1000 und ein Neuanfang von Plotchaser ================================================================================ Kapitel 6: Begrüßungsrede ------------------------- Während das Licht im Raum abdunkelte und sich alle Blicke ausschließlich auf die Bühne richteten, warf sich Ariana MacBeth ihre langen, schwarzen Haare über die Schulter und überblickte den gefüllten Raum. Nein, die Menschen richteten ihre Blicke nicht auf die Bühne. Sie richteten ihre Blicke einzig und allein auf sie. „Ich freue mich, Sie hier herzlich Willkommen zu heißen.“, ihre helle Stimme hallte über Lautsprecher durch den Raum und klang freundlich und zuvorkommend. Genau so, wie sie es haben wollte. „Da Sie so zahlreich zu uns gestoßen sind, möchte ich Sie alle nicht weiter auf die Folter spannen. Immerhin möchten Sie doch alle gerne wissen, was Ihnen hier so geboten wird, nicht wahr?“ Durch die Dunkelheit im Raum konnte Ariana gerade die ersten Reihen ausmachen und so lies sie den Blick durch diese schweifen. Niemand sprach. Alle Blicke hingen gebannt an ihr. „Wie Sie sicherlich bereits erfahren haben, bekommen Sie hier endlich die Möglichkeit, einen Neuanfang zu starten. Wir wollen Ihnen allen ermöglichen, einen Beruf zu erlernen, der zu Ihnen passt und Ihnen gefällt. Ebenso erhalten Sie hier eine Wohn- und Essensmöglichkeit. Einige unter Ihnen nutzen diese Möglichkeiten ja bereits.“ Und dann begann sie über die gesamte Einrichtung und alle ihre Vorzüge und beruflichen Werdegänge zu philosophieren. Wie oft hatte sie diese Rede bereits gehalten? Gott, wie sie dieses Gelabere doch satt war. Nur, um diese niederen – durch Drogen manipulierten – Menschen davon zu überzeugen, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen und sie sich dem ganzen nur um so freiwilliger hingaben. Ihre Rede schien alles wichtige zu beinhalten. Alles, was Neulinge zu interessieren hatte. Und wenn jemand eine Frage stellte, wurde diese natürlich fachgemäß und auf der Stelle beantwortet. Wozu sie auch einige der älteren Mitglieder auf die Bühne bat, damit diese ihre Erfahrungen unter die Leute bringen konnten. Als sich die anderthalb Stunden langsam dem Ende zu neigten, richtete Ariana ihr Augenmerk auf die Personen, die noch immer nicht wussten, wie der Alltag in dieser Einrichtung aussehen würde. Diese, die gerade erst aus den sogenannten Krankenzimmern entlassen worden waren. „Selbstverständlich lassen wir Ihnen die Zeit, die Sie zum einleben brauchen, darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Wenn Sie sich bereit dazu fühlen oder ein bestimmter Beruf Sie besonders interessiert, können Sie Ihren Betreuer jederzeit darauf ansprechen.“ Die Schwarzhaarige sah, das ein, zwei in den ersten Reihen erleichtert aufatmeten, da dieser Druck von ihnen genommen worden war. Sie hatte recht schnell begriffen, dass das allgemeine Denken sich nicht von diesen Zombies nehmen lies. Weshalb sie darauf achten musste, jeden Zweifel zu beseitigen, wenn sie ihre Ziele erreichen wollte. „Solange würden wir uns sehr darüber freuen, wenn Sie an unseren Freizeitbeschäftigungen teilnehmen. Unter anderem bieten wir ihnen Yoga und Fußball an. Eine genaue Liste dazu hängt in den Gängen vor diesem Saal aus. Wenn Interesse besteht, scheuen Sie nicht, sich direkt einzutragen.“ Kira hatte sich derweil schon lange aus dem Staub gemacht und bekam nichts von den Freizeitaktivitäten mit. Denn kaum hatte diese Frau angefangen zu reden, war dem Mädchen klar geworden, dass sie die gesamte Ansprache einstudiert hatte. Ebenso ihre Brechreiz erregende Freundlichkeit, die sie einem vor heuchelte. Wobei es nicht die vorgetäuschte Freundlichkeit war, die ihr Übel werden lies. Es lag wohl eher an der halben Flasche Bier auf ihren mehr als nur nüchternen Magen. Und genau aus diesem Grund hatte Kira auch schleunigst den Saal verlassen und – nach einigen Malen Weg erfragen – auch ein Bad gefunden, ohne sich vorher auf diesem sterilen, Krankenhaus ähnlichen Flur zu übergeben. Nach einer Weile hatte sicher der Magen der Blonden endlich wieder beruhigt. Kaum dass sie sich den Mund am Spülbecken ausgewaschen hatte und davon überzeugt war, dass es ihr besser ging – außer, dass sie nun wirklich einen mörderischen Hunger und einen Geschmack im Mund hatte, der einfach nur widerlich war –, verließ sie endlich wieder die Toilette. Nur um fest zu stellen, dass sie sich hoffnungslos verlaufen hatte. Sie war so mit ihrer Selbstbeherrschung beschäftigt gewesen, dass sie nicht einmal mehr wusste, ob sie nun von links oder von rechts gekommen war. Und weit und breit war keine einzige Person zu sehen. „Oh je... Und was mach ich jetzt? Ich werd' doch nie wieder zurück finden...“ Mit einem theatralischen Seufzen verdrehte Kira die Augen, ehe sie sich in die entgegengesetzte Richtung wandte und einfach drauf los ging. Wobei ihre Schritte leise und bedacht waren. Durfte sie hier überhaupt herum laufen? Oder führte ihr Weg sie in eine Richtung, in der es nur Ärger für sie gab? Aber Ärger bedeutete auch, dass sie vielleicht auf ihre Freunde treffen würde. Was wohl der einzige Grund war, weshalb ihre Schritte etwas beschwingter wurden, während ihre Blicke über die Schildchen neben den Türen glitten. Nummer 1.306, Nummer 1.307, Nummer 1.308... Was auch immer das für Räume waren, sie hatten weder eine Bezeichnung noch ein Namensschild, also waren es zumindest keine Schlafräume von irgendwelchen Patienten. Nur juckte es sie deswegen um so mehr unter den Fingern. Sie wollte wissen, was sich hinter den Türen verbarg, doch steckte eine gewisse Angst in ihr, die sie bisher daran hinderte, auch nur an den Türen zu lauschen. Vielleicht waren es ja Versuchslaboratorien? Oder diese Räume, wohin diejenigen gebracht wurden, die fliehen wollten? Ein eisiger Schauder jagte Kira den Rücken hinunter und sie musste stehen bleiben, damit das darauf folgende, unwillkürliche Schütteln sie nicht zum Stürzen brachte. Jedoch half ihr dieses Stehen bleiben auch, um die Schritte zu hören, die sich aus einem Seitengang auf sie zu bewegten. Energische Schritte, die sie schlagartig in Panik versetzten. Und so wandte sie sich einfach der nächstbesten Tür zu und stürzte in den stockfinsteren Raum hinein, der sich dahinter verbarg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)