Der Himmel muss warten von Kalea ================================================================================ Kapitel 81: Gefühle ------------------- LXXXII) Gefühle Unruhig sah Bobby immer wieder auf die Uhr. Er saß jetzt schon fast zwei Stunden hier. Wo blieb Sam nur? Es war ja nicht so, dass er nicht gern bei Dean war, aber wenn der Jüngere etwas gesagt hätte, hätte er sich doch ein paar Bücher mit herunter genommen. Er hatte zwei Jägern versprochen, dass er versuchen würde, ihnen zu helfen und er hätte die Zeit wirklich zum recherchieren nutzen können. Plötzlich tauchte Castiel neben ihm auf und brachte ihn dazu zusammen zu zucken. „Verdammt! Cas!“, knurrte er ungehalten. „Er ist weg!“, stellte der Engel so unpersönlich wie es nur ihm möglich war, fest. „Wer ist weg?“, wollte der Jäger irritiert wissen. Der Engel antwortete nicht sofort. Er trat neben Dean, umfasste sein Handgelenk und sah aus, als ob er lauschen würde. Dann schüttelte er den Kopf. „Anna!“, forderte er ruhig. Der rothaarige Engel erschien. „Kannst du Sam orten?“ Auch sie umfasste Deans Handgelenk und schüttelte dann den Kopf. „Nein. Er ist weg!“, stellte auch sie fest. „Sam ist weg?“, fragte Bobby ungläubig. „Wie weg?“ „Er hat den einfacheren Weg gewählt, genau wie ich es von ihm erwartet habe. So muss er nicht mehr kämpfen, muss nicht auf sich aufpassen und bricht ihm, mal wieder, das Herz!“, stieß Castiel aufgebracht hervor. „Sam ist abgehauen?“ Bobby konnte es noch immer nicht fassen. „Ja, ich kann ihn nicht finden. Er muss sich irgendwie geschützt haben.“ „Oh mein Gott. Wer sagt es Dean? Und wie wird er es aufnehmen?“ „Ich habe keine Ahnung!“, ließ sich Anna vernehmen. Die nächsten Tage zerbrach sich jeder der drei Zurückgebliebenen auf seine Weise den Kopf, wie sie es Dean sagen sollten. Noch mussten sie es nicht. Der Winchester war noch viel zu geschwächt. Er schlief die meiste Zeit und wenn er mal kurz aufwachte, dann schafften sie es jedes Mal ihn glaubhaft zu machen, dass Sam gerade oben war. Der Blonde schöpfte zwar einen Verdacht, war aber nie lange genug bei Bewusstsein um diesen auch zu erhärten. Letztendlich traf es Bobby. Langsam erwachte Dean. Er hatte keine Lust seine Augen zu öffnen. Vielleicht schlief er ja wieder ein. Er fühlte zwar, dass er nicht alleine war, aber es war nicht Sam, der bei ihm saß. Dean holte tief Luft und öffnete die Augen. „Hey, Junge“, begrüßte ihn Bobby. „Wo ist Sam?“, krächzte er kaum hörbar. Genau vor dieser Frage hatte sich der alte Jäger gefürchtet. Es gab keine beschönigende Antwort und es war auch nicht seine Art zu lügen, wenn er direkt gefragt wurde. „Er ist weg“, antwortete er leise. „Wie, weg?“ „Er ist verschwunden, nachdem du das erste Mal wach warst.“ Sofort legte Dean seine Hand auf sein Handgelenk. Aber auch er konnte seinen kleinen Bruder nicht orten. Entschlossen schlug er die Decke zurück. Der Keller war abgeschirmt. Vielleicht lag es ja daran. Er wollte nach oben gehen. Bobby legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte ihn zurück ins Bett. „Du bist noch nicht in der Verfassung hier herum zu laufen.“ „Aber...“ „Nichts aber! Du bist gerade erst aufgewacht. Außerdem kommst du damit die Treppe nicht hinauf!“, hielt er den Jungen auf. Dean schaute irritiert auf den Tropf. Dann ruckte seine Hand zu der Kanüle. „Die bleibt da noch drin. Das Teil versorgt dich mit allem Notwendigen, bis die Ärztin sagt, dass du sie nicht mehr brauchst.“ Der Blonde verdrehte die Augen. „Und was soll ich dann tun?“, wollte er so kämpferisch wie möglich wissen, obwohl er sich absolut nicht danach fühlte. „Essen, trinken, schlafen und wieder zu Kräften kommen.“ Der Winchester ließ sich zurück in die Kissen fallen und schloss demonstrativ seine Augen. Er wollte nichts davon, doch er selbst die kurze Zeit, die er gestanden hatte, hatten ihm gezeigt, wie wackelig seine Beine waren und dass er selbst ohne Tropf die Treppe nicht allein hoch gekommen wäre. Zu seiner eigenen Verwunderung schlief er schnell wieder ein. Bobby seufzte, als Deans ruhige Atemzüge verkündeten, dass der ihn nicht mehr hören konnte. Mit Deans körperlicher Verfassung ging es in den nächsten Tagen so stetig bergauf, wie es mit seiner seelischen bergab ging. Er vermisste Sam. Und ohne seinen kleinen Bruder sah er keinen Sinn mehr im Leben. Warum sollte er wieder gesund werden? Für wen? Sollten sie doch sehen, wie sie die Dämonen alleine zur Stecke brachten! Er wollte nicht mehr! Hatte er nicht genug gegeben, genug verloren, genug gelitten? Es gab nichts mehr, das Dean noch wollte, außer dem großen schwarzen Nichts, einfach nur noch ins Vergessen abtauchen können! Dean aß kaum und redete mit keinem. Und egal wer ihn deshalb zur Rede stellen wollte, er verdrehte nur die Augen. Meistens gab er sich den Anschein zu schlafen. Selbst die Untersuchungen der Ärztin ließ er mit geschlossenen Augen über sich ergehen. „Wie geht es Dean?“, fragte Anna, kaum dass sie in der Küche angekommen war. „Er gibt sich auf!“, antwortete Castiel. „Was erwartet ihr von jemandem, der einen Pakt mit einem Dämon schließt, um seinen Bruder ins Leben zurück zu holen, von jemandem, der alles daran setzt, den Pakt zu erfüllen, damit sein Bruder lebt?“, fragte der alte Jäger. „Und damals waren sie nur Brüder.“ Die Engel schauten ihn nur an. „Und was sollen wir tun?“, wollte Castiel wissen. „Nichts“, antwortete Bobby ungerührt und kramte weiter im Kühlschrank. Der dunkelhaarige Engel legte den Kopf schief. „Nichts?“ „Ja, nichts. Ich stelle ihm gleich ein paar Sandwichs und Kaffee hin und werde dann hier oben weiter recherchieren. Ihr habt doch dafür gesorgt, dass er nicht aus dem Panikraum kann, oder?“ Es fiel ihm nicht leicht, das was er jetzt vorhatte durchzuziehen, doch er wusste sich keinen anderen Rat mehr. „Ja, wir haben eine Barriere errichtet, die er nicht durchschreiten kann. Aber was hat das damit zu tun, dass er nicht isst?“ „Dean ist eher hyperaktiv, als das er lange still sitzen kann, und da unten gibt es nichts, womit er sich beschäftigen könnte und irgendwann hat sogar er ausgeschlafen. Das Essen steht da, er kann nicht raus…“ „Du meinst, er isst aus Langeweile?“, fragte Anna überrascht. „Genau.“ Die Engel nickten. „Und was ist mit Sam?“, wollte Bobby noch wissen. Die Engel wechselten einen Blick, dann antwortete Castiel: „Wir suchen weiter, aber selbst wir können nicht alles überblicken und uns stehen leider nicht die Wege offen, die wir Engel sonst nutzen würden. Wir sind nur zu zweit!“ „Also ist es eigentlich aussichtslos Sam zu finden, wenn er nicht gefunden werden will?“ „Ja, leider. Aber wir werden trotzdem weiter suchen. Vielleicht haben wir ja Glück.“ „Danke. Aber eins würde mich noch interessieren, bevor ihr wieder abdüst.“ „Und das wäre?“ „Dean und Sam sind im Inneren eigentlich Engel?“ „Ja?“, antwortete Anna fragend. „Engel haben doch keine Gefühle.“ „Nein. Nicht so wie ihr Gefühle kennt.“ „Wieso haben die Jungs dann Gefühle und wieso sind sie so verschieden?“ „Erzengel sind etwas komplexer als wir. Sie könnten Gefühle empfinden, aber ohne eine Vorlage ist es auch ihnen unmöglich sie zu eintwickeln, einzuordnen oder überhaupt richtig auszuprägen. Außerdem würden Gefühle bei ihren Aufgaben mehr stören als nutzen. Ohne Gefühle wären sie hier aber sofort aufgefallen, deshalb haben sie ihre Eltern kopiert. Michael Mary und Gabriel John, auch wenn er sich noch an Dean orientiert hat, John war das größere Vorbild“, erläuterte Castiel. Bobby nickte. Er kannte Mary nicht. Nicht einmal aus Erzählungen, denn John hatte nie über sie gesprochen und Dean wollte für Sam und John stark sein, darum hat er auch kaum ein Wort über sie verloren. Aber wenn Mary nur halb so war, wie Dean… Ein versonnenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Er freute sich immer mehr auf sein zweites Leben. Und er konnte verstehen, dass John unter ihrem Verlust gelitten hatte. Trotzdem mussten sie zuerst dieses Leben ehrenvoll beenden. Sie mussten die Welt von Dämonen säubern und Sam und Dean mussten wieder zueinander finden! Sam betrat sein Motelzimmer. Er war dreckig und nass und fühlte sich wie erschlagen. Alles was er jetzt brauchte war eine Dusche, ein Bier und etwas zu essen, obwohl er eigentlich keinen Hunger hatte. Schnell schälte er sich aus seiner Kleidung und stieg unter die Dusche. Der warme Regen wusch nicht nur den Dreck, sondern auch einen Teil der Anspannung weg. Das Gefühl der Leere konnte er allerdings auch nicht fortspülen. Der Winchester hatte gehofft, wenn er erst eine Weile allein war und wieder jagte, dass sich seine Sehnsucht nach Dean so vielleicht verdrängen ließe, doch er hatte sich geirrt. Wenn er einen Fall hatte, konnte er sich darauf konzentrieren, aber so ganz ließ sich der Wunsch Dean wieder nahe zu sein nicht verdrängen. Wieder einmal blieb seine Hand auf dem Handgelenk liegen. Jetzt musste er sich nur noch konzentrieren und er wäre bei seinem Bruder. „NEIN!“, sagte er laut. Wie lange würde das gut gehen? Ein paar Tage? Und dann? Dann würde er wieder anfangen Dean kontrollieren zu wollen, oder sein Partner würde mit jemandem reden und er würde ausrasten und dann? Dann wären sie wieder in Bobbys Panikraum, wenn sie Glück hatten und wenn nicht? Er wollte lieber nicht darüber nachdenken. So war es auf jeden Fall besser. Irgendwann würde er gelernt haben, sich zu kontrollieren. Er atmete tief durch und beendet seine Dusche, um sich gleich darauf mit einem Bier ins Bett zu verkriechen. Seinen Hunger ignorierte er. Die von Bobby angekündigte Langeweile kam schnell und irgendwann aß Dean, einfach um die Zeit totzuschlagen. Was sollte er auch sonst tun? Die Engel hatten es irgendwie geschafft ihn in dem Panikkeller einzusperren, obwohl die Tür offen stand und er auch kein Symbol sehen konnte, dass Engel bannte. Aber wenn er der Tür zu nahe kam, lief er gegen eine Wand. Egal wie sehr er sich anstrengte, er kam nicht aus dem Keller heraus. Seine Abwechslungen blieben auf die Besuche von Bobby und den Engeln, essen und schlafen begrenzt. Und hin und wieder brachte Anna die Ärztin, die er jedoch, so gut es ging zu ignorieren versuchte. Er wollte sich auf niemanden mehr einlassen, und sei es nur für einen Augenblick. Dean schaffte es zwar noch immer die Hälfte des Tages zu verschlafen, doch in der anderen tigerte er unruhig in seinem Gefängnis hin und her. Seine Gedanken kreisten nur um ein Thema. Sam. Und darum, seine Gefühle zu beherrschen, die ihn bei den Gedanken an seinen Kleinen wie eine Dampfwalze überrollten. Sein Körper schmerzte und er konnte kaum noch atmen. Trotzdem waren diese Gedanken seine ständigen Begleiter und er suchte nach Antworten. Warum war Sam gegangen, ohne noch ein Mal mit ihm zu reden? War Sam so angewidert von ihm? War er so enttäuscht? Hatte Sam von dem Kuss erfahren und konnte er ihm das nicht verzeihen? Er hatte sein Vertrauen missbraucht. Er war es nicht wert geliebt zu werden! Er hätte damals auf dem Boot schon gehen sollen! Wenn er sich doch nicht von Anna hätte bequatschen lassen! Sam könnte jetzt leben! Er würde schon mit den Dämonen fertig werden, Schließlich hatte er sie auf die Menschheit losgelassen! Er war schwach gewesen. Er hatte verdrängt, dass Gutes ihn letztendlich immer mehr kostete, als er zahlen konnte. Wie sehr musste sich sein Dad für ihn schämen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)