Vulkado von Ur (Im Auge des Sturms) ================================================================================ Kapitel 3: Das größte Wunder ---------------------------- Jana hat recht. Christians Familie macht es einem wirklich leicht, sich hier einzuleben. Trotzdem ist es so unendlich schwierig. Aber das liegt nicht an ihnen, das liegt an mir. Jana und ich haben all unsere Sachen auf Christians Dachboden verstaut. Jetzt, wo Fotos hier verteilt stehen und über den beiden Matratzen mein altbekanntes Tupac-Poster hängt, fühlt es sich nicht mehr ganz so kahl an. Jana zieht zu mir auf den Dachboden, was mich unheimlich erleichtert. Vermutlich wäre ich in diesem riesigen Raum allein durchgedreht. Aber im Gegensatz zu früher sind wir nicht den größten Teil der Zeit unter uns und verkriechen uns vor der Welt in unserem Zimmer. Wir sitzen viel im Wohnzimmer. Jeder macht, was er will, aber man sitzt beieinander. Brigitte liest, Johannes schaut einen Film, Margarete strickt an ihrem Schal. Eileen, Jana und Franzi machen Hausaufgaben, Tim hockt zwischen den Hunden auf einem der Teppiche und unterhält sie mit Kauspielzeug. Ich sitze einfach nur mittendrin und blättere eher erfolglos in meinem Englischbuch. Mir ist klar, dass ich mich anstrengen muss, um das Abi zu schaffen, aber mein Kopf ist momentan mit so vielen anderen Sachen beschäftigt. Dieses Haus und die Familie, die darin wohnt. Meine Zukunft. Gerichtstermine. Treffen mit Anwälten und – was mir und Jana womöglich am meisten Sorgen macht – Psychologen. Für das Gerichtsverfahren gegen den Erzeuger müssen Gutachten erstellt werden, die belegen, dass Jana und ich nicht spurenlos aus dieser jahrelangen Misshandlung hervorgegangen sind. Es muss geklärt werden, ob es sich um schwere Körperverletzung handelt. Beim Gedanken daran muss ich mir jedes Mal ein Schnauben verkneifen. Das halbe Personal des Marienstifts kann das belegen. Aber ok, ich hätte mir denken können, dass es nicht so einfach wird. Aber ich kann das. Nach dem ganzen Scheiß, den ich in meinem Leben schon mitgemacht hab, schaff ich das auch noch. Immer weiter, Schritt für Schritt. Und mittlerweile hab ich Unterstützung von allen Seiten. Anjo und seine Freunde, Christians Familie. Sogar Lilli. Ich kann das packen. Auch wenn ich keine Ahnung hab, wie genau. Vielleicht blicke ich in einem Jahr darauf zurück und es erscheint mir ganz weit weg, so als wäre es in einem anderen Leben passiert. Das wäre nett. Vielleicht hab ich dann einen Job und kann Jana finanziell unterstützen. Immer, wenn ich versuche, mir meine Zukunft genauer auszumalen, dann krieg ich hauptsächlich Kopfschmerzen davon. Übers Wochenende fülle ich das Anmeldeformular für Christians Anti-Aggressions-Training aus. Ich hab Anjo eine SMS geschickt und gefragt, wann das erste Treffen stattfindet und es ist schon nächste Woche. Wenn ich daran denke, werde ich nervös. Aber momentan macht mich einfach alles nervös. Vom Frühstück bis hin zu Gedanken an die Schule, das Abi und an die bevorstehenden Termine, bei denen ich womöglich den Erzeuger wieder sehen muss. Am Sonntag nimmt Brigitte mich nach dem Abendessen beiseite und dirigiert mich sanft in das Zimmer, von dem ich bisher dachte, es wäre nur das Schlafzimmer von ihr und ihrem Mann. Wie sich allerdings herausgestellt, ist es zweigeteilt, und in der Hälfte des Zimmers, in der sich auch die Tür befindet, steht ein ausladender Schreibtisch und mehrere Regale mit allen möglichen Aktenordner darin. Das wird dann wohl eine Art Büro sein. »Setz dich«, sagt sie lächelnd zu mir und deutet auf einen gemütlich aussehenden Stuhl. Anstatt sich hinter den Tisch zu setzen – was schrecklich nach einer offiziellen Sprechstunde ausgesehen hätte – hockt sie sich einfach auf den Schreibtisch und sieht mich lächelnd an, während ich mit hämmerndem Herzen auf dem Stuhl Platz nehme. »Ich hab schon mit Jana gesprochen, das hat sie dir sicherlich erzählt«, meint sie ruhig und ich schlucke. Der Kloß in meinem Hals fühlt sich an, als hätte er die Größe einer Orange. Ich nicke nur, weil ich nicht sicher bin, dass ich auch nur einen Laut raus kriege. »Es geht darum, dass ihr beide ein psychologisches Gutachten braucht, wenn es mit den Gerichtsverhandlungen losgeht. Keine Sorge, ich werde mich selber nicht als Therapeutin anbieten, immerhin werdet ihr wohl eine ganze Weile hier wohnen und ich will wirklich nicht, dass euch irgendwas unangenehm ist. Ich kenne allerdings ein paar wirklich gute Psychologen, mit einigen davon hab ich sogar studiert.« Ich nicke erneut. Im nächsten Augenblick merke ich, dass ich die Luft angehalten habe, und so atme ich langsam und tief aus. Tatsächlich bin ich sehr erleichtert, dass ich nicht mit Brigitte über alles reden muss. Es wäre komisch, dann mit ihr unter einem Dach zu leben. »Wäre es in Ordnung für dich, denselben Therapeuten zu besuchen wie Jana? Oder möchtest du lieber jemand anderen? Ich hab Jana bereits Frau Doktor Ehrmann empfohlen. Sie hat einiges an Erfahrung mit Patienten, die von häuslicher Gewalt betroffen waren«, erklärt Brigitte. Häusliche Gewalt. Hört sich merkwürdig offiziell an. Man hat es natürlich schon mal im Fernsehen oder im Radio gehört und auch irgendwie gewusst, dass es auf einen zutrifft. Aber gleichzeitig klingt es absurd und lange nicht abstrakt genug für den Scheiß, den Jana und ich jahrelang durchgemacht haben. »Ist ok. Also… denselben zu haben«, gebe ich heiser zurück. Brigitte nickt leicht lächelnd. »Ok. Dann mach ich für euch Termine aus, ja? Ich halte es für sinnvoll, wenn ihr beide auch nach der Erstellung des Gutachtens noch von ihr betreut werdet«, sagt sie behutsam. Therapie. Wow. Keine Ahnung, ob das hilft, aber es klingt tatsächlich sinnvoll. Ich weiß nicht, ob ich mit einer wildfremden Frau darüber reden will oder kann, was passiert ist. Aber ich hab schon vor einiger Zeit eingesehen, dass ich alles an Hilfe nehmen sollte, was ich kriege. Es fällt mir schwer, weil ich mich mein Leben lang nur auf mich selbst und Jana verlassen habe und keine Hilfe von irgendwem wollte… aber dann kam Anjo und Anjo hat alles verändert. Der Gedanke an ihn lässt mich erneut tief durchatmen und ich entspanne mich ein wenig auf dem gemütlichen Stuhl. »Ja. Klingt… sinnvoll«, antworte ich. Brigitte nickt und sie sieht fast ein wenig stolz aus, als hätte sie erwartet, dass ich mich vehement weigern würde, einen Therapeuten aufzusuchen. »Ich hab auch gehört, dass du in Chris‘ nächste Trainingsgruppe gehen willst«, erzählt sie. »Ja. Es ist… äh… nett von ihm, dass er mich mit rein nimmt«, entgegne ich verlegen. »Es ist vor allem sehr mutig von dir, ihn danach zu fragen«, gibt Brigitte zurück und ich ziehe unsicher die Schultern hoch. »Naja. Mir ist klar, dass ich ziemlich abgefuckt bin... Ich meine… Dass ich einen Knacks hab… oder wie auch immer… jedenfalls muss ich ja irgendwas machen, wenn ich aus dem ganzen Dreck raus will.« Brigitte rutscht von ihrem Schreibtisch herunter und schaut mich anerkennend an. »Es mag dir nicht klar sein, aber du bist viel stärker als du denkst. Und wirklich sehr mutig«, sagt sie und legt mir kurz die Hand auf die Schulter. Ich spüre meine Wangen rot werden und erhebe mich viel zu hastig. Dann folge ich ihr aus dem Arbeitszimmer und ihre Worte klingen noch in meinen Ohren nach. Stark und mutig sind nicht unbedingt Worte, die ich benutzen würde, um mich zu beschreiben. Aber ich fühle mich irgendwie ein bisschen besser, was mich selbst angeht. Hatte ich schon davon gesprochen, dass diese Familie ein Wunder ist? Nach diesem Gespräch verziehe ich mich zum ersten Mal freiwillig allein auf den Dachboden und ich stelle fest, dass Merlin auf meinem Bett liegt und sich dort putzt. Ich gehe zu ihm hinüber und setze mich. »Hey«, sage ich zu dem Kater, der mich nicht weiter beachtet, und ich frage mich, ob ich jetzt vollkommen durchdrehe, weil ich anfange, mit den Haustieren zu sprechen. Selbstverständlich antwortet der Kater nicht. Ich strecke behutsam die Hand aus und lasse ihn daran schnuppern. Als er sich nicht mit Klauen und Zähnen auf mich wirft, kraule ich ihn vorsichtig am Kopf und beobachte zufrieden, wie er die Augen schließt und zu schnurren beginnt. Ich bin total erleichtert, dass keins der Haustiere was gegen mich hat. Also, natürlich bin ich noch dankbarer, dass keines der Familienmitglieder mich scheiße findet – auch wenn ich mir da bei Lydia noch nicht so sicher bin, sie versteckt sich immer hinter anderen, wenn ich den Raum betrete –, aber ich hab mal gehört, dass Tiere eine gute Menschenkenntnis haben. Vielleicht bin ich kein so übler Typ. Irgendwie. Auch wenn es mir lächerlich erscheint, mein Selbstwertgefühl von einem Haufen Katzen und Hunden und Hasen abhängig zu machen. »Ich bin stärker, als ich dachte«, erkläre ich dem Kater, der sich davon nicht beeindrucken lässt. Die Worte aus meinem Mund klingen merkwürdig. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich daran glaube. Vielleicht mögen manche Leute es als stark ansehen, was ich jahrelang durchgemacht habe, aber ich hab mich nie getraut, nach Hilfe zu fragen, ich hab meinen Frust an Anjo ausgelassen und ich hab in meinem Leben noch nichts Vernünftiges geleistet. Aber ich kann das. Irgendwie krieg ich das hin. Was auch immer genau ›das‹ sein mag. * Wie es sich herausstellt, nimmt ›das‹ in der nächsten Schulwoche Form an. Und zwar offenbart es sich mir in Gestalt Frau Senger, meiner Chemielehrerin, die mich nach der durchgestandenen Doppelstunde zu sich nach vorne ruft. Mir wird sofort mulmig im Magen. »Benjamin«, sagt sie und wühlt in ihrer Ledertasche herum. Eigentlich kann ich Frau Senger gut leiden. Sie ist sehr nett und benotet fair. Dummerweise bin ich unheimlich schlecht in Chemie und Frau Senger erklärt nicht auf eine Art und Weise, die ich verstehe. Wenn man dann noch addiert, dass ich meistens andere Sachen im Kopf habe als Schule, weiß man, dass ich ein ziemlich großes Problem habe. »Ich muss mit Ihnen über Ihre Noten sprechen. Sie haben die letzte Geschichtsklausur unterpunktet… es sieht so aus, als würde es dieses Halbjahr nicht für fünf Punkte in Geschichte reichen«, sagt sie ganz vorsichtig, als hätte sie Angst, ich könnte an ihren Worten zerbrechen. Ich schlucke und nicke in Erinnerung an die katastrophale Geschichtsklausur über die industrielle Revolution. »Und Sie haben bisher drei Unterkurse in Chemie. Mit fünf Unterkursen können Sie nicht zum Abitur zugelassen werden, das wissen Sie.« Mein Magen krampft sich zusammen und ich spüre, wie mir die Luft aus den Lungen weicht. In meinen Ohren rauscht es, während ich die Worte in meinem Kopf wiederhole. Nicht zum Abitur zugelassen. Der Gesichtsausdruck von Frau Senger macht mir klar, dass sie Bescheid weiß. Wahrscheinlich wurde sie wegen meines Wegbleibens letzte Woche informiert. Ich sehe ihr an, dass es ihr Leid tut, aber davon kann ich mir auch kein größeres Gehirn kaufen. »Wenn Sie in der letzten Chemieklausur sieben Punkte schaffen könnten, würden Sie sich in Chemie dieses Halbjahr auf fünf Punkte retten«, erklärt sie mir. Als wäre das so einfach. Sieben Punkte in Chemie hört sich in meinen Ohren an wie eine unüberwindbare Hürde. Für Geschichte zu pauken ist im Notfall einfach. Aber Chemie ist eins dieser Fächer, genau wie Mathe, bei denen man verstehen muss, worum es geht. Man kann sich nicht rausreden und einfach alles hinschreiben, was man weiß. »Ok«, sage ich heiser. Ich weiß nicht, was ich sonst dazu sagen soll. »Vielleicht können Sie sich einen Nachhilfelehrer nehmen«, schlägt meine Tutorin vor. Ich zucke mit den Schultern. »Ich hab kein Geld«, gebe ich zurück und starre auf den grauen Linoleumboden, als stünde dort die Antwort auf all meine Probleme. Natürlich sehe ich nichts. Mein Kopf ist leergefegt und buchstabiert unaufhörlich die Worte ›nicht zum Abitur zugelassen‹. »Vielleicht können Sie auch noch mal mit Herrn Reitemeier sprechen und ein Referat halten. Oder sich mündlich besonders anstrengen, um die Klausur ein wenig auszubügeln.« Ich weiß, dass sie es nur gut meint, aber ich bin in diesem Moment nicht in der Lage mit ihr über mögliche Schritte zur Rettung meines beschissenen Abiturs zu sprechen. Ich hatte so viel um die Ohren, dass ich total vergessen hatte, wie es um meine schulischen Leistungen steht. Wie um alles in der Welt konnte ich das vergessen? Ich brauch das Abi, ich brauch einen anständigen Job, damit ich Jana nach der Schule finanziell unterstützen kann. Scheißdreck. »Ich werd mal drüber nachdenken«, sage ich mit hängenden Schultern. Dann ringe ich mich zu einem »Danke« und einem »Tschüss« durch und verlasse fluchtartig den Raum. In der großen Pause treffe ich Anjo und Lilli, die bereits in der Pausenhalle sitze und sich gut gelaunt unterhalten. Taub und schweigend lasse ich mich neben sie auf die Bank fallen und stiere geradeaus, während ich versuche, einen klaren Gedanken zu fassen. »Hey«, sagt Lilli und zwei Augenpaare richten sich auf mich. Anjo sieht besorgt aus. Er hat selbstredend sofort gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt. »Was ist los?«, will er wissen und ich spüre seine Hand auf meiner Schulter. Der bloße Gedanken an Anjo macht mich immer ruhiger, seine Anwesenheit verstärkt diesen Effekt um das Doppelte. Auch diesmal, obwohl es mir so beschissen geht. Noch mehr als Christians Familie ist Anjo ein Wunder in meinem Leben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich so viele Wunder verdient habe. »Ich werd vielleicht nicht zum Abi zugelassen«, sage ich leise und betrachte meine Knie. Wie kann es sein, dass ich so weit gekommen bin, aus der Hölle raus, in eine so nette Familie, in Christians Trainingsgruppe und zu einer Freundschaft mit Anjo und Lilli… und trotzdem noch Dinge schief gehen? Wie viel kann noch falsch laufen? »Was? Wegen Chemie?«, will Anjo entsetzt wissen und ich nicke, ehe ich stockend beginne zu erklären, was Frau Senger mir gerade gesagt hat, dass die letzte Geschichtsklausur eine Katastrophe war und dass ich einfach zu schlecht in Chemie bin, um sieben Punkte in der nächsten Klausur zu schaffen, die nebenbei bemerkt auch wirklich nicht mehr lang hin ist. »So eine Scheiße«, sagt Lilli und fährt sich durch die knalligen Haare. »Aber das mit dem Referat ist vielleicht keine schlechte Idee. Herr Reitemeier ist doch ‘n netter Kerl, ich bin sicher, dass er dir helfen wird.« Ich nicke unverbindlich. Ja, vielleicht. Vielleicht ist das die beste Lösung, denn die erforderliche Chemienote krieg ich nie im Leben. Anjo ist unterdessen damit beschäftigt, auf seinem Handy herum zu tippen. »Was machst du?«, will ich wissen, damit ich nicht weiter über das ätzende Thema reden muss. »Ich besorg dir einen Nachhilfelehrer«, murmelt er abwesend. Ich blinzele. »Du willst doch wohl nicht Christian fragen!«, entrüste ich mich bei der Eingebung daran, dass Christian Chemie studiert. Christian hat wirklich schon zu viel für mich gemacht und es wäre mir wahnsinnig unangenehm, wenn jetzt auch noch Nachhilfe hinzu käme. »Nee. Chris ist echt nicht gut im Erklären, wenn’s um sowas geht. Außerdem brauchst du den Besten. Und der Beste ist in diesem Fall ausnahmsweise nicht Chris«, informiert er mich beschwichtigend und ich hab keine Ahnung, wovon oder von wem er redet, bis er aufsieht und das Handy vorsichtig in seinen Schoß legt. Wohl, um auf eine Antwort zu warten. »Ich hab kein Geld, um Nachhilfe zu bezahlen«, sage ich dumpf. Anjo wirft mir einen Blick zu und lächelt. »Kein Problem«, sagt er. »Wen hast du gefragt?«, will ich wissen. »Felix«, sagt Anjo. Ich runzele die Stirn. Mir war nicht wirklich klar, dass Felix genau wie Christian Chemie studiert. Überhaupt ist es mir ein Rätsel, wie sich Leute freiwillig mit diesem Kram beschäftigen können. »Er hat nach der Umzugssache zu Chris gesagt, dass er gerne helfen möchte, wenn’s nochmal irgendwas gibt«, meint Anjo schulterzuckend, als wäre das alles gar kein Problem. Und mir wird klar, dass das für diese Leute wirklich kein Problem ist. Wie viele Menschen auf diesem Erdball helfen gern anderen? Ich bin bisher nur Jana begegnet, allerdings hatte ich auch wirklich nicht viel Kontakt zu anderen Leuten. All die Hilfe, die von allen Seiten auf mich einströmt, lässt mich benommen werden und die Augen schließen. Ich kann damit nicht umgehen. Keine Ahnung, wieso all diese Menschen so sehr darum bemüht sind, mir das Leben leichter zu machen. Ich versteh es nicht. Anjos Handy vibriert und ich zucke zusammen. Dann beobachte ich, wie Anjo die SMS öffnet und liest, ehe er sich lächelnd zu mir umdreht und mir das Display des Handys unter die Nase hält. Ich starre darauf und lese: »Absolut kein Problem! Gib ihm meine Adresse, er kann übermorgen um vier vorbeischauen, wenn er will. Gruß, Felix« Ich starre die Nachricht an und kann es nicht fassen, dass ich noch vor zwei Minuten verzweifelt war. Dann kommt Anjo daher und zaubert eine Lösung aus dem Hut. Ich hab keine Ahnung, wie er das immer macht. »Wie genau machst du das?«, will ich verwirrt wissen, ohne meine Frage näher zu erklären. Aber offensichtlich versteht Anjo, was ich meine, denn er lächelt verlegen und zuckt mit den Schultern. »Ich selber kann ja nichts… ich hab mir eben die richtigen Freunde ausgesucht«, sagt er verlegen. Ich buffe ihn mit der Schulter an, während Lilli uns mit einem merkwürdig zärtlichen Gesichtsausdruck betrachtet, als wären wir das Schönste, das sie jemals gesehen hat. »Das ist das Gute an Freunden. Im Gegensatz zur Familie kann man sie sich selber aussuchen«, sagt sie zufrieden und ich nicke abwesend. Obwohl ich mir Anjo nicht wirklich ausgesucht habe. Er kam zu mir. Auf merkwürdige Art und Weise haben wir uns gefunden und das ist vielleicht das größte Wunder von allen. Weil jeder andere sehr wahrscheinlich niemals mit mir hätte befreundet sein können nach allem, was ich getan hab. »Wie eine neue Familie«, murmele ich nachdenklich, lehne mich an die Wand hinter mir und schließe erneut die Augen, um darüber nachzudenken, wie ich ein weiteres Wunder von Seiten Felix‘ brauche, um zum Abitur zugelassen zu werden. Unweigerlich kommt mir der Gedanke, dass ich mit Anjo als meinem Freund alles schaffen kann, was die Welt mir in den Weg wirft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)