Adventskalender 2011 von Eis_in_Flammen (Eine Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Türchen 24 - Das Hot'n'Cold-Konzert ----------------------------------- Ich keuchte außer Atem und schwitzte. Vor meinem Gesicht kondensierte mein Atem. Ich stand auf meinen Skiern und hatte mich hoffnungslos verlaufen im nicht enden wollenden Weiß des Neuschnees in den Bergen, wo ich mit meiner Clique im Skiurlaub war. Wohin ich auch blickte, war nichts als Schnee, Himmel oder Berge…noch nicht einmal Spuren von Skiern oder überhaupt Spuren von Menschen. Ich fühlte mich wie eine orientierungslose Schiffsbrüchige auf offener See und eine leichte Panik überfiel mich. Wie viele Kilometer hatte ich mich wohl von ihnen entfernt? Ich setzte meine Skibrille wieder auf und fuhr weiter, der Sonne entgegen. Es ging den nächsten Hang hinunter, der mich hoffentlich in die richtige Richtung führen würde… Zu spät bemerkte ich, dass dieser vermeintliche Schatten auf dem Schnee gar keiner war, sondern eine fiese Erdspalte. Verzweifelt fuchtelte ich wild mit den Stöcken herum, doch ich fand keinen Halt. Schnee rieselte mir von oben in den Mund und noch im Fallen wusste ich, alles ist aus. Ich wusste nicht, wie lange ich schon so dalag, alle Viere von mir gestreckt auf dem schneebedeckten, vereisten Boden in dieser bestialisch kalten Eishöhle. Von dem Loch, durch das ich hineingefallen war, war nichts mehr zu sehen. Spiralförmig an der Wand führte ein Weg nach oben, der so glatt war, dass es mich erst einmal hinhaute. Doch es war der einzige Ausweg. Mit den Stöcken bewaffnet und vorbereitet, schritt ich vorwärts, wild entschlossen, heute noch hier herauszukommen. Hier war es so merkwürdig still… Das dicke Eis schirmte jeden Ton ab. Der Weg führte mich in einen Tunnel hinein, und ich fragte mich, wer so tief unten im Eis eine Höhle baute, und wofür. Nicht einmal etwas sehen konnte ich, Dunkelheit umhüllte mich wie ein Nebel, der auf ein paar Meter Entfernung doch ein bisschen Sicht freigab. Mit den Handschuhen tastete ich mich an der Wand entlang. Dieser enge Gang wollte und wollte kein Ende nehmen. Wenigstens war der Boden nicht mehr spiegelglatt. Und jetzt war schon Endstation. Der verfluchte Tunnel war eine Sackgasse! Ich bekam Panik und fluchte so laut ich konnte. Zurück konnte ich auch nicht mehr! Ich holte mit beiden Stöcken aus und stieß sie gegen die Wand. Etwas Schnee rieselte heraus, und ich stieß immer weiter zu. Die Wand war scheinbar doch nicht so dick. Mit Stöcken und all meiner Körperkraft presste ich mich gegen die eiskalte Blockade. Und sie gab endlich nach! Ich schlüpfte durch das Loch hindurch. Und riss die Augen auf. Ich befand mich in einem riesigen Saal mit sechs Wänden, die nach oben spitz wie ein Kirchturm zusammen liefen. Die Eisfläche, die sich vor mir erstreckte, hatte die Form einer Schneeflocke, deren Zwischenräumen klares Wasser ausfüllte. Sechs spindeldürre, spitze Stalagmiten aus Eis ragten in die Höhe. Doch meine Aufmerksamkeit erregten die glasähnlichen Eisskulpturen auf der erhobenen Eisfläche. Sechs Männer mit Anzug und Fliege, jeder ein anderes Musikinstrument in den Händen haltend. In ihrer Mitte eine Frau in einem knappen Kleid, die einen Hula-Hoop-Reifen an ihren Hüften hielt. Neugierig betrat ich das Podest und streckte die Hände nach diesen schönen, naturgetreu geschnitzten Eisskulpturen aus. „Willkommen!“, sagte das plötzlich der eine Eismann mit der Geige, bevor ich ihn berühren konnte und zwinkerte mir zu. „auf dem Hot’n’Cold-Konzert!“ Er lächelte mich freundlich an, und plötzlich legten alle sechs los mit ihren Instrumenten. Die wunderbare Melodie verzückte mich. Scheinbar von den Klängen der Musiker aus ihrem eisigen Bann befreit, nahm das Kleid der Frau eine lodernd rote Farbe an und Feuer entzündete sich auf ihrem Reif, der um ihre Hüfte kreiste. Die tanzende Feuerteufelin mit den goldblondenen Haaren nahm den brennenden Ring in die Hand, holte aus und schmetterte ihn wie einen Bumerang durch den Saal. Die Spitzen der Stalagmiten standen lichterloh in Flammen und fraßen sich weiter zur Decke. Eine Pirouette drehend, speite sie eine gleißend gelbe Feuerfontäne aus ihrem Mund und brachte die Eismänner mitsamt ihren Instrumenten zum Schmelzen und ich war mir ziemlich sicher, dass sie meine Augenbrauen abgefackelt hatte. Mit ihrem Ring spielend, kam sie auf mich zu, und ich tappte rückwärts von ihr weg. „Gib mir deine Hand!“, forderte sie und wollte mir den Ring, der plötzlich auf Fingergröße geschrumpft war, überstreifen. Alles kam mir so unglaublich absurd vor. Wie in einem Traum. „Hörst du mich? Gib mir deine Hand!“ Die eindringliche Stimme kam von oben, von einer Frau in roter Skijacke, die mir ihre eigene entgegen streckte. Am Himmel funkelten die Sterne und ich steckte immer noch in der Spalte fest und hatte nur das Bewusstsein verloren. War niemals in diese Höhle gefallen, hatte niemals dieser Musik gelauscht und meine Feuerbraut getroffen…. Meine halb erfrorene Hand wurde plötzlich von einem Schwall Hitze gewärmt, als sie mich an der Hand packte und mir dabei fast den Arm heraus riss. „Schaut so aus, als müsste die Christmette heute ohne dich stattfinden“, lächelte meine Retterin, in deren Augen ich ein gewisses Glühen ausmachte. „Ich heiße übrigens Aileen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)