Ride the Rockers 8 - Love Revolution von raphael_asdrai (6. Sequel zu Ride the Rockers und Fortsetzung von Love Education mit Teilen von SCREW in neuer Hauptrolle) ================================================================================ Kapitel 10: ------------ Kapitel 10 Es war einfach gewesen, Kazuki von den übrigen Gästen fortzulocken. Es war einfach gewesen, ihn am Handgelenk zu greifen und ihn auf den Gang zu ziehen, wo sie niemand belauschen konnte. Es war einfach gewesen, ihm zu sagen ›Ich muss mit dir reden!‹ - doch das, was danach kam, war alles andere als einfach für Uruha. Er war mit dem rothaarigen Gitarristen um eine weitere Ecke verschwunden, so weit vom Partyraum entfernt, dass sie noch nicht einmal mehr gedämpfte Musik hören konnten, wenn jemand die Tür für einen Moment öffnete. Uruha fühlte sich unwohl dabei, Aoi in seiner schlechten Laune zurückgelassen zu haben, aber egal, was er auch jetzt darüber dachte, ihn so angefahren zu haben – er konnte es nicht zurücknehmen. Und in dem Moment, in dem es geschehen war, hatte Kazuki ihm wirklich leid getan – obwohl er selbst vor gerade einmal einer Woche viel schlimmere Dinge gesagt und getan hatte. Sein Blick huschte zu dem jungen Gitarristen, der sich, als Uruha endlich stehen geblieben war, mit dem Rücken an die ihm gegenüberliegende Wand des Flurs gelehnt hatte. Sie waren in einer kleinen Sackgasse mit einem Fenster und einem Polstersofa angekommen, vermutlich ein Fleck im Hotel, an dem sich die Gäste entspannen sollten – aber Uruha fühlte sich alles andere als entspannt. Seine flachen Handflächen lagen auf der samtigen Tapete in seinem Rücken auf und er musste sich dazu zwingen, sie nicht zu Fäusten zu ballen, während sein ganzer Körper so angespannt war, als würde er sich kurz vorm Startschuss eines Wettkampfes befinden. Es half nicht wirklich, dass Kazuki ihm so widerstandslos gefolgt war. Es half auch nicht, dass er die Augen auf den Boden gerichtet hatte, abwesend seine Schuhe musternd, als wäre Uruha nicht einmal wirklich anwesend. Der ältere Gitarrist wusste nicht, was er erwartet hatte. Panik? Wut? Flucht? Irgendetwas, das ihm zumindest ansatzweise einen Anhaltspunkt gab, wie dünn das Eis war, auf dem er sich befand. Kazuki hatte allen Grund gehabt, ihn auszuliefern! Warum hatte er es nicht getan? »Ich hätte auf Kai getippt«, unterbrach Kazuki unerwartet die Stille und Uruha zuckte zusammen, ehe sich seine Brauen verwirrt zusammenzogen. »Kai?« Kazuki nickte leicht, den Blick noch immer auf seine Schuhspitzen gerichtet. Seine Finger spielten abwesend mit dem Saum seines Jacketts, doch anstatt nervös zu sein wie Uruha, wirkte er eher träge und matt. »Ich wusste nicht, dass du mit Aoi zusammen bist«, fuhr er fort und für einen Sekundenbruchteil umspielte ein schwaches Lächeln seine Mundwinkel, bevor es wieder erstarb und seine Stimme so leise wurde, dass Uruha sie kaum hören könnte. »Ich hätte auf Kai getippt. Aber selbst da dachte ich, du schläfst nur mit ihm…« Uruha schluckte trocken und seine Finger krümmten sich, so dass die Nägel über die Tapete kratzten. Für einen Moment flutete ihn ein unangenehmes Schwindelgefühl und er war froh, die Wand in seinem Rücken zu haben, die ihn hielt. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch wieder, als ihm beim besten Willen nicht einfallen wollte, was er sagen könnte, das den anderen vom Gegenteil überzeugen würde. Sein Körper fühlte sich seltsam versteinert an, während in seinem Kopf die Gedanken umso schneller rasten und ihn ganz wirr machten, indem sie hunderte von Szenarien entwickelten, was Schlimmes passieren könnte, wenn er es nicht bestritt. Dann klickte die Realität wieder zurück in ihren angestammten Platz. »Die anderen wissen davon«, antwortete er und befeuchtete seine Lippen, als er merkte, wie trocken sie geworden waren. Es hatte keinen Sinn, zu leugnen. Selbst ein Blinder hätte aus Aois Verhalten ablesen können, dass sie mehr waren als nur Freunde oder gelegentliche Bettpartner. Und selbst wenn nicht, die Art, wie Uruha ihn zurückgehalten hatte, hatte ebenfalls Bände gesprochen. Und seltsamerweise, nun, da es ausgesprochen war, fühlte es sich gar nicht so furchtbar an, wie er gedacht hatte. Es war schlimm genug gewesen, Aoi vor Kazuki zu verleugnen, ihn aus seiner Wohnung zu werfen, damit sie sich nicht verrieten. Und jetzt, da es passiert war, und was auch immer es für Konsequenzen mit sich bringen sollte, war es doch eine größere Wohltat, nicht länger diese Last mit sich herumzuschleppen. Einen kleinen Moment überlegte Uruha, ihm die ganze Wahrheit zu erzählen, doch er ließ es. Kai auch noch mit hineinzuziehen, wäre nicht fair. »Oh«, sagte Kazuki und Uruha brauchte einen Moment, bevor er verstand, dass es die verspätete Reaktion auf seine Offenbarung war. Kazukis Blick war noch immer auf den Boden gerichtet, die Haare zu weit in seiner Stirn, als dass Uruha sein Gesicht hätte sehen können. Das einzige, was er sah, war das erneute schwache Zucken des Mundwinkels, ehe Kazuki plötzlich an der Wand hinabrutschte und auf den Boden sank, die Knie an den Körper gezogen und die Arme darum geschlossen. »Das erklärt einiges. Ich bin so ein Idiot...« Für einen Moment wurde es still um sie und die Luft schien so stickig zu werden, dass Uruha kaum atmen konnte. Er spürte, wie sich Feuchtigkeit auf seiner Stirn zu sammeln begann, und seine Lunge schmerzte, als würde sein Körper auf den Sauerstoffmangel reagieren, von dem er sicher war, dass er ihn sich nur einbildete. Was hatte er eigentlich vorgehabt, als er Kazuki mit sich gezogen hatte? Sicher nicht über Aoi und sich reden! Er war sich sicher, er hatte sich einen Plan zurecht gelegt gehabt, erinnert sich daran, wie er die Nächte damit verbracht hatte, mit offenen Augen dazuliegen und ihren Dialog in tausend Varianten im Kopf durchzuspielen – wie er sich verteidigte, wie er alles herausfinden würde, wie Kazuki ihm glauben und wie alles wieder so werden würde, als wäre nie etwas geschehen – doch nun war alles wie ausgelöscht, als hätte jemand eine Flasche mit Bleichmittel in seinem Gehirn ausgekippt. Der starke Impuls, einfach zu flüchten, drängte sich durch seinen Körper, doch er drückte ihn gewaltsam nieder, die Augen starr auf Kazuki gerichtet, der mit einem Mal so fragil und erschöpft wirkte, dass er nicht einmal auf ihn wütend sein konnte. ›Wütend sein‹ war eine der Varianten gewesen, die er durchgespielt hatte. Und ja, es wäre einfacher gewesen, Kazuki für alles die Schuld zu geben, denn immerhin war er es gewesen, der ihn schamlos verführt und provoziert hatte – doch in diesem Moment, in dem der andere so unterlegen wirkte, brachte er es nicht übers Herz. »Als ich dich«, begann er, nicht sicher, wie er den Satz vollenden sollte. »Ich wusste nicht, dass du noch nie… dass du noch eine…« Er brach ab und fuhr sich verlegen mit der Hand übers Gesicht, doch Kazuki schien ihn sehr gut verstanden zu haben. »Dass ich so dreist war, mit meinem nackten Hinterteil vor deiner Nase herumzuwackeln, obwohl ich noch nie mit einem Mann Sex hatte? Und obwohl du eigentlich Aoi gehörst?«, vollendete er den Satz und Uruha spürte, wie ihm bei der Direktheit der Worte das Blut in die Wangen schoss. Verdammt, er war doch sonst nicht so sensibel bei solchen Angelegenheiten! Kazuki schien es zu amüsieren, denn seine Mundwinkel zuckten erneut, und für einen kurzen Moment schlich sich der Verdacht in Uruhas Kopf, ob dies vielleicht ein Teil der Rache des anderen war, die er so sehr verdient hatte. Doch das kurze Grinsen verschwand so schnell, wie es gekommen war, und Kazukis Kopf hob sich ein Stück, so dass Uruha endlich seine Augen sehen konnte. Und was darin geschrieben stand, war so dunkel und leer und voller Schmerz und Scham, dass es ihm qualvoll den Brustkorb zusammenzog. Und plötzlich fiel alles von ihm ab – die Nervosität, die Anspannung, die Angst vor der Ungewissheit und davor, wie Kazuki sich an ihm rächen könnte – als er neben ihm auf den Boden sank und ihn in seine Arme zog. Er fühlte, wie der andere zusammenfuhr, als hätte ihn eine Kugel direkt in die Brust getroffen, wie er nach Luft schnappte und sich sein ganzer Körper mit einem Mal versteifte, ehe er unkontrolliert zu zittern begann. Uruhas Herz stolperte erschrocken ein paar Takte, als ihm einfiel, dass seine Strategie vielleicht nicht die beste bei jemandem war, den er beinahe vergewaltigt hatte, doch sein Körper hatte so schnell reagiert, dass sein Gehirn nicht hinterhergekommen war. Schon wollte er sich wieder lösen und sich entschuldigen, doch als er spürte, wie Kazukis Hände sich hastig auf seine Oberarme legten und ihn hielten, stoppte er in seiner Bewegung. Und in dem Moment, als er sich endgültig entschied, sein Gehirn und alle bessere Logik einfach zu vergessen und stattdessen seine Arme noch fester um den anderen zu schließen, konnte er spüren, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Kazuki schmiegte sich so eng an ihn, dass kein Spalt mehr zwischen ihnen war, sein Körper trotz des dicken Anzugstoffs zwischen ihnen fragil und trotzdem so warm, dass Uruha sich auf die Unterlippe biss, um die Emotionen zu unterdrücken, die mit einem Mal in ihm hochschwappten und von denen er bis jetzt nicht einmal gewusst hatte, dass sie überhaupt in dieser Intensität in gebrodelten. Seine Hand fuhr in Kazukis Nacken, als er hörte, wie die Atmung des anderen unstetiger und lauter wurde, und er zog ihn so nah, dass der Jüngere sein Gesicht in seinem Nacken vergraben konnte, bevor dessen Tränen zu fließen begannen. Finger krallten sich in seine Schultern, zerknitterten den Stoff seines Anzugs, doch er hätte sich nicht weniger darum kümmern können, als er spürte, wie die ersten heißen Tropfen auf seinen Hals flossen. Und mit einem Mal wurde alles unwichtig, was er ihn hatte fragen wollen. Warum Kazuki ihn nicht verraten hatte, was er sich damit erhoffte, warum er verschwunden war – das einzige, was noch wichtig war, war, dass er seinen zitternden Körper festhielt und ihm erlaubte, in seinen Armen die Tränen zu weinen, die er bis jetzt zurückgehalten hatte. Und plötzlich waren die Worte da, die er in vielen seiner Szenarien gesagt hatte, doch zum ersten Mal waren sie nicht nur dafür da, seine eigene Haut zu retten; zum ersten Mal meinte er sie wirklich ernst. »Es tut mir so leid«, flüsterte er gegen Kazukis Schopf und presste die Augen zusammen, als er spürte, wie sich Flüssigkeit in ihnen zu sammeln begann. Er fühlte, wie sich die Finger fester in seine Schultern krallten, wie der schlanke Körper des anderen von Schluchzern geschüttelt wurde, ehe er seine Arme um Uruhas Hals schlang und ihn an sich drückte. Und plötzlich war Uruha sich nicht mehr sicher, wer von ihnen die Umarmung stärker brauchte. Er wusste nicht, wie lange sie so auf dem Boden gehockt hatten. In jeder anderen Situation hätte er über sich gelacht, hätte sich den Vogel dafür gezeigt, wie dumm er war, seine Schuld so ungeniert einzugestehen, doch er dachte keinen Moment daran, als die Worte immer und immer wieder über seine Lippen kamen. Das einzige, woran er dachte, war, wie hilflos er sich fühlte, dass alles, was er tun konnte, war, über Kazukis Rücken zu streicheln, in der verzweifelten Hoffnung, dass es genug sein würde, um wenigstens etwas von dem wieder gut zu machen, was er getan hatte. Wenn er ehrlich war, glaubte er nicht dran. Jeder erstickte Laut des anderen stieß ihm ein Messer in die Brust, so scharf, dass es durch seine Knochen drang und solch schmerzhafte Wunden riss, dass er das Gefühl hatte, sie würden nie wieder heilen. Irgendwann ließen Kazukis Schluchzer nach, das Zittern, das ihn bis jetzt durchzogen hatte, wurde schwächer bis es schließlich ganz versiegte und er ruhig an Uruhas Schulter lehnte, die Arme noch immer um ihn geschlungen, doch nicht mehr mit dem verzweifelten Griff, mit den er ihn die letzten Minuten umklammert hatte. Waren es nur Minuten gewesen? Uruha hatte keinerlei Zeitempfinden für das, was geschehen war. Es war so surreal gewesen, als hätte er einen Menschen beobachtet, er so aussah wie er und doch Dinge tat, die er niemals getan hätte. Er löste die Umarmung nicht, auch dann nicht, als sein Geist langsam wieder in die Realität zurückkehrte und sich fragte, ob sie vielleicht schon jemand vermisste und suchen würde. Was, wenn Aoi im nächsten Moment um die Ecke kommen würde? Wie sollte er es ihm erklären? Doch er konnte Kazuki nicht von sich stoßen, nicht, wenn er noch immer fühlte, wie heiße Tränen von dessen Wangen flossen. Sein Hemdkragen war vermutlich schon vollkommen durchgeweicht, vielleicht auch ein Teil seines Anzugs. Hatte Kazuki eigentlich Make-Up getragen? »Schh~«, flüsterte er leise und strich mit den Fingerspitzen durch die dunklen Nackenhaare des anderen, die letzten Gedanken wie weggewischt, als er Kazuki ruhig atmen hörte. Er wusste, wie es aussehen würde, wenn sie jemand so sehen würde, doch es kümmerte ihn nicht im Geringsten. Es war, als würde er ein Kind im Arm halten, und alles in ihm schrie danach, es nicht eher loszulassen, als dass seine Tränen versiegt waren. Kazuki schniefte leise und gab einen Laut von sich, der entfernt wie ein Lachen klang, und als er sich schließlich von Uruha löste, wendete er schnell das Gesicht ab. Doch auch wenn er so erfolgreich verhinderte, dass Uruha seine Augen sehen konnte, sah dieser doch die aufgequollenen Lippen und die feuchten Spuren auf den geröteten Wangen. Ohne nachzudenken griff er nach dem elegant gefalteten Taschentuch in der Brusttasche seines Anzugs und hielt es Kazuki hin. Erneut zuckten Kazukis Mundwinkel und plötzlich verstand Uruha, dass das schwache Grinsen kein Hinweis darauf war, dass Kazuki irgendeinen Racheplan gegen ihn schmiedete oder ihn auslachte – er lachte sich selbst aus für seine Unsicherheit. »Können wir vergessen, dass das hier passiert ist?«, brach Kazuki schließlich die Stille. Seine Stimme wirkte so, als würde er sich anstrengen müssen, sie fest klingen zu lassen. Uruha nickte. Er hätte vermutlich gerade zu allem Ja und Amen gesagt. »Gut.« Kazuki rieb sich mit dem Taschentuch über die Augen, plötzlich nicht mehr so fragil wirkend wie noch vor ein paar Momenten. Seine Hände waren verkrampft, als würde er plötzlich mit Horror feststellen, welche Blöße er sich gerade vor Uruha gegeben hatte. Es löste in dem anderen das Bedürfnis aus, ihn sofort wieder zurück in die schützende Umarmung zu ziehen, doch er hielt sich zurück, nicht sicher, ob das Eis unter seinen Füßen dadurch nicht augenblicklich wieder dünner werden würde. »Keine Angst, ich werde niemandem etwas erzählen. Nichts von allem«, fuhr Kazuki fort und zum ersten Mal fiel Uruha auf, dass der andere mit Abstand den größeren Redeanteil hatte, obwohl eigentlich ER es gewesen war, der so viel hatte loswerden wollen. »Warum hast du es nicht gesagt?«, stellte er die Frage, die seit einer Woche wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf gehangen hatte. Sein Hals wurde trocken, als Kazuki nichts erwiderte, lediglich das feuchte Taschentuch zwischen seinen Fingern drehte. »Ich wollte…«, gab er nach einer Weile zu, den Kopf noch immer gesenkt. Uruha hätte ihn am liebsten gepackt und sein Kinn in die Höhe gezwungen, um ihm endlich in die Augen sehen zu können und wenigstens ein bisschen zu verstehen, was in seinem Kopf vorging. »Doch was hätte das gebracht? Ich hätte mich zum Gespött gemacht. Und du…«, er stockte und seine Zähne gruben sich in seine volle Unterlippe und zogen nervös an einem der spitzen Piercings, »…du hättest nur Ärger durch mich bekommen. Was hätte mir das gebracht? Ich will dir keinen Ärger bereiten… Das wollte ich nie…« Seine Zähne gruben sich tiefer in seine Lippe und eine Träne löste sich, bevor er sie abfangen konnte, und rollte über seine Wange. Uruha fühlte, wie seine Brust noch enger wurde als bei den Worten davor, als hätte er sich in einem Netz verfangen, das sich in jeder Sekunde noch enger um ihn schloss und ihm die Luft abschnürte. Die Schnüre waren aus Nylon, unsichtbar, so dass er sie nicht gesehen hatte, doch nun, da er sich in ihnen verfangen hatte, konnte er nicht mehr entfliehen. Und ein Teil von ihm war überzeugt, dass er es nicht besser verdient hatte. »Es tut mir so leid«, wiederholte er seine Worte, wie auch beim ersten Mal, als er sie ausgesprochen hatte und all die Male danach, mit vollem Ernst. Das Bedürfnis, Kazuki zu umarmen, schwoll erneut an, doch er war sich sicher, dass, wenn er ihm nachgeben würde, er nicht mehr dafür garantieren konnte, dass er nicht auch in Tränen ausbrechen würde. Er war nie so emotional! Was war nur mit ihm los? Das Gefühl von warmer Haut unter seinen Fingerspitzen ließ ihn zusammenfahren, ehe er registrierte, dass Kazuki seine Hand ergriffen hatte. Dankbar drückte er sie, ein wenig fester, als er vorgehabt hatte, doch das Verzeihen, das Kazuki ihm mit dieser Berührung schenkte, war mehr, als er sich je erhofft hatte. »Danke«, sagte er leise, nicht sicher, was genau er damit meinte. Alles. Kazuki lächelte und zum ersten Mal starb sein Lächeln nicht nach ein paar Sekunden. Uruha wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte, so erleichtert fühlte er sich plötzlich. Vorsichtig legte er den Zeigefinger unter Kazukis Kinn und drückte es leicht nach oben, wie er es schon die ganze Zeit gewollt hatte. Und als er ihm in die Augen sah, war alles Schlechte, was er jemals über ihn gedacht hatte, aus seinem Geist verschwunden. Kazukis Augen waren klein und vom Weinen aufgequollen, das Weiße um seine Iris herum gerötet und wässrig, und in seinen Wimpern hingen noch immer kleine Tropfen, die nicht den nassen Spuren unter seinen Augen und auf seinen Wangen gefolgt waren, die das Taschentuch nur teilweise hatte entfernen können. Rote Flecken ließen sein Gesicht ein wenig seltsam wirken, doch das Lächeln auf seinen Lippen machte jeden der kleinen Makel wieder wett. Sein Blick war unsicher, als würde er nicht genau wissen, was Uruha bezweckte, und als dieser vorsichtig die Tränenspuren von seinen Augenwinkeln wischte, wollte er verlegen das Gesicht abwenden. »Ich sehe furchtbar aus«, sagte er und versuchte, die halb getrockneten Tränenspuren von seinen Wangen zu wischen, ehe er in seiner Hosentasche nach einem Spiegel fischte, um einen entsetzten Blick hineinzuwerfen, als er das ganze Ausmaß erblickte. Uruha musste leicht schmunzeln. »Eigentlich bist du ziemlich hübsch«, sagte er, ohne groß darüber nachzudenken. Er zuckte ertappt zusammen, als ihm klar wurde, was er gesagt hatte, doch Kazuki nickte nur abwesend. »Viele sagen mir, ich würde so ähnlich aussehen wie du«, antwortete er, den Blick in den Spiegel gerichtet, während er mit den Fingerspitzen um seine Augen fuhr und auch die letzten Tränen wegwischte. »Ich wollte immer so sein wie du, seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe. Ich wollte Gitarre spielen wie du, ich wollte eine Band wie deine, ich wollte Kostüme wie deine…« »Ich hatte nie Piercings und rote Haare!« Kazukis Mundwinkel bogen sich schelmisch nach oben. »Du hattest pinke Strähnen!« »Oh Gott, erinnere mich nicht daran!« »Ich trage sogar Hotpants! Und das sicher nicht, weil ich so sehr darauf stehe, mir die Oberschenkel zu rasieren!« Uruha konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und sah Kazuki in die Augen, der den Spiegel gesenkt hatte und ihn ansah. In seinen Augen lag ein warmer Ausdruck und eine Entspanntheit, die Uruha von ihm nicht kannte. Und plötzlich fühlte er sich wie an dem Morgen, als Kazuki ihm Frühstück gemacht hatte. Das hier war der echte Kazuki. Nicht der Kazuki, der versuchte, ihn zu beeindrucken oder zu verführen oder der wie ein kleines Kind um seine Aufmerksamkeit kämpfte. Diesen Kazuki könnte er tatsächlich mögen. Kazuki hob fragend die Augenbrauen und Uruha schüttelte verlegen lächelnd den Kopf. Fast konnte er nicht glauben, dass der andere vor nicht einmal zehn Minuten noch ein schluchzendes Bündel in seinen Armen gewesen war. Sie mussten ein lustiges Bild abgeben, wie sie in ihren Anzügen auf dem Boden des Hotelgangs hockten, während keine zwei Meter von ihnen entfernt ein bequemes Sofa stand. Doch keiner von ihnen machte Anstalten, sich zu erheben. Und erneut fiel Stille über sie, doch dieses Mal zog sie nicht allen Sauerstoff aus Uruhas Lungen. Beinahe wünschte er sich, dass jemand das helle Flurlicht ausschalten würde, damit sie sich einfach einen Moment lang in vollkommener Dunkelheit ausruhen konnten. Erst jetzt merkte er, wie sehr ihn die letzten Minuten angestrengt und ausgelaugt hatten. Ohne groß darüber nachzudenken, rutschte er neben Kazuki an die Wand und atmete entspannt aus, als er den Rücken gegen die samtige Wand lehnen konnte. Seine Hand suchte nach Kazukis und drückte sie leicht, wie um sich selbst zu versichern, dass noch immer alles in Ordnung war. Ein paar Minuten saßen sie einfach nur nebeneinander, den Blick nach vorn gerichtet, die Finger bewegungslos ineinander verschränkt, und es war der ruhigste Moment, den Uruha seit langem verspürt hatte. »Warum bist du bei mir eingezogen?«, fragte er nach einer Weile ohne Vorwurf in der Stimme. »Ist das nicht offensichtlich?« Kazuki lachte leise und ein wenig traurig. »Aoi hat Glück.« Uruha schluckte trocken und war plötzlich froh, dass er Kazuki nicht in die Augen sehen musste. Er war sich nicht sicher, ob er sich die Resignation in Kazukis Stimme einbildete. Hatte der andere wirklich verstanden und aufgegeben? »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich und es kam ihm vor, als habe er diese Worte schon hundert Mal in der letzten Stunde gesagt. Doch diesmal meinte er etwas anderes. Kazuki nickte nur stumm. Dann ließ er Uruhas Hand los. »Wir sollten uns wieder tageslichttauglich machen«, wechselte der Rothaarige das Thema und für einen kurzen Augenblick fühlte Uruha einen unangenehmen Stich in seiner linken Brust. »Du hast Recht«, antwortete er und musterte seinen Anzug mit einem missbilligenden Blick. Sein Hemdkragen war immer noch leicht feucht und sein Blazer vollkommen zerknittert. Kazuki sah nicht besser aus. So konnten sie unmöglich wieder zu den anderen stoßen. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es noch gute zwei Stunden waren, bis der offizielle Teil mit Presse und Management anfangen würde. »Wir können uns raus schleichen, ein Taxi nehmen und umziehen«, schlug er vor und Kazuki nickte, ehe er sich von Uruha auf die Beine helfen ließ. Vorsichtig schlichen sie durch die Gänge und an der Tür vorbei, durch die gedämpfte Musik und ausgelassene Stimmen drangen, bis sie schließlich am Fahrstuhl angekommen waren und die zehn Stockwerke hinunterfuhren. Uruha steuerte zielstrebig die Taxen an, die vor dem Eingangsbereich das Hotels für die Gäste zur Verfügung standen, und noch bevor Kazuki protestieren konnte, hatte er ihn vor sich in eines hineingeschoben. »Zusammen?«, fragte der Jüngere überrumpelt und seine Augen huschten leicht panisch umher. »Zuerst zu dir«, antwortete Uruha und wendete sich dem Taxifahrer zu, ehe er stockte. »Wo wohnst du eigentlich gerade?« An diese Frage hatte er zuvor noch gar nicht gedacht. Er wusste, dass Kazuki die erste Nacht im PSC-Gebäude verbracht hatte, doch danach? Woher kam er eigentlich? Hatte er überhaupt eine eigene Wohnung in Tokyo? Kazuki verzog unangenehm berührt das Gesicht und sah sich erneut um, einen Moment mit sich hadernd, ob er nicht lieber aus dem Taxi springen sollte, ehe er tief durchatmete und dem Fahrer eine Adresse nannte. Uruha zog die Stirn in Falten, als sich der Wagen in Bewegung setzte und blickte ihn fragend an. »Wieso fahren wir zum Hauptgebäude?«, fragte er irritiert, doch Kazuki lehnte sich lediglich zurück und richtete den Blick aus dem Fenster. Die Straßen mit ihren bunten Reklametafeln zogen an ihnen vorbei und ein Blick auf die Straßenspur zeigte Uruha, dass sie bei dem Verkehr sicher noch zwanzig Minuten brauchen würden. »Wieso fahren wir zum Hauptgebäude?«, wiederholte er seine Frage, fast schon damit rechnend, wieder keine Antwort zu bekommen, als Kazuki sich nicht einmal regte. Doch nach ein paar Sekunden antwortete der andere. »Weil ich dort wohne.« Uruha zog verwirrt die Stirn in Falten. »Wo dort?« Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wo man in der PSC wohnen konnte. Kazuki zuckte nur mit den Schultern, den Blick noch immer abgewendet. Er wirkte entspannt, fast ein wenig wie betäubt, als hätte ihn alles vorher zu viel Kraft gekostet. »In irgendeinem Raum. Ich weiß nicht«, antwortete er und strich sich eine rote Ponysträhne aus dem Gesicht. »Ich habe ein Futon und meinen Koffer, mehr brauche ich nicht.« Uruha weitete schockiert die Augen und war sich einen Moment nicht sicher, ob ihm der andere nicht schlichtweg einen Bären aufband. »Seit wann?«, fragte er und versuchte nicht einmal, den perplexen Unterton in seiner Stimme zu verbergen. »Seit einer Woche. Das müsstest du doch am besten wissen.« »Aber warum?« Uruha war sich nicht ganz sicher, ob die Tatsache, dass Kazuki in einem verlassenen Raum eines Bürogebäudes wohnte, in irgendeiner Weise logisch zu erklären war und er schlichtweg auf dem Schlauch stand, oder ob auch alle andere Menschen genauso verwirrt reagiert hätten wie er. Er entschied sich für die letztere Variante. »Irgendwo musste ich ja schlafen«, gab Kazuki lediglich als Erklärung. Eine Erklärung, die Uruhas Frage nicht im Geringsten beantwortete. »Und warum bist du dann nicht in ein Hotel gezogen?«, fragte er beinahe schon vorwurfsvoll, als er sich daran erinnerte, dass nicht in allen Räumen die Klimaanlagen zuverlässig funktionierten. Kazuki schnaubte nur abfällig und wendete den Blick nicht von der Straße ab. »Ich hasse Hotels.« »Freunde? Familie?« Kazuki lachte, und diesmal klang es unerwartet zynisch. »Familie?« Das Wort fiel beinahe abfällig von seinen Lippen. »Nicht wirklich. Denkst du, meine Eltern freuen sich darüber, dass ich, anstatt in irgendeiner schicken Uni zu studieren, in einer Band spiele? Sie haben mir eine Kreditkarte ohne Limit gegeben und zu Familienfeiern werde ich nicht eingeladen.« »Ich dachte, sie sponsern dich!« Hatte die Managerin nicht irgendetwas in der Art gesagt? »Sie sponsern meine Kreditkarte! Alles andere mache ich selbst! Die Band, den Vertrag, alles.« Kazukis Tonfall klang langsam aber sicher genervt und er rutschte sichtlich unwohl auf seinem Platz hin und her, doch Uruha war viel zu aufgewühlt, um ihn so leicht davonkommen zu lassen. Er konnte nicht leugnen, dass es ihn ziemlich schockierte, was Kazuki scheinbar alles im Alleingang abgezogen hatte. Dann war er es auch gewesen, der so viel Druck auf die PS Company ausgewirkt hatte, dass sie sich sogar in das Privatleben eines ihrer Schützlinge einmischten und ihm einen neuen Mitbewohner aufzwangen? Respekt, das hätte nicht einmal Kai so kaltschnäuzig stemmen können! Einen kurzen Moment überlegte er, ob er sauer werden und es ansprechen sollte, doch er ließ es. »Freunde?«, fragte er, doch wieder erhielt er lediglich ein kurzes Schnauben als Antwort. »Welche Freunde?« »Deine Bandmitglieder zum Beispiel?« Langsam gingen Uruha die Argumente aus und zudem wurde er zusehends ungeduldig. Was war eigentlich Kazukis Problem?! »Was hast du an ›Kreditkarte ohne Limit‹ nicht verstanden?!« Die Stimme des Rothaarigen war so laut gewesen, dass Uruha dem Taxifahrer einen beunruhigten Blick zuwarf, doch wenn der Mann sie gehört haben sollte, hatte er Anstand genug, es sich nicht anmerken zu lassen. Sein Blick schnellte zurück zu Kazuki, der ihn zum ersten Mal, seitdem sie losgefahren waren, direkt in die Augen sah. Sein Blick war aufgebracht, beinahe zornig, und etwas darin ließ ein ungutes Gefühl in Uruhas Magen zurück, als ihm endlich die Erleuchtung kam, dass er scheinbar schon seit einer guten Weile ohne es zu merken in einer offenen Wunde bohrte. »Ich bezahle unser Studio, unser Equipment, unsere Kostüme, unseren Staff und alles andere auch! Und genau deshalb sind sie nett zu mir! Natürlich würden sie mich bei sich wohnen lassen – aber nur damit sie in meiner Gunst bleiben, nicht weil sie es wirklich wollen!« Kazuki brach den Blickkontakt und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er wieder aus dem Fenster starrte, diesmal mit verbissenem Gesichtsausdruck, der Uruha deutlich sagte, dass das Thema für ihn beendet war. Doch für Uruha war es das noch lange nicht. Was hatte dieser Junge eigentlich für eine verdrehte Wahrnehmung?! Zugegeben, er hatte keine Ahnung, wie man sich als reiches Kind fühlte und was es mit einem anstellte, nur von Menschen umgeben zu sein, die man bezahlte, aber so wie er SCREW wahrgenommen hatte, war er davon ausgegangen, dass sie sich wirklich gut verstanden. »Ich denke, sie mögen dich!«, sagte er mit Nachdruck und ignorierte den abfälligen Laut, den Kazuki von sich gab. »Und ich denke, du machst es dir zu einfach, in dem du davon ausgehst, dass dich niemand aus purer Freundschaft bei sich aufnehmen würde, wenn du ihn fragst. Deine Bandmitglieder gehören jedenfalls nicht dazu!« Er erinnerte sich an den Tag, an dem er mit Aoi heimlich ihre Probe beobachtet hatte, die lockere Art, wie die jungen Musiker miteinander umgegangen waren, das spielerische Flirten, die Harmonie ihrer Performance. So wirkten keine Leute, die nur da waren, weil man sie bezahlte. »Ja klar…« Kazuki schüttelte den Kopf und rollte mit den Augen, und etwas in seiner Reaktion reizte Uruha so sehr, dass etwas in ihm platzte. »Ok, dann bin ich dein Freund!«, sagte er und zuckte provokativ mit den Schultern, als Kazuki augenblicklich herumfuhr und ihn irritiert anstarrte. »Mich bezahlst du nicht! Also kannst du sicher sein, dass ich dir immer meine Meinung sagen werde! Und deinen Koffer nehmen wir gleich mit, wenn wir in der PSC ankommen, denn du ziehst wieder bei mir ein!« Er hatte keine Ahnung, was er Kazuki damit beweisen wollte, doch auch nachdem er die Worte ausgesprochen hatte und sich langsam darüber klar wurde, WAS GENAU er da eigentlich gesagt hatte, bereute er es nicht. Er war aufgebracht, ein klein wenig übermütig, doch bei sehr wachem Verstand! »›Freund‹ wie in ›befreundet‹«, fügte er noch hinzu, nur um sicherzugehen, dass sie sich auch richtig verstanden, ehe er Kazuki erwartungsvoll anblickte. »Und nur vorübergehend, bis du was eigenes gefunden hast!« Zu sagen, der andere wäre lediglich überrascht, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Seine Augen waren geweitet, sein Mund geöffnet, als hätte es ihm schlichtweg die Sprache verschlagen, und auf seiner Stirn war eine tiefe Falte hervorgetreten. Uruha konnte deutlich sehen, dass der andere mit vielem gerechnet hatte – aber sicher nicht damit! »Das sieht nicht sonderlich attraktiv aus!«, kommentierte er Kazukis Grimasse und lachte auf, als der andere empört schnaubte und ihm mit dem Handrücken gegen den Brustkorb schlug. Doch nur Sekunden später wurde sein Blick wieder ernst. »Das war kein Scherz! Du wirst sicher nicht noch länger in der PSC schlafen! Wer weiß eigentlich davon?« Kazuki wendete den Blick ab und seine Augenbrauen zuckten leicht, ehe sein Blick auf die Anzeigetafel huschte, auf der der Preis blinkte. Sie hatte noch nicht die Zahl erreicht, bei der sie aussteigen mussten. »Niemand außer der Dame an der Rezeption«, antwortete er und kaute auf seiner Unterlippe herum. Uruha verdrehte die Augen, als ihm klar wurde, dass er von genau der netten Dame sprach, die ihm versprochen hatte, ihn anzurufen, sobald sie Kazuki sehen würde, ehe sie ihn mit einer Tasse Tee an die frische Luft gesetzt und ihm untersagt hatte, noch länger rastlos durch die Gänge zu pilgern und in der Lobby herumzulungern. Einen Moment war es still zwischen ihnen, Kazuki hatte den Blick starr nach vorn gerichtet, sein ganzer Körper mit einem Mal angespannt, und Uruha konnte den inneren Kampf förmlich sehen, den er mit sich ausfocht. »Ist das dein Ernst?«, fragte er Jüngere schließlich, den Unglauben noch immer deutlich in der Stimme. »Hätte ich es sonst gesagt?« Uruha hatte sicher nicht vor, sein Angebot zurückzunehmen. Vor allem, wenn man bedachte, dass es weniger ein Angebot als ein Befehl gewesen war. Er hatte keine Ahnung, was mit Kazuki los war, und er bezweifelte, dass er ihn jemals vollkommen durchschauen würde – aber gerade in diesem Moment war er sich sicher, dass er ihn besser verstand als jeder andere. »Zum einen hasst du es, dass ich bei dir wohne!« »Dann mach nichts, was es mich bereuen lässt!« Uruha grinste leicht, doch die Warnung in seinen Worten war deutlich zu hören gewesen. Er hoffte nur, dass Kazuki verstand, was er ihm damit sagen wollte. Dieser nickte nur, doch das Misstrauen auf seinem Gesicht war noch immer nicht verschwunden. Uruha rollte mit den Augen und seufzte, ehe er sich an die Rückenlehne sinken ließ und träge die roten Ziffern mit der Preisanzeige beobachtete, die ihm verrieten, dass es nur noch wenige Minuten dauern würde, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Was auch immer Kazuki sagen würde, er würde nicht weiter mit sich diskutieren lassen. Und wenn er seinen Koffer höchstpersönlich wieder in seine Wohnung schleppen musste! Er lächelte leicht, als er spürte, wie sich Kazukis Hand auf die seine legte, doch als er zu dem anderen hinübersah, verzog dieser keine Mine. Am liebsten hätte er etwas in der Art von ›Nichts zu danken!‹ gesagt, doch er war sich ziemlich sicher, dass er Kazuki damit nur wieder verärgern würde. So sagte er nichts, sondern drehte seine Hand lediglich ein Stück, so dass er seine Finger mit denen des anderen verschränken konnte. Er spürte, wie Kazuki leicht zusammenzuckte, als habe er diese Berührung nicht erwartet, doch Uruha machte sich keinen Kopf darum, was sie bedeutete. Er hatte seine Worte ernst gemeint, dass er Kazukis Freund sein würde! Hätte ihm dies jemand vor ein paar Tagen gesagt, hätte er ihm dezent den Vogel gezeigt, doch jetzt fühlte es sich genauso gut an wie der Moment, in dem er Kazuki in den Arm genommen und ihn an seiner Schulter weinen lassen hatte. Es gab nicht viele Momente, in denen Uruha davon überzeugt war, das absolut Richtige zu tun. Doch jetzt war einer davon. »Warum denkt Aoi, ich würde von dir verlangen, dass du mein Lover bist?«, unterbrach Kazuki mit einem Mal die Stille zwischen ihnen. Uruha schrak so heftig zusammen, dass es ihn all seine Selbstbeherrschung kostete, es sich nicht körperlich anmerken zu lassen. Trotzdem spürte er, wie mit einem Mal unangenehme Hitze in ihm aufstieg, und er betete, dass Kazuki nicht merkte, dass seine Hände vor Schweiß feucht wurden. Oh Gott, Aoi hatte das gesagt? Wann? Er erinnerte sich nicht im Geringsten daran! Es konnte nur einen Zeitpunkt gegeben haben! »Ich hab keine Ahnung, was du meinst«, antwortete er gezwungen ruhig, während in seinem Kopf die Gedanken zu rasen begannen. »Er war ziemlich betrunken!« Sein Herz klopfte so schnell, dass er glaubte, es würde jeden Augenblick seine Rippen zerschmettern und einfach aus seinem Brustkorb springen. Mit einem Mal war ihm so schlecht, dass er befürchtete, er müsse sich auf den Teppichboden des Taxis übergeben. Kazukis Hand lastete wie ein schwerer Stein auf der seinen, doch er konnte sie nicht wegziehen, nicht wenn er das Geheimnis behüten wollte, das er mit so viel Mühe vor Aoi versteckte. Der wahre Grund, warum er damals zugestimmt hatte, Kazuki bei sich wohnen zu lassen. Der wahre Grund, warum er froh gewesen war, Kazuki bei sich zu haben, auch wenn er es gleichzeitig gehasst hatte. Und nicht zuletzt der wahre Grund, warum er überhaupt erst nachgegeben hatte, Aoi zu belügen. Oh, er hatte sich gewehrt! Mit jeder Faser seines Körpers, mit jedem Schlag seines Herzens, und noch immer hasste er sich für jede Minute, in der er in dieser Lüge leben musste. In Bruchteilen von Sekunden flatterten die Momente an ihm vorbei, in denen er und Kai sich hatten entscheiden müssen, vielleicht die schwerste Entscheidung, die sie jemals getroffen hatten. Und sie hatten sich entschieden, Aoi zu beschützen. Und sich selbst. Auch wenn sie auf dem Weg dorthin vielleicht alles verlieren könnten. Die Lüge, die sie ihm erzählt hatten, war genauso durcheinander gewesen wie ihre Köpfe in diesem Moment, unausgeklügelt, voller Schwachstellen, ausgedacht in wenigen Minuten hinter einer verschlossenen Bürotür, wieder verworfen auf dem Weg vom Büro aufs Dach und schließlich übereingestimmt in der kurzen Dauer eines Telefonanrufs. Nein, Kazuki hatte niemals verlangt, dass er sein Lover wurde. Niemand hatte es verlangt. Es war das einzige gewesen, was ihnen schnell genug eingefallen war, um ihr verdächtiges Verhalten zu erklären. Und sie hatten geschauspielert wie Profis. »Ich könnte dich damit erpressen und dich zwingen, es wirklich zu sein! Hast du keine Angst, dass ich das tue?« Kazukis Stimme durchbrach seine Gedanken und Uruha spürte, wie sein Kopf so taub wurde, als würde mit einem Mal alles gefrieren. Alle Emotionen, die Angst, die er bis jetzt ausgestanden hatte, die Zweifel, ob sie das Richtige taten. Und dann wurde ihm etwas klar. »Nein, denn das wirst du nicht tun«, antwortete er und drückte die Hand des anderen, ehe er leicht lächelte. Er wusste nicht, woher der Impuls dazu kam, doch eines wusste er sicher: dies war nicht der Moment, in dem alles zusammenbrechen würde. Nicht so, nicht durch Kazuki. Nein, er war sich ganz sicher. Er wusste nicht, ob Kazuki es gesagt hatte, um ihn zu testen oder ihn zu provozieren, aber die Panik, die bei seinen Worten sturmartig in ihm aufgewirbelt war, war mit einem Mal wie verschwunden. Er merkte, wie sein Herz noch immer gegen seinen Brustkorb trommelte, doch fühlte er sich von einer seltsamen Ruhe umgeben, im vollen Bewusstsein darüber, wie hoch er mit seinen Worten pokerte. »Du hättest mich schon längst wegen schlimmerer Dinge verraten können«, fuhr er fort, ehe er Kazuki direkt in die Augen sah, und er meinte jedes seiner Worte ernst. »Aber du hast es nicht getan. Du hast gesagt, du willst nicht, dass ich wegen dir Ärger bekomme. Deshalb wirst du mich mit nichts erpressen. Wir sind jetzt Freunde! Und ich vertraue dir!« Einen kleinen Moment zauderte Kazuki und sah ihn verwirrt an, die Brauen zusammengezogen, als würde er angestrengt versuchen, Uruhas Gedanken zu lesen. Dann wendete er den Blick wieder ab. Und als er Uruhas Hand zurückdrückte, wusste dieser, dass er Recht hatte. Tbc. ********* Endlich kommt hier ein klein wenig Licht ins Dunkel! Uruhas und Kais Coverstory ist aufgeflogen. Habt ihr das erwartet, nachdem auf dem Dach alles so real schien? Was denkt ihr jetzt über Kazuki? Im nächsten Kapitel wird Aoi seinen Plan durchführen und in Kais Wohnung fahren. Ob er wohl etwas rausfindet? Was genau wollten Kai und Uruha mit ihrer Coverstory vor ihm verbergen? In meinem Kopf schleichen übrigens seit einer Weile einige andere Ideen herum. Ich bin großer GROSSER SHINee Fan und liebe vor allem Jongkey und 2Min (ja, die Klassiker XD. Sie sind einfach zu REAL). Ich würde zu gern Jongkey schreiben. Wäre das interessant für euch, bzw. würdet ihr meine Storys auch weiter lesen, wenn ich in ein anderes (euch unbekanntes) Fandom wechsle? Ich frage rein aus Interesse ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)