Adventskalender 2011 von Eis_in_Flammen (Eine Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Türchen 23 - Weihnachts WG --------------------------- In einem kleinen Dorf, das nicht weit von der nächsten Großstadt entfernt lag, bereiteten sich zwei junge Frauen auf ihr Weihnachtsfest vor. Evelin und Adreana schmückten zusammen die Blaumanntanne mit Christbaumschmuck, roten sowie blauen Kugeln und Sternen. Das würde das erste Weihnachten in ihrer Frauen-WG werden – es musste einfach alles perfekt sein. Normalerweise verbrachten beide ihre Heiligabende bei der Familie, doch dieses Jahr besuchten Evelins Eltern ihren Bruder in Frankfurt und Adreanas Angehörige waren mit Sack und Pack in den Süden geflüchtet. So hatten die beiden Frauen beschlossen, selbst für einen gemütlichen Abend zu sorgen. »So jetzt noch den Stern oben drauf und wir sind fertig«, seufzte Evelin und strich sich eine schwarze Locke aus der Stirn. »Schön ist er geworden, findest du nicht?« Adreana reichte ihr die goldene Christbaumspitze mit dem Weihnachtsstern. »Ja. Wenn in ein paar Stunden die Lichter brennen, dann wird er sogar noch schöner sein als jetzt. Haha, und ich freu mich schon wahnsinnig auf deinen Punsch nach Geheimrezept!« Sie zupfte sich einige Tannennadeln aus dem Pulli. »Bin ja gespannt ob du die Chili-Würze verträgst!«, lachte ihre Freundin und steckte den Stern auf die Spitze. Die Zeit verging wie im Fluge. Der kurze Tag wich der Dunkelheit des späten Nachmittags. In der Wohnung brannten Kerzen und es roch nach Punsch und Bratäpfeln. Gerade streckten sich die beiden Frauen auf ihrer Couch aus, als es plötzlich an der Tür klingelte. Sie sahen sich verwundert an. Wer wohl um diese Zeit an Heiligabend vor der Tür stand? Die Wohnung der beiden Frauen lag im Erdgeschoss und war per Außentreppe mit den anderen Apartments in diesem Haus verbunden. Deswegen waren die beiden es schon gewohnt, dass eher bei ihnen geklingelt wurde als bei den anderen Mietern. Nach einer blitzschnellen Runde Ching Chang Chong, musste Adreana zur Haustür eilen. Ein Blick durch den Spion ließ sie erschrecken. Ein stechendes eisblaues Auge starrte hindurch. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt. Draußen standen eine blonde Frau mit ungeduldigem Gesichtsausdruck und ein Mann mit eigenwilligen langen schwarzen Haaren, der aus seinen Augen einen eisigen Blick auf sie warf. Adreana strubbelte sich unbewusst durch ihre kurzen Haare. »Entschuldigung, kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte sie verunsichert. Die unbekannte Frau trat auf sie zu und lächelte. »Wir sind gerade mit dem Auto liegen geblieben und mein Freund hier hat es geschafft meine Handtasche samt Handy mit Tee zu ertränken. Dürften wir eventuell den ADAC von Ihnen aus anrufen?« »Klar, kommen Sie doch herein«, antwortete Adreana erleichtert darüber, das die Frau scheinbar ganz nett war. »Ach übrigens, ich bin Aika!«, die Fremde streckte ihr die Hand entgegen, »Und der da heißt Julio« Sie zeigte über die Schulter auf ihren schweigsamen Gefährten. »Nett Sie kennen zu lernen. Ich bin Adreana und meine Mitbewohnerin heißt Evelin.«, stellte sich Adreana vor, während sie den beiden Besuchern die Mäntel abnahm. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken. Diese Namen und das Aussehen. Wie konnte das sein? Scheinbar hatte Evelin den gleichen Gedanken, als die beiden sich im Wohnzimmer auch bei ihr vorstellten. Die Freundinnen sahen sich verwirrt an. Plötzlich tat es einen dumpfen, lauten Schlag und die Wände erzitterten. Alle schreckten auf und versuchten herauszufinden, was gerade passiert war. Evelin erkannte er als erste. Vor der Haustür und den Fenstern erhob sich eine Mauer aus Schnee. Scheinbar eine Dachlawine, die dafür gesorgt hatte, das jetzt niemand mehr die Wohnung verlassen oder betreten konnte. »Na super, den Abschleppdienst können wir uns wohl sparen Aika«, brummte der Mann namens Julio. »Sieht so aus« Sie zuckte mit den Schultern. Evelin lachte laut auf. »Na dann darf ich Ihnen wohl einen heißen Punsch und einen Bratapfel anbieten«, bot sie freundlich an. »Bratäpfel? Die hatte ich seit einer Ewigkeit nicht mehr!«, freute sich Aika. »Ich möchte bitte kalten Punsch«, meinte Julio und warf wieder einen seiner Eisblicke auf Evelin. »Kommt sofort!«, flötete sie, um dann mit Adreana im Schlepptau in der Küche zu verschwinden. »Das ist so aufregend! Ich dachte sie wären nur erfunden und jetzt sitzen sie bei uns auf UNSERER Couch!«, sie hibbelte zwischen Punschtopf und Küchenschrank hin und her. »Wir sollten sie ausquetschen, damit wir sie noch besser beschreiben können!«, stimmte Adreana zu. »Das kann doch kein Zufall sein!« Mit zitternden Fingern zog sie eine Skriptseite von der Magnetpinwand am Kühlschrank. »Wir haben diese Geschichte genauso geschrieben! Schau, das ist die Geschichte, die wir für den 23. Dezember ausgewählt hatten! Ich glaub ich spinne!« Evelin verschüttete etwas von ihrem Punsch, als sie ihn in einen Becher füllen wollte. »Ich glaub mir wird gleich schwarz vor Augen«, japste sie, »Mein Verstand kann es einfach nicht fassen, dass wir mit unseren Romanfiguren Weihnachten feiern. Evelin wankte gefährlich. »Fall nicht!«, rief Adreana und machte einen schnellen Schritt auf ihre Freundin zu. Dabei glitt sie auf dem Punschgeklecker aus und stürzte ihrerseits mit einem großen Rums zu Boden. Benommen öffnete Evelin die Augen. Irgendetwas lag auf der Rückseite ihres Oberschenkels und ihre Nase wurde von Teppichfasern gekitzelt. Hinter sich hörte sie ein Stöhnen, auf das sich was augenblicklich der Druck auf ihrem Körper verminderte. »Verdammt Evi, was hast du in dein Teufelsgebräu getan? Ich hatte den schönsten Traum meines Lebens, mit dem beschissensten Ende, das du dir vorstellen kannst!«, brummte Adreana. »Bitte erzähl mir nicht, dass darin Julio und Aika vorkamen«, krächzte Evelin und rollte sich auf den Rücken. »Doch! Und als wir in der Küche Punsch holen wollten…« »Haben wir Bekanntschaft mit den Fließen gemacht«, vollendete Evelin den Satz. Für einen Moment schwiegen sich die beiden Frauen an, dann grinste Adreana und eine Sekunde später brachen beide in schallendes Gelächter aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)