Ride the Rockers 8 - Love Revolution von raphael_asdrai (6. Sequel zu Ride the Rockers und Fortsetzung von Love Education mit Teilen von SCREW in neuer Hauptrolle) ================================================================================ Kapitel 19: ------------ Kapitel 19 Aoi grub die Zähne in die Unterlippe und seine Fingernägel krallten sich in Kais Schultern, ehe sein Körper erschauderte und er nur Sekunden später mit einem atemlosen Keuchen auf dem Drummer zusammensank. Kais Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig, die Nachwehen seines eigenen Orgasmus, der ihn nur wenig früher überrollt hatte, auskostend, ehe seine Finger den Weg in Aois schwarze Haare fanden und sanft seinen Schopf kraulten. »Ich komme mir vor, als hätten wir eine Affäre!«, flüsterte Aoi nach ein paar Minuten, in denen sie einfach nur still dagelegen hatten, und das Grinsen, das auf seinem Gesicht lag, nahm seinen Worten jeglichen Vorwurf. Kai hob eine Augenbraue und lachte leise, ehe er Aoi vorsichtig anschubste, so dass er von ihm herunterrollte und neben ihm lag, ehe er seinen Arm, in dem noch immer die Anschlüsse für die Maschinen steckten, die seine Körperfunktionen überwachten, einen prüfenden Blick schenkte, um erleichtert zu nicken, als er sah, dass nichts verrutscht war. Es war nicht das erste Mal seit der Nacht vor ein paar Tagen, als Aoi ihn als Krankenschwester überrascht hatte, dass sie sich in dieser Position befanden – seitdem jedoch ohne Häubchen und Fesseln. Sie trafen sich heimlich nach Beginn der Nachtschicht, verbrachten ein paar Stunden miteinander, ehe sich Aoi wieder davonstahl, bevor die Morgenvisite begann. Die Nachtschwester hatte er inzwischen so gut um den Finger gewickelt, dass sie nicht einmal mehr nachfragte, wenn er sie mit irgendwelchen Aufträgen wegschickte, so dass Kai von der ungewohnten Perfidität seines Freundes schwer beeindruckt war. »Wie spät ist es?«, fragte Aoi und Kai rückte ein Stückchen ab, um ihm die Sicht auf die Uhr an der Wand freizumachen. Sie hatten noch zwei Stunden bis zur Morgenvisite. Genug Zeit, um noch ein wenig zu kuscheln, das zerwühlte Bettzeug zu ordnen, die Fenster aufzureißen, um den eindeutigen Geruch nach Sex zu vertuschen und alles wieder in den Zustand zu bringen, in dem es vorher war. »Du könntest langsam wieder anfangen zu sprechen, wenn du eh morgen entlassen wirst!«, murrte Aoi vorwurfsvoll, ehe er sich an Kai kuschelte, und dieser tätschelte ihm die Schulter, während er dem Zwielicht dankte, dass den kurzen Moment verbarg, in dem ihm die Gesichtszüge entgleisten. Er hatte nicht vergessen, dass er Aoi noch immer die Erklärung schuldig war, die er ihm versprochen hatte. Er wusste, der andere wartete darauf, sah jedes Mal erneut die stille Frage in seinen Augen – und wenn er sich nicht mehr damit ›herausreden‹ konnte, dass er seine gereizte Kehle schonte, ging er dazu über, ihn mit Küssen und Berührungen für die nächsten Stunden zum Schweigen zu bringen. Das war das Schlimmste von allem. Denn es war nicht weniger fatal, als endlich mit ihm zu reden. Nicht nur einmal hatte er sich gefühlt, als würde er mit jeder Sekunde weiter auf einen Abhang zurasen, genau wissend, dass alles, was er tat oder sagte, ihn in die selbe Richtung lenkte. Er wünschte sich Uruha herbei, um ihm sein Herz auszuschütten und ihn um Rat zu fragen, doch er konnte dem anderen nicht sagen, was geschehen war, ohne zu riskieren, alles noch viel schlimmer zu machen. Vorsichtig wühlte er sich aus dem Chaos von Decke, Laken und Kissen, das sie hinterlassen hatten, ehe er stutzte, als er Stimmen und Schritte auf dem Gang zu hören glaubte. Irritiert spitzte er die Ohren, sicher, dass sich außer ihnen keine Personen auf dieser Etage aufhalten durften, ehe mit einem Mal die Tür aufflog und mit einem so lauten Scheppern gegen die Wand krachte, dass sie beinahe vor Schreck aus dem Bett gefallen wären. Aoi schrie überrascht auf, als das Licht des Ganges ihn blendete, und zog die Decke über sie. Kai konnte überhaupt nicht so schnell reagieren, wie eine Person ins Zimmer stürzte, und als er erkannte, dass es Uruha war, blieb ihm vor Schrecken fast das Herz stehen. »Aoi!«, rief der Gitarrist, für einen kurzen Moment irritiert, bevor er sich wieder fing. »Du mieses Arschloch!«, fluchte er und packte Kai am Nacken, um ihn zu schütteln, und nur eine Hand, die wie aus dem Nichts hinter ihm auftauchte, konnte ihn davon abhalten, Kai mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. »Hast du sie noch alle; er hatte eine Gehirnerschütterung!«, schimpfte Kazuki und zerrte den anderen zurück, der seine Worte jedoch vollkommen ignorierte. »Was zur Hölle?!«, schrie Aoi, ehe er nach unten rutschte, so dass er die Decke bis zu seiner Nasenspitze ziehen konnte. »Uruha!«, rief Kai, vollkommen vergessend, dass er behauptete, seine Stimme schonen zu müssen. Dann fiel sein Blick auf den anderen. »Kazuki?!« »Lass mich sofort los, wenn du weiterleben willst!«, schimpfte der ältere Gitarrist und riss sich für einen kurzen Moment aus Kazukis Klammergriff los, ehe dieser ihn wieder geschnappt hatte und davon abhielt, sich erneut auf Kai zu stürzen. Auch als er einsah, dass es nichts nützte, gab er seine Bemühungen nicht auf, die Hand zur Faust geballt und das Gesicht so wutverzerrt, als würde er Blut sehen wollen. »Du hast alles kaputt gemacht!« Der Blick in seinen Augen war so wild auf Kai gerichtet, dass dieser sich sicher war, dass sein letztes Stündchen geschlagen hatte. »Die ganze Zeit erzählst du mir, dass ich aufpassen muss; dass ich mir Kazuki nehmen soll, wenn ich es nicht mehr aushalte; dass ich derjenige bin, bei dem das Risiko liegt! Du hast mir wunderbar eingeredet, dass, wenn es scheitert, es an mir liegen wird – und nun bist du es, der alles kaputt macht?! Du hast den Deal angenommen und mich mitgezogen, und nun brichst du ihn?!« »Ich…«, begann Kai, doch er wusste nicht, wie er sich verteidigen sollte. Sein Blick huschte zu Kazuki, der wie ein ängstliches Reh hinter Uruha stand, sich an ihn klammerte und aussah, als wäre er am liebsten im Erdboden verschwunden. »Ich…« Uruha würde ihm niemals glauben, wenn er ihm sagte, er hätte durch den Stoß gegen den Kopf für eine kurze Zeit einen Teil seiner Erinnerung verloren. Selbst für ihn klang es wie eine billige Ausrede! »Ich konnte mich durch die Gehirnerschütterung nicht mehr daran erinnern«, versuchte er es trotzdem. »Und als ich mich wieder daran erinnert habe, war es zu spät!« Uruhas abfälliges Schnauben war Antwort genug und Kai konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Er hatte es gleich gewusst… »Es wäre niemals rausgekommen!«, versuchte er einen anderen Weg. »Wir haben stets aufgepasst! Niemand weiß etwas!« »Niemand weiß etwas?!« Uruhas Worte klangen höhnisch, ehe er Kazuki anschubste, der ihn mit geweiteten Augen anstarrte, noch immer sichtlich schockiert von der Situation, in die Uruha ihn gebracht hatte. »Wo ist die Kamera?« »Kamera?!« Aoi war aus seiner Schockstarre erwacht und während Kais Augen sich panisch weiteten, schien er lediglich verstört und argwöhnisch – und nicht zuletzt wütend. »Was für eine Kamera? – Was machst du überhaupt hier?! Warum zum Teufel ist Kazuki hier?!« Kazuki deutete auf die Gardinenstange und es dauerte keine zwanzig Sekunden, bis sich Uruha einen Stuhl geschnappt hatte, hinaufgeklettert war und sie heruntergeholt hatte. Kais Herz stolperte für eine Sekunde, als er das kleine schwarze Gerät sah, und er fühlte sich, als würde sein Körper mit rasanter Geschwindigkeit an einer Wand zerschellen. Oh Gott. Oh Gott! »Du weißt, was das ist?!«, holte ihn Uruhas Stimme wieder in die Realität zurück. Die Worte waren eher eine Feststellung als eine Frage gewesen. »Dieses Baby hat alles aufgenommen, was ihr hier getan habt! Es ist vorbei, du hast den Deal gebrochen und alles kaputt gemacht!!« Kai zuckte zusammen und duckte den Kopf, als würde er befürchten, dass Uruha die Kamera nach ihm werfen würde, doch nichts geschah. Er fühlte sich wie gelähmt, unfähig, irgendetwas zu tun, selbst wenn er sich aus seinem Bett hätte erheben können. »Ist das deine Kamera? Was fällt dir ein, hier eine Kamera anzubringen?«, empörte sich Aoi, sichtlich überfordert, die neuen Informationen zu verarbeiten. Hastig stolperte er aus dem Bett und zog das zerwühlte Laken mit sich, so dass Kai gerade noch die Decke festhalten konnte, um sich nicht noch entblößter zu fühlen als eh schon. »Nein, das ist nicht meine Kamera!«, antwortete Uruha aufgebracht und hob zornig die Faust, so dass Kazuki ihn hastig am Arm packte, um ihn im Notfall zurückzuhalten, wenn er erneut auf Kai losgehen sollte. »Wessen dann?!« Aois Stimme überschlug sich beinahe, als er das Bettlaken raffte und um sich wickelte. » Was geht hier vor?! Was ist das für eine Kamera?! Ihr sagt mir jetzt sofort, was hier los ist! Alle beide! Ich lasse mich nicht länger verarschen! Wenn ihr mir nicht auf der Stelle die Wahrheit sagt, dann schwöre ich, ich bringe euch um!« Seine Augen waren zu zwei schmalen Schlitzen zusammengepresst, so dass Uruha ängstlich einen Schritt nach hinten wich, sichtlich verstört von der Drohung und nicht wissend, ob er sie ernst nehmen sollte oder nicht. Er schien erst jetzt zu realisieren, dass Aoi jedes seiner Worte gehört hatte. »W-wir w-wollten dir nichts verschweigen!«, erklang seine Stimme, und Kai hatte ihn noch nie so sehr stottern gehört. »Wir hatten einen Deal mit dem Label! E-Es sollte niemals rauskommen! Wir haben es nur für dich getan!« Und mit einem Mal war es, als wäre alle Last von Kais Schultern genommen. Er fühlte beinahe körperlich, wie er über den Abgrund raste, auf den er schon so lange zusteuerte – und obwohl er fiel und fiel war es das beste Gefühl, das er seit langem verspürt hatte. Die Anspannung, die Angst, die Panik – nichts war mehr von Bedeutung, als der Grund unter seinen Füßen verschwand und ihm endlich die lang ersehnte Erlösung brachte, dass das Versteckspiel vorbei war. »Ein Deal mit dem Label?«, hörte er Aoi gedämpft fragen, und es klang, als würde sich sein Kopf unter einer Glasglocke befinden. Uruhas Lippen pressten sich zusammen, so dass alle Farbe aus ihnen wich, und die Kamera glitt ihm aus den Fingern, aus denen jede Kraft gewichen war. Der Blick, den er mit Kai austauschte, verriet deutlich, dass er wusste, dass es keinen Weg mehr gab, die Wahrheit noch länger zu verbergen. Und Kai nickte. »Ok«, sagte er, so leise und resignierend, das seine Stimme kaum zu hören war. »Wir haben sowieso verloren.« Uruha nickte mit der selben Resignation und Kai sah, wie sich Flüssigkeit in seinen Augen sammelte und die Wut mit einem Mal von ihm abfiel. Sie hatten wirklich verloren. Sie hätten sich niemals darauf einlassen sollen. Es schien wie gestern, als sie zu ihrer Managerin ins Büro gerufen worden waren, um die neue Band zu besprechen, und obwohl er sich nicht daran erinnern wollte, war jedes Bild und jedes Wort noch so klar und scharf, als wäre es gestern erst passiert – das Gespräch, nachdem Ruki, Reita und Aoi den Raum verlassen hatten. ~*~ »Ihr seid zu auffällig.« Die Worte der Managerin klangen hart und ihre manikürten Fingernägel klackerten auf der Tischplatte, während sie die beiden verbliebenen Gazette-Mitglieder mit undefinierbarem Blick musterte. »Und wir müssen darüber reden, bevor ihr ernsten Schaden für die PSC anrichtet!« »Was, das?!« Uruha deutete auf die Schnipsel des von ihm zerfetzten SCREW Flyers auf dem Boden, während Kai sich an die Tür lehnte, die Aoi vor wenigen Sekunden von außen ins Schloss gedrückt hatte, als er mit Ruki und Reita den Raum verlassen hatte. »Das können die ruhig sehen! Was interessiert es mich, was die von uns denken?! Soll der kleine reiche Bengel ruhig wissen, dass ich ihm das Leben zu Hölle machen werde, wenn er sich einbildet, uns erpressen zu können! Der wird auf keinen Fall bei mir einziehen! – Sag was, Kai!« Sein erwartungsvoller Blick schnellte zu dem Drummer, dessen Stirn so tief in Falten gezogen war, dass selbst ein Blinder erkannt hätte, wir wütend er war. »Wir sind Gazette; uns den Vertrag zu kündigen, würde bedeuten, dass sich die PSC gewaltig in den Finger schneidet!«, sagte er und Uruha nickte triumphierend. Sich der Rückendeckung seines Leaders sicher, wendete er sich erneut zu ihrer Managerin, doch noch bevor er ein weiteres Wort herausbringen konnte, knallte ihre flache Handfläche auf die Tischplatte und lies sie erschrocken zusammenzucken. »Darum geht es nicht!«, sagte sie, die Augen verengt, doch ihre Stimme war noch immer ruhig. Die nächsten Worte sprach sie so bedacht und langsam, dass es schon beinahe eine gewisse Komik hatte. »Es geht um Aoi. Ihr seid zu auffällig!« Einen Moment lang sah Uruha sie verwirrt an, dann wich alle Farbe aus seinem Gesicht. Seine Finger tasteten haltsuchend nach der Wand in seinem Rücken und er ließ sich dagegensinken, gerade noch rechtzeitig, bevor seine Knie zu zittern begannen. Erneut huschte sein Blick zu Kai, und als er dessen geweitete Augen sah, wusste er, dass auch er die Bedeutung der Worte verstanden hatte. Einen kurzen Moment standen sie wie in Schockstarre, sich an die irrationale Hoffnung klammernd, sich alles nur eingebildet zu haben, doch als die Managerin einen ungeduldigen Laut von sich gab, war diese augenblicklich zerstört. »Macht euch nicht lächerlich, indem ihr so tut, als hättet ihr mich nicht gehört!«, sagte sie, das Geräusch ihrer klackernden Fingernägel der einzige Laut im Raum, in dem mit einem Mal eisige Stille zu herrschen schien. »Wovon reden Sie?«, fand Kai als erster seine Sprache wieder, doch nur ein Blick in ihr Gesicht genügte, um zu wissen, dass dies nicht die richtige Taktik gewesen war. Ihre rot geschminkten Lippen verzogen sich missbilligend und sie verdrehte die Augen hinter ihrer randlosen Brille. »Und macht euch erst recht nicht lächerlich damit, indem ihr euch dumm stellt! Hört zu, es interessiert mich überhaupt nicht, was ihr untereinander treibt! Ich habe wahrlich Besseres zu tun, als Kameras im Heizungskeller aufzustellen, von dem ich sehr wohl weiß, wie ihr ihn zweckentfremdet, oder die Videobänder anzusehen, auf denen ihr eure Eskapaden dokumentiert. Solange ihr es hinter verschlossenen Türen macht, eure Klappe haltet und am nächsten Morgen pünktlich und ohne Knutschflecken zu euren Terminen erscheint, könnt ihr meinetwegen so viele Orgien feiern, wie ihr wollt! – Das ist mir weitaus lieber, als wenn ihr eure Fangirls schwängert!« Uruha konnte das Entsetzen, das seinen Körper flutete, kaum in Worte fassen. Es war, als würde ein eisiger Strom durch seine Adern fließen und einen Muskel nach dem anderen lahmlegen, und erst, als er den Druck in seinem Kopf ansteigen fühlte, wurde ihm bewusst, dass er zu atmen vergessen hatte, und schnappte hörbar nach Luft. Er dankte der Wand in seinem Rücken, dass sie ihn davon abhielt, das Gleichgewicht zu verlieren, als ihn ein weiterer Anfall von Schwindel überrollte. Zu vermuten, dass sie ihr Privatleben vor den allwissenden Augen ihres Labels nicht dauerhaft erfolgreich verbergen können würden, war eine Sache – die Tatsachen so brutal auf den Tisch gelegt zu bekommen, eine ganz andere! Sein panischer Blick zu Kai vermittelte diesem deutlich seine Frage ›Wusstest du, dass sie es wissen?!‹ und Kais angedeutetes Kopfschütteln war Antwort genug. Auch sein Gesicht war vor Schrecken wie gelähmt und als die Managerin erneut die Stimme erhob, zuckten sie beide alarmiert zusammen. »Aber das mit Aoi«, ihr Blick wurde ernst und auf ihrer Stirn bildete sich eine tiefe Falte, »das ist eine ganz andere Geschichte! Und ich bin nicht die erste vom Label, der es auffällt. Und nun, da wir neue Bands haben, können es noch mehr Personen bemerken! Wenn ihr euer Privatleben nicht mehr geheim halten könnt, schadet ihr nicht nur eurem Image, sondern dem Image der ganzen PSC! Wenn ihr euch nicht zusammenreißen könnt, dann beendet es! Ihr seid meine Verantwortlichkeit und ich lasse nicht zu, dass eine unbedachte Affäre meine Band ruiniert!« Erneut huschten Uruhas Augen zu Kai, sich auf einmal deutlich bewusst, dass er ohne den Drummer vollkommen aufgeschmissen wäre. Dessen Gesicht war so düster und verzerrt, wie Uruha ihn noch nie zuvor gesehen hatte. »Warum sind nur wir hier und Aoi nicht?«, fragte er schließlich. Uruha blinzelte irritiert, als der andere nicht einmal ansatzweise auf die Worte der Frau einging, dann stutzte er, als ihm klar wurde, dass die Frage durchaus berechtigt war. Daran hatte er noch nicht einmal gedacht! Die Managerin lächelte und nickte anerkennend mit dem Kopf. »Es hätte mich auch gewundert, wenn du es nicht bemerkt hättest«, antwortete sie. »Aoi scheint mir das ›Opfer‹ in dem ganzen Szenario zu sein. Man muss nicht blind sein, um zu sehen, wie unangenehm es ihm ist, wenn ihr noch nicht mal in der Öffentlichkeit die Finger von ihm lassen könnt! Eure Libido in allen Ehren – das geht zu weit! Das Problem seid eindeutig ihr! Das Label will, dass ihr es beendet, bevor ihr euch schadet! Und ich stimme ihnen zu!« Kais Lippen pressten sich zu zwei blutleeren Strichen zusammen und dann tat er das, was Uruha als allerletztes von ihm erwartet hätte. Er gestand die Wahrheit. »Aoi ist keine unbedachte Affäre! Wir lieben ihn und wir haben eine Beziehung. Aoi, Uruha und ich. Und wir haben ganz sicher nicht vor, uns zu trennen!« Seine Worte waren ruhig und leise gewesen, doch so nachdrucksvoll, wie nur ein Leader sie hätte sagen können. Die Augenbrauen ihrer Managerin hoben sich bis zu ihrem Haaransatz und Uruha wurde ein klein wenig schlecht bei dem Gedanken, was sie mit diesen Informationen nun tun würde. Auch Kais Blick war angespannt, doch anstatt sich zu empören oder ihnen an den Kopf zu werfen, was in ihren Köpfen vor sich ging, sich in einer solch perversen Art gegen jegliche sozialen Konventionen zu stellen, bogen sich die Mundwinkel der kleinen Frau lediglich amüsiert nach oben. »Ja natürlich!«, sagte sie mit einem Tonfall, als hätten sie soeben versucht, ihr weiszumachen, die Sonne würde sich um die Erde drehen. Und allein dies reichte aus, um Uruha vor Empörung beinahe in die Luft gehen zu lassen. »Ja, genau!«, erwiderte er patzig wie ein Kind. »Wir sind zusammen und wir haben uns dafür vor überhaupt niemandem zu rechtfertigen! Dann kündigen wir lieber!« Er biss die Zähne zusammen. Die Wand in seinem Rücken, die ihm bis jetzt Halt gegeben hatte, ließ ihn sich mit einem Mal unangenehm in die Enge gedrängt fühlen. Er wusste, dass seine Drohung nicht mehr als heiße Luft gewesen war. Sie wussten alle, dass sie ihren Vertrag nicht kündigen würden. Doch die Frau schien die Worte nicht einmal wahrgenommen zu haben. »Ihr meint das wirklich?!« In jeder Sekunde, in der sich die Verblüffung, dass Uruha und Kai es ernst meinten, stärker in ihrem Gesicht spiegelte, fühlte sich Uruha unwohler. Ganz langsam kam ihm der Verdacht, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, die Wahrheit zu sagen. Und auch wenn er sich nicht dafür rechtfertigen wollte, was sie hatten, konnte er nichts dagegen tun, dass es sich anfühlte, als würde er sich dafür schämen. »Als Managerin ist es Ihr Job, uns zu beschützen, und nicht, uns in den Rücken zu fallen!«, ließ sich Kai mit einem Mal vernehmen. Äußerlich wirkte er ruhig, doch Uruha kannte seinen Freund gut genug, um zu bemerken, dass er alles andere als ruhig war! Die Muskeln seiner Oberarme kontraktierten unregelmäßig, sein Kiefer war angespannt und seine Blick so starr, als würde er sich mit Gewalt zur Ruhe zwingen. Doch seine Worte schienen gewirkt zu haben, denn die Stirn der kleinen Frau zuckte leicht. »Es ist meine Aufgabe, euch zu beschützen!«, sagte sie, jedes Wort bedacht langsam aussprechend, als würde sie die Zeit brauchen, um ihre Gedanken zu ordnen. »Und ich würde euch beschützen, wenn ich nicht genau wüsste, dass es nur wieder eine Spinnerei von euch ist und ihr es euch übermorgen schon anders überlegt haben könnt! Ich kenne euch, ihr seid junge Männer Mitte Zwanzig, deren Hormone verrückt spielen und die auf dem Rockstarthron sitzen und denken, sie seien unangreifbar! – Natürlich würde ich euch beschützen, wenn ich wüsste, dass ihr es ernst meint. Aber wenn ihr so weiter macht wie bisher, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis alles an die Öffentlichkeit dringt und einen Skandal auslöst, bei dem ihr euren Thron schneller los seid als euch lieb ist. Und um eine Sex-Affäre zu beschützen, halte ich meinen Kopf nicht hin! Beendet es, wenn ihr euren Thron behalten wollt – oder beweist mir, dass es wert ist, euch zu beschützen!« Die Schärfe ihrer letzten Worte schnitt die unangenehm angespannte Stimmung wie ein scharfes Messer. Kais Fäuste ballten sich so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten, und seine Stirn zog sich zu tiefen Falten zusammen – halb vor Zorn, halb aufgrund der Gedanken, die in seinem Kopf zu rotieren schienen. Uruha bekam davon nichts mit; er schnaubte nur empört, das Gefühl verabscheuend, mit jeder Silbe weiter in die Ecke gedrängt zu werden, dessen einziges Ergebnis war, dass er komplett auf stur schaltete. »Wir sind keine Sex-Affäre!«, erwiderte er eingeschnappt, den Blick trotzig nach vorn gerichtet und die Arme in einer abwehrenden Geste vor der Brust verschränkt. Wie war das Gespräch überhaupt zu dem Punkt gekommen, dass sie ihre Gefühle so verteidigen mussten?! »Dann beweist es mir!« »Wir werden hier gar nichts beweisen! Kai, sag-« »Wie sollen wir es beweisen?« Uruha sog hart die Luft ein, als Kai ihm das Wort im Mund abschnitt, und auch die Managerin hielt inne. Ein überraschter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht, ehe sich ihre Mundwinkel sich nach oben bogen und sie sich in ihrem Stuhl zurücklehnte, den Blick abschätzend auf den Drummer gerichtet, dessen entschlossener Gesichtsausdruck keinen Zweifel daran ließ, dass es ihm ernst war. »Wenn ihr mir beweisen wollt, dass es euch nicht nur um Sex geht, dann verzichtet darauf!«, war ihre knappe Antwort, die Provokation, die in der Aussage lag, deutlich in ihrer Stimme mitschwingend. »Hast du sie noch alle?!«, empörte sich Uruha, doch die Aussage war weniger in Richtung der Managerin als in die des Drummers gerichtet. Dieser ignorierte ihn geflissentlich, die Augen verengt, während es in seinem Kopf angestrengt arbeitete. Einen Moment war es ruhig, dann hob er herausfordernd das Kinn, eine Geste, für die Uruha ihn am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte. Sie bedeutete nur eins: Kai verhandelte. Und er würde sich nicht mehr vom Weg abbringen lassen. »Für wie lange?« »Drei Monate! – Und Aoi darf nichts erfahren. Wenn ihr ihm die Wahrheit sagt oder die Regeln brecht – und glaubt mir, das werde ich herausfinden! – dann ist es vorbei! Dann habt ihr mir eindrucksvoll bewiesen, dass ihr nichts weiter als eine Sex-Affäre seid!« Kais Gesicht blieb unverändert, als er nickte – weniger eine Geste der Zustimmung als ein Signal, dass er verstanden hatte. »Was ist mit Kazuki? Was spielt er für eine Rolle in der Sache?« »Keine. Dass er bei Uruha einziehen wird, hat nichts mit meinem Angebot zu tun!« »Er wird überhaupt nicht bei mir einziehen! Ich dachte, das hätte ich klar gemacht!«, protestierte Uruha. Es passte ihm überhaupt nicht, dass er in ihrem Gespräch übergangen wurde, als wäre er ein kleines Kind! Kais Gesicht war nachdenklich, als sich ihm zuwendete, und es dauerte ein paar Sekunden, bis er ihn tatsächlich ansah. »Benutz ihn doch für deine Zwecke!«, schlug er vor. »Lass ihn bei dir einziehen und überall stören, wo Aoi dir gefährlich werden könnte! Das ist die beste Entschuldigung, die du kriegen kannst!« Uruha zog zornig die Augenbrauen zusammen, den Rücken so dicht an die Wand gepresst, als würde er sich in ihr verstecken wollen, und selbst ohne diese Haltung war ihm klar, dass sie inzwischen an einem Punkt angekommen waren, an dem er nicht einmal mehr wirklich zuhörte. Er war einfach nur noch dagegen! Gegen Kazuki, gegen ihre Mangerin, gegen Kai, gegen jeden Vorschlag, den er brachte – dagegen! »Oh nein, ich werde meinen Cosplayer nicht bei mir einziehen lassen, nur damit ich nicht mit Aoi allein in einem Raum bin! Hast du noch alle Tassen im Schrank?! Allein die Idee ist gestört! Alles ist hier gestört!!« Und zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs, wurde der Ausdruck auf Kais Gesicht schlagartig zornig. Er funkelte Uruha an, als wäre er ein begriffsstutziges Kind, dem er am liebsten eine ordentliche Ohrfeige verpassen wollte. »Was ist dein Problem?!«, fauchte er leise, doch so schneidend, dass Uruha zusammenzuckte. »Erfinde irgendeine Geschichte, die es plausibel macht! Es geht um drei Monate, nicht um den Rest unseres Lebens! Bist du dir überhaupt bewusst, was der Schutz des Labels wert ist?!« »Und Aoi lügen wir an?! Vergiss es! Ich lüge Aoi nicht an! – Was denkst du überhaupt, wie er reagiert, wenn wir ihn nicht mehr anfassen und keine Zeit mehr für ihn haben? Hast du überhaupt keine Skrupel, ihn anzulügen?!« Er sah deutlich, dass es nur noch wenige Sekunden dauern würde, bis Kai wirklich auf ihn losging, doch es war ihm egal. Er hatte kein Problem damit, sich hier und jetzt auf einen Faustkampf mit dem anderen einzulassen, solange die Chance bestand, ihm dabei Vernunft in seinen Schädel zu prügeln! »Manchmal muss man Sachen tun, die einem nicht gefallen, wenn es das Ergebnis wert ist! Und das ist es!«, antwortete Kai, die Schultern angespannt und den Kopf drohend gesenkt, und auch wenn Uruha wusste, dass er im Zweifelsfall haushoch gegen den anderen verlieren würde, würde er es gerade liebend gern darauf ankommen lassen. »Du hast sie doch nicht mehr alle!«, schnaubte er, während sich seine Hände zu Fäusten ballten. »Wenn Aoi sich wegen so etwas von euch trennt, dann war es von Anfang an nichts wert!« Der Einwurf der Managerin war unerwartet. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Uruha und Kai ihre Worte soweit verarbeitet hatten, um zu verstehen, dass sie sich auf Uruhas vorausgegangene Aussage bezogen, was passieren würde, wenn sie Aoi plötzlich vernachlässigten. Ein tiefer Seufzer entwich der Frau, als sie ihre entsetzten Gesichter sah, und ihre Mimik wurde weicher, beinahe fürsorglich, als sie die nächsten Worte sprach. »Hört zu, ich will euch nicht erpressen oder zerstören! Ich will lediglich wissen, ob es wert ist, für euch in die Bresche zu springen und möglicherweise meinen Kopf hinzuhalten! Wenn ihr eine ernsthafte Beziehung habt, dann beschütze ich euch – wenn nicht, dann ist es nichts wert und ihr müsst es zu eurem eigenen Wohl und zum Wohl der Band beenden! Denkt an Ruki und Reita! Wollt ihr sie da mit hineinziehen, wenn es auffliegt und euch das Label keine Rückendeckung gibt? Ist euch eure Freundschaft und alles, was ihr euch aufgebaut habt, nichts mehr wert?« Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs war ihre Stimme beinahe flehentlich und Uruha zuckte unangenehm berührt zusammen, als sie genau den Punkt ansprach, mit dem sie ihn wirklich treffen konnte. Augenblicklich fiel die Spannung von ihm ab und auch Kai schluckte sichtlich betroffen. Sie wussten beide, wie viel Gazette Ruki und Reita bedeutete, Herrgott, wie viel ihnen allen die Band bedeutete! Sie wollten sie nicht gefährden, sie wollten nicht, dass sie einen Skandal auslösten, sie wollten nicht, dass sie gezwungen waren, sich aufzulösen! Gazette war ihr Leben! Einen kurzen Augenblick durchzuckte Uruha der Gedanke, ihr einfach an den Kopf zu werfen, dass Ruki und Reita ebenso zusammen waren und noch viel skandalträchtigere Dinge taten, für die sie genauso am Pranger stehen könnten wie Kai, Aoi und er – doch er verkniff es sich. Es würde keinem von ihnen helfen. »Zeigt, dass ihr es wert seid, dass ich euch helfe!«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Dann bringe ich auch den Rest der PSC dazu, euch zu helfen!« »Ich lasse mich hier auf gar keinen Deal ein!« Der Trotz in Uruhas Stimme war ungebrochen, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er mit den Konsequenzen umgehen sollte. Kais Augen verengten sich prüfend und er betrachtete ihre ausgestreckte Hand. Einen kurzen Moment zögerte er noch, dann seufzte er tief und die Spannung, die sich in ihm gesammelt hatte, fiel von ihm ab. »Deal! Kein Sex mit Aoi für drei Monate. Und danach stehen wir unter Ihrem Schutz!« Die Managerin lächelte, als er ihre Hand griff und den Vertrag besiegelte. Uruha schüttelte nur fassungslos den Kopf, die bodenlose Enttäuschung über Kais Verrat in seinem Blick nicht zu übersehen. »Ihr seid das Letzte! Ich mache da nicht mit!«, stieß er hervor und grub die Zähne in die Unterlippe, als er fühlte, wie seine Gesichtsmuskeln unkontrolliert zu zucken begannen und sich Flüssigkeit in seinen Augen sammelte. Kais Hand hielt ihn zurück, als er sich abwenden wollte, und der flehende Ausdruck auf dem Gesicht des Drummers zog ihm den Brustkorb zusammen. »Uruha, bitte! Wir könnten einmal alles richtig machen! Ich will mich nicht mehr verstecken! Ich will mich nicht mehr fühlen, als müsste ich mich verteidigen, dass ich euch beide liebe und Aoi mit dir teile! Wir hätten ein für alle Mal die Gewissheit, dass das, was wir haben, wert ist, beschützt zu werden!« Für einen kurzen Moment war Uruha verlockt, ihm zu glauben, ihm als seinem Leader zu folgen, wie er es bis jetzt immer getan hatte. Weil Kai Recht hatte; weil Kai immer wusste, was zu tun war; weil Kai sie niemals ins Verderben führen würde. Dann ergriff er den Türknopf und stürmte hinaus. Tbc. * * * Ich habe euch so lange warten lassen! Es tut mir leid! Mein Privatleben wurde auf einmal so interessant (das ist es sonst nie!!) und dann hatte ich Schreibblockade @__@ Das nächste Kapitel wird nicht so lange auf sich warten lassen! Love you all for comments SO SO SO SO MUCH!!!! follow me on twitter https://twitter.com/RAPHAEL_ASDRAI Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)