Der Himmel muss warten von Kalea ================================================================================ Kapitel 19: Sams Erinnerungen ----------------------------- XIX) Sams Erinnerungen Fast zwei Stunden später kam er zurück. Er hatte auf den Impala verzichtet und war zu Fuß gegangen. Das Wetter war zu verlockend, als dass er diese Gelegenheit ungenutzt lassen konnte. Außerdem hatte er so viel besser nachdenken können. „Diese Art Seele“ Was hatte Anna damit gemeint? War Dean ein Engel? War ein Engel in ihm? Aber dann wäre er doch nicht mehr Dean, oder? Dean benahm sich aber wie Dean. Genauso zwiespältig wenn es um Gefühle ging und genauso kompromisslos, wenn es um ihn, Sam, ging. Nein, das konnte kein Engel imitieren! So zerrissen und doch für sich genommen komplett war nur Dean. Niemand anderer konnte das so leben! Niemand anderer konnte so reagieren! Sein Bruder war sein Bruder und kein anderes Wesen. Wenn er doch einen Engel in sich trug, dann musste Dean den kontrollieren und nicht wie Castiel Jimmy in Besitz genommen hatte. Dean war Dean und Dean hatte nur einige Eigenschaften eines Engels. Ende der Diskussion! ‚Hatte er das jetzt wirklich gedacht?’, er lachte leise vor sich hin. Er hatte wirklich mit sich selbst diskutiert! Hoffentlich machte er das nie laut und vor Dean. Der würde ihn damit ein Leben lang aufziehen. Aber er nahm sich vor mit Dean über diese Art von Seele zu reden, wenn der wieder ansprechbar war, obwohl er dann wahrscheinlich wieder nur eisiges Schweigen als Antwort bekäme. Ob er mal mit Bobby reden sollte? Mit einem warmen Lächeln auf den Lippen schloss er die Tür ihres Zimmers auf. Dean schlief unruhig. Schnell stellte der Jüngere seine Einkäufe auf die Arbeitsplatte und ging mit einem weiteren Glas Cola mit Traubenzucker zu seinem Bruder. „Hey, Alter. Ich bin wieder da“, verkündete er ruhig und setzte sich so, dass er seinen großen Bruder an seine Brust lehnen und ihm das Glas an die Lippen setzen konnte. Langsam und ohne eine Miene zu verziehen, trank der dieses widerlich süße Gebräu. Als Sam das Glas absetzte blinzelte der Blonde ihn an. „Musst du jetzt noch ein Bäuerchen machen?“, fragte er grinsend, beim letzten Mal hatte er ja keine Antwort bekommen. Er war sich nicht mal sicher, dass Dean ihn da überhaupt gehört hatte, und er wollte diesen kleinen Seitenhieb unbedingt gehört wissen. Dean versuchte ihm entrüstet gegen die Brust zu boxen, doch seine Faust fiel kraftlos in seinen Schoß und er gab ein erschrockenes Quieken von sich. Seine Wangen färbten sich leicht rot. „Warst du?“, fragte er leise. „Hab uns Frühstück besorgt. Hast du Hunger?“ „Muss mal“, nuschelte der Blonde leicht beschämt. „Okay“, sagte Sam und stand, mit Dean in seinen Armen, auf und brachte ihn ins Bad. „Was hältst du von Rühreiern mit Toast?“, wollte er wissen, als er Dean alleine ließ. „Klingt gut.“ Wenig später saß Dean wieder auf Sams Schoß und der ließ es sich nicht nehmen, seinen Bruder zu füttern. Der Blonde nahm es hin. Sein Selbstbewusstsein war von der hilflosen Attacke gegen Sams Brust angeknackst genug. Das wollte er nicht noch mehr schädigen indem er protestierte und etwas versuchte, das ohnehin nicht ging. Außerdem fühlte es sich gut an auch einmal verwöhnt zu werden. „Warum hast du dich geheilt?“, fragte Sam plötzlich. Dean blinzelte ihn müde an, sagte aber nichts. „Du musst doch gewusst haben, dass du damit deine letzten Reserven aufbrauchst.“ „Hab nicht gedacht, dass es so schlimm sein würde. Es hat echt höllisch gebrannt. Und dass der blöde Engel die Kontrolle übernehmen wollte, hat es auch nicht einfacher gemacht.“ „DER ENGEL? Du hast ...? Du bist ein Engel? Ich meine du hast Flügel und kannst heilen und so, aber … Du bist wie Castiel?“ „Nein, ich bin NICHT wie Castiel!“, erklärte Dean energisch, holte tief Luft und biss sich auf die Unterlippe. „Du kannst keine Brocken in den Raum werfen und dann erwarten, dass ich damit zufrieden bin!“ „Ging früher doch auch!“ „Früher, Dean. Lass uns nicht wieder damit anfangen. Du siehst wohin es uns geführt hat.“ Deans Blick ging ins Leere. Er schwieg. „Der Engel … Das ist kompliziert und ich verstehe es auch nicht so ganz. Er ist sowas wie meine Seele. Er ist in mir. Schon immer war er da. Aber um dich zu retten, um Luzifer zu töten musste Castiel ihn wecken. Und danach konnte er ihn nicht wieder einschläfern. Jetzt muss ich mit ihm leben, denke ich. Jedenfalls übernimmt er die Kontrolle wenn es um Leben und Tod geht. Sonst hält er sich zurück. Ich weiß nicht… Ich kann seine Kräfte nutzen aber ich kann nicht mit ihm ... reden. Er ist irgendwie wie ein … Mitbewohner. Wie der grüne Hulk“, grinste er breit. „Dann sollte ich dich wohl nicht ärgern, oder?“ „Das Ei wird kalt!“, gähnte der Blonde. Sam schob seinem Bruder noch die letzten Löffel in den Mund. „Willst du noch was?“ „Schlafn“, kam es undeutlich von Dean. „Okay.“ Sam ließ ihn in die Kissen gleiten. „Bleibst du bei mir?“ „Ich räum das Geschirr weg und hol mir ein Buch, okay?“ Sam freute sich, wie anschmiegsam sein Bruder doch sein konnte. „Hm.“ Sam legte das Buch beiseite und schaute auf seinen ruhig schlafenden Bruder, der auf seinem Bauch lag. Sanft kraulte er ihm den Nacken und freute sich über die gelegentlichen, zufriedenen Laute, die von Dean kamen. Er grübelte darüber nach, was Dean über den Engel in ihm gesagt hatte. Der Engel war Deans Seele? Schon immer in ihm? Klar, wenn er bedachte wie selbstlos Dean den Menschen half, wie wenig sein Leben für ihn zählte, dann war der Engel eine Erklärung. So selbstlos konnte eigentlich kein Mensch sein. Aber dass er sich als zwei Wesen sah, fand er schon komisch. Er selbst hatte sich nie als zwei Personen gesehen. Er WAR ein Dämon. Zumindest hatte er sich irgendwie immer als solchen gesehen. Und Dean war ein Engel. Das hatte er ihm doch gerade bestätigt, oder? Er würde ihn noch mal fragen, wenn er wieder ansprechbar sein würde. Sam schaute wieder auf den Blonden und strich sanft über dessen Jochbein. „mmy“, nuschelte der und kuschelte sich etwas dichter auf den Bauch unter sich. Der Jüngere lächelte, zog die Decke ein Stückchen höher und strich zärtlich über Deans Schulter. Er brauchte ihn wie die Luft zum Atmen. Auf keinen Fall wollte er seinen Bruder je wieder verlieren. Seine Gedanken gingen auf Wanderschaft. Plötzlich tauchte Zacharias vor seinem inneren Auge auf. Er schnaubte ungehalten. Sam war sich nicht sicher, welche Rolle genau der in der ganzen Geschichte wirklich gespielt hatte. Aber er wusste, dass der schuld war, dass er wieder begonnen hatte Blut zu trinken. Aus irgendeinem Grund wollte Zacharias ihn auf der dämonischen Seite, und am Besten gegen Dean, wissen. Sollten sie sich töten? Aber warum? Warum war der so vehement darauf aus, dass er ein Dämon wurde oder blieb? Dean hatte ihm erzählt, dass Castiel ihn damals auf Befehl Zacharias aus Bobbys Keller befreit hatte. Warum? Seine Arme legten sich fester um Dean, als er sich daran erinnerte, dass sein Bruder plötzlich verschwunden war. Sie hatten sich wieder so gut verstanden, wie in ihrer Kindheit. Vielleicht sogar noch besser. Sie hatten Luzifers Angriff überstanden, etliche Fälle gelöst und dann war Dean plötzlich nicht mehr da gewesen. Sein Telefon war nicht erreichbar und Bobby wusste auch nichts. Er war wie vom Erdboden getilgt gewesen. Und auch Castiel hatte sich scheinbar in Luft aufgelöst. Sam schnaubte schon wieder verächtlich. Wie recht er doch mit diesen Gedanken gehabt hatte. Der Blonde knurrte leise und stemmte sich gegen Sams Klammergriff. „Entschuldige“, nuschelte der und löste seine Arme wieder. Er wollte Dean nicht wecken, aber die Angst ihn wieder zu verlieren, das Wissen ihn verloren zu haben, schnürte ihm noch immer die Luft ab. Er hatte damals, wie das klang, damals, es war knapp zwei Jahre her und in einem anderen Leben! Er hatte vielleicht zwei Wochen nachdem Dean verschwunden war und Bobby und er sich gegenseitig verrückt gemacht hatten, plötzlich wieder Visionen bekommen. Schmerzhafte und seinen Magen immer wieder dazu bringende, das wenige Essen, das er damals zu sich genommen hatte, wieder herauszuwürgen. Die erste Vision hatte ihm Dean gezeigt. Doch er hatte keine Details sehen können. Nur seinen Bruder, wie der am Boden hockte. Die Knie angezogen und die Arme darum gelegt. Später waren die Details gekommen. Dean hockte auf Felsen. Ein Glaskasten, der ihn umschloss. Dämonen umkreisten dieses gläserne Gefängnis. Und Sam konnte sehen, wie sein Bruder immer schwächer wurde. In einer weiteren Vision stand Luzifer vor dem Glaskasten. „Gib endlich auf, Dean. Er wird dich nicht finden!“ „Sam wird kommen“, erklärte der Blonde mit einer Zuversicht, die Sam einen Schauer über den Rücken jagte. „Und dann werden wir dich fertig machen!“ „Es reicht!“, donnerte der Höllenfürst und mit einem Mal hatte der Gefangene keinen Mund mehr. „Deine Schmähreden hör ich mir nicht länger an!“ Sam konnte Deans Panik körperlich spüren. Sie nahm ihm die Luft und klumpte in seinem Magen. Heiß drängte sich die Magensäure seine Speiseröhre hinauf. Zitternd und mit Tränen im Gesicht kam er zu sich. Sein Schädel schien explodieren zu wollen. Nur ganz verschwommen nahm er die Gestalt wahr, die neben seinem Bett stand. „Es gibt einen Weg Sam!“, sagte die. Doch bevor der Winchester auch nur erkennen konnte, wer ihm da einen Ausweg angeboten hatte, war der schon wieder verschwunden. Sam konnte mit jeder weiteren Vision sehen, wie sein großer Bruder verfiel. Und er fühlte dessen steigende Verzweiflung. Gefangen in einem Körper ohne Mund war er seiner vielleicht schärfsten Waffe beraubt. Er konnte sich noch nicht mal selbst richtig Mut machen. Und immer wieder erschien Zacharias und erklärte Sam, dass es einen Weg gab. Einen ganz einfachen Weg: Er müsste nur wieder Dämonenblut trinken. Dann könnte er auch in die Hölle und Dean befreien. Das Dämonenblut würde ihn nicht nur stark machen, es ließe ihn auch die Barrieren zu Luzifers Welt problemlos überwinden. Jedes Mal fiel es Sam schwerer, dieses Ansinnen abzuschlagen. Bis die letzten beiden Visionen alle Bedenken niederrissen. Er hatte in der Vorletzten zusehen müssen, wie Luzifer seinem Bruder das Augenlicht nahm und die Glaswände fallen ließ. Dean stolperte blind durch diese riesige Höhle voller scharfer Kanten. Von Luzifers letztem Satz immer weiter vorangetrieben: „Wenn du den Ausgang findest bist du frei!“ Die letzte Vision zeigte Sam dann allerdings einen Dean, der sich auf dem Boden krümmte und versuchte sich irgendwie vor den Tritten der Dämonen zu schützen. Sinnlos, wenn man bedachte, dass er noch immer blind war. Sam schämte sich noch immer dafür, dass er froh war Deans Schmerzen in dieser Vision nicht zu fühlen. Danach hatte er alle Bedenken heruntergeschluckt und sein mehr als schlechtes Gewissen ignoriert. Deans Leben war wichtiger und irgendwie würde er einen Entzug schon durchstehen. Kaum hatte er Zacharias sein Einverständnis gegeben, als der ihn auch schon zu ein paar Dämonen gebracht hatte. Den ersten Schluck hatte er sofort wieder erbrochen, nachdem er eine halbe Ewigkeit davor gesessen hatte und der Widerwille immer größer geworden war. Doch die Bilder von Dean gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf und Zacharias’ ewige Mahnungen, sein Bruder hätte nicht mehr viel Zeit, taten ebenfalls ihre Wirkung. Der dritte Schluck blieb im Magen und nachdem er ein ganzes Glas getrunken hatte, war die Macht, die er jedes Mal gefühlt hatte, nachdem er Rubys Blut getrunken hatte, wieder da. Und die Sucht. Und er trank noch zwei weitere Gläser leer. Zacharias quittierte es mit einem fiesen, breiten Lächeln und verschwand einfach ohne ihm zu sagen, wo Dean war. Dieses fiese Lächeln in dessen Gesicht reizte ihn heute noch zum Zuschlagen. Vollkommen an Boden zerstört und verzweifelt war er zu Bobby gefahren. Natürlich hatte er ihm nicht gesagt, welche riesengroße Blödheit er begangen hatte. Sie überlegten gerade, wie sie Dean finden konnten, als Anna und Castiel bei Bobby auftauchten. Und bei dem, was die beiden Engel erzählten, wurde ihm noch nachträglich schlecht. Das Ganze war ein abgekartetes Spiel Zacharias’ gewesen. Der hatte Castiel gefangen gehalten und gefoltert, und der war es auch gewesen, der Luzifer den Tipp gegeben hatte, wo er Dean finden konnte. Es hatte nicht nur ihn, Sam, erschüttert, dass die beiden zusammengearbeitet hatten. Warum allerdings war ihm bis heute verborgen geblieben. Danach hatten sich die Ereignisse überschlagen. Der Höllenfürst hatte ihn entführt und wollte ihn zuerst zwingen, ihn endlich in seinen Körper zu lassen, und als das keinen Erfolg versprach, sollte er Luzifers Blut trinken, um endgültig zum Dämon zu werden. Dean war buchstäblich in letzter Sekunde erschienen und hatte ihn gerettet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)