Adventskalender 2011 von Eis_in_Flammen (Eine Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Türchen 9 - Roter Schnee ------------------------ Klaus, Alex und Julia spielten, wie so oft im Winter, auf der kleinen Wiese vor dem Maurer-Wäldchen, wie die Dörfler ihn seit jeher nannten. Es hatte die Woche über viel Neuschnee gegeben, was die Kinder sehr freute, denn so konnten sie nach Herzenslust damit bauen. Julia rollte eben eine zweite Schneekugel als Kopf für den Schneemann, dessen Körper von Alex und dem kleinsten der Gruppe Klaus geformt wurde. »Hey ihr zwei! Helft ihr mir mal mit dem Kopf? Ich glaube, er ist jetzt groß genug!« Julia winkte ihnen zu. »Der wird perfekt passen! Komm Alex!« Klaus stiefelte durch die kniehohen Schneewehen voraus, gefolgt von seinem Freund, der nebenbei mit den Zähnen seinen Fäustling straff zog. Zusammen hoben die drei Kinder die schwere weiße Kugel hoch, trugen sie zum Rumpf und setzten den Kopf an die geplante Stelle. Stolz betrachteten sie ihr Werk. »Supercool!«, entfuhr es Alex. »Das ist der größte den wir je gebaut haben«, ergänzte Julia und Klaus fügte hinzu: »Wir sollten Stöcke als Arme nehmen. Lasst und im Wald welche suchen, die Enden wie Finger haben!« Noch bevor seine beiden Spielkameraden etwas erwidern konnten, war der Kleinste auch schon im Gestrüpp verschwunden, dass wie eine natürliche Grenze den Wald umgab. »Hey! Warte gefälligst auf uns!«, riefen sie und nahmen die Verfolgung auf. Nach einigen Metern erblickten sie ihren Freund, der angestrengt auf den Boden starrte. Keuchend blieben Julia und Alex neben ihm stehen. »Was ist denn? Hast du nen passenden Stock gefunden?« Julia sah ihn fragend an. »Nein… Da ist Blut!«, flüsterte der Kleinste. Die drei starrten auf eine Ansammlung roter Flecken im Schnee, die sich vor ihnen weiterschlängelte. »Wahrscheinlich ist jemand Ermordet worden und seine Leiche…«, fing Alex in der unheimlichsten Tonlage an, die seine kindliche Stimme zu bilden vermochte. »Klappe!«, unterbrach ihn Julia und stemmte ihre Hände in die Hüften. »Da ist sicher nur ein verletztes Tier entlang gelaufen. Seht mal wie der Schnee aufgewühlt ist! Wir sollten es suchen. Vielleicht braucht es Hilfe« Ohne auf eine Antwort zu warten, stiefelte das Mädchen der Spur nach, tiefer in den Wald hinein. An manchen Stellen waren die Spuren fast vollständig vom Schnee bedeckt, an anderen wieder so klar, als wäre das Tier erst kürzlich vorbeigelaufen. Nach einigem Marsch traten die drei auf eine Lichtung. Einige kleine Schneeburgen standen im Kreis um einen Schneemann, um dessen Fuß sich die rote Spur verlor. »Sieht aus, als wäre der da unser verwundetes Tier«, zog Alex seine Freundin auf. »Ha ha. Wirklich witzig. Wahrscheinlich…« Doch weiter kam sie nicht. »Eindringlinge! Schnappt sie euch!«, heulte eine Stimme zwischen den Bäumen auf und nur einen Augenblick später wurden die drei Freunde von Schneeballdauerfeuer attackiert. Nach einigen Sekunden war der Angriff allerdings auch schon wieder vorbei. Verwirrt schauten sich Julia, Alex und Klaus an. Kaum einer der Schneebälle hatte sein Ziel getroffen. »Was machen wir jetzt Boss?«, quiekte eine sehr junge Stimme hinter einem Schneehügel. »Kapitulieren Männer! Und erhobenen Hauptes in den Tod gehen!«, in der ersten Stimme schwang ein patriotischer Unterton. Da tauchten vier Gestalten auf. Klaus kamen die Gesichter der in dicke Winterkleidung eingepackten Jungs bekannt vor. »Die Müller Jungs. Ihr seid mir schöne Kriegsherren. Und was habt ihr mit dem armen, verletzten Tier gemacht, dessen Blutspur wir verfolgt haben, hä?«, fragte er wütend. »Tier? Blutspur?«, die vier Brüder sahen sich erst überrascht an, dann verstanden sie und begannen schallend zu lachen. »Wenn Blut nach Holunder und Kirsche schmeckt und das verwundete Tier eine kaputte Thermosflasche ist, bekennen wir uns natürlich schuldig!«, schmunzelte der größte von ihnen, der schon in die fünfte Klasse ging. Sein jüngerer Bruder stapfte derweil zum Schneemann und zog das Corpus Delicti, das in einer ebenfalls undichten Plastiktüte verstaut war, hervor. Jetzt mussten auch die drei Freunde lachen. Wie schnell sie sich auf die falsche Fährte locken hatten lassen. Später beschlossen die Kinder sich zusammen zu tun und vollendeten den größten Schneemann im ganzen Dorf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)