Missing Leonardo von Sho-Lin-Na (Ezio/Leonardo, (Altaïr/Malik)) ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 3 - Besuch ----------------------------- Ezio sah sich um und versuchte, sich zu orientieren. Er war in Venedig, nicht weit entfernt von dem Künstlerviertel, in dem Leonardo zur Zeit wohnte. Die Sonne stand schon recht tief am Horizont, es war wohl schon nach 17 Uhr. Die Straßen leerten sich allmählich und der Lärm nahm ab. Schnell tastete der Assassine seine Waffen ab, um sich zu vergewissern, dass alle an ihrem Platz waren. Zufrieden lächelte er. "Was ist los, fra'? Stimmt etwas nicht?", erklang eine besorgte Kinderstimme neben ihm. Erstaunt sah er hinab. Pietro stand an seiner Seite und die großen Augen sahen ihn an. Er hatte vollkommen vergessen, dass der Junge bei ihm war. Beruhigend lächelte er ihm zu. "Nein, nein. Keine Sorge. Es ist alles in Ordnung. Wir kommen bald zu einem sehr guten Freund von mir. Du wirst ihn mögen, denke ich." Augenblicklich heiterte sich die Miene des Kleinen auf. Gespannt schaute er sich um. "Hier im Künstlerviertel? Dann kennst du einen echten Künstler?", fragte er begeistert. Jetzt hatte Ezio Schwierigkeiten, den Jungen an seiner Seite zu halten. Vorsichtshalber ergriff er dessen Hand, um ihn zurückzuhalten. Ansonsten wäre Pietro wohl vor lauter Neugier fortgelaufen und hätte sich vermutlich verirrt. "Ja, und sogar einen der berühmtesten", lachte der junge Auditore über den jugendlichen Übermut. "Wirklich? Wer ist es? Bitte, bitte! Ich möchte es wissen!", quengelte der Junge. Doch der Assassine lachte nur und ging wortlos auf eine doch etwas unscheinbar wirkende Tür zu. So gut er seinen Freund auch kannte, fand er doch, dass diese langweiligen Bretter nicht zu dem quirligen Mann passten. Mit innerer Unruhe und einer kindlichen Vorfreude klopfte er an die Tür. Es war schon lange her, dass er einmal nicht als Assassine hier her kam und er keine Kodex-Seite oder kaputte Klinge für Leonardo hatte. Pietro hielt sich dicht hinter Ezio und klammerte sich an dessen Gewänder. Mit erwartungsvoll großen Augen wartete er, wer nun diese Tür öffnen würde. Einige Augenblicke lang geschag nichts. Endlich jedoch wurde die Tür aufgezogen und ein gutgekleideter, schlanker Mann stand vor ihnen, mit blonden Haaren, darauf eine Künstlermütze, fein gestutzem Bart und aufgetragenem Duftwasser. Die Miene des Künstlers erstrahlte, als er seinen alten Freund vor sich stehen sah. "Ezio! Amico mio! Lange, viel zu lange Zeit ist vergangen!", seine Stimme überschlug sich vor Freude förmlich. "Leonardo." "Wie geht es Euch? Ich freue mich ja so, Euch zu sehen! Aber wo bleiben meine Manieren? Kommt herein, kommt herein!" Leonardo hatte sich kein bisschen verändert. Noch immer redete er viel zu viel. Ezio schmunzelte in sich hinein. Da spürte er ein leichtes Ziehen an seinem Ärmel und er nickte. "Amico mio, darf ich dir vorstellen?", er zog den Jungen vor sich und legte ihm beide Hände auf die Schultern, "Das ist Pietro. Er ist der Sohn des besten Freundes meines Onkels. Und ein wahrer Quelgeist." Der Junge lief knallrot an und blickte verlegen zu Boden. Doch Ezio lachte nur. Leonardo ging in die Knie und fing Pietros Blick ein. Er hielt ihm eine Hand entgegen. "Sehr erfreut, kleiner Pietro. Auch du bist herzlich willkommen! Jeder Freund von Ezio ist auch mein Freund." "Fra'!", rief er jetzt frech aus und sah Leonardo mit funkelnden Augen an. "Wie bitte?", fragte dieser verdutzt und schaute zu Ezio auf. Dieser nickte zustimmend. "Ja, das stimmt. Er ist mein kleiner fratellino. Und mein Lehrling.", erklärte er. Jetzt sah der Künstler Pietro wieder in die Augen. "Na, wenn das so ist, dann bist du ja ein Ehrengast hier in diesem Haus!", rief er lächelnd aus und wuschelte dem Jungen durch die Haare. "Aber nun kommt herein! Ich setze schnell Tee auf!" Damit war er auch schon aufgestanden und verschwand in seiner Werkstatt. Pietro schaute fragend zu Ezio auf. Der Assassine nickte nur und schob den Kleinen hinter Leonardo her. Doch mitten im Raum blieb er verdutzt stehen. Er erkannte das Atelier nicht wieder. Er war es von dem Künstler gewohnt, dass überall das organisierte Chaos herrschte. Pergamente über Pergamente, Bücher, aufgeschlagen, auf dem Boden, den Tischen, Stühlen, einfach überall. Unzählige kleine Modelle von Dingen, die den Wissenschaftler in Leonardo faszinierten, Flaschen, mit seltsamen, in Flüssigkeit eingelegten Dingen, Pläne, die an Wände gepinnt waren, auf dem Boden oder über Staffeleien lagen. Und natürlich die Gemälde, die meisten noch unvollendet. Das war Leonardo, wie er ihn kannte. Doch das hatte mit dem jetzigen Atelier wenig gemein. Alles war aufgeräumt, fein säuberlich an seinem Platz, Bücher waren gestapelt und sortiert, alle Utensilien in dafür vorgesehenen Behältnissen. Ezio sah zum ersten Mal freien Platz auf den Tischen und konnte gefahrlos durch den Raum schreiten. Fassungslos starrte er Leonardo an, der in der Küche stand und einen Teekessel aufsetzte. "Sagt, amico, was ist hier geschehen?", fragte er kopfschüttelnd. Klucksend drehte sich der Künstler um und sagte: "Oh, ich hab einen neuen Assistenten." Das reichte ihm wohl als Erklärung, denn es sah nicht so aus, als ob er noch etwas hinzufügen wollte. Stattdessen hörte Ezio, wie hinter ihm jemand den Raum betrat. Er drehte sich um und erblickte einen wunderschönen Jüngling, mit Haaren, so hell wie Sonnenstrahlen und haselnussfarbene Augen. Er wirkte schüchtern und hielt sich am Türrahmen fest, als er kaum hörbar fragte: "Kann ich euch behilflich sein?" Ezio stockte. Er war zu fasziniert von dieser Engelserscheinung, um einen vernünftigen Gedanken zu formen. "Das ist Innocento.", stellte Leonardo den Jungen vor. In dem Moment trat ein zweiter Junge neben den ersten, Innocento. "Ah, und Agniolo kennst du ja bereits." In der Tat kam der Junge ihm bekannt vor, mit seinen dunklen Locken. Er nickte leicht zum Gruß und wandte sich wieder Leonardo zu. "Die Geschäfte laufen gut, wie es scheint?" "Ja, kann man so sagen. Die Leute haben mein Talent schätzen gelernt...", lachte der Künstler und seufzte. Irgendwie wirkte er zugleich glücklich, wie auch unendlich traurig. Es war seltsam. "Ist etwas nicht in Ordnung, Leonardo?", fragte er besorgt und legte die Stirn in Falten. Dieser warf einen kurzen Blick auf die drei Kinder im Raum, ehe er den Kopf schüttelte und sagte: "Nein, es ist nichts." Doch Ezio konnte es seinem Freund ansehen, dass es nicht stimmte. Ohne den Blick von dem Künstler zu wenden, bat er dessen Assistenten: "Agniolo, Innocento, würdet ihr mir einen Gefallen tun? Mein kleiner Bruder hier, Pietro. Er bewundert Künstler in höchstem Maße. Und ich habe von eurem maestro erfahren, dass ihr beide euch wohl recht gut anstellt. Würde es euch etwas ausmachen, dem Kleinen etwas zu zeigen? Vielleicht könnt ihr ihm ja etwas beibringen?" Aus den Augenwinkeln sah er, wie beide nickten und sich dem freudig quietschenden Pietro annahmen. Als sie außer Hörweite waren, sagte er schließlich: "Gehen wir." "Wohin denn?", fragte Leonardo überrascht. Aber Ezio war schon auf dem Weg in Leonardos kleines Privatzimmer. Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Raum betrat. Vor einiger Zeit, als er noch vorübergehend hier in Venedig gelebt hatte, war er von einer Mission schwer verwundet zurück gekommen und hatte bei Leonardo Zuflucht gesucht. Dieser hatte sich seiner Wunden angenommen und ihn daraufhin zur Genesung in das eigene Bett gesteckt, während er mit der Couch vor dem Kamin Vorlieb genommen hatte. Ezio hatte sich nie richtig dafür bedankt, wie ihm jetzt bewusst wurde. Seufzend ließ er sich auf die Bettkante sinken und wartete auf seinen Freund, dass er ihm folgen würde. Es dauerte zwar einige Augenblicke, aber dann stand dieser wie gewünscht im Zimmer und schloss unsicher die Tür hinter sich. "So, und nun erzählt mir, was Euch bedrückt. Ihr könnt mir nicht weiß machen, dass nichts ist. Ich sehe es Euch an!", forderte der Assassine. Leonardo atmete tief durch und ließ sich resigniert neben seinen Freund fallen. "Ihr habt ja recht. Nur, wo soll ich anfangen?", gab er zu. "Ich weiß es nicht. Eigentlich sollte ich der glücklichste Mensch auf dieser Erde sein. Mein Geschäft läuft gut, die Aufträge häufen sich auf meinem Schreibtisch. An florini fehlt es mir also nicht. Ich habe zwei ausgesprochen begabte Lehrlinge, die auch noch gehorsam sind und ihren maestro stolz machen. Was will ein Künstler mehr? Auch der Wissenschaftler in mir kommt zu Befriedigung: Der Doge hat Gefallen an meinen Erfindungen gefunden und gestattet mir freien Handelsraum. Er finanziert meine Forschungen und unterstützt meinen Wissensdurst. Ihr erinnert Euch? Ich will wissen, wie die Dinge funktionieren. Dank dem Dogen ist es mir nun möglich, so viel wie möglich herauszufinden. Und er bezieht seinen Nutzen daraus. Ich entwerfe Waffen, Kriegsmaschinen und dergleichen. Und genau hier liegt das Problem. Ich bin mit mir selbst in Zwietracht. Ich verabscheue Blutvergießen und Töten. Und doch bin ich es, der all die Gerätschaften dazu entwirft! Ich fühle mich als Mörder, Ezio!" Nun hatte der Künstler Tränen in den Augen und sah aus, als würde er jeden Moment zusammen brechen. Ezio legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Nicht doch, mein Freund. Ihr seid kein Mörder. Der bin ich. Ich führe den tödlichen Stoß aus. Ihr verfolgt lediglich euren Forscherdrang. Daran ist nichts Verwerfliches. Ihr könntet niemals jemandem ein Leid zu fügen. Ihr seid viel zu sanftmütig für solche Gräueltaten." Jetzt rann die erste Träne seine Wange hinab. Er senkte den Kopf und begann am ganzen Körper zu zittern. "Und doch verhindere ich nicht, dass sie meine Maschinen benutzen. Ich lasse die Unschuldigen sterben!", rief er bitterlich aus. Er sah nun Ezio direkt in die Augen und der Assassine sah den tiefen Schmerz darin. Nie hätte er gedacht, dass jemand so sehr leiden konnte. Sanft zog er den Künstler zu sich heran und umarmte ihn tröstlich. Leonardo ließ es geschehen und schmiegte sich an seine Brust. Ezio strich ihm beruhigend über Kopf und Rücken und murmelte ihm leise Trost spendende Worte zu. "So, nun sagt mir aber, was verschafft mir die Ehre Eures Besuches?", wollte Leonardo wissen. Er hatte sich endlich wieder gefasst und nun war es ihm peinlich, sich Ezio gegenüber so schwach gezeigt zu haben. Wann immer der Assassine in seine Richtung schaute, wandte dieser den Blick schnell anderswo hin. Und ein leichter Rotschimmer lag die gesamte Zeit über auf seinen Wangen. "Darf ich Euch nicht auch einmal ohne Grund besuchen?", stellte Ezio die Gegenfrage. "Nun ... schon, aber bisher kamt Ihr nur vorbei, wenn Eure Klinge zerbrochen ist, Ihr eine Kodex-Seite gefunden habt oder Ihr Rat von mir brauchtet. Und ebenso schnell wie Ihr gekommen wart, wart Ihr auch schon wieder fort. Ich konnte Euch nur selten überreden, zu einem Tee zu bleiben." "Mein Onkel meinte, ich solle mir ein paar Tage Auszeit nehmen, damit ich mich nicht übernehme. Als ob das passieren würde. Aber im Moment müssen wir auf Informationen unserer Späher warten. Und ohne diese Informationen können wir ohnehin nichts ausrichten. Daher dachte ich mir, ich zeige meinem Lehrling mal venezia - und besuche einen alten Freund.", erklärte der junge Auditore. Ein Lächeln stahl sich auf Leonardos Gesicht. Er freute sich offensichtlich sehr über den unerwarteten Besuch. Und nun war auch das Gespräch von zuvor vergessen. "Nun, wenn das so ist, dann lasst mich Euch recht herzlich als meinen Gast willkommen heißen. Wie lange gedenkt Ihr zu bleiben?" "Oh, nicht doch. Pietro und ich werden uns ein Zimmer in einem Gasthaus nehmen..." "Warum Geld ausgeben, wenn euch hier kostenlos ein Zimmer zur Verfügung steht?", hielt der Künstler dagegen. "Also am Geld soll es nun wirklich nicht liegen, davon hat unsere Familie auch heute noch genug", lachte Ezio. Aber als er den enttäuschten Blick seines Freundes sah, lenkte er ein. "Aber wenn es Euch so viel bedeutet, bleiben wir hier. Wenn wir uns auch wirklich nicht aufdrängen." Jetzt war Leonardo wie ein kleines Kind, dass sich über einen Lolli freut. Ezio fühlte sich geschlagen. Wie konnte er einem solchen Gesicht nur einen Wunsch abschlagen? "Mit Nichten. Also werde ich den Jungen gleich auftragen, das Gästezimmer für euch herzurichten.", gab er vergnügt zurück und eilte schon in Richtung Tür davon. Der Assassine schüttelte sprachlos den Kopf. Der Künstler hatte sich wirklich kein bisschen verändert. Noch immer war seine Gastfreundschaft grenzenlos und sein heiteres Gemüt steckte zwangsläufig an. Aufmerksam schaute Ezio sich in dem kleinen Gastzimmer um. Zu beiden Seiten stand jeweils ein Bett an der Wand, dazwischen ein kleines Tischchen. Neben der Tür war eine Kommode aus Eichenholz und eisenbeschlagenen Griffen, die ein wenig wackelig da stand, da ein Bein kürzer war, als die anderen. Darüber hing ein großer, alter Spiegel, der in den Ecken schon langsam erblindete. An der Stirnseite des Raumes war ein Fenster eingelassen, welches auf den Innenhof führte. Ezio konnte einen großen Baum ausmachen, dessen auslandende Äste bis zu der Hauswand reichten. Sollte er flüchten müssen, wäre dies ein leichtes. Pietro hielt sich hinter Ezio, klammerte sich an dessen Arm und lugte um ihn herum in das Zimmer. "Wollten wir nicht in einem Gasthaus übernachten?", fragte er kleinlaut. "Leonardo ist ein sehr guter Freund von mir und besteht darauf, dass wir bleiben. Das können wir ihm unmöglich ausschlagen. Und du hast dich doch auch schon mit den beiden Jungen angefreundet, oder nicht?", erklärte der Assassine. Er spürte an seinem Arm, dass der Kleine nickte. "Na also. Und morgen zeige ich dir dann die Stadt, was hältst du davon?", lächelte er Pietro aufmunternd an. Jetzt tänzelte der Junge wieder freudig an ihm vorbei ins Zimmer und ließ sich auf das linke Bett fallen. Ezio musste schmunzeln. Diese jugendliche Leichtigkeit! Pietro schaute sich mit glänzenden Augen in dem kleinen Raum um und man konnte ihm die Ungeduld förmlich ansehen. Er wollte am liebsten gleich mit der Stadttour beginnen. Doch hielt er sich an das, was der Assassine ihm in all den Lehrstunden beigebracht hatte und quengelte nicht. "Wartest du hier auf mich? Ich muss noch etwas mit Leonardo besprechen." Der Kleine nickte eifrig und schon war Ezio vergessen. Pietro packte sein Kopfkissen, um dieses Ungeheuer zu bekämpfen. Schmunzelnd drehte sich der Auditore um und suchte nach Leonardo. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)