Lieben - Eine Anleitung für Einsteiger von mephis_aka_the_graef (Fortsetzung zu "Teilweise grenzt es an Wahnsinn") ================================================================================ Kapitel 5: Solange er sowas nicht von mir verlangt... ----------------------------------------------------- Freitagabend war dann doch nicht mehr allzu viel mit mir anzufangen. Aufgrund der durchquatschten Nacht mit Esther bin ich zu keinen Unternehmungen mehr fähig gewesen. Shay fand’s okay, nachdem ich ihm im Halbschlaf von den Inhalten unseres Gespräches berichtet hatte. Anscheinend hatte er sich bei der Arbeit nicht viel verausgabt, denn der Filzstift hat nur wenig meiner Gesichtsfläche ausgespart. Dafür schrieb Shay allerdings nur niedliche Dinge, sodass es mir schon wieder leid tat, alles abzuwaschen. Ich hab jedoch vor-her ein Foto davon gemacht. Es war heute noch ein richtig herrlicher Tag. Die Sonne schien noch so kräftig, dass wir draußen unser gemeinsam gekochtes Mittag essen konnten. Zum Kaffee kam Liz vorbei, um sicherzugehen, dass wir uns noch gern haben. Sagte sie nicht, aber ich bin mir sicher, dass das der Grund war. Abends waren wir dann bei meinen Eltern eingeladen. Sie wissen nichts von unserem eigentlichen Verhältnis zueinander, aber ich glaube, zumindest meine Ma ahnt etwas. Mütter sind ja immer sehr empfänglich für jede noch so kleine Info, die ihr Kind unabsichtlich aussendet. Lange blieben wir nicht, kündigten uns aber für den nächsten Tag zum Mittag an, denn wir wollten noch ein paar von Shays Freunden treffen. Was im Übrigen eine Lüge war, wie mir aufging, als wir schon eine ganze Weile in die falsche Richtung fuhren. Doch auf meine leicht panische Frage, ob er mich im abgelegenen Wald jetzt umbringen wolle, lächelte Shay nur geheimnisvoll. Der Fakt, dass wir gerade tatsächlich in einen Wald fahren, trägt nicht unbedingt zu meiner Beruhigung bei. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind. Wenn er mich jetzt noch zwei Mal im Kreis dreht, finde ich nie wieder zurück! Und erst recht nicht, wenn er noch weiter rückwärts fährt. Hätte ich das geahnt, lägen meine Kieselsteine jetzt nicht zu Hause! „Kommst du?“ So plötzlich aus meiner grummeligen Abwesenheit gerissen, blicke ich orientierungslos umher, um irgendwann Shay zu bemerken, der mir meine Tür aufhält. Ich trolle ihm zum Kofferraum hinterher, den er öffnet und in dem Flauschedecken, Kekse und mein Lieblingskindersekt verstaut sind. Erstaunt sehe ich ihn an, aber er scheint mit einem Mal unsicher. „Na ja, ich dachte, wir feiern einfach mal, dass wir einen Monat zusammen sind. Ist eigentlich kein großes Ding und ich find‘s auch ziemlich übertrieben, aber ich bin halt einen ganzen Monat mit dir zusammen, was ich an sich doch recht erstaunlich finde. Ich meine, ein Perfektionist und ein Womanizer?“ Das ist so süß, dass ich erst mal sprachlos bin! Eigentlich hatten wir mal irgendwann abgemacht, solchen Schnulz nicht zu tun, da ich dafür ja so gar keinen Sinn habe, aber das hier ist einfach nur süß. Und wie ich mich in Mangel an passenden Worten so umsehe, erkenne ich auch, wo wir hier sind. Es ist ein kleiner See mitten im Wald, an dem wir im Sommer mal mit ein paar Kollegen waren. Hier ist es so wunderbar ruhig und klar, sodass man sich immer kaum traut, was zu sagen. Shay holt die Decken aus dem Auto und wickelt uns darin ein, da es nachts mittlerweile doch schon recht frisch ist. Wir sitzen im Kofferraum, knabbern Kekse und betrinken uns mit Kindersekt, ohne ein Wort zu sagen. War dies nicht einer der Gründe, weshalb ich ihn so mag? Es ist so schön mit ihm zu schweigen, dass ich nur glückselig vor mich hin grinsen kann. So eng an ihn gekuschelt, gibt es für mich im Moment eigentlich nichts Wundervolleres. „Schau mal“, flüstert er gegen meine Haare und deutet auf den Himmel. Ich weiß nicht, was er meint, starre aber gebannt noch oben. „Boah!“ Ein Schauer Sternschnuppen zieht über uns hinweg und spiegelt sich auf der glatten Wasseroberfläche des Sees wider. Nur ein kurzer Augenblick, dann leuchten die Sterne über uns wieder so, als wäre ihre Schönheit nie durch die Sternschnuppen überstrahlt worden. Freudestrahlend blicke ich meinen Freund an: „Hast du dir was gewünscht?“ „Ja.“ „Was denn?“ Ich weiß, dass man das nicht verraten darf, aber bei Shay läuft eh immer alles so, wie er es sich wünscht. Immerhin liege sogar ich in seinen Armen. Er scheint meine Meinung zu teilen, denn er lächelt mich liebevoll an und sagt leise: „Dass es so bleibt.“ Und entgegen meiner sonstigen Vorsicht und Panikanfälle, gehe ich diesen längst schon überfälligen Schritt und küsse ihn. Dass unser erster Kuss in einem wilden Rumgeknutsche endete, möge hiermit unerwähnt bleiben, da sich das eh jeder denken kann. Der nächste Morgen sieht nicht wesentlich besser aus. Wir haben ein neues Spiel gefunden, bei dem wir uns zum Schweigen bringen und welches ich, das gebe ich nur beschämt zu, jedes Mal selbst beginne. Ich vermute, Shay würde gern mal zwischendurch ein wenig Atmen, aber wer schon mit einer fremden Zunge im Mund geweckt wird, hat leider keine Ansprüche zu stellen. Dieser Gedanke ist sinnlos, aber wir spielen ja auch nach meinen Regeln. Und die sind willkürlich änderbar. Blöd nur, dass er immer noch stärker ist als ich, denn im Moment bin ich so gut wie bewegungsunfähig an die Matratze gepinnt. Ich bin nicht mal in der Lage, ein Bein frei zu bekommen, damit ich ihn treten kann. Man merkt, ich bin in einer recht aussichtslosen Situation, in die ich mich natürlich selbst gebracht habe. Seit etwa einer halben Stunde hindere ich Shay daran, kalt duschen zu gehen, was er bitter nötig hat, da ich mich in meinem Kusswahn an ihm festgekrallt und, seiner Meinung nach, lasziv bewegt habe. Doch die Versuchung, diesen perfekten, ruhigen, beherrschten Mann mal aus der Reserve zu locken, war einfach zu groß, als das ich in meinem Tun hätte innehalten können. Sehr zu meinem Nach-teil, wie mir gerade eröffnet wird, denn so fordere ich nur heraus, dass er Unzucht mit mir treibe. PANIK! „Ich hör auf, ich hör schon auf!“ „Was? Jetzt schon? Aber wir fangen doch gerade erst an, unseren Spaß zu haben, Naty.“ „Ich will aber gar keinen Spaß haben. Spaß hat jeder. Ich will lieber Unspaß haben, bitte.“ „Aber zum Glück geht es hier nicht nur um dich, mein Schatz. Und ich denke, mein Spaß wird dein Unspaß sein, so ängstlich wie du gerade klingst.“ „Du bist so mies!“ Oh Gott, ist der Typ geil! Hatte jemand außer mir schon mal das Vergnügen, zu sabbern und dabei vor Angst keine Luft mehr zu bekommen? Ist irgendwie empfehlenswert… Aber ich will doch gar keine Unzucht treiben! Damit hab ich mich mental noch nicht abgefunden und erst recht nicht so plötzlich. Ich hab doch gestern gerade zum ersten Mal einen Mann geküsst, das reicht doch für die ersten Monate. Immerhin will ich schon noch eine Weile mit ihm zusammenbleiben, da kann man es doch sehr, sehr langsam angehen. Allerdings ist er verdammt gut im Verführen, meint jedenfalls ein relativ zentraler Punkt meines Körpers und bestätigt Shays zarte Bisse in meinen Hals mit „Find ick jut, da mach ick mit!“ „Entspann dich wieder, ich geh jetzt duschen“, verabschiedet er sich mit einem letzten kurzen Kuss ins Bad. Ich sollte mich echt glücklich schätzen, so einen wundervollen Freund zu haben, der seine klare Überlegenheit nicht vollends ausnutzt, aber fertig macht er mich trotzdem. Ich erwähnte doch irgendwann schon mal meine Ahnung, er sei Nate-fies. Da habt ihr’s! Ich hatte definitiv recht… Jedoch bin ich froh, dass er bei all seiner Nate-fiesität doch noch Shay ist. Ich hätte bestimmt nicht aufgehört, aber ich hab ja generell meine Treibe nicht unter Kontrolle. Und warum das bei uns so unterschiedlich ist, frage ich ihn gleich in der Küche, in der wir uns kurze Zeit später treffen. „Naty, ich erzwing mir doch nichts im Überfall! Ich hatte von Anfang an nicht mehr vor, als es dir ein wenig heimzuzahlen. Aber du bist jung, du darfst deine Dummheiten noch an mir austesten.“ „Also bist du alter Sack für meine Erzeihung zuständig?“ „Genau. Ich freu mich schon auf den Augenblick, in dem ich dich flach… äh… übers Knie legen muss.“ Daraufhin entsteht eine wilde Topflappen-Verprügel-Jagd durch sämtliche Zimmer, über sämtliches Mobiliar. Meine Aufgabe für die kommende Woche: Da wir einen riesen Schritt in Richtung „Erfüllung der ehelichen Pflichten“ gegangen sind, sollte ich mich über Möglichkeiten der praktischen Ausführung informieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)