf mich gewartet zu haben. „Drödellisel“, brummt er und kann dabei aber ein Grinsen sich nicht unterdrücken. „Komm, ab ins Bett mit dir. Heute Nacht schläfst du neben mir. Ich hol morgen eure Betten und richte dir und Jaro jeweils ein Zimmer ein.“ Freundlich reicht er ir seine Hand, die ich erleichtert sofort ergreife. Zwar komm ich mir selber gerade sehr unbeholfen vor, doch ist es mir egal. Immerhin bin ich auch nur ein kleines Mädchen, das vor kurzem seinen Vater verloren hat und jetzt einfach nur Zuneigung und Schutz braucht. Mich an die große Hand klammernd laufe ich neben meinem einzigen Freund zu seinem Zimmer. Halte dabei meinen Blick gesenkt, damit er meine aufkommenden Tränen nicht bemerkt. Ich bewundere ihn einfach zu sehr. Ich hab ihn einfach zu gerne, als dass ich es haben möchte, dass er wieder meine Tränen sieht. Bis eben konnte ich sie noch zurückhalten, doch jetzt, da er mich wie mein Vater freundlich und sanft ins Bett bringt, fließen sie wieder über meine Wangen. Nachdem Finnick mich in sein Zimmer eingelassen hat, lasse ich seine Hand los und tapse zu dem Bett in der Mitte des Raumes. Laut schniefend schmeiße ich mich auf es und drücke mein Gesicht in eines der Kissen. Ohne auf Finnick zu achten weine ich. Lass all die Tränen laufen, die ich Jaro zu liebe zurück gehalten habe. Nur am Rande merke ich, wie sich auf der anderen Seite des Bettes die Matratze senkt. Einen Moment später legt sich sanft eine große Hand auf meinen Rücken um mich beruhigend zu streicheln. Schluchzend drehe ich meinen Kopf und sehe meinen besten Freund unter einem Meer von Tränen an. „Komm her, Tally“, fordert er mich sanft auf und nimmt mich fast im selben Moment in seine Arme. Fest werde ich an seine Brust gedrückt. Dankbar und zugleich tief traurig klammere ich mich weinend an ihn, verkralle meine Hände in seinem T-Shirt. Mir beruhigende Worte zuflüsternd wiegt mich Finnick sacht hin und her. Doch seine Worte kommen nicht bei mir an bzw. die Bedeutung von ihnen. Irgendwann ist plötzlich Jaro neben mir und klammert sich genauso wie ich, sich heulend an Finnick, aber gleichzeitig auch an mich. So vergeht die Zeit, bis ich irgendwann vor lauter Erschöpfung einschlafe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)