Der Himmel muss warten von Kalea ================================================================================ Kapitel 6: Versucht und Verloren -------------------------------- V) Versucht und verloren Mit durchdrehenden Reifen und bis zum Anschlag aufgedrehter Musik schoss der Impala vom Parkplatz. Hoffentlich musste er seinen Sturkopf nicht bereuen. Er hatte zwar seine Kräfte wieder regeneriert, seinen Körper damit jedoch noch mehr geschwächt und der schrie jetzt förmlich nach Ruhe. Aber er musste ja davonrennen! Sam hatte doch Recht. Gestern Abend wollte er seine Berührungen! Warum musste er auch immer alles so kompliziert machen? Jetzt konnte er nur hoffen, dass er das nicht mit einer weiteren krampfgeplagten Nacht bezahlen musste. Foreigner sang gerade “Cold as ice“. 'Wenn ich doch nur so kalt wie Eis sein könnte', überlegte Dean. Nichts würde ihn mehr berühren. Weder die traurig erschrockenen und verwirrten Blicke derer, die sie von den Dämonen befreiten noch Sams Avancen. Er könnte sie erwidern oder einfach abblocken. Dean schnaubte. Genau davor fürchtete er sich ja. Genau deswegen hasste er sein Sein. Er wollte kein gefühlloser Engel sein. Verbissen kämpfte er um seine Menschlichkeit, darum zu fühlen. Deshalb stellte er sich den Schmerzen, egal wie schlimm sie waren. Er wollte fühlen! Und gerade fühlte er sich, als ob ihn jemand durch den Wolf gedreht hätte. Doch jetzt umzudrehen und wieder in ihr Zimmer und in sein Bett zurückzukehren, diese Blöße würde er sich nicht geben. Er würde schon noch früh genug in ein Bett kommen. Trotzig trat er das Gas noch ein wenig mehr durch. Auf der linken Seite sah er das flackernde Schild einer Bar. Dahin würde er gehen sobald er die Box zerstört und dafür Sorge getragen hatte, dass die Geister nicht wieder erschienen. Obwohl sie ihm eigentlich schon sympathisch waren. Sie wollten andere vor Leid bewahren. Genau das, was Sam und er taten. Aber auch sie würden ihren Job nicht ewig machen müssen. Dafür hatte er gesorgt. Er stellte den Impala vor dem Gebäude ab und schaute sich um. Bevor er jedoch die Box suchen würde, wollte er noch diese unsägliche Dämonenfalle vernichten. Nur durch sie war zu dem Dilemma, das sein Liebesleben inzwischen darstellte, ein weiteres unrühmliches Kapitel hinzugekommen. Langsam ging Dean durch die Empfangshalle. Er überlegte, wie es hier einmal ausgesehen haben könnte, wie Menschen hier geschäftig hin und her gelaufen waren. Er schüttelte den Kopf. Nein, er konnte, er wollte sich das nicht vorstellen. Die Mauern waren verrußt und düster und er wollte die Fantasie nicht aufbringen sich hier lachende, redende, beschäftigte Menschen vorzustellen. Viel zu lange schon mieden sie deren Gesellschaft, teils aus Angst entdeckt zu werden, teils weil sie einfach nicht mehr dazugehörten. Sie waren Ausgestoßene. Oder sie hatten sich selbst ausgestoßen, durch das, was sie waren. Natürlich hätte er Sam seinem Schicksal überlassen können. Dann würde er jetzt noch dazu gehören, aber ohne seinen kleinen Bruder wollte er nicht sein. Sam war der einzige feste Punkt in seinem Leben. Ohne ihn würde er haltlos durch ein sinnlos gewordenes Leben taumeln. Doch auch vor seinem Abstecher in die Hölle hatten sie nicht wirklich dazu gehört. Als Jäger lebte man am Rande der Gesellschaft. Wütend schüttelte er den Kopf. Er war einfach zu müde für solche Überlegungen. Zufrieden betrachtete er die wenigen Striche, die sein Vernichtungswerk von der kunstvoll gemalten Dämonenfalle noch übrig gelassen hatte. Nicht einmal mit viel Fantasie war das noch als solche zu erkennen. Jetzt waren es einfach nur ein paar Striche mehr an einer eh schon verschandelten Decke und ein weiterer Haufen Schutt auf dem Boden. Dean verließ das Haus mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und unterdrückte ein Gähnen. Er verzog den Mund zu einem Grinsen, das weder lustig gemeint war noch seine Augen erreichte. Die Ruhe würde er schon noch bekommen. Langsam umrundete er das Gebäude. Schon an der zweiten Wand war er fündig geworden. Sam hatte bereits einige Fugen ausgekratzt. Jetzt vollendete er das Werk zügig und holte eine kleine Metallbox aus dem Mauerwerk. Er betrachtete die Schachtel. Irgendwie hatte er sich die anders vorgestellt. Größer, verzierter. Er stellte sie auf den Boden, öffnete sie und kippte eine großzügige Portion Salz hinein. Sichernd schaute er sich um. Von den Geisterfrauen war weit und breit nichts zu sehen. Wahrscheinlich kamen sie später, wenn auch die Jugendlichen hierher kamen. Es war ja noch nicht mal Acht. Trotzdem wunderte er sich. Bis jetzt hatten die Geister meistens gespürt, wenn es ihnen an den Kragen gehen sollte. Ob die Parker-Frauen sterben, wirklich sterben wollten? Dean kippte Benzin in die Kiste und warf ein brennendes Streichholz hinterher. Er schaute dem Spiel der Flammen eine Weile fasziniert zu. Die Phiolen platzten und der Schuh schmolz zu einem kleinen schwarzen Klumpen zusammen. Der Winchester wartete noch einige Minuten, dann klappte er den Metalldeckel zu, steckte die Box zurück ins Mauerwerk und schob die Steine wieder hinein. Er wischte sich die Hände an den Hosen ab und ging zu seinem Schmuckstück zurück. „Auf ins Vergnügen“, grinste er und ließ den Motor an. In der Bar suchte er sich einen Platz am hintersten Ende der Theke, von wo aus er den Raum überblicken konnte und trotzdem nicht jedermanns Blicke auf sich zog. Der Barmann hinter der Theke brauchte nicht lange aufgefordert werden. Er füllte das Glas, kaum dass es leer war, immer wieder auf. Und so konnte der ältere Winchester in Ruhe über Belial nachdenken und darüber, dass der jetzt schon Jäger, Menschen, auf sie ansetzte. Woher aber hatte der oberste irdische Dämon gewusst, dass sie hier waren? Es gab nur eine Antwort auf diese Frage. Belial musste das alles eingefädelt haben. Er hatte einen Dämon hierher geschickt und ihm gesagt, dass er sich so benehmen sollte, damit sie auch wirklich auf ihn aufmerksam wurden und sie auch wirklich her kamen, denn eigentlich war ihre Jagdmethode eine andere. Danach hatte der einen weiteren Dämon nach Chicago geschickt um den jungen Jäger zu bedrohen. Den hatte er dann gerettet und ihn auf sie gehetzt. Ganz schön viel Arbeit nur um Sam und Dean Winchester eine Falle zu stellen. Aber Belial wusste nur zu gut, dass er Dean mehr als nur schwächen konnte, wenn er dafür sorgte, dass Sam etwas zustieß. Und die Winchesters auszuschalten war sein erklärtes Ziel. „Das macht Falten“, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken. Etwas verwirrt schaute er auf und blickte in graublaue Augen, die ihn freundlich anlächelten. „Zuviel Grübeln macht Falten“, wiederholte sie. Dean zuckte mit den Schultern. Doch dann lächelte er sie an. Sie war jetzt das, was er wollte: „Kann ich dich zu einem Drink einladen?“ Sie nickte und ihr Blick wanderte taxierend über den Körper des Mannes, der sie ebenfalls interessiert musterte. Keine Stunde später schloss sich die Tür ihres Schlafzimmers hinter ihnen. Langsam entkleidete er sie und ließ seine Hände sanft und fordernd über ihren Körper wandern, während er ihren Hals und ihre Schultern mit Küssen bedeckte. Sie stöhnte rau, als seine Lippen ihre Brustwarze umschlossen und seine Zunge spielerisch darüber glitt. Er drückte sie auf das Bett und begann ihren Körper mit Händen, Lippen und Zunge zu verwöhnen. Sie wölbte sich ihm entgegen. Ihre Füße rieben über seine Hüfte. Zärtlich liebkoste er ihre Brüste während sie noch das Nachglühen ihres Orgasmus genoss. Sein Blick wanderte zur Uhr, die über der Tür hing. Dean holte tief Luft und drückte ihr einen Kuss hinter das Ohr. „Ich muss los“, sagte er leise und sie schaute ihn träge an: „Jetzt schon?“ Er nickte und rollte sich aus dem Bett. Langsam zog er sich an, immer wieder unterbrochen durch die Küsse, die er auf ihrem Körper verteilte. Sie war toll gewesen und auch wenn er nicht die ganze Nacht hier verbringen wollte, das wollte er sie schon wissen lassen. Er hatte es wissen wollen. Er hatte wissen wollen, ob er den Sex ohne wenn und aber genießen konnte. Jetzt wusste er, dass er nicht komplett abschalten konnte. Nein, er wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Er würde jetzt in die Bar zurückfahren und sich mit genügend Alkohol betäuben. An das Danach würde er erst danach denken. Noch einmal küsste er sie leidenschaftlich und ließ sie atemlos zurück, als er durch die Tür verschwand. Dean saß schon eine Weile im Impala und versuchte seine chaotischen Gedanken zu beruhigen, ohne dass er damit Erfolg hatte. Er holte tief Luft, setzte sich auf und drehte den Zündschlüssel. Meatloaf sang „Alive“ während er zur Bar zurückfuhr. 'Ja, wir leben noch, aber wie!?! Ein Engel und ein Dämon auf der Jagd nach Erlösung!' Dean schnaubte. 'Erlösung, pah!' Er hatte Erfüllung gesucht, Befriedigung! Der Sex mit der Kleinen war gut, wirklich gut gewesen. Es hatte Spaß gemacht. Aber er hatte sich nicht fallen lassen können. Wieder nicht. Er hatte Angst davor, was passieren könnte, wenn er sich richtig fallen ließ. Er war kein Mensch mehr und sein Körper reagierte nicht mehr ganz so menschlich. Nein! Wenn er Sex mit Frauen wollte, würde er sich entweder zurückhalten oder darauf verzichten müssen. ‚Es gibt noch eine Alternative!‘, wisperte etwas in seinen Gedanken. Dean hasste sich auch dafür. Dean legte den Kopf schief. Wenn er sich jetzt noch entscheiden könnte, welchen von den Zwillingen hinter der Theke er nach der Rechnung fragen sollte, dann könnte er zum Impala gehen und dort seinen Rausch ausschlafen. Danach würde er zu ihrem Motel zurückfahren, Sam einladen und sie würden da weiter machen, wo sie vor dieser unsäglichen Nacht aufgehört hatten. Und wenn er ganz viel Glück hatte … Wenn er ganz viel Glück hatte, dann würde er sich endlich trauen, und seinem kleinen Bruder seine Gefühle gestehen! Nein! Soweit war er noch lange nicht und er verwarf die Idee mit der Rechnung und bestellte sich bei den Zwillingen eine weitere Runde aus zwei Bier und einem Whiskey. Sam schaute zur Uhr. Sein Bruder war noch immer nicht zurück. Er vermutete, dass der irgendwo abgestützt war. Trotzdem! So schlecht, wie es ihm momentan ging, sollte er besser in einem Bett liegen. Warum hatte er seine vorlaute Klappe nicht halten können? Er hatte doch gesehen, wie schlecht es Dean noch ging. Hatte er wirklich geglaubt, dass sein Bruder in seinem geschwächten Zustand eher dazu bereit war, seine so hart verteidigten Prinzipien über Bord zu werfen? Da würde er Dean aber schlecht kennen! Der jüngere Winchester konzentrierte sich auf seinen Bruder und legte seine Linke auf seinen rechten Unterarm. Bald wusste er, wo sein Engel war. Er nahm seine Jacke und machte sich auf den Weg. Keine Minute später stand er an der Rückwand der Bar und schaute sich um. Niemand hatte sein Erscheinen bemerkt. Außer Dean wahrscheinlich, wenn er noch nicht zu besoffen war, denn auch bei ihm flackerten die Lichter, wie bei jedem Dämon. Aber nur ein Jäger würde die Zusammenhänge kennen und vielleicht einen Dämon vermuten. Er ging um das Haus und betrat eine schummrige Bar. Langsam ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Seinen Bruder entdeckte er im hintersten Winkel. Und so wie der aussah, hatte der schon mehr als genug getankt. Er fühlte sich noch schuldiger. War es doch sein unbedachtes Mundwerk, dass seinem Bruder die Petersilie so sehr verhagelt hatte! Er schob sich durch die Massen und drängte den Mann, der neben Dean saß rüde zur Seite. Dessen wütendes Aufbegehren beantwortet er mit einem eiskalten Blick und der Mann verzog sich wortlos. Dean hob den Kopf und blinzelte. Wieso gab es plötzlich zwei Sams und warum waren die hier? War die Mehrzahl von Sam jetzt wirklich Sams, oder Same, Semse, Semmeln? Er grinste breit. Aber welchem Sam sollte er denn jetzt sagen wie er sich fühlte? Und warum schwankten die so? Ihm wurde ja ganz schlecht beim Zusehen! Beide Sams verlangten die Rechnung und zahlten wortlos. Dann wandten sie sich an ihren Bruder: „Lass uns gehen, du hast genug!“, sagten sie in Stereo. „Hmp“, nickte Dean und rutschte von seinem Hocker. Der Boden schwankte. Er versuchte einen Schritt. Wenn Sam ihn nicht aufgefangen hätte, wäre er hilflos zu Boden gegangen. Der Größere zog seinen Bruder dichter an sich und manövrierte sie beide zum Ausgang. Dean drückte sich fest gegen den warmen Körper an seiner Seite. Er fühlte sich geborgen. Doch dann stolperte er über ein Stuhlbein und seine Beine knickten weg. Sam hatte zu tun, sie beide auf den Füßen zu halten. Er fasste Dean bei den Schultern und versuchte ihn, so gut es ging, aufrecht hinzustellen. Dann bückte er sich, schob seine Schulter in dessen Bauch. Sofort kippte der nach vorn und Sam stemmte ihn hoch. „Achtung! Heiß und fettig!“, rief er einer Gruppe Biker zu, die ihm den Weg nach draußen versperrten und die machten grinsend Platz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)