Schicksalspfade von SoujirouOkita ================================================================================ Kapitel 3: Puppe ---------------- Die Stimmung war angespannt. Obwohl alle noch reichlich zu tun hatten bevor der Test beginnen konnte, war die Anspannung förmlich greifbar. Allen Mitarbeitern schien es so zu gehen. Die letzten Vorbereitungen wurden mit höchster Konzentration getroffen, alle Daten wurden wieder und wieder überprüft. Sie durften sich keinen Fehler erlauben. „Und? Was meinst du?“ Ihre Kollegin, die neben ihr an der Konsole stand, blickte sie von der Seite an. „Bitte?“ fragte Noriko irritiert. „Naja,“ ihre Kollegin machte eine ausschweifende Geste „Was meinst du zu dem allen hier? Zu dem Test?“ „Ach so...“ Noriko überlegte einen Moment wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte. Sie liess ihren Blick durch den Raum schweifen und schliesslich blickte sie durch die Glasscheibe wenige Meter vor ihnen in den Hangar, dem Zentrum des Geschehens. Von hier oben sah sie nur den Kopf der Evangelion-Einheit. Der Hauptsteg zum Entry-Plug war noch nicht entfernt worden, direkt neben dem Zugang zum Entry-Plug hielt sich aber bereits die Pilotin bereit. Obwohl es das erste Mal war, das sie diesen Test durchführten, schien die Pilotin als einzige nicht von der allgemeinen Anspannung betroffen zu sein. Gerade in diesem Moment blickte sie voll Selbstvertrauen hinauf in den Kontrollraum und zeigte siegesbewusst ein Victory-Zeichen. Danach winkte sie lachend. Natürlich galt das Victory-Zeichen und das Lachen weder Noriko noch ihrer Kollegin. Es war allein für den Menschen bestimmt, an dem das Herz der Pilotin hang. „Ich glaube ...ich glaube es bringt Unglück ein Kind dabei zu haben.“ antwortete Noriko schliesslich auf die Frage ihrer Kollegin. „Was ??? Um Himmels willen, Noriko! Was redest du denn da?“ fragte ihre Kollegin entsetzt und warf einen verstörten Seitenblick auf das Kind, welches gerade das Winken seiner Mutter erwiderte. „Hast du nicht das von dem Test in Japan gehört?“ fragte Noriko ohne dann eine Antwort abzuwarten. „Ich war damals zwar schon in Deutschland stationiert, aber eine Freundin kennt jemanden der bei dem Test dort dabei war. Die Pilotin hat ihr Kind ebenfalls mitgebracht. Es heisst, sie wollte ihm die strahlende Zukunft der Menschheit zeigen. Kannst du dir das vorstellen? Wie verantwortungslos! Es kam wie es kommen musste... der Test war ein Fehlschlag und die Pilotin hat nicht überlebt.“ Ihre Kollegin blickte sie fassungslos an. Sie hatte gewusst das der Test in Japan nicht erfolgreich gewesen war, hatte aber bis soeben keine Details gekannt. Beunruhigt blickte sie zu dem kleinen Mädchen das immer noch wie gebannt an der Glasscheibe stand und mit großen Augen die Vorgänge im Hangar beobachtete. „Aber Dr. Sohryu ist eine brilliante Wissenschaftlerin! Und sie wollte unbedingt selbst als Pilotin zur Verfügung stehen! Meinst du wirklich sie hätte sich freiwllig gemeldet UND hätte ihre Tochter mitgebracht, wenn sie nicht alle Eventualitäten berücksichtigt hätte?“ Noriko zuckte mit den Achseln. „Alle Eventualitäten kann man niemals berücksichtigen.“ meinte sie. Dann ertönte eine Stimme aus dem Lautsprecher. Der Test begann. *** Sie lebte hinter der Glasscheibe. Sie wusste nicht, wie lange schon. Zeit hatte jede Bedeutung für sie verloren. Menschen kamen und gingen. Sie wusste nicht, wer sie waren. Manche sprachen mit ihr, manche nicht. An ihre Gesichter konnte sie sich nicht erinnern. Überhaupt konnte sie sich an wenig erinnern. Nur der Geruch von LCL und Blut hatte sich unweigerlich in ihrem Gedächtnis festgebrannt. Die eine Person, an die sie sich erinnern konnte, kam nicht. Einige Male hatte sie gedacht sein Gesicht hinter der Glasscheibe zu sehen. Doch sie musste sich getäuscht haben. Er kam nie zu ihr hinein und stets war eine andere Frau an seiner Seite. Er konnte es also nicht sein. Wo war er? Warum kam er nicht zu ihr und liess sie und seine kleine Tochter allein? Und dann gab es da noch die Beobachterin. Sie war oft da. Sie starrte sie an. Beobachtete sie. Sie war ihr hilflos ausgeliefert, während ihre Beobachterin sicher war. Sicher hinter der Galssscheibe. Niemand sonst schien zu bemerken. Dabei war sie böse. Sie wusste, die Beobachterin wollte ihr nichts Gutes. Sie wollte sie leiden sehen. Sie wollte sie und ihre kleine Asuka leiden sehen. Aber dieses böse Wesen würde ihre kleine Asuka niemals bekommen. Sie würde sie niemals hergeben. Die anderen, die kamen und gingen waren nicht böse. Und dennoch konnte sie niemand verstehen. Niemand wollte sie verstehen. Auch die anderen hatten versucht ihr Asuka wegzunehmen. Sie hatten es nicht geschafft und bald aufgegeben. Die Beobachterin würde nicht aufgeben. Sie war sich dessen sicher. Aber sie würde ebenfalls nicht aufgeben. Sie war so froh, dass Asuka an diesem merkwüridgen Ort hinter der Glasscheibe bei ihr war. So konnte sie Asuka beschützen. Vor der Beobachterin und vor den anderen. Sie würde es niemals zulassen, das jemand ihr weh tun würde. Es würde nicht mehr lange dauern, dessen war sie sich sicher. Dann würde die Beobachterin versuchen ihr Asuka wegzunehmen. Aber sie kannte einen Ausweg. Sie wusste wie sie mit Asuka aus diesem Raum entkommen konnte. Nicht nur bis zum Gang mit der großen, stets verschlossenen Glastür. Nein, sie würde diesen Ort für immer verlassen. Auch wenn sie dann niemals zurückkommen konnte. Aber was machte das schon? Asuka würde bei ihr sein und sonst gab es niemand der auf sie wartete oder niemanden an den sie sich noch erinnern konnte. Ihn hatte sie bereits verloren, sie würde nicht auch noch warten bis man ihr Asuka wegnahm. Niemals. Ihre Mutter lebte hinter der Glasscheibe. Asuka wusste nicht mehr wie lange schon. Die Mama, die sie kannte, war sie schon lange nicht mehr. Asuka hasste es hier herzukommen. Noch mehr hasste sie es, ihre Mutter gar nicht mehr zu sehen. Doch jedes mal wenn sie zu Mama in das Krankenhaus kam, wurde sie wütend. Mama beachtete sie nicht. Sie wiegte immer nur die Puppe und sprach nur mit ihr. Mit der Puppe die sie „Asuka-chan“ nannte. Wie konnte ihre Mutter glauben das sie so eine dumme, leblose Puppe wäre? Mama war krank, das wusste Asuka. Aber konnte man wirklich so krank sein das man eine Puppe für einen Menschen hält? In der ersten Zeit hatte Asuka alles versucht um Mamas Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie hatte ihr schöne Geschenke gebastelt. Sie hatte ihre Violine mitgebracht und Mamas Lieblingslied gespielt. Sie hatte an ihr gezerrt und sie angeschrien. Aber Mama erkannte sie nicht und reagierte nicht auf sie. Nur die Puppe war ihr wichtig. Asuka wusste von einem Gespräch, das sie belauscht hatte, dass Mama die Puppe aus dem Wartezimmer für Besucher hatte. Dort gab eine Kiste mit Spielsachen und dort hatte Mama ihre neue Asuka gefunden. Asuka hasste die Puppe. Sie wollte nicht für ein lebloses Stück Stoff gehalten werden. Diese Puppe war nicht sie. Asuka schwor sich, niemals so schwach zu werden wie ihre Mutter und die willenlose Puppe hinter der Glasscheibe. Sie würde niemals eine Puppe einem anderen Menschen vorziehen. Niemals sollten andere Menschen für sie sorgen, ihre Haare waschen, sie anziehen und füttern wie eine Puppe. So wie es die Krankenschwestern hier mit Mama machten. Und wie Mama es mit ihrer Puppe machte. Niemals würde sie Schwäche zeigen. Niemals würde sie aufgeben. Niemals würde sie irgendjemandes Puppe sein. *** Die Monitore um sie herum piepsten gleichmäßig, immer wieder. Das war das einzige was sie wirklich wahrnahm. Ständig trifftete sie zwischen Realität,Traum und Erinnerungen hin und her. Manchmal glaubte sie Sonnenstrahlen auf ihrer Haut zu spüren. Manchmal hörte sie wie eine der Krankenpflegerinnen, die kamen um sie zu waschen, mit ihr redete. Früher hätte sie das gehasst. Jetzt war es ihr egal. Alles war egal geworden. Alles wofür sie gelebt und gekämpft hatte, war vergangen. Ihre Puppe machte nicht mehr, was sie wollte. Sie hatte endgültig verloren und wurde nicht mehr gebraucht. Rei und Shinji konnten ihre Puppen ja noch benutzen. Und dann waren da noch die Erinnungen, die der Engel der dunkelsten Ecke ihres Herzens entrissen hatte. Asuka wollte sie wieder dorthin zurückverbannen, aber es gelang ihr nicht. Sie war ihnen ausgesetzt, die ganze Zeit. Das Piepsen der Monitore vermischte sich mit einer ihr bekannten Stimme. „Hilf mir!“ war alles was sie wahrnahm. Und die Stimme.. Shinji? „Hilf mir bitte!“ Warum sollte ich dir helfen? Du musst uns doch immer retten. Deine Puppe macht was du willst. Du hast ihr dein Herz geöffnet...wie idiotisch... Warum weinst du, Shinji? Du brauchst mich nicht. Niemand braucht mich. Dann spürte sie seine Hände auf ihrer Haut. NEIN! Lass mich los!!! Das Piepsen verschwand. Ein kalter Hauch auf ihrer Haut. Und dann... NEIN! HÖR AUF! ICH BIN NICHT DEINE PUPPE!!! ERNIEDRIGE MICH NICHT NOCH MEHR! Kimochi warui... Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)