Baby, it's cold outside von FreeWolf (Ein Adventskalender) ================================================================================ Kapitel 11: 11. Dezember - Weihnachtssterne ------------------------------------------- Der Kakao vor seiner Nase dampfte, und Steve umklammerte die Tasse, als wäre sie sein einziger Rettungsanker. Drei Zuckerpäckchen lagen aufgerissen in der Mitte des Tisches, gleich neben dem Aschenbecher – warum auch immer der hier stand; das kleine Café war ein Nichtraucher-Lokal. Direkt daneben hatte er das Erkennungszeichen positioniert: eine quietschblaue, seltsam aussehende Plastik-Gerbera. Es war die einzige, die nichts Weihnachtssterniges an sich hatte. Steve hasste Weihnachtssterne – seine Mutter hatte früher das ganze Haus damit zugepflastert. Der breitschultrige Amerikaner seufzte und griff nun nach der Blume, drehte sie gedankenverloren zwischen seinen kräftigen Fingern. Na, wenigstens konnte er dieses hässliche Plastikding nicht kaputtmachen wie den Blumenstrauß letztens für Judy. Wusste der Teufel, wie er das angestellt hatte. Die Zeiger der Uhr rückten langsam nach vorne, und Steve begann zu zweifeln, ob er überhaupt im richtigen Café saß. Immerhin gab es in dieser Straße davon geschätzte hundert je Straßenseite. Und dann noch eine gefühlte Million andere in ganz New York. Der dunkelhaarige Amerikaner blickte sich kurz unauffällig um, wog ab, ob sein Blind-Date vielleicht schon da war, ihn aber noch nicht gesehen hatte. Auch wenn er direkt am Fenster saß – schön sichtbar, und das von weitem – und der jungen Frau, die ihm unter dem Nick „Lady_Chocolate“ bekannt war, genauestens beschrieben hatte, was er denn anhatte. Steve zog sein Handy heraus. Keine neue SMS. Nicht zum ersten Mal beneidete er Michael im Stillen um sein tolles Android-Handy mit Touchscreen und allen möglichen Rafinessen, mit dem man unter anderem auch ins Internet einsteigen konnte. So hätte er sich wenigstens ein wenig ablenken können – oder mal wieder das Profilbild Lady_Chocolate's anstarren können und sich vorstellen, wie sie wohl im richtigen Leben war. Es war peinlich, dass er auf eine Online-Dating-Seite zurückgreifen musste. Doch Steve gehörte einfach zu jenen, die zu schüchtern waren, um auf Parties Leute anzusprechen. Auch wenn er eigentlich nicht so wirkte. Der Vorschlag Michaels, als er ihm einmal seine lange Durststrecke geklagt hatte, sich online umzusehen, war eigentlich mehr ein Scherz gewesen. Aber immerhin – Steve blickte sich abermals unauffällig um und verfluchte seinen Hang zur Überpünktlichkeit. Es blieben noch immer fünf Minuten, bis sein Date eigentlich kommen sollte, und wahrscheinlich ließ sie sich nochmals fünf Minuten mehr Zeit... Warum hatte er sich nur auf das Treffen eingelassen? Natürlich, sie war ihm vom Schreiben her sympathisch gewesen, und ihr Profilbild war.. heiß. Sie sah unglaublich aus darauf. Warum sollte sich eine so schöne Frau ausgerechnet für ihn interessieren?, meldeten sich die Zweifel wieder zu Wort, die er die ganze Woche über, seit das Date stand, erfolglos verdrängt hatte. Der Kakao war nun halb abgekühlt, und Steve schauderte, als ihm auffiel, dass er nicht genau sagen konnte, wie viel Zucker er hineingestreut hatte. Oh Gott, er war echt neben der Spur. Was, wenn sich nun herausstellte, dass sein Online-Date eine verzweifelte Fast-Hundertjährige war, die an ihrem Alter einfach die Zehnerstelle ersetzt hatte? Oder wenn sie überhaupt nicht auftauchte? Steve seufzte und starrte die blaue Blume beinahe feindselig an. „Du bist mir auch keine Hilfe“, murmelte er ihr zu. Das hässliche Ding war eigentlich als Erkennungszeichen gedacht. Aber wenn er sich die Gerbera so ansah, schien ihm alles nur Farce. „Wer ist hier keine Hilfe?“, da war sie nun tatsächlich – und auch etwas zu früh. Und sie war noch schöner als auf ihrem Foto. Das dunkelblau schimmernde Haar war kürzer, aber ansonsten.. Steve blieb der Mund offen stehen vor Staunen, doch Lady_Chocolate schmunzelte bloß und beugte sich vor, um ihn mit einem Wangenkuss zu begrüßen. „Hallo, ich bin Lady, aber das hast du bestimmt erraten“, sie zwinkerte, und ihre grünen Augen funkelten schelmisch, „Eigentlich heiße ich Mariam“ „Steve“, brachte der bullige Amerikaner stotternd hervor. Verdammt, warum musste er nur so schüchtern sein? Die Blauhaarige lächelte breit, als ihr Blick auf die Plastik-Gerbera fiel. „Ist die für mich?“, erkundigte sie sich, und der Footballspieler nahm all seinen Mut zusammen, um ihr das hässliche, kitschige Ding zu überreichen. „Leider gab's im Laden nichts Anderes als Weihnachtssterne, und von denen bist du ja genauso begeistert wie ich.. da dachte ich, das wäre besser...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)