EX von Kuran ================================================================================ Kapitel 32: Aerun - 8.0 ----------------------- Bevor Lexus wieder von mir ab ließ, küsste er mich nochmals zärtlich und strich mir sachte durchs Haar. Hatte er sich mir gegenüber also nur deswegen so komisch verhalten, weil er sich Sorgen um mich machte, weil er geahnt hatte, dass ich wieder auf irgendeinen Trick herein fallen würde? Es entschloss sich mir noch immer nicht so wirklich, was gerade Arash und Fyhas damit bezwecken wollten, damit, dass sie mir scheinbar eine kleine Show geboten hatten, die mich etwas aus der Bahn warf. War es so offensichtlich gewesen, wie unerfahren ich war? Und machte man sich deswegen einen Scherz daraus, mich an meine Grenzen zu bringen? Das ergab für mich alles keinen Sinn. Aber im Gegensatz zu Novalis konnte ich mir bei den Beiden nicht vorstellen, dass sie mich wirklich bloß stellen wollten. Sie waren mir gegenüber durchaus freundlich begegnet und ich empfand keinerlei negativen Gefühle für sie, auch nach diesem ‘Zwischenfall’ nicht. Wie aber sah es in Lexus aus? Er kannte Arash und Fyhas ja um einiges länger als ich es tat, und er konnte wohl auch eher einschätzen, aus welchen Absichten sie etwas machten und was nicht. Erst wagte ich es nicht, das Thema noch einmal anzusprechen, versuchte es dann aber noch mal, weil ich einfach Klarheit wollte: “Warum... haben sie das gemacht? Vor mir? War das Absicht? Und woher wusstest du...” “So, wie sie dich am Abend vorher angesehen haben, das war schon Zeichen genug. Es ist wirklich selten, dass man auf ein Wesen wie dich trifft, weil du in keinster Weise verdorben scheinst - das erzeugt bei vielen Rassen ein Interesse, womit sie spielen wollen, und deine Naivität lässt es auch noch zu, dass sie mit dir spielen können.” Er seufzte fast schon genervt. “Ich hatte schon erahnt, dass sie es auf dich abgesehen hatten. Nicht so, wie es Novalis tut, aber in einer anderen Weise, die auch nicht unbedingt gut ist. Sie sind nicht darauf aus, sich direkt mit dir zu vergnügen, aber es weckt ihr Interesse zu sehen, wie sie dich aus der Reserve locken können. Die Verführung eines Unschuldigen ist immer etwas ganz Besonderes, vor allem dann, wenn ihre Methoden Früchte zu tragen scheinen.” So langsam verstand ich - oder auch nicht. Solch ein Verhalten ergab für mein logisches Denken keinerlei Sinn, und irgendwie beschlich mich ein mulmiges Gefühl dabei. Im Grunde also war er nur deswegen so seltsam gelaunt gewesen, weil es ihm nicht passte, was man für Spielchen mit mir trieb? Lexus legte seine Hand erneut auf meine Wange und eine seiner Klauen strich langsam über meine Lippen. Er begegnete mir mit einem Schmunzeln, was mir ein Kribbeln bescherte. “Ich muss zugeben... Ich kann nur zu gut nachvollziehen, worin der Reiz besteht, so etwas zu tun... Mir geht es da nicht anders. Allerdings gibt es zwischen ihnen und mir einen klaren Unterschied: ich bin derjenige, an wessen Seite du weilst, du gehörst mir, mir alleine, und ich werde der Einzige sein, der dich verführen wird.” Erst glaubte ich, ich hätte mich verhört, aber ich verstand seine Worte klar und deutlich. Er hatte Recht. Ich gehörte ihm, einzig und allein, und er sollte der Einzige sein, dem ich mich hingeben würde, auch wenn ich meine Gefühle für ihn noch immer nicht verstehen konnte. Im Grunde war er der einzige Vertraute, den ich noch hatte, und die Tatsache, dass er uns als Liebende bezeichnete, schaffte in meinem Gefühlsleben noch einmal eine ganz andere Ebene, auf welcher ich meine Empfindungen für ihn spüren konnte. Und da war ein Gefühl von Respekt, was ich für ihn empfand. Lexus hätte mich nehmen können, mit Gewalt, gegen meinen Willen, aber er tat es nicht. - Nachdem wir uns ausgesprochen hatten fühlte ich mich um einiges besser. Diese Unklarheit, die mich vorher gequält hatte, war nun wie weggeblasen und Lexus verhielt sich auch wieder einigermaßen normal mir gegenüber. Es freute mich, dass er so viel für mich empfand, und vor allem auch, dass er sich scheinbar Sorgen um mich machte. Ich genoss es, wie er mich wie einen kostbaren Schatz hüten wollte, und ebenso genoss ich es, dass er mich als sein Eigentum bezeichnete, auch wenn das vielleicht seltsam war. Noch immer aber standen viele Fragen offen, und ich musste wohl noch einige Zeit warten, bis er sie mir beantworten würde. Es schien mir so, als wüsste er sehr viel mehr über mich als ich selbst, und als würde er nur kleine Puzzle-Teile heraus geben, damit sich nur etappenweise ein gesamtes Bild zusammen fügen konnte. Er riss mir wieder aus meinen Gedanken, als er mich berührte. Ich blinzelte ihn verwirrt an. “Möchtest du heute nichts anderes mehr tun, als hier herum zu sitzen und vor dich hin zu starren, eingesperrt mit deinen ganzen wirren Gedanken?” Da war es wieder, das Grinsen auf seinen Lippen. Lexus setzte sich neben mich auf das Bett, berührte mich aber nicht, und lehnte sich ein wenig zurück: “Manchmal möchte ich ununterbrochen mit dir verbunden sein, um an deiner Gedankenwelt teil zu haben.” Ich musste lächeln und schon einige meiner langen Haarsträhnen zurück, die mir vorher ins Gesicht gefallen waren. “Ist das so?”, fragte ich leise, “Meine Gedankenwelt ist nicht unbedingt spannend, nur sehr wirr und ungeordnet. Es würde dir sicherlich Kopfschmerzen bereiten, wenn du stets mit meinem Kopf verbunden wärst.” Anstatt darauf zu antworten lachte er, beugte sich zu mir und küsste meine Stirn, bevor er mir leise, süße Worte zuflüsterte, die mein Herz wieder zum rasen brachten. Ich biss mir auf die Unterlippe. Eine meiner Hände hatte sich, ohne, dass ich sie kontrollieren konnte, den Weg auf seinen Oberschenkel gesucht, und ich wollte mich ebenfalls zu ihm neigen, die letzten Zentimeter zwischen unseren Lippen überbrücken, doch dann zog ich mich wieder zurück. Irgendetwas in mir wollte mich bremsen, mir sagen, dass ich lieber etwas Abstand halten sollte, doch ich konnte mich kaum beherrschen. Lexus war eine absolute Verführung, eine Schönheit, die so viel Eleganz und Anmut ausstrahlte und über eine Anziehungskraft verfügte, der kaum einer widerstehen konnte. Er war der sogenannte 'Wolf im Schafspelz', nach dessen Klauen ich mich sehnte... All diese Nähe, die er mir schenkte, war für mich noch etwas Unfassbares und erfüllte mich mit seltsamen Gefühlen, von Angst bishin zu unglaublicher Begierde, die mich verunsicherte. "Was ist?" Seine Stimme klang rau, dunkel - und gleichzeitig hatte sie einen bittersüßen Unterton, die meine Ohren verwöhnte und mich zu locken versuchte... Ich erinnerte mich daran zurück, als ich damals zu ihm in die Kammer geführt wurde - sein Körper war transformiert gewesen und er schien beinahe ausgehungert. Wenn er gewollt hätte, hätte er mich einfach auffressen können, sich sättigen können - doch er hatte es nicht getan. Als wir zwangsweise auf der unteren Platte auf Liverath weilen mussten hatte er einen der Verstoßenen verspeist, doch für wie lange würde das ausreichen? Viele Informationen über die Liveran hatte ich noch immer nicht sammeln können, aber ich wusste eben, dass sie Fleischfresser waren, deren Körper massive Massen an Fleisch benötigte, damit der Kreislauf stabil bleiben würde. Wie viel aß ein durchschnittlicher Liveran? Sicherlich mehr als Lexus es tat, dessen war ich mir sicher. Lexus hatte sich in der letzten Zeit kaum richtig ernähren können, nur ab und an nahm er sich etwas von meinem Blut, davon aber auch nur geringe Mengen, und wenn wir zusammen mit den anderen aßen nahm er auch nicht unbedingt viel zu sich. Das bereitete mir ein wenig Sorgen. So, wie ich in Gedanken versunken gewesen war, bemerkte ich gar nicht, wie Lexus seine Hand an meine gelegt und zärtlich gestreichelt hatte. Ich mochte ihn wohl konfus angesehen haben, bis ich seine Liebkosung realisierte und begann zu lächeln. Wer hätte gedacht, dass sich das zwischen uns, was auch immer es war, so wandeln würde? Vor nicht allzu langer Zeit wollte ich noch alles tun, um aus seiner Gefangenschaft zu fliehen, und jetzt konnte ich mir ein Dasein ohne ihn nicht mehr vorstellen... Ich bemühte mich darum, nicht noch weiter in Gedanken zu schwelgen und mich völlig auf ihn und unsere Zweisamkeit zu konzentrieren, doch diese konnte ich nicht mehr lange genießen. Jemand hatte an unsere Zimmertür geklopft und wenig später war Lexus schon gegangen. Es war einer der Techniker aus einer der Werkstätten gewesen, der ihn um Hilfe gebeten hatte. Worum es genau ging konnte ich nicht aus dem Gespräch heraus filtern, aber das sollte mich auch nichts angehen. Merkwürdig war allerdings, dass Lexus wollte, dass ich das Zimmer unter keinen Umständen verlassen sollte. War etwas vorgefallen? Ein Angriff? Oder handelte es sich um eine technische Störung, von der Gefahr ausging? Ich willigte sofort ein und versprach ihm, mich nicht vom Fleck zu bewegen. Aus dem großen Flur hörte ich mehrere Stimmen wirr durcheinander sprechen und ich konnte die Hektik förmlich spüren. Es musste etwas vorgefallen sein, ganz sicher. Die Unwissenheit in mir fütterte meine Angst, die sich wieder durch meinen Körper biss, und ich hoffte inständig darum, dass Lexus bald zurück kommen würde. Irgendetwas in mir, vielleicht war es meine Intuition, wollte mich warnen. Da war etwas im Gange, was ich nicht einschätzen konnte, aber ich wusste, dass es Gefahr bedeutete. Mir war danach mich aufzuraffen und nach Lexus zu suchen, aber ich hielt an meinem Versprechen fest, das Zimmer nicht zu verlassen. Lexus verlangte so etwas nicht ohne Grund von mir - und ich wollte seinen Anweisungen folgen... Nicht mehr lange, dann würde er zurück kommen und mir versichern, dass alles in bester Ordnung sei. Ein falscher Alarm, mehr war es nicht gewesen. Wenig später musste ich mir leider eingestehen, dass dem nicht so gewesen war. Es handelte sich um keinen falschen Alarm und auch nicht um irgendwelche Übungsmaßnahmen, nein, es handelte sich um etwas Schwerwiegendes. Gegen Lexus' Willen öffnete ich die Zimmertür und lugte mit dem Kopf in den Flur hinaus. Noch immer herrschte eine beunruhigende Hektik und dieses Mal konnte ich dann auch heraus hören, was geschehen war... Meine Hände umklammerten zitternd den Türrahmen und mir fiel es schwer auch nur einen ordentlichen Gedanken zu fassen. Ich fühlte mich, als hätte man mich gelähmt und so verhielt sich auch mein Körper. Ein Angriff. - Entgegen Lexus’ Willen wollte ich unser Zimmer verlassen und nach ihm suchen, sicher gehen, dass es ihm gut ging, aber ich traute mich nicht und zog mich wieder zurück. Zudem hatte er mir die klare Anweisung gegeben den Raum nicht zu verlassen. In meinem von Angst geprägten Zustand wäre ich ohnehin Niemandem eine große Hilfe, also war es wohl wirklich besser, dass ich mich versteckt hielt. Ich realisierte erst kaum, dass Jemand die Tür zu unserem Zimmer geöffnet und eingetreten war, bis eine mir bekannte Stimme zu mir sprach und mich aus meinen Gedanken riss. “Aria! Ist alles in Ordnung?” Es war Fyhas, der mich mit besorgten, großen Augen eingehend musterte. Im ersten Augenblick war ich gar nicht fähig auf seine Frage zu reagieren, nickte dann aber langsam. Ich war mir nicht sicher, ob ich in Ordnung war, immerhin wusste ich nicht wo Lexus nun gewesen war und wie es ihm ging - ob es ihm gut ging... Fyhas war alleine zu mir gekommen und versuchte mich zu beruhigen. Ständig streichten seine Hände über meine zitternden Arme und leise Worte versuchten ihr Bestes, um mich in Sicherheit zu wiegen. “Was ist geschehen?”, wisperte ich zu ihm, traute mich kaum, ihm in’s Gesicht zu blicken, “...Ist es ein Angriff?” Für einen Augenblick verzog er die Miene, seufzte und nickte dann. “Ja, leider. Arash bekam ebenfalls die Information und muss sich jetzt darum kümmern. Lexus vermutlich auch, hm?” So, wie es sich anhörte, schien Fyhas auch nicht mehr zu wissen als ich - zumindest machte es den Anschein. Aber war Fyhas nicht in einer ähnlichen Position gewesen wie Arash? Ich glaubte mich an Gesprächsfetzen zu erinnern, die mir nur vage in Erinnerung geblieben waren, wo es darum ging, dass Arash und Fyhas lange um ihre Position kämpfen mussten - was für mich so viel bedeutete, dass sie gleichberechtigt waren. Warum also rückte nicht auch Fyhas aus, wenn er... Mein gesamter Körper zuckte in sich zusammen, als er mich dann ruckartig an sich drückte und mir eine Hand auf den Mund presste. Mit einem leisen Zischen wies er mich dazu an keinen Mucks von mir zu geben und ich bemerkte, wie sein Blick eisern auf der Türe weilte. Wenige Momente später verstand ich dann auch, warum... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)