Die Last auf seinen Schultern von gluecklich (24 Wege, jemanden in den Wahnsinn zu treiben) ================================================================================ Sechzehnter Dezember -------------------- Schlaf hatte die unangenehme Angewohnheit, ihm Erkenntnisse zu bringen. Toushirou war ohnmächtig gewesen, er war wieder zu sich gekommen und hatte feststellen können, dass er im Krankenhaus war, dass eine der Krankenschwestern ihm eine Schmerzmittelinfusion anhing und dass sonst niemand im Zimmer war. Er hatte die Schwester wieder rausgehen sehen und eine Weile lang die Tür angestarrt, hatte dem steten Pochen zwischen seinen Schläfen zugehört und war dann wieder eingeschlafen. Gesprächsfetzen sausten durch seinen Verstand. Er bedeutet dir viel, oder? Vielleicht will er ja nur deine Aufmerksamkeit. Er hasst mich, aber das ist okay – Vielleicht will er ja nur deine Aufmerksamkeit. Er bedeutet dir viel, oder? Vielleicht will er ja nur deine Aufmerksamkeit. Wieso war er nicht früher darauf gekommen? Oh, na ja, wahrscheinlich, weil es nicht viel Sinn ergab. Er wusste nicht, wieso in aller Welt Sougo seine Aufmerksamkeit wollte, aber mittlerweile war er sich doch recht sicher, dass er seine Aufmerksamkeit wollte. Es war ein ganz altes Verhaltensmuster, das dennoch immer wieder auftauchte. Sougo hatte sich schon immer schnell verlassen gefühlt, er hatte immer schon viel Aufmerksamkeit gebraucht, nur hatte er die früher nie von Toushirou gewollt. Von allen anderen, nur nicht von Toushirou. Aber schon damals hatte er sich diese Aufmerksamkeit geholt, indem er möglichst viel möglichst laut kaputt gemacht hatte – er hatte Dinge umgeworfen, in Brand gesetzt, in die Luft gejagt, und so weiter. So wie heute auch noch. Aber irgendwie… Irgendwie hatte Zurako Recht gehabt. Sougo hatte sich zweifelsfrei auf ihn fixiert, und dass er ihn nicht wirklich töten wollte, stand wohl außer Frage. Vielleicht benahm er sich wirklich wieder so wie früher. Vielleicht wollte er ihm wirklich nur mitteilen, dass er Beachtung brauchte. Aber wieso brauchte er seine Beachtung? Toushirou war wirklich fest davon ausgegangen, dass Sougo ihn hasste. Scheiße, Sougo hatte ja auch allen Grund dafür. Aber wenn man es von einer anderen Seite betrachtete, und wenn man Sougo und seine Abartigkeiten gut kannte, dann… Na ja, dann konnte es wirklich sein, dass es kein Hass war, sondern etwas ganz anderes. Toushirou wusste nur noch nicht so recht, was. Er wusste ja auch nicht so recht, was er für Sougo empfand. Hass war es nicht, Hass war es nie gewesen. Zwischendurch war ein bisschen Abneigung da gewesen, aber groteskerweise hatte die sich recht schnell wieder verflüchtigt. Da war dieser kurze Bruder-Komplex gewesen, den er für ihn gehabt hatte, vor allem, als sie aus Bushuu weggezogen waren und Sougo merklich seine große Schwester vermisst hatte. Aber das hatte sowieso nicht geklappt. Selbst, wenn Toushirou sich dann mal überwunden und versucht hatte, sich wie ein großer Bruder zu benehmen, hatte Sougo das nicht unbedingt begrüßt. Also hatte er diese Gefühle auch wieder begraben. Und was es jetzt war, wusste er nicht. Er wusste nur, dass es schwer fassbar war, und das war nicht besonders hilfreich. Tatsache war, dass Zurako Recht gehabt hatte – Sougo bedeutete ihm viel. Unwahrscheinlich viel. Egal, wie oft er ihn noch abknallte, und egal, was Sougo selbst fühlte. Er war wichtig. Er war wichtig, und Toushirou würde nie aufhören, ihn beschützen zu wollen. Sougo hatte sich den ganzen Tag noch nicht blicken lassen. Früh morgens, vor Dienstbeginn, hatte er mal vorbeigesehen, aber nur, um das Personal zu fragen, wie es denn mit Hijikata aussah, und sich dann wieder zu verziehen, ohne auch nur ins Zimmer zu schauen. Er hatte noch Glück gehabt. Sie hatten beide noch Glück gehabt. Sougo bombte sich selbst ein halbes Ohr weg, aber Hijikata war nach seinem Anschlag noch ganz. Er hatte zumindest noch alle Gliedmaßen. Ein paar oberflächliche Brandverletzungen an den Armen hatte er wohl, und eine Schürfwunde an der Wange. Das Besorgniserregendste sei seine Gehirnerschütterung, aber auch die bekomme man leicht wieder in den Griff, hatte man ihm gesagt. Es gäbe höchstwahrscheinlich keine Folgeschäden. Er hatte ihn mit einer verdammten Bazooka abgeschossen und es würde keine Folgeschäden geben. Unkraut verging nicht, sagte man. Hijikata war zäh wie Schuhsohle, Sougo wusste das sehr gut. Und er war froh darum. Er hatte nicht gewollt, dass das passierte. Heilige Scheiße, nein. Sougo wusste selbst, wie grotesk das war, aber mit seinen ständigen Angriffen wollte er nicht erreichen, dass Hijikata verletzt wurde. Er wollte ganz andere Dinge erreichen. Aber nicht das hier. Klar trug er trotzdem hin und wieder Verletzungen davon und Sougo störte sich nicht daran. Hijikata war ein Arschloch… Also war das schon okay. Aber diesmal war er weggetreten gewesen, stundenlang, und lag jetzt im Krankenhaus. So weit ging es normalerweise nicht. Und das beunruhigte ihn. Mittlerweile war es später Abend und Sougo hatte sich überwunden, doch noch dieses verdammte Zimmer zu betreten. Er hatte überlegt, ob er einfach behaupten sollte, sie seien jetzt quitt – Hijikata hatte ihn ins Krankenhaus gebracht, und er hatte Hijikata ins Krankenhaus gebracht – aber eigentlich stimmte das nicht. Hijikata war nur hier, weil Sougo Mist gebaut hatte. Zwar hatte Hijikata vor ein paar Tagen gemeint, er sei auch an Sougos Krankenhausaufenthalt schuld gewesen, aber das war nur das Gewäsch eines Mannes mit gigantischen Komplexen und Schuldgefühlen, das wusste Sougo. Glaubte er zumindest. So ganz kapierte er nicht, was in Hijikata vorging. Aber sowas wie Schuldgefühle hatte er wohl… Ständig. Sougo drückte die Tür auf und schob sich ins Zimmer, sah sich stumm um und musste feststellen, dass es hier keinen verdammten Stuhl gab, und setzte sich dann einfach auf Hijikatas Bettkante. Sein Vorgesetzter sah ihn mit einem Ausdruck völliger Verständnislosigkeit an. Ein großes, weißes Pflaster klebte auf seiner Wange, er war blass, ansonsten sah er ganz okay aus. Sougo legte den Kopf schief. »Du kannst dich doch an mich erinnern, oder?«, fragte er und klopfte sich innerlich auf die Schulter, dass er seinen üblichen monotonen Tonfall noch schaffte. »Klar und deutlich«, brummte Hijikata. Sougo grinste wackelig. Dann wandte er den Blick ab und versuchte, ein Tut mir leid rauszuwürgen. Es klappte nicht. »Wieso«, begann Hijikata dann plötzlich, »bringst du mich ins Krankenhaus, nachdem du mich mit einer Bazooka abknallst? Das ergibt keinen Sinn. Entscheide dich wenigstens mal.« Sougo rümpfte die Nase und schielte wieder zu ihm. Oh, Scheiße. Oh, Scheiße, Scheiße. Er hasste es, ihn ansehen zu müssen. Er hasste, was es in ihm auslöste. Er hasste diese Emotionen und diese Hilflosigkeit, die sie mit sich brachten. »Vielleicht ergibt es sehr wohl Sinn«, sagte er leise, »und du verstehst ihn nur nicht.« Hijikata seufzte. »Irgendwie versteh ich eine Menge nicht…«, murmelte er und schloss die Augen. »Willst du… Willst du Aufmerksamkeit? Ist es das? Früher hast du dich nur so extrem destruktiv verhalten, weil du eifersüchtig warst, aber…« Hijikata runzelte die Stirn und öffnete die Augen wieder, und obwohl Sougo sich die ganze Zeit gewünscht hatte, er würde endlich verstehen, wollte er nun eher, dass dieser Moment augenblicklich wieder vorbeiging. »Bist du eifersüchtig?« Sougo wandte den Blick wieder ab und verzog das Gesicht zu einem kindlichen Schmollen. Normalerweise konnte er gut lügen. Aber normalerweise war er auch nicht in so beschissener psychischer Verfassung. Und das nur wegen Hijikata. Nur wegen dieses verwirrenden Bastards, den er abstoßend finden wollte und den er stattdessen anziehend fand. »Vielleicht«, murmelte er. »Warum?«, fragte Hijikata prompt. Als Sougo nicht antwortete, schien er nachzudenken – und auf eine Lösung zu kommen. »Doch nicht… Hast du mich und sie gesehen? Mich und Zurako?« Sougo nickte. »Deshalb bist du eifersüchtig?« Sougo antwortete nicht. Er hob nur den Kopf wieder und sah Hijikata ausdruckslos an, der verständnislos zurückstarrte. »Wieso…«, begann er und zog die Augenbrauen zusammen. »Wieso gehst du dann nicht… Ich meine, wieso gehst du dann nicht raus und besorgst dir selbst ein Date? Du kannst doch nicht deshalb eifersüchtig auf mich sein, auf dich stehen sie doch genauso…« Sougo verdrehte die Augen. Oh, verdammt, dieser Idiot. Und der sollte der Intelligente ihrer Mannschaft sein. Pustekuchen. In dieser Mannschaft gab es niemanden, der ansatzweise intelligent war… »Ich bin nicht auf dich eifersüchtig«, sagte er. Hijikata sah ihn an, und Sougo sah zurück, und Hijikata sah ihn an und sah ihn an, und Hijikata schien endlich zu kapieren. Und als die Uhr auf dem Nachttisch auf 0:00 sprang, ging Sougo dem Drang in seinem ganzen Körper endlich nach, beugte sich herunter und drückte seine Lippen unsanft auf die Hijikatas, und Toushirou wehrte sich nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)