Treywel - Das Reich der Träume von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Es war Ende November. In der letzten Nacht hatte es den ersten Schnee gegeben. Nicht viel, aber doch genug, dass man darauf achten musste wohin man trat. Die Straßen waren kaum gestreut und dementsprechend schwierig zu begehen. Die kalte Luft machte das Ganze noch unangenehmer. Es war eine Kleinstadt, doch im Zentrum standen die Häuser dennoch eng beieinander. In einigen Vierteln hatte man das Gefühl von der Enge erstickt zu werden. Ungefähr so fühlte es sich in diesem Augenblick auch an. Von weiten konnte sie schon ihre Schritte hören, doch sie hielt die Tasche weiterhin fest in den Armen und ging einfach immer weiter. Ignorieren, das war noch immer die beste Lösung gewesen. Einfach stur weitergehen und nicht zurück schauen. Die Schritte wurden lauter, der Schnee knirschte unter den Schuhen. Sie bog in eine der zahlreichen Gassen ein und ging ungerührt weiter. Die Kapuze hatte sie tief ins Gesicht gezogen, doch ihre Augen blickten hektisch hin und her. Plötzlich spürte sie einen Druck an der Schulter. Sofort fuhr sie herum, denn einer der Jungen aus ihrer Klasse hatte sie an der Schulter gepackt. Angeber, wie sie sie meistens betitelte. Taten als wären sie die Größten doch ohne ihre Clique waren sie nichts. Nun aber war sie im Nachteil. Es waren drei Jungs in etwa demselben Alter wie sie, allerdings waren sie um einige größer und kräftiger als sie selbst. Sie blickte auf, da traf sie schon ein Schneeball mitten im Gesicht. Sofort war ein ohrenbetäubendes Lachen zu hören. Sie blieb still stehen, ballte jedoch die Fäuste. Wieso konnte sie es nicht? Wieso konnte sie sich nicht wenigstens einmal wehren? Ein Schlag und die Demütigungen wären vorbei. Doch sie traute sich nicht und so ließ sie zu das man ihr die Tasche wegnahm, sie auf den nassen Boden warf und darauf herum trappelte. Hört auf. Bitte hört auf. Doch sie taten es nicht. Stattdessen kamen sie genau auf sie zu. Ein Schritt und noch einer. Einer der Jungen, wohl der Anführer, packte sie unsanft an der Schulter und drückte sie zu Boden, während die Anderen wieder einige Schneebälle formten. Es kam ihr wie ein Dauerregen vor, der nie zu enden schien und dazu dieses Lachen. Dieses höhnische Lachen. Die Wut stieg in ihr, doch sie war nicht in der Lage etwas zu tun. Dann, ganz plötzlich, war es still. Langsam erhob sie sich und spähte durch die Gasse. Allein, sie war allein. Mit niedergeschlagenen Blick schaute sie auf ihre, am Boden zerstreuten, Sachen. Sie rieb sich mit dem Ärmel über das Gesicht und schickte sich dann an ihren Kram einzusammeln. Immer noch zornig über das eben Geschehene, noch mehr aber über sich selbst, setzte sie ihren Weg fort. Eines Tages würde sie ihnen alles heimzahlen. Die Straße führte an einigen Geschäften vorbei. Jetzt zur Nachmittagszeit war hier ein reger Betrieb, wenn es das in dieser kleinen Stadt überhaupt geben konnte. Erst vor Kurzem war sie mit ihrer Mutter hierher gezogen. Ihren Vater kannte sie nicht, denn dieser hatte ihre Mutter verlassen als sie mit ihr schwanger war. Nicht gerade das was man Vater nennen konnte. Doch an manchen Tagen wünschte sie es wäre anders und er würde eines Tages vor der Türe stehen und sie hier raus holen, aber die Chance darauf standen mehr als schlecht. Ihre Mutter war den ganzen Tag unterwegs, arbeiten dafür das sie ein so gutes Leben führen konnten. Doch was war daran gut? Eigentlich wusste sie rein gar nichts von ihrer Tochter. Wie auch wenn sie nie daheim war. Wenn die Mutter früh ging und erst nachmittags oder gar abends heimkam war sie mit anderen Dingen beschäftigt. Ok, sie fragte schon ab und zu mal wie ihr Tag gewesen war, aber was sollte sie darauf antworten? Bis auf den Ärger mit meinen Klassenkameraden, dem kaputten Handy und dem nassen T-Shirt ist alles in bester Ordnung? Nein, das ging beim besten Willen nicht. Wozu auch? Sie hörte doch nie richtig zu und wenn dann spielte sie alles herunter. Bei ihr war alles Pubertäres Gehabe und sie solle einfach darüber hinwegsehen. Leicht gesagt wenn man es selbst nicht jeden verdammten Tag ertragen musste. Das Haus, welches nicht sehr groß war, stand am Stadtrand, doch bis zum Zentrum war es trotzdem nicht weit. Es handelte sich eben um eine Kleinstadt. Der kleine Vorgarten war kaum gepflegt und das Haus in die Jahre gekommen. Langsam ging sie den Kiesweg, welcher mit Schnee bedeckt war, entlang und steckte den Schlüssel in das dafür vorgesehene Loch. Klick. Sie schob die Haustür ein Stück weit auf und trat ein. Im Flur stapelten sich noch einige verpackte Umzugskartons, im Wohnzimmer eben so. Nicht einmal das hatten sie seit ihrem Einzug vor knapp zwei Wochen geschafft. Und das nannte ihre Mutter also wohnlich. Ihr war es gleich, denn wie immer erklomm sie sofort die Treppe um zu ihrem Zimmer zu gelangen. „Myuka?“ Der Ruf ihrer Mutter war deutlich zu hören. Ein Wunder das sie schon zu Hause war. Sie ignorierte es aber und ging schnurstracks in ihr Zimmer. Hier sah es schon eher nach einem Zuhause aus. Einige mit Büchern gefüllte Regale hingen an der Wand. Das Bett stand unweit dem Fenster, welches mal wieder offen stand. Mit einem entrüsteten Seufzer ließ sie die Tasche auf den Boden fallen, trat ans Fenster und schloss es. Sie stieß Luft aus, trat an ihren Schreibtisch und lass einige Notizen ihrer Mutter. Wenn diese vermutete, dass sie erst später heimkam legte sie ihr immer einen kleinen Zettel mit Aufgaben auf den Tisch. Leicht genervt knüllte sie das Papier zusammen und warf es in den Papierkorb. Die nasse, durch den Zwischenfall dreckige, Jacke warf sie über den Stuhl und ließ sich dann auf das Bett fallen. Starr blickte sie zur Decke empor. „Myuka, wie oft habe ich dir gesagt…“ Schon nach wenigen Sekunden konnte sie die Schritte auf der Treppe hören und kurz darauf öffnete ihre Mutter die Tür. Sie blieb einfach liegen und schloss die Augen. Gleich würde wieder eine dieser Standpauken folgen. Tu dies nicht, tu das nicht. Ach und das auf keinen Fall. Sie hörte wie ihre Mutter nach der Jacke griff und ein Schauer fuhr ihr über den Rücken. „Was ist denn das? Warum ist die schon wieder so dreckig?“ Ihre Mutter bekam keine Antwort. Stattdessen drehte Myuka sich zur Seite um und starrte nun die Wand an. Das Bett bewegte sich als sich die Mutter nieder ließ. „Jetzt hör mir mal zu. Ich weiß ja, dass es für dich nicht einfach ist. Ein neues Haus, eine neue Schule. Aber das braucht eben seine Zeit. Du wirst sehen in einigen Wochen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“ Sie spürte die wärmende Hand ihrer Mutter auf ihrer Schulter. Was weißt du schon. „Ok, ich nehme die Jacke gleich mit in die Wäsche. Ich habe dir einen Zettel hingelegt, weil ich gleich noch einmal weg muss. Bitte erledige die Sachen, ja? Spätestens heute Abend zum Essen bin ich zurück.“ Es dauerte nur wenige Sekunden und man konnte die Tür ins Schloss fallen hören. Was weißt du schon. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Erst als sie hörte wie die Haustür geschlossen wurde richtete sie sich wieder auf. Sie rieb sich die Augen, stützte dann die Hände auf die Bettkante und sah sich um. Das sollte also ihr neues Zuhause sein. Es fühlte sich nicht wirklich danach an. Sie erhob sich und blickte aus dem Fenster. Ihre Mutter bestieg gerade den Wagen und ließ auch sogleich den Motor an. Als sie losfuhr hatte Myuka sich schon wieder abgewandt. Mit gelangweiltem Blick ging sie durch ihr Zimmer und blieb vor einem Ganzkörperspiegel stehen. Zu sehen war ein junges Mädchen, gerademal fünfzehn Jahre alt. Ihr braunes Haar fiel ihr über den Rücken. Ihre Mutter meinte sie wäre wunderschön, sie selbst empfand das nicht. Nach wenigen Augenblicken trat sie an ihren Schreibtisch um den Zettel aus dem Papierkorb zu kramen. Abermals lass sie was ihre Mutter ihr aufgetragen hatte. Also ging sie hinunter in den Hausflur. Irgendwo musste er doch sein? Ziemlich schnell erblickte sie einen Karton mit der Aufschrift „Dachboden“. Sie packte ihn und stieg die Treppe hinauf. Er war nicht sonderlich schwer, jedoch unhandlich zu tragen und so rutschte er ihr immer wieder aus den Händen. Schließlich fiel er ihr ganz hinunter und der Inhalt kullerte über das Laminat. „Mist, heute geht aber auch alles schief.“ Während sie alles wieder einräumte fiel ihr Blick auf einen einzelnen Gegenstand. Es handelte sich um eine Kette mit einer Art Anhänger. Interessiert griff sie danach und drehte ihn in den Händen. Es handelte sich um ein silbernes Amulett. In der Mitte war ein Sichelmond zu sehen und einige fremdartige Symbole waren am Rand zu erkennen. Irgendwie faszinierte es sie. Woher es wohl stammte? Sie würde ihre Mutter danach fragen. Anstatt die Kette wie alle anderen Sachen auch zurück in den Karton zulegen, steckte sie sie in ihre Hosentasche. Nun ging sie den Karton endlich auf dem Dachboden verstauen. Den restlichen Nachmittag verbrachte sie damit die Aufgaben zu erfüllen. Erst als sie diese alle erledigt hatte zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Dort angekommen startete sie den PC um ihre e-Mails zu checken. Sie hatte schon früher in ihrer alten Heimat nicht viele Freunde gehabt, aber vielleicht hatten diese Wenige sich doch gemeldet. Leider wurde sie enttäuscht, denn das Postfach war genauso leer wie am Tag zuvor. Was war nur los? Warum war sie hier am Ende der Welt gefangen? Konnte sie denn nicht irgendjemand befreien? Sie zog den Anhänger aus ihrer Tasche und betrachtete ihn erneut. Irgendwie sah er nicht gerade danach aus als hätte er ewig dort rumgelegen. Im Gegenteil er schimmerte noch wie neu. Wieder versuchte sie die Symbole zu deuten, doch es war ihr nicht möglich. Sie biss sich auf die Lippe. Natürlich, wozu hatte sie denn Internet? Sofort machte sie sich daran und gab in die Suchmaschine alle Begriffe ein die ihr zu diesem Gegenstand einfielen, leider war auch das nicht von Erfolg gekrönt. „Myuka, bist du schon wieder da oben?“ Der Ruf ließ sie zusammenzucken. Erst jetzt bemerkte sie, dass es schon längst dunkel war. Sie warf den Anhänger auf ihr Bett und verließ ihr Zimmer. Nach dem das Abendessen hergerichtet war, ließen sie sich am Küchentisch nieder. Die Küche war, abgesehen von Myukas Zimmer, der einzige Raum der schon richtig eingerichtet war. Hier und da fehlte zwar noch etwas die Ordnung aber es standen zumindest keine Kartons im Weg. Bis auf das Geräusch des Besteckes war nichts zu hören. Es hatte erneut zu schneien begonnen, doch das interessierte im Moment niemanden. „Weißt du, ich mache mir Sorgen um dich.“ Die Mutter sah von ihrem Essen auf. Doch Myuka tat so als hätte sie nichts gehört. „Du bist den ganzen Tag in deinem Zimmer. Vielleicht solltest du mal nach draußen gehen.“ Die Fünfzehnjährige sah auf, ihr Blick verriet was sie von solchen Gesprächen hielt. „Vielleicht lernst du ja ein paar Kinder in deinem Alter kennen.“ Das war sie also, ein Kind das man beschäftigen musste. Myuka ließ die Gabel sinken. Wenn ihr nach Gesellschaft wäre dann würde sie das schon tun. „Hörst du mir überhaupt zu?“ Myuka seufzte, schob den Teller zurück und meinte nur noch das sie satt sei. Daraufhin stand sie auf und verließ die Küche. Ihre Mutter sah ihr ungläubig nach. Sie wollte gerade die Treppe hinaufsteigen, da hörte sie etwas an der Tür. Sofort machte sie kehrt um diese zu öffnen. Augenblicklich huschte etwas an ihr vorbei und begann sich zu schütteln. „Lex.“ Den Kater hatte sie ja ganz vergessen. Es handelte sich um einen rot getigerten Kater mit plüschigem Fell. Dieser war meist draußen unterwegs und kam nur heim wenn es ihm passte. Myuka beugte sich hinunter, nahm ihn in den Arm und ging nun endlich die Treppe hinauf. Sie ließ sich auf ihr Bett sinken, den Kater noch immer im Arm haltend. Vorsichtig begann sie ihm über das feuchte Fell zu streicheln. Wenn er doch sprechen könnte. Er würde ihr sicher beistehen. „Ach Lex…“ Der Kater schleckte sich zunächst über das weiße Brustfell, stupste dann seine Besitzerin an und sprang hinunter auf das Bett. Myukas Blick folgte ihm. Sofort hatte er die Kette gesichtet, welche noch immer auf der Decke lag. Mit seinen weißen Pfötchen begann er diese nun zu bearbeiten. Ihre ernste Miene änderte sich in ein Lächeln. Als er den Anhänger schließlich packte und mit den Hinterpfoten bearbeitet griff sie jedoch ein. „Nein, lass das. Du darfst ihn nicht kaputt machen.“ Leicht schubste sie ihn zur Seite. Noch einmal miaute die Katze, sprang vom Bett und verschwand durch die immer noch offene Tür. Sie schloss die Tür sofort und legte den Anhänger neben ihr Kopfkissen. Der Tag war sehr lang und anstrengend gewesen. Auf einige Erlebnisse hätte sie wirklich verzichten können, doch es ließ sich nun nicht mehr ändern. So langsam kehrte auch in ihr Ruhe ein und sie begab sich ins Bett. Doch noch konnte sie nicht schlafen. Irgendetwas wühlte sie total auf und so drehte sie sich eine Zeitlang von Seite zu Seite. War es das Gespräch mit ihrer Mutter? Oder der Ärger des Tages? Sie wusste es einfach nicht. Schließlich fiel ihr Blick wieder auf den Anhänger. Was es damit wohl auf sich hatte? Sie wollte ihre Mutter fragen, doch hatte es total vergessen. Noch ein paar Mal drehte sie ihn in der Hand und betrachtete ihn im fahlen Licht des Mondes. Zu gerne würde sie wissen was das für Symbole waren, schließlich mussten sie ja irgendetwas bedeuten. Noch einige Zeit zerbrach sie sich den Kopf darüber, doch schließlich spürte sie deutlich die Müdigkeit welche sie immer mehr einholte. Noch in Gedanken versunken schlief sie ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)