Der Himmel muss warten von Kalea ================================================================================ Kapitel 61: Phantom Ranch ------------------------- LXI) Phantom Ranch Viel zu schnell riss sie der Wecker aus ihren Träumen. Sam rollte sich aus dem Bett und ging duschen. Ihm war das Aufstehen noch nie wirklich schwer gefallen, im Gegenteil zu seinem Bruder. Und so wunderte er sich auch nicht, dass der schon wieder tief und fest schlief, als er aus dem Bad kam. Er begann in der Küche zu werkeln, packte Wasserflaschen und Sandwiches in ihre Taschen. Dann machte er sich endgültig daran seinen Bruder aus dem Bett zu werfen. „Los raus jetzt, oder ich gehe alleine los!“ „Fünf Minuten“ „Du hattest schon eine halbe Stunde“, sagte er ruhig und zog ihm die Decke weg. Dean schnaufte leise und quälte sich aus dem Bett. Mit halb geschlossenen Augen zog er sich an, nahm dankbar die Tasse Kaffee von Sam entgegen. Als er die geleert hatte, war er halbwegs wach, wenn auch noch nicht ansprechbar. Aber auch das kannte Sam ja schon seit Jahren. Solange sie keinen Fall hatten, war Dean ein Murmeltier. Er gab ihm seinen Rucksack und dann machten sie sich auf, den Canyon zu erobern. Die ersten Sonnenstrahlen erleuchteten ihnen den Weg. Sie hatten den Abstieg erreicht. Die Sonne stand handbreit über den Horizont und je weiter sie stieg umso weiter reichten ihre Strahlen in den Canyon. Langsam wanderte ihr Licht über die einzelnen Gesteinsschichten und ließ sie in immer neuen Rottönen aufflammen. Immer wieder mal blieben die Brüder stehen und genossen dieses Schauspiel. Hin und wieder begegneten ihnen andere Wanderer oder sie wurden von einer Maultier-Kolonne überholt. „Eigentlich hätten wir auch so einen Maultierritt machen sollen“, stellte Sam leise fest und grinste. „Warum?“ „Damit du danach so richtig schön verspannt wärst“, antwortete er versaut grinsend. Der Ältere schüttelte nur den Kopf. Sein kleiner Dämon dachte auch nur an das eine! Obwohl sie es nicht eilig hatte, sondern für ihre Verhältnisse schon fast trödelten, waren sie mittags an der Phantom Ranch. Hier würden sie diese Nacht schlafen. Dean schaute sich in dem Raum um. Nicht das was er jetzt wollte. Es gab nur Doppelstockbetten. Aber bei so vielen Menschen in einem Raum war es wohl auch besser etwas weiter voneinander entfernt zu schlafen. Zumindest für ihn und Sam. In letzter Zeit konnten sie die Finger nicht wirklich voneinander lassen. „Gehen wir noch ein Stück am Fluss entlang?“, wollte Sam wissen und Dean nickte. „Klar, oder wolltest du hier sitzen bleiben und auf den Abend warten?“ „Nee, bestimmt nicht!“ Immer weiter liefen sie am grün schimmernden Colorado, der hier gar nicht so gefährlich aussah, wie er angeblich sein sollte, entlang. Irgendwo ließen sie sich auf einem kleinen Plateau direkt über dem Fluss nieder und aßen ihre restlichen Sandwiches. Danach dösten sie in der Sonne. Dean drehte sich auf den Bauch, rutschte noch ein Stückchen weiter an die Kante und ließ seine Hand in den Fluss hängen. „Rutsch nicht zu weit rüber“, bat Sam leise. Weniger weil er Deans Gleichgewichtssinn nicht vertraute, sondern weil immer wieder Touristen an ihnen vorbei gingen und nicht nur ein Pärchen sich dazu berufen fühlte ihn auf seinen Begleiter und dessen halsbrecherisches Tun hinzuweisen. „Hier ist baden verboten!“, erklärten ihm auch einige. Am liebsten würde er sie packen und schütteln. Dean lag einfach nur da. Okay, es sah schon etwas gefährlich aus, wie weit er über dem Rand hing, aber es war Dean! Der würde schon nicht in den Fluss fallen! Und er sah auch niemanden hier baden! Was sollten also diese dummen Sprüche! Irgendwie konnte er seinen Bruder verstehen. „Menschen!“ „Der Fluss ist wie unser Leben“, begann der plötzlich telepathisch. „Er jagt an uns vorbei. Wir können nur hin und wieder ein paar Wellen machen. Wellen die nach wenigen Sekunden keiner mehr wahrnimmt.“ Sam legte den Kopf fragend schief. Was war denn in seinen Großen gefahren? Weltschmerzstimmung? Plötzlich ging ihm auf, dass Dean kein Wort gesagt hatte! Seit dem Poltergeist hatten sie auch diese Fähigkeit nicht mehr erwähnt. Was passierte hier gerade mit ihnen? „Ja, aber ohne diese Wellen gäbe es massenweise Strudel in dem Fluss. Oder der Fluss wäre schon lange versiegt.“ Dean schaute seinem Sammy in die Augen. „Hast du dir nie ein normales Leben gewünscht?“ „Schon lange nicht mehr. Wir sind nicht für ein normales Leben geschaffen.“ „Auch wieder wahr.“ „Außerdem bis du mein Leben!“ Warm strahlten ihn die grünen Augen seines Engels an. Doch dann blickte er wieder auf den Fluss. Sam ließ seinen Blick lächelnd über seinen Bruder gleiten. Dieser schien sich endlich auch auf den Engel in sich einzulassen. Doch würde sich Dean, je mehr er seine Seele den akzeptieren würde, noch weiter von den Menschen abkehren? Würde er je wieder offen auf jemanden zugehen? Er war sich plötzlich nicht mehr sicher, was er sich für seinen Bruder wünschen sollte. Schon bald begann sich die Dunkelheit über die Schlucht zu senken und die beiden machten sich auf den Rückweg. Als Letzte der Schlafgäste, kamen sie in der Ranch an. „Doch nicht in den Fluss gefallen? Ich dachte schon Sie würden irgendwann im Golf von Kalifornien wieder auftauchen“, sagte ein junger Mann und schlug Dean lachend auf den Rücken. Der Blonde sagte kein Wort. Er musterte den Mann nur von oben bis unten und holte sich dann wortlos einen Becher Punsch. Sam grinste breit. Dean war nicht in der Laune mit Menschen zu reden. Warum auch. Sie hatten sich schon lange vom richtigen Leben verabschiedet. Zu viel war inzwischen passiert und sein Engel wohl noch nicht wieder soweit, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Außerdem war er seit der Sache mit Luzifer nicht mehr besonders gesprächig gewesen, wenn er mit anderen Menschen zusammen war. Er hatte sich mehr und mehr abgekapselt. Gemeinsam mit den anderen saßen die Brüder am Lagerfeuer, dass die Betreiber der Ranch wohl jeden Abend machten. Es wurden Lieder gesungen und viel gelacht und auch wenn die Winchesters nichts zur Unterhaltung beitrugen, hin und wieder huschte doch ein Lächeln über ihre Gesichter. Das Feuer brannte herunter und nach und nach verzogen sich alle in ihre Betten. Schließlich sollte man für den folgenden Aufstieg ausgeschlafen sein. Castiel hatte es nicht mehr ausgehalten. Er musste Dean sehen und stand, wieder unsichtbar, am Fußende des Doppelstockbettes in dem das Objekt seiner Begierde schlief. Er würde es nie müde werden, den schlafenden Winchester zu beobachten. Nur ein paar strubbelige Haare schauten unter den Decken hervor. Und doch war er sich des Körpers, der dazu gehörte nur zu bewusst. Die letzten, ja hier auf der Erde waren es nur Tage, für ihn waren Wochen vergangen, denn Himmel und Hölle hatten ihre eigene Zeit. Diese vergangenen Tage hatte er versucht, sich über seine Gefühle klar zu werden. Er hatte versucht nicht an ihn zu denken, doch immer wenn der Blonde sich in seine Gedanken geschlichen hatte, war es ihm besser gegangen. Und auch jetzt, wo er so dicht neben ihm lag, fühlte er sich gut. Wieso konnte etwas, das sich so wunderbar anfühlte, so unerreichbar oder gar falsch sein? Schon der Gedanke an Dean ließ ihn freier atmen, ließ ihn Licht am Ende des Tunnels sehen. Er hatte so viele Menschen beobachtet in all den Jahrhunderten, die er nun schon stumm und unsichtbar über diese Erde wandelte. Kaum einer hatte sich nur an einen Partner gebunden. Die Meisten hatten sich mal mit diesem, mal mit jenem gepaart und er konnte einfach nicht verstehen, warum er etwas zerstören würde, wenn er mit Dean schlief. Er wollte ihn Sam doch nicht wegnehmen und er wollte sich auch nicht in ihre Beziehung drängen. Er wollte dieses Gefühl, das er vor ein paar Tagen mit Dean, in dessen Traum, genießen durfte, wieder erleben. Doch er hatte Anna versprochen den Winchester in dieser Beziehung in Ruhe zu lassen, zumindest hier auf der Erde und sie würde es sofort wissen, wenn er sich doch wieder in Deans Traum schleichen sollte. Etwas an ihm würde ihn verraten. Viel zu sehr waren die Engel untereinander verbunden. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Ja er hatte sich in Deans Traumwelt geklinkt und Sex mit ihm erlebt. Dass Deans Körper so sehr an Sam hing, dass er ihn mit hatte einfließen lassen, hatte er hinnehmen müssen. Aber es hatte das Erlebnis nur bereichert. Trotzdem! Er wollte nur ein einziges Mal dieses Gefühl nur mit Dean genießen. Ein einziges Mal körperlich fühlen, was er in diesem Traum erleben durfte. Schon so lange hatte er seine Gefühle für den Blonden verstecken müssen. Er war ein Engel, verflixt! Warum hatte er überhaupt solche Gefühle, die so weit über die brüderliche Liebe hinausgingen, die sie alle füreinander empfanden? Und doch. Wenn er nicht bald mit Dean würde schlafen können, würde er platzen! Doch genau diese Erlebnis sollte nicht sein. Warum nicht? Wem würde er damit schaden? Traurig schüttelte er den Kopf. Es musste doch einen Weg geben. Er warf noch einen letzten sehnsüchtigen Blick auf das Ziel seiner Begierde und verschwand. „Tu es endlich!“, schimpfte ein Himmelswesen weit von Castiel entfernt. „Tu es und bring mir den Sieg! Was muss ich eigentlich noch alles in Bewegung setzen, damit du diese Gefühle endlich auslebst? Damit du mir meinen Traum erfüllst?“ Er hatte es nicht geplant, aber Zacharias Intrige hatte ihm diese Chance gegeben. Warum sollte er sie nicht ergreifen? „Was ist los mit dir?“, wollte Sam am nächsten Morgen wissen, als sie mit ihrer Katzenwäsche fertig waren. Der Blonde schaute ihn nur fragend an. „Du hast seit gestern Nachmittag mit keinem Menschen mehr geredet.“ „Weil ich ihnen nichts zu sagen habe.“ Der Jüngere holte tief Luft und musterte seinen Bruder traurig. Dean war noch immer nicht der Alte. Würde er das je wieder sein? „Aber sonst ist alles okay?“ „Warum?“ „Du wirkst so abwesend. Ich wollte nur sicher gehen, dass du nichts ausbrütest.“ „Nein, mir gehst ganz gut!“ Sam nickte. Mehr Ehrlichkeit konnte er von seinem Bruder wohl nicht erwarten. Nein, das war falsch. Dean war ehrlicher als früher. Normalerweise hätte er ihn mit einem ‚Ich bin okay’ abgespeist. „Ist ihr Begleiter stumm?“, fragte der junge Mann, der sie schon am Vorabend angesprochen hatte, Sam neugierig, als sie ihre wenigen Sachen packten. „Nein, warum?“ „Weil er noch kein Wort gesagt hat!“ „Er redet nicht gerne und schon gar nicht mit jedem!“ Beleidigt drehte der Mann ab. Dean grinste. Gleich darauf machten sie sich auf den Weg zurück zu ihrer komfortablen Hütte. Immer weiter stiegen sie zum Rand des Canyons auf. Sam erzählte von mehreren Wasserfällen, nicht weit von hier, die er sich gerne noch anschauen würde. Dean überlegte eine Weile schweigend und nickte dann. Warum auch nicht? Sie hatten noch mehr als eine Woche Urlaub und die Natur hatte es ihm mehr angetan, als die turbulente Stadt, die sie vor ein paar Tagen besucht hatten, und die nie zu schlafen schien. Schon komisch, überlegte er. Er war eigentlich nie der Naturliebhaber gewesen, doch seit er sich immer mehr von den Menschen abgewandt hatte, interessierte er sich immer mehr für das, was es außerhalb der Städte gab. „Wenn diese Nervensäge nicht wieder da ist“, antwortete er laut und Sam musste grinsen. Der Typ war wirklich wie eine Klette. Er lief ihnen immer wieder über den Weg und hatte am Abend während des Lagerfeuers direkt neben ihnen gesessen. Obwohl er noch nicht einmal etwas dafür konnte. Immerhin hatten sie auf der Ranch kaum die Möglichkeit sich aus dem Weg zu gehen. „Dann beamen wir uns da weg!“, antwortete er lachend. Wieder grinste der Blonde. „Wann willst du denn da hin?“ „In ein oder zwei Tagen.“ „Komm rüber Sammy!“, sagte Dean ruhig und fasste seinen Bruder am Ärmel. Sie traten an den Felsen und ließen sich von der Maultier-Kolonne, die ebenfalls auf dem Weg nach oben war, überholen. Der neugierige Mann war auch unter den Reitern. Er musterte die Brüder mit einem abfälligen Blick. Kaum waren sie vorbei, trat Sam wieder auf den Weg und begann in seinem Rucksack zu wühlen. Er wollte den unfreiwilligen Stopp gleich noch für ein paar Schlucke Wasser nutzen. Der Reiter des vorletzten Maultieres kramte auch in seinen Taschen und holte eine Flasche Wasser hervor. Doch bevor er sie richtig fassen konnte, glitt sie ihm aus der Hand und schlug auf den Boden. Sie zerplatzte mit einem lauten Knall. Das ihm folgende Tier riss erschrocken den Kopf nach oben und schnaubte ängstlich. Es keilte aus. Die Reiterin versuchte ihr Reittier irgendwie zu beruhigen, doch sie schien es eher noch mehr aufzuregen. Wieder schnaubte es und ging jetzt mehrere Schritte rückwärts. Es kam Sam viel zu dicht und wieder keilte es aus. „Sammy!“, schrie Dean und machte einen Satz. Er bekam seinem Bruder am Arm zu fassen und riss ihn aus dem Gefahrenbereich. Der Schwung ließ den Jüngeren gegen die Felswand stolpern. Doch genau dieser Schwung, der Sam in Sicherheit brachte, trieb den Älteren weiter auf den Abgrund zu. Dean versuchte sich zu drehen um sich irgendwie noch abfangen zu können. Es wäre ihm auch gelungen, wenn er nicht auf einen losen Stein getreten wäre. Der Stein rollte weg. Er knickte um. Haltsuchend griff er um sich und erwischte einen Ast eines kleinen Strauches. Einen dünnen, dornigen Ast. Das Holz brach und er verlor endgültig seinen Halt. Sich mehrfach überschlagend fiel er den Abhang hinunter. Ein paar Meter weiter blieb er reglos auf dem Rücken liegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)