EX von Kuran ================================================================================ Kapitel 18: Cyvethum - 4.0 -------------------------- Was geschah hier gerade mit mir? Ich war eng an seinen Körper gepresst und konnte nur mit Mühe ordentlichen Halt finden, ohne nach vorn ins Kontrollfeld zu stürzen, was die körperliche Verbindung, die noch in einem Aufbauprozess verweilte, allerdings verhindern konnte. Ungläubig betrachtete ich dieses absurde Spektakel, wie sich unsere Beine und Arme beinahe ineinander fraßen und wie Fäden ähnliche Hautfetzen uns zusammen hielten. Alles in Allem war für mich absolut überfordernd gewesen und ich dachte nicht mal daran auch nur zu weiteren Fragen anzusetzen - wo er doch eh keine Zeit hatte, um sie mir zu beantworten. Durch die Verbindung zu ihm konnte ich einen Bruchteil seiner Gedanken in meinem Kopf hören - eine Art Barriere verhinderte, dass ich kompletten Zugriff zu seinem Innenleben erhielt. Wie viele von meinen Gedanken konnte er empfangen? Alle? Oder ebenfalls nur ein Minimum? “Es sind nur zwei, die mir gefolgt sind. Also nichts, was der Rede wert wäre.” “Zwei? Zwei was?” Natürlich blieb meine Frage unbeantwortet. Er, nein, wir, waren nun vollends mit der Erogide verbunden und ich spürte kleine elektrische Schläge durch meinen Körper tanzen, als er sein Kinn auf meine Schulter stützte, damit er die volle Übersicht über das Kontrollfeld erhielt. Ich linste nur für einen Augenblick zu ihm hin und blickte dann schnell ebenfalls nach vorn. Er startete die ersten Befehle. Wer war sein Feind gewesen? Jemand von denen, die er vorher bekämpft und womöglich - das Blut, was vorhin noch an ihm gewesen war, ließ mich darauf schließen - einen von ihnen getötet hatte? ...Wenn nicht sogar mehrere? Der Sinn meines Beiseins war mir noch immer nicht klar geworden und ich versuchte mich nun einfach auf das einzustellen, was mich wohl noch erwarten würde. Die körperliche Verbindung zu ihm war anstrengend und stärkend zugleich, mein Körper war solch eine Vereinigung einfach nicht gewohnt und musste sich erst daran gewöhnen und das, obwohl ich nicht einmal wusste, wie oft ich das noch mitmachen musste... Die Erogide löste sich nun vom Schiff, was ich nun wirklich eindeutig als Schiff erkennen konnte, und auf dem Sensor blinkten bereits zwei Punkte auf, die auf den Aufenthaltsort des Feindes hinwiesen. Alles in mir zog sich zusammen. Ich wusste nicht, wie stark der Feind gewesen war, und ich war so perplex von allem, was um mich herum geschah, dass ich mich auf nichts konzentrieren konnte. Meine Position bedeutete zum Glück auch nicht, dass ich viel tun musste, eher noch empfand ich mich als eine Energiequelle für ihn, die ihm zusätzlich Stärke verlieh. Die zwei Punkte näherten sich uns in einem massiven Tempo. Es würde nicht noch länger als eine Minute dauern, bis sie uns eingeholt haben würden. Er sprach die ersten Ausrüstungsbefehle aus. “Du wirst dich nicht freuen...”, wisperte er mir zu und schenkte mir daraufhin wieder keinerlei Aufmerksamkeit mehr, sondern konzentrierte sich auf den Angriff. Ich war verwirrt. Unheimlich verwirrt. Ich sollte mich nicht freuen? Ja, warum auch, wenn es um einen Kampf ging? Im Gegensatz zu ihm empfand ich keinerlei Euphorie für den Kampf und diese Gefühle, die sich von seinem Körper in meinen pumpten, irritierten mich. Er war aufgeregt, fast schon nervös, und er fieberte dem Angriff entgegen. Er wollte es. Und dann verstand ich, was er gemeint hatte... Die Maschinen, mit denen man uns verfolgt hatte, erkannte ich sofort. Es waren die Selbigen, in denen ich auch hatte kämpfen müssen, als ich noch Anwärter auf der Kolonie gewesen war. Das waren meine ehemaligen Kameraden gewesen. Es bestand keinerlei Zweifel in meiner Annahme. Es waren wirklich... “Konzentriere dich. Sie sind nicht mehr deine Kameraden, sondern deine Feinde. Du gehörst nicht mehr zu ihnen!” Aber sie hatten mir nichts getan... Sie waren nicht schuld daran gewesen, dass ich die Kolonie verlassen musste! Die erste Kanone lud auf, während sich eine andere Schusswaffe bereits aufgebaut hatte, mit welcher er sie ins Ziel nahm. Nein, ich wollte nicht, dass er auf sie schießen würde. Ich wollte nicht, dass er ihnen Schaden zufügen würde, sie waren unschuldig! Hatten sie heraus gefunden, wer er nun wirklich war? Hatte man frei gegeben, dass er getötet werden durfte? War er wirklich aufgeflogen? Meine ganze Verwirrung machte mich völlig unfähig noch in irgendeiner Weise zu reagieren und die Tränen, die sich in meinen Augen gebildet hatten, machten es mir unmöglich noch irgendetwas auf dem Kontrollschirm genau zu erkennen. Aber sie waren nun da, das wusste ich ganz genau, und ich wusste, dass er sie töten würde. Das alles war so schnell geschehen, dass ich es gar nicht realisieren konnte. Als sich die Tränen langsam den Weg über mein Gesicht kämpften und ich wieder einigermaßen klar gesehen konnte, musste ich feststellen, dass die zwei Punkte auf dem Sensor verschwunden waren. So, als wären sie nie da gewesen... Sie waren tot. Er hatte sie getötet. Die Trauer in mir konnte sich nicht mehr halten und brach aus. Ich begann lauthals zu schluchzen und zu wimmern und zerrte an meinen Armen und Beinen, wollte los kommen von ihm, nicht mehr hören, wie er in Gedanken zu mir sprach. Ich war mit seinem Körper verbunden und hätte es aus rein logischer Sicht verhindern können, indem ich seine Aktionen einfach stoppte! “Hättest du mich aufgehalten, wärst du nun tot. Und ich auch.” “Dann wäre ich eben tot! Ich... ich...-” Vor lauter Jammern brachte ich keinen anständigen Satz mehr heraus. Ich wollte, dass er die Verbindung zu mir löste und mich endlich frei ließ. All dies war nichts, was ich aushalten konnte - ich war im falschen Boot gesessen, dachte ich, und ich wollte nicht länger als Puppe an den Fäden tanzen, die er in der Hand hatte. Ob ich es wollte oder nicht, ich musste als sein Verbündeter her halten, da er mir keine andere Wahl gelassen hatte. Er war noch immer ein Fremder für mich, dessen Namen ich nicht kannte, und so fremd, als wie ich ihn eigentlich empfinden wollte, war er mir leider nicht. Zu ihm spürte ich eine unheimliche Nähe, die ich noch nie zuvor erlebt hatte, und es erklärte sich mir einfach nicht, warum das so gewesen war... - Zurück im Schiff angekommen wollte ich meine Ruhe. Ich hatte mich in mein neues Zimmer zurück gezogen und verbrachte mehrere Stunden damit zu weinen und zu trauern. Dass ich miterleben musste und im schlimmsten Fall auch noch mit schuld daran war, dass zwei meiner ehemaligen Kameraden sterben mussten, raubte mir alle Kraft. Das war es, was ich an diesem Krieg nicht verstand - warum musste man andere töten? Es gab doch sicherlich andere Lösungen die weitaus mehr Sinn ergeben hätten als das! Man musste ihm auf jeden Fall auf die Schliche gekommen sein... Der Angriff auf Lykratek hatte bestimmt, auch wenn kaum einer diesem Stern Beachtung geschenkt hatte, sicherlich aufgefallen. Sowieso, wie hatte er es so lange geschafft, dieses Doppelleben zu führen? Und warum war es niemandem aufgefallen, dass sich ein so mächtiger Feind mitten unter ihnen befand, nein, sogar an der Spitze! Wie lange würde er mich wohl noch bei sich behalten? Ich wollte nun einfach nur noch fliehen, irgendwohin, Hauptsache fort von ihm. Ohne irgendeine emotionale Regung hatte er sie getötet, und ich... Die Tür öffnete sich. “Wie lange willst du noch weinen?” Wer sonst sollte es gewesen sein... “Mir gefällt es nicht, wenn du dich so sehr verausgabst. Du schläfst und isst kaum.” “Dann verhungere ich eben. Dann sterbe ich wenigstens endlich und muss das alles nicht mehr ertragen.” Als er sich mir näherte wich ich schnell zurück. Nicht noch einmal wollte ich seiner Anziehung erliegen und schwach werden, nein, das wollte ich nicht noch mal zulassen. Ich musste mich zusammen reißen und Abstand gewinnen, bevor er mich noch völlig wahnsinnig und abhängig machte. “Warum wehrst du dich so gegen mich, Aria? Du weißt es genau so gut wie ich, dass du meine Nähe brauchst. Du willst, dass ich mich von dir und deinem Blut ernähre und nichts anderes wünschst du dir mehr, als mir deine Kraft zu schenken. Also lass es endlich zu und verbünde dich mit mir! Was trauerst du solchen Kreaturen nach, die dich verstoßen haben und die es nicht interessiert hätte, ob du nun derjenige gewesen wärst, der getötet worden wäre?” Wie konnte er... “Was...?”, entglitt es mir ungläubig, als ich mir seine Worte nochmals durch den Kopf hatte gehen lassen, “Sie waren nicht schuld daran, dass ich gehen musste! Das war einzig und allein das Ergebnis meiner Unfähigkeit gewesen, woraus ich eben Konsequenzen ziehen musste!” Wieder kam er näher... Und meine Fluchtmöglichkeiten schränkten sich immer mehr ein. “Sieh es doch endlich ein... An meiner Seite hast du es besser. Du wirst es nicht bereuen, dich mir angeschlossen zu haben.” Was wollte er von mir? Ich verstand einfach nicht, was er von mir wollte - und warum ich von solch einer Bedeutung für ihn zu sein schien. “Was soll ich an der Seite einer Bestie...? Ich will nicht plündern, zerstören und töten! Ich will Frieden, ich will Frieden für alle Existenzen in dieser Galaxy und keine absolute Zerstörung!” “Wer sagt denn, dass ich genau das will?” Was sollte er sonst wollen, wenn nicht das? Er, sein ganzes Sein, das ergab alles keinen Sinn! Er war irgendeine Kreatur, von der ich nicht wusste, woher sie genau stammte! Ich wusste nichts über ihn und seine Vergangenheit, ja noch nicht einmal seinen Namen! Irgendwo in irgendwelchen Ecken meines bisherigen Lebens hatte er sich immer herum getrieben und ließ mich einfach nicht in Ruhe. Warum war es ausgerechnet ich gewesen, welchen er sich ausgesucht hatte? War ich so leicht zu brechen gewesen und daher ein leichtes Opfer? Vereinfachte er sich einfach die Jagd und hatte sich wahllos das schwächste Glied heraus gepickt, um leichtes Spiel zu haben? “Das... nein, das ergibt alles keinen Sinn...” Meine Stimme zitterte schon wieder. “Du ergibst keinen Sinn. Dass ich hier bin, das auch nicht! Nichts ergibt auch nur irgendeinen Sinn! Lass mich doch endlich gehen, ich will nicht mehr länger..-” Nein, er durfte mich nicht berühren! Seine Hände sollten von mir ablassen! Ich konnte und wollte nicht zulassen, dass er wieder Macht über mich gewann. Nun musste ich Stärke beweisen und gegen ihn angehen. “Wehr dich nicht länger gegen mich... Du machst es dir nur unnötig schwer. Im Endeffekt wirst du erkennen, dass dies die richtige Entscheidung ist und dass es dein Schicksal ist, an meiner Seite zu weilen. Als mein Verbündeter.” Seine Finger in meinen Haaren wirkten zu verführerisch und ich spürte bereits, wie der eben noch so starke Wille in mir wieder nachgeben wollte. Ich wollte nachlassen, meine ganze Wut ihm gegenüber abschütteln und mich ihm hingeben, so, wie er es wollte, und alles vergessen, die ganzen Sorgen und Fragen, alles um mich herum, das ganze Elend und Leid und... “So ist es gut...”, flüsterte er gegen meine Lippen und küsste mich sachte. Die Tränen in meinen Augen wollten einfach nicht trocknen und das Zittern, was durch meinen ganzen Körper gedrungen war, wollte sich nicht mehr legen. "Lass mich doch einfach gehen... Ich will gehen... Irgendwo hingehen... Ich will endlich meinen Frieden finden... Diesen Krieg... ich will diesen Krieg nicht..." Diese sanften Berührungen schienen meine Wut aus meinem Körper zu nehmen und beruhigten mich ungemein, die Trauer, die ich jedoch empfand, konnte er mir nicht einfach so stehlen. "Lass mich gehen... Lass mich endlich gehen...", wiederholte ich immer wieder nur und hämmerte mit schwachen Fäusten gegen seinen Brustkorb, "Ich weiß nicht, wer oder was du bist... Ich weiß überhaupt gar nichts..." "Mein Name ist nicht so wichtig. Wichtiger ist, dass du dich für mich entscheidest - ich werde nicht zulassen, dass du stirbst." Warum sprach er immer nur von mir und sich? Waren ihm alle anderen wirklich so egal gewesen? "Es... Es gibt eine Bedingung." Es kostete mich Mühe, das Wort zu erheben. "Wenn du mich an deiner Seite willst, musst du nach meinen Zielen streben. Du wirst... eins mit mir sein und im Einklang mit meinen Motivationen und moralischen Prinzipien leben müssen. Wenn ich wirklich so wertvoll und wichtig für dich bin, dann musst du diesen Pakt mit mir schließen, ansonsten..." "Ansonsten?" "...Werde ich all dem persönlich ein Ende setzen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)