Heile Welt von Gaomee (Adventskalender 2011, 20. Türchen) ================================================================================ Kapitel 3: Unkenntlich ---------------------- „Oh Gott!“ Tenten schlug die Hand vor den Mund und würgte. Der Raum stank nach verbranntem Fleisch. In einer Ecke hinter Tsunades Schreibtisch befand sich eine grüne Couch, die nicht mehr grün war. Tsunade behandelte den darauf liegenden Menschen mit Chakra. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn. „Kann ich irgendwie helfen?“, wandte sich Tenten an Shizune, aber diese schüttelte nur den Kopf und kniete sich neben Tsunade, um ihr ab und zu mit einem feuchten Lappen über die Stirn zu streichen und ihr zu reichen, was immer sie benötigte, während Tenten auf Tsunades zwar außerordentlich bequemen Sessel sitzen durfte, doch leider nur vollkommen hilflos zusehen konnte. Sie nahm an, dass der Patient Neji war. Er lag offenbar in einer tiefen Ohnmacht und spürte nichts, doch er sah schrecklich aus, eher tot als lebendig. Tenten konnte es nicht ertragen sein Gesicht lange anzusehen, denn es war so grässlich entstellt worden. Ihn so zu sehen, machte ihr klar, was für ein gutaussehender Junge er vorher gewesen war. Seine Nase war sicherlich mehrmals gebrochen worden und niemand – offenbar nicht einmal Neji selbst – hatte sich die Mühe gemacht Blut von seinem Gesicht zu waschen. Außerdem war sein Antlitz grün und blau geschlagen worden. Es sah fast nicht mehr menschlich aus, weil es von so vielen Blutergüssen durchzogen war. Viel genauer konnte sie ihn nicht betrachten. Dabei wurde ihr schlecht. Sie konnte noch nicht einmal genau ausmachen, ob er atmete und sie traute sich nicht aufzustehen und über Tsunade hinweg den Rest des Schadens an Nejis Körper in Augenschein zu nehmen. Nach einer Weile kam Shizune zu ihr herüber und Tenten rückte auf dem großen Sessel, damit sie beide Platz hatten. „Sind die Hyugas schon informiert?“, fragte Tenten. „Nein.“ Beide sahen erschöpft zu Boden. Obwohl Tenten rein gar nichts getan hatte, fühlten sich ihre Glieder bleischwer an. „Als Kontaktperson standst nur du da“, fügte Shizune hinzu. „Lee wird es auf jeden Fall erfahren, wenn er zurück ist und Hinata überleg’ ich mir noch“, vertraute Tenten ihr an. Shizune nickte. Das erschien ihr verständlich. „Du solltest Shikamaru auch Bescheid sagen“, eröffnete Shizune. „In der Kurzversion habe ich ausgelassen, dass er sich wirklich abgemüht hat, ihn zu finden. Er ist tagelang durch den Wald geirrt.“ Tenten hob eine Hand. „Schon gut. Ihn informiere ich auch – Keine Sorge, ganz geheim.“ Shizune lächelte ein verwaschenes Lächeln und sah auf in Tentens resignierten Blick. „Wie sieht’s aus?“, erkundigte sich Tenten und atmete heftig aus. Es war Tsunade jedoch, die antwortete. Völlig ausgelaugt setzte sie sich auf den Boden und lehnte sie sich an ihren Schreibtisch an. „Keine Ahnung“, gestand sie ehrlich. „Wir müssen eine Liste der Verletzungen für den später behandelnden Arzt machen. Die kann man gar nicht alle auf einen Blick erfassen.“ „Super“, stöhnte Tenten sarkastisch und konnte sich ein fassungsloses Lachen nicht unterdrücken. Dann wagte sie einen Blick. „Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, da war er nackt, da kam er gerade aus der Dusche und ich war gerade von einer Mission heimgekehrt. Ziemlich peinliche Situation“, gestand sie mit ausdrucksloser Miene als sie sich daran erinnerte. Aber es munterte sie diesmal nicht auf. Sie erhob sich. Neji war nur mit einem großen Leinentuch bedeckt und es war schon von ekelhaften Substanzen durchtränkt. „Was ist das alles?“, fragte sie gelassen und deutete darauf. „Eiter, Blut“, teilte Tsunade ihr mit. „Emulsionen mit Heilkräutern. Er hat großflächige Verbrennungen. Er hat kühlende Salben mit regenerierenden Kräutern erhalten. Die meisten seiner Extremitäten sind umwickelt. In dem Körper sind so viele Brüche, dass man sie unmöglich alle schienen kann, aber - “ Hier machte Tsunade eine Pause, um Tentens Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Es gibt auch gute Neuigkeiten. Sie haben ihm nur Zehen und ein Ohr abgeschnitten.“ Vorsichtig beugte Tenten sich über den beinah leblosen Körper, um die fehlende Ohrmuschel zu bestaunen. „Tatsächlich.“ Es sah gar nicht so schlimm aus wie sie vermutet hatte, denn man sah die Schnittstelle gar nicht, sondern nur verkrustetes Blut. Während Tsunade beobachtete wie Tenten eine Wasserschüssel zu sich heranzog, sagte sie: „Jeweils die kleinen Zehen und einen großen Zeh. Vielleicht wollten sie ihn austauschen gegen einige unserer Gefangenen und wussten, dass ein fingerloser Shinobi einen Dreck wert ist, aber sie haben sie ihm gelassen. Es ist fast wie ein Wunder.“ Tenten rannen Tränen über die Wangen. Als sie sprach, war ihr Stimme heiser. „Wollen wir nur hoffen, dass er das hier überlebt. Selbst dann … „ Sie schniefte und begann sein geschwollenes Gesicht zu waschen. „Ich will mir gar nicht vorstellen wie es sein wird. Er wird trainieren wollen und sein Körper wird einfach noch nicht bereit dazu sein.“ Sie schluckte hart und lächelte. „Neji ist kein angenehmer Patient“, teilte sie ihnen mit und alle versuchten die Anspannung mit einem Lächeln abzuwerfen, doch es gelang nicht ganz. Schließlich sagte Tsunade: „Der Körper eines Shinobi ist sehr widerstandsfähig. Das Chakra in unserem Körper kann wundervolle Dinge vollbringen. Er sieht im Moment vielleicht noch schlimm aus, doch in nur ein paar Wochen könnte es ihm schon wieder viel besser gehen.“ Tenten hoffte es und tupfte vorsichtig an seinem Ohr. Sie hoffte sogar sehr auf die Kraft des Chakras. Tsunade sagte, man müsse Nejis eigenes Chakra aktivieren, damit es seinem Beherbergenden half sich selbst zu heilen. Allerdings durfte man das Chakra nicht alle Arbeit tun lassen, denn, wenn sein Chakrabestand aufgebraucht war, konnte ein ohnmächtiger Verletzter nicht so schnell neues heranziehen. Den ganzen Tag über behandelte Tsunade Nejis Körper kontinuierlich. Sie wechselte Verbände, mischte neue Tinkturen auf. Tenten half ihr bei Ersterem. Shizune lief umher und ließ sich andauernd Dinge vom Krankenhaus bringen. Tenten konnte Sakura im Flur hören. „Shizune, ist mit der Hokage alles in Ordnung?“ „Sicher.“ „Warte, warum benötigt sie dann das hier und das? Und vor allen Dingen dieses hier?“, verlangte sie zu wissen. „Kann ich dir nicht sagen, aber ich verspreche dir, der Hokage geht es gut.“ Danach hörte Tenten nicht mehr zu. Sie stellte fest, dass es erstaunlich und faszinierend war Tsunade bei der Arbeit zuzusehen. Ihre Heiljutsu waren so mächtig. Sie konnten Blut wieder in seinen Körper pumpen, Wunden schließen, veröden, wobei Letzteres Tenten gar nicht gefiel. Da musste sie immer kurz nach draußen gehen, weil der Geruch von sengendem Fleisch ihr unerträglich war. Bevor sie es merkte war es draußen dunkel. „Tsunade-Sama?“ „Ja?“ Sie nahm gerade einen Schluck Sake zu sich. „Darf ich erfahren, was genau vorgefallen ist?“ „Eigentlich nicht.“ Tenten hatte nicht wirklich mit einer anderen Antwort gerechnet. „Aber du wirst es wahrscheinlich eh erfahren. Vielleicht gibt es irgendwann Krieg. Sie wollten etwas über mich herausfinden und haben es von langer Hand geplant. Er hat noch einige Worte gesprochen, bevor er vollkommen das Bewusstsein verlor. Die können ’was erleben …“ Tsunade seufzte als würden sich zwei Kinder um einen Schokoriegel streiten. Doch Tenten sah erschrocken auf. „Krieg?“ Das machte die Sache umso schlimmer. „Keine Sorge“, beruhigte Tsunade und ein kleines, erfahrenes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Kriege brauchen Vorbereitung. Bis ein richtiger Krieg vom Zaum bricht, kann es zwei bis drei Jahre dauern.“ „Meinst du wirklich?“, erkundigte Tenten sich bange. „Wenn niemand einen riskanten unüberlegten Fehler macht, dann ja. Glaub’ mir, ein Jahr brauchen unsere Feinde mindestens. Truppen zusammenrotten, Verpflegung und Ausrüstung einplanen. Da werden Schwärme von Ninjas durch unsere Wälder gehetzt. Die kann man nicht einfach von heute auf morgen auftreiben und mit genug Verpflegung ausstatten, dass die’s bis hierher schaffen und die gleiche Moralstärke haben wie am Anfang und glaub’ mir, Tenten, wir gehen bestimmt nicht zu denen.“ Tsunade nickte wichtig. „Wenn die Krieg wollen, sollen sie gefälligst zu uns kommen.“ Tenten nickte. Das leuchtete ihr ein. „Darf ich wenigstens erfahren, wer von nun an unsere Feinde sind?“ „Merkst du noch früh genug.“ Tenten seufzte und wandte sich lieber einem im Moment dringenderen Thema zu. „Was passiert jetzt mit ihm?“ Jetzt war Tsunade dran zu seufzen. „Ein paar Tage werde ich ihn noch hier behalten und dann muss er auf die Intensivstation. Hast du in nächster Zeit eine Mission?“ Tenten nickte. „Tausch sie gegen ’was ein, wo du Kinder herumkommandieren kannst und du dir etwas Ruhe gönnen kannst.“ „Sicher, Tsunade? Gerade in so einer Zeit-“, begann Tenten, doch Tsunade machte eine Geste, die jede Widerrede ausschloss. „In Ordnung.“ „Gutes Mädchen.“ Shizune kam durch die Tür und brachte noch einen Krug Sake. „Hier, Tsunade, für deine Nerven.“ „Danke, Liebste.“ Tsunade ließ sich auf den zweiten Sessel fallen, den sie im Laufe des Tages herein getragen hatten. Shizune lehnte an Tsunades Schreibtisch. „Ach, Tenten.“ Tsunade sah sie streng an. „Das alles hier erfordert äußerste Geheimhaltung, verstanden?“ „Alles klar“, versicherte Tenten. „Danke, dass du ihn hier bei dir behältst.“ Tsunade winkte ab. „Ohne mich wär’ er schon längst tot und, wenn ich ehrlich bin, wäre es zu schade um jemanden von solch kämpferischem Genie.“ Sie zwinkerte Tenten zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)