EX von Kuran ================================================================================ Kapitel 23: Turanithas - 5.0 ---------------------------- Mein Zeitgefühl war ganz wirr. Ich konnte kaum sagen, wie viele Stunden nun wieder vergangen waren und wie lang ich nun, an kalten Stein gelehnt, hungrig und müde, den mir seltsamen Fremden beobachtet hatte, aus Vorsicht, weil ich ihm nicht über den Weg traute. In mir war die Angst, dass er sich noch am schlafenden Lexus zu schaffen machen wollte, aber ich wusste nicht einmal, wie das mit der Nahrung unter Liverans untereinander war - konnten sie mit dem Blut der eigenen Rasse überhaupt etwas anfangen oder musste es das Blut einer anderen Kreatur sein? Das hätte ich nur zu gerne gewusst. Der Fremde saß noch immer ungerührt vor seinem Feuer und starrte mit einem zufriedenem Grinsen auf den Lippen in die lodernden Flammen. Und dann, endlich, war Lexus wieder aufgewacht! Er hatte wirklich viele Stunden geschlafen und ich war mir sicher darüber gewesen, dass der Mistkerl ihm etwas verabreicht hatte, damit er in solch einen tiefen Schlaf gelangen konnte. Mit Mühe erhob ich mich nun und ging mit unsicheren Schritten zu ihm hin, um mich neben ihm wieder auf die Knie zu werfen und ihn besorgt zu mustern. Auf den ersten Blick sah er so aus, als würde ihm nichts fehlen. Er wisperte leise meinen Namen und legte seine Hände sachte an meine Wangen, um mich kurz heran zu ziehen und zu liebkosen, und ließ dann wieder ab von mir. Noch ganz bei Sinnen war er nicht - was mich bei dem Tiefschlaf nicht wunderte... Nun wandte der andere seinen Blick zu uns. Er grinste noch immer. "Erwacht?" Den amüsierte Unterton in seiner Stimme war mir nicht unbedingt angenehm gewesen. "Ihr scheint einiges durch gemacht zu haben. So erschöpft kann man ja vom einfachen Herumwandern sein, hmmhmm." Alles in mir spannte sich an. Der Kerl war mir nicht geheuer gewesen und ich wollte so schnell es ging wieder verschwinden. Seine Nähe erschien mir nicht als sicher und der Vorfall, der sich einige Stunden zuvor ereignet hatte, war Grund genug für mein Misstrauen. Lexus merkte es. Er merkte, dass ich in einer Art Schutzhaltung und auf Distanz bleiben wollte - ob ich ihm aber sagen könnte, was mir geschehen war, wusste ich noch nicht so genau. Mir gingen die Worte des Fremden noch durch den Kopf, die, dass ich eh nicht dazu fähig sein würde, es Lexus zu erzählen. Ich sammelte die ersten Worte in meinem Mund zusammen, aber sie konnten nicht über meine Lippen springen. Es war, als hätte ich einen Kloß im Hals, der alles, was ich äußern wollte, verschlang. “Ich danke Ihnen für den Unterschlupf. Wir sind gerade auf einer Durchreise und brauchten einen Ruheplatz. Wir werden Sie nicht mehr länger belästigen und auch schon bald wieder gehen.” Ich blickte Lexus irritiert an, als er sich auch noch für die Gastfreundlichkeit des seltsamen Fremden bedankte und wollte ihm dazwischen reden, bekam aber wieder kein einziges Wort aus mir heraus. Es war, als wäre ich verflucht worden! “Kein Dank dafür... Ich freue mich, wenn Reisende einen kleinen Halt bei mir einlegen... Es ist immerhin selten, dass ich Besuch habe... wisst ihr...?” Alles an ihm, selbst wie er sprach, wirkte hinterhältig. Er war eine Schlange gewesen - und ich war mir dessen sicher, dass er uns nicht einfach gehen lassen würde. Meine Intuition war untrüglich, und die Spannung in meinem Körper sprach ebenfalls für Vorsicht. Ich griff nach Lexus’ Hand und drückte diese fest, in der Hoffung, er würde meine Unruhe spüren können. Er blickte mich kurz an, etwas perplex, und blickte dann zurück zu dem Fremden, der seinen Blick wieder dem Feuer zugerichtet hatte. Konnte er es denn nicht riechen? Mein Blut musste nun einen anderen Geruch haben, nachdem es verunreinigt worden war, und ich war, obwohl ich geschlafen hatte, nicht unbedingt ausgeruht. Schöpfte er denn gar keinen Verdacht? Zögernd neigte er sich näher zu mir, um an mein Ohr zu flüstern: “Sage mir... Aria, was hat er getan? Hat er dir etwas getan?” Erneut wollte ich zu Worten ansetzen, die allerdings schnell wieder verschlungen waren. Verzweifelt biss ich mir auf die Unterlippe. Ich wollte ihm sagen, was geschehen war, aber ich wurde daran gehindert. Es war so, wie der Fremde es gesagt hatte: Ich würde ihm kein einziges Wörtchen von all dem erzählen können, selbst wenn ich es versuchen würde. Eine andere Möglichkeit als ein Nicken, um seine Vermutung zu bestätigen, blieb mir nicht, also setzte ich zu einem zögernden Nicken an. Lexus’ Miene verzog sich und er drückte meine Hand fester. Er verstand also... “Entschuldigt, Fremder...”, begann er leise, “Habt Ihr noch irgendetwas Essbares für meine Begleitung?” Der Fremde reagierte erst nicht und schien Lexus zu ignorieren, drehte sich dann seitlich zu uns herum und legte den Kopf ein wenig schief: “Essbares?”, fragte er verwirrt, “Was soll ich Euch nun Essbares geben...? Ihr wisst doch selbst, dass ich nichts habe, was ich Euch geben könnte...” “Deswegen schien es ein gefundenes Fressen zu sein, unser Besuch, ja?” Er stellte sich dumm und reagierte erneut nicht auf Lexus. Womöglich hatte er gedacht, oder zumindest gehofft, dass er nicht heraus finden würde, dass er sich von mir genährt hatte. Die Hand an meiner löste sich und tätschelte mich noch einmal, bevor Lexus aufstand und die wenigen Schritte zu dem Fremden überbrückte, setzte sich neben ihn und blickte mit ihm zusammen in die Flammen: “Das war sehr unklug von dir... So dankbar ich dir für die Gastfreundschaft bin, die du uns angeboten hast... umso wütender macht mich die Tatsache, dass du nicht von meiner Begleitung ablassen konntest. Es gibt Dinge...” Ohne Scheu legte er seinen Arm um die Schulter des Anderen, “...Es gibt Dinge, die man einfach nicht macht. Ich denke, dass dürfte man dir auch gelehrt haben. Dazu gehört, dass man sich nicht am Eigentum anderer vergreift, nicht wahr? Ich bin da wirklich empfindlich, musst du wissen, und ich lasse so etwas auch nicht ungestraft geschehen...” Und dann geschah alles so schnell, dass ich kaum realisieren konnte, was geschah. Lexus war wirklich wütend geworden - und es überraschte mich, dass er dann wirklich zu grausamen Taten neigte. Es war, als würden jegliche Schalter in ihm umgelegt werden und eine Art Monster aktivieren, welches nur noch auf Zerstörung aus gewesen war. “Du weißt, mit wem du es zu tun hast, nicht wahr? Irgendwann in unserem Leben sind wir uns schon einmal begegnet, ganz sicher, und nun soll ich das Letzte sein, was dir begegnet ist...” Ich konnte es gar nicht mit ansehen. Ich wollte Lexus nicht so sehen. Mit Mühe drückte ich also meine Hände auf die Augen und versuchte alles um mich herum auszublenden, doch das Geräusch seiner Zähne, wie sie sich in Fleisch gruben und das Zerreißen von Hautfetzen hatte sich durch mein Gehör geschlagen. Was ich nicht vergessen durfte war, dass er eben zu einer Rasse gehörte, die auf diese Weise Nahrung zu sich nahmen - auf diese grausame Weise und auch auf eine andere, die sich mittels Blut anderer Lebewesen erlangen konnten. All das wollte ich nun aber für einen kurzen Augenblick ausblenden... Erst nachdem er ihn vollends verspeist hatte, kam er langsam wieder zu mir zurück. Ich zuckte zusammen, als er mich vorsichtig berührte, und hatte noch immer meine Hände vor den Augen. Würde sein Gesicht voller Blut sein, wenn ich ihn nun anblicken würde? Und haftete auch an seinen Händen, die mich nun berührt hatten, das Blut seines Opfers? Das wollte ich gar nicht wissen. “Du kannst mich ruhig ansehen...”, flüsterte er mir mit ungemein sanfter Stimme zu, obwohl ich wenige Augenblicke vorher noch sein boshaftes Knurren gehört hatte, “Es ist vorbei.” Jetzt, wo er ihn gefressen hatte, schien auch der Kloß in meinem Hals verschwunden zu sein, der mich vorher noch blockiert hatte: “...Musstest du... so weit gehen?” Nicht nur meine Stimme, sondern mein gesamter Körper zitterte. “Ich meine... hättest du ihn nicht am Leben lassen können? Und wir wären einfach wieder gegangen...?” “So einfach wäre das nicht gewesen. Er mochte nun zwar harmlos wirken, aber das war nur Schein. Es hatte schon einen Grund, dass er auf dieser Platte hier lebte, und das war nicht, weil er sich nach einem ruhigen Plätzchen gesehnt hatte. Hätte ich noch länger gezögert, wären wir zu seiner Beute geworden. Wäre dir das lieber, als dass ich ihn als Gefahr für uns nun beseitigt habe und nun gesättigt bin? Und außerdem...” Seine Hand, die soeben noch auf einer meinen geweilt hatte, legte sich in meinen Nacken, um mich näher heran zu ziehen, “Ich hasse es, wenn sich jemand an dir vergreift... Du gehörst mir, und ich bin der Einzige, der dich berühren darf. Geschweige denn auch der Einzige, der sich von deinem Blut ernähren soll. Verstehst du das?” Seine Worte lösten ein gewaltiges Schaudern in mir aus, was mich schüttelte. Wieder stieg diese Wärme in meinem Körper auf, die ich noch nicht einschätzen konnte. Seine Worte machten mich irgendwie glücklich - und ich wollte bejahen, dass ich sein Eigentum gewesen war. Er war der Einzige, mit dem ich mich verbinden wollte, und nun schämte ich mich dafür, dass mein Blut verunreinigt gewesen war... Wie lange würde es dauern, bis die Spuren des Fremden aus meinem Blut verschwunden waren? Würde er sich so lange nicht mehr mit mir verbinden und sich von mir nähren wollen? Als sich seine Arme um meinen Körper schlangen und er mich fest an sich drückte, spürte ich die Wärme, die von ihm ausgegangen war. Ich spürte, dass er neue Kräfte erlangt hatte, und ich schloss wohlig die Augen, als er meine Stirn küsste. Was bedeutete es für ihn, dass ich sein Verbündeter war? Bedeutete das schlicht und einfach nur, dass ich ihn nicht alleine ließ, jetzt, wo er ein Verstoßener war, und dass ich eine Energie- und Nahrungsquelle für ihn darstellte? Oder basierte diese Verbundenheit auf einer freundschaftlichen Basis? Alles andere wollte sich keinen Platz in meinem Kopf erlauben... “Du denkst wieder über zu viel nach...” Sein Flüstern ließ mich kurz zittern. Seine Stimme klang so angenehm. “Warum teilst du deine Gedanken nicht mit mir?” Seine Hände legten sich bereits an meine Seiten und ich ahnte, was er vor hatte, was ich zu verhindern versuchte - ich wollte nicht, dass er sich nun mit mir verband, nicht jetzt, wo mein Blut verunreinigt war. Ich hatte tatsächlich Angst davor und wollte nicht, dass er sein Blut ebenfalls schmutzig machte, allerdings konnte ich mich kaum gegen seinen Willen wehren. Ein leises Seufzen entglitt mir, als sich seine Krallen unter meine Haut legten und er somit den Prozess der Verbindung begann. Noch immer wollte ich dagegen protestieren, nun aber erstickte ein Kuss, und nicht ein Kloß im Hals, meine Worte. Meine Wangen erwärmten sich mittels weniger Sekunden und ich spürte, wie wir eins miteinander wurden. Da war es wieder, das Geräusch seines Herzschlags in meinem Ohr und leise Gedanken von ihm, die nun in meinen Kopf durch dringen konnten. Der bittere Geschmack auf seinen Lippen ließ mich kurz die Miene verziehen, aber das wurde dann zu einer unwichtigen Nebensache, als ich spürte, wie mein Blut zu pochen begann. Nein, wollte ich schreien, ich wollte nicht, dass er sich von mir nährte, doch er ließ mir keine Chance für Widerworte. Er pumpte mein Blut in seinen Körper hinein und es ließ mich erschaudern, als er wohlig aufseufzte. Die Verunreinigung meines Blutes schien ihn in diesem Augenblick kaum zu stören - und auch mich störte es immer weniger. Zu betörend war diese Verbindung zu ihm gewesen, als dass ich nun an etwas Negatives denken konnte. Die Barriere, die meine Gedanken vor ihm schützen wollte, war wie umgestoßen. Alle meine wirren Fragen gingen zu ihm hinüber, und ich war mir sicher, dass er sie alle hören konnte, obwohl ich kein Wort von mir gab. Er schmunzelte, als er meine Frage hörte, was für eine Art Verbundenheit das zwischen uns war, und ließ mich für einige Momente lang im Unwissen, bis er meine Lippen erneut mit den seinen verschloss. War das die Antwort auf meine Frage? Eine Welle von Gefühlen baute sich in mir auf, als ich seine Zuneigung, die er für mich empfand, in mir spürte und wimmerte leise in seinen Mund hinein, als ich merkte, dass er seine Klauen langsam wieder aus meiner Haut zurück zog. Das Pochen seines Herzens löste sich in der nun anhaltenden Stille meines Kopfes und ich sank erschöpft zurück, als er sich von mir gelöst hatte und fand Platz an seinem Oberkörper, an welchen ich mich sehnsüchtig schmiegte. “So, wie ich Besitz von dir ergriffen habe, sollst du auch Besitz von mir ergreifen, Aria...” Seine Worten verwirrten mich. “Was bedeutet das...?” “Dass wir Liebende sind.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)