Heartbeat von Autumn (Kyman, Stenny, Creek, Tyde u. a. (KAPITEL 12 IST DA!!!)) ================================================================================ Kapitel 6: That's what friends are for -------------------------------------- Hallihallo, liebe Leser, ich bin zurück! Und ich wünsche Euch allen ein gutes neues Jahr, auch wenn es jetzt schon ein wenig spät dafür ist!^^ Hier ist also Kapitel 6, mit ein bisschen Creek und noch etwas mehr Tyde - und Craig, Tweek, Clyde und Token sind nun auch in den Steckbriefen zu finden. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen! Kapitel 6: That‘s what friends are for Der beste Weg, einen Freund zu haben, ist der, selbst einer zu sein. - Ralph Waldo Emerson Ein Monat war ins Land gegangen. Es war Mitte Oktober, und obwohl es ein paar kühlere Tage gegeben hatte, zeigte sich das Wetter golden und mild. Stanley saß im „Funky Town", seiner Lieblingskaraokebar (es gab noch zwei weitere in South Park, eine im Ghettoviertel und eine, die nur Leute ab siebzig aufwärts anlockte und neben dem Altersheim stand) und studierte die Musikauswahl. Seine letzte Verabredung mit Gary hatte hier stattgefunden. »Ich bin jetzt dreimal mit ihm ausgegangen... und es hat immer Spaß gemacht. Trotzdem ist es nicht anders, als wenn ich mit Kyle und Kenny und Cartman abhänge, für mich ist es ein Abend mit einem Kumpel, nicht mit einem richtigen Date. Gary ist glücklich, aber wie lange soll das so weitergehen? Ich mag es, außerhalb der Schule oder des Trainings Zeit mit ihm zu verbringen...aber mache ich ihm dadurch nicht doch falsche Hoffnungen, obwohl ich das vermeiden wollte?« Wobei besagte dritte Verabredung nicht so hundertprozentig gelungen war wie die davor. Gary hatte viele Talente, Singen gehörte allerdings nicht dazu und er wusste es. Deshalb war eine Karaokebar sein natürlicher Feind (es gab andere, bei denen es sich genauso verhielt, die hatten bloß keine Ahnung davon und liebten es, ihre Umgebung mit miesem Gesang zu malträtieren). Er bewunderte Stan für sein musikalisches Können und himmelte ihn an, wenn er auf der Bühne stand, doch seine Begeisterung wirkte manchmal ein wenig gekünstelt und sein Interesse an verschiedenen Sängern und Stilen schien vorgetäuscht. Stan hätte die Wahrheit bevorzugt („Ich kann nichts damit anfangen." oder „Ich verstehe nichts davon."), aber statt dessen bekam er nettgemeinte Heuchelei. Die Bemühungen Garys und seiner Familie, zu allen Menschen immer freundlich und höflich zu sein, waren sicher lobenswert, es hatte aber auch etwas Unnatürliches und Verkrampftes an sich. Manchmal war man eben wütend oder missmutig, hatte mit schlechter Laune oder Frust zu kämpfen. Gary unterdrückte negative Regungen für gewöhnlich, wenn sie also an die Oberfläche drangen, musste wirklich etwas sehr Ernstes vorgefallen sein oder eine Person betreffen, die ihm viel bedeutete. Und es hatte ihn sicher viel Mut gekostet, ihm gegenüberzutreten und ihn um ein Date zu bitten. »Oh Mann... was soll ich tun? Ich bin nicht verliebt in Gary, aber ich will auch nicht, dass unsere Freundschaft den Bach runtergeht. Warum macht das Erwachsenwerden alles komplizierter? Manchmal wäre ich gerne wieder neun Jahre alt...« Er horchte auf, als eine vertraute Melodie seine Ohren erreichte, „The Last Unicorn" von America. Da er mit dem Rücken zur Bühne saß, drehte er sich um und betrachtete neugierig die Person, die gerade das Mikrophon aus seiner Halterung löste. Sie trug Baggypants in Tarnfarben und einen schwarzen Kapuzenpulli, beides weit und schlabberig, sodass keine geschlechtsspezifischen Merkmale zu erkennen waren. Nur die Größe und die breiten Schultern sprachen für einen Jungen. Stans Verdacht wurde bestätigt, als der Fremde zu singen begann. „When the last eagle flies Over the last crumbling mountain And the last lion roars At the last dusty fountain. In the shadow of the forest Though she may be old and worn They will stare unbelieving At the last Unicorn..." Stan hielt den Atem an. Hier in South Park hatte er noch nie eine solche Stimme gehört. Er wusste, dass er selbst ein guter Sänger war und übertroffen hatte ihn bisher nur Token, doch diese Stimme... diese Stimme war makellos. Weich, sanft, anschmiegsam, bewegend, gefühlvoll, tenorgleich. Wer war der Sänger? Die Kapuze verbarg sein Haar, eine dunkle Sonnenbrille seine Augen und die Beleuchtung, stimmungsvoll gedämpft, half auch nicht. „When the first breath of winter Through the flowers is icing And you look to the north And the pale moon is rising. And it seems like all is dying And would leave the world to mourn In the distance hear the laughter Of the last Unicorn! I‘m alive! I‘m alive!" Eine unbändige Lebenslust lag in den letzten Zeilen. Er sang sie mit einer Kraft und Intensität, die einem wohlige Schauer über den Rücken jagte. Eine Stimme, die niemand vergessen konnte. »Wer bist du? Wie ist es möglich, dass ich dich noch nie gesehen habe? Und deine Kleidung... du willst nicht erkannt werden, ist es das? Warum?« Stan erhob sich und näherte sich der Bühne. Die anderen Zuhörer waren genauso verzaubert wie er und lauschten dem Sänger mit einem fast feierlichen Ernst. „When the last moon is cast Over the last star of morning Then the future has passed Without even a last desperate warning. Then look into the sky where through The clouds are packed in swarms Look and see her how she sparkles It‘s the last Unicorn! I‘m alive! I‘m alive!" Die Melodie erstarb. Eine volle Minute war es so still wie in einer Kirche. Dann brach orkanartiger Beifall los, einige forderten lauthals eine Zugabe. Der Sänger schien zunächst erfreut, aber als sein Blick auf den Schwarzhaarigen fiel, zuckte er zusammen, sprang von der Bühne und rannte hinaus. Stanley, von diesem plötzlichen Abgang ebenso überrascht wie das restliche Publikum, eilte kurzentschlossen hinterdrein. „He, du da! Warte einen Moment! Ich möchte mit dir sprechen! Wer bist du?" Der Sänger ignorierte ihn und lief weiter, einen durchtrainierten Soccerspieler konnte er allerdings nicht so einfach abhängen. Stan holte ihn ein und packte ihn am Arm. „Bitte, lauf nicht weg! Ich habe dich singen gehört, du warst wundervoll! Wie ist dein Name? Kommst du öfter ins Funky Town? Ich habe dich noch nie dort gesehen..." „Ich war zum ersten Mal da.", antwortete der Sänger flüsternd, als fürchte er, man könne ihn anhand seiner Sprechstimme identifizieren. Und wirklich hatte sie einen vertrauten Klang, den Stan jedoch nicht genau zuordnen konnte. „Das dachte ich mir, an ein Talent wie dich hätte ich mich sicher erinnert. Wo trittst du normalerweise auf?" „Im Lily‘s. Ja, ich weiß, ich weiß, alte Leute und alte Ausstattung, aber hey, die werfen wenigstens nicht mit Gläsern, wenn ihnen was nicht passt. Das Funky Town ist natürlich schicker und moderner." „Das Lily‘s also. Und wie heißt du?" Die Frage war ihm offensichtlich unangenehm. Er wandte den Kopf ab und schwieg. „...Du musst mir nicht deinen richtigen Namen sagen, wenn du nicht willst. Aber ich würde dich gerne irgendwie anreden." „...Nenn mich ...nenn mich Cinder." „Cinder? Okay. Mein Name ist Stan, Stan Marsh. Freut mich, dich kennen zu lernen." Er streckte ihm die Hand hin und nach einigem Zögern nahm Cinder sie an und schüttelte sie etwas zaghaft. „Danke. Es... es freut mich auch, dich kennen zu lernen. Singst du jeden Samstag hier?" „Nun, solange nichts anderes ansteht... ja. Was ist, kommst du mit zurück? Ich möchte mehr von dir hören, du hast eine wunderschöne Stimme." Cinder zierte sich, wohl aus Verlegenheit angesichts des Kompliments. „Ich...ich weiß nicht recht...Findest du wirklich, dass ich gut war?" „Gut? Du warst bombastisch! Hat dir das denn noch keiner gesagt? Denkst du, das Publikum applaudiert nur aus Höflichkeit? Okay, das gibt‘s zwar auch, aber in deinem Fall...und ich will unbedingt mal ein Duett mit dir singen, damit das klar ist!" Stanleys strahlendes Lächeln und sein spitzbübisches Zwinkern schienen Cinders Schüchternheit noch zu verstärken. Einen Moment lang sah es so aus, als wollte er erneut die Flucht ergreifen, doch dann nickte er leicht mit dem Kopf und gemeinsam traten sie den Rückweg an. Samstag. Er hasste diese Samstage. Das „Tweak‘s" war hoffnungslos überfüllt, am Tresen hatte sich bereits eine Schlange gebildet und einer der Kellner fiel wegen eines gebrochenen Handgelenks aus, sodass Craig seine Schicht hatte übernehmen müssen. Die Kunden, die nur einen Coffee to go bestellten, waren ja noch zu ertragen, die gingen ihn nichts an, aber diejenigen, die sich an einen Tisch setzten und die Karte sehen wollten? Warum war er so blöd gewesen, hier das Arbeiten anzufangen?! Ganz davon abgesehen, dass Tweek, als Sohn des Besitzers, sein Vorgesetzter war - und beim Familiengeschäft kannte er kein Pardon. Er duldete weder Unzuverlässigkeit, noch Unpünktlichkeit oder schlechte Manieren, und den Gästen hatte man stets zuvorkommend und höflich zu begegnen. Es war die Hölle. Frustriert schmeckte er den Kaugummi in seinem Mund. Bäh. Inzwischen war der völlig fad. Mindestens so fad wie dieses kaffeebraune Angestelltenhemd in Übergröße, das an ihm herunterhing wie ein Sack. „Verzeihung, Herr Ober? Ich möchte gern bestellen!" Craig, der auf die Bezeichnung „Herr Ober" reagierte wie ein Magen auf Abführmittel, schluckte seinen Ärger mühsam hinunter und trat zu einem Mann mittleren Alters, der einen kleinen nervtötenden Mistköter dabei hatte, der Craig pausenlos anbellte. „Was darf‘s sein?" „Ich hätte gern einen Cappuccino Grande, dry und decaf, mit Vanillesirup, extra heiß." „Geht klar. Möchten Sie auch etwas essen?" „Warum nicht? Was können Sie mir empfehlen?" „Nichts. Schauen Sie in die Karte, oder können Sie nicht lesen?" „Also, was erlauben Sie sich...?" „Hören Sie, ich bin seit acht Uhr morgens auf den Beinen, meine letzte Pause war vor zwei Stunden und wenn Sie mich stressen wollen, schalte ich sofort ab. Suchen Sie sich was aus und bringen wir‘s hinter uns. Und sagen Sie Ihrem kläffenden Gossenpinscher, dass er die Schnauze halten soll oder ich werfe ihn raus." „Das... das ist ja die Höhe!" „Finde ich auch. ‘Ne schlimmere Promenadenmischung haben Sie nicht gefunden, oder was?" „CRAIG!!" Na toll, die Stimme des Gesetzes. Tweek stand vor ihm, in seinen obligatorischen hellbraunen Hosen und dem dünnen weißen Pulli mit den langen Ärmeln. Darüber trug er ein olivgrünes Hemd, das schief geknöpft war und die „Tweak‘s"-Schürze mit Schriftzug, die den Meistermixern hinter dem Tresen vorbehalten war. Von seiner üblichen Nervosität war nichts zu bemerken, er war jeder Zoll „der Sohn vom Chef" und sein Gesicht ernst und streng. Wenn Craig ihn so erlebte, konnte er nachvollziehen, warum man ihn zum Kapitän des Park High-Schwimmteams ernannt hatte. Als er zehn Jahre alt gewesen war, hatte ein befreundeter Arzt seinen Eltern vorgeschlagen, den paranoiden Jungen in eine Schwimmtherapie zu stecken, in der Hoffnung, dass das seine Zuckungen abmildern würde...und tatsächlich entwickelte Tweek eine starke Affinität zu Wasser; es wirkte beruhigend und entspannend auf ihn. Dort hatte er keine Angst, dort war er frei. Und außerdem sah er sehr sexy aus in knappen Badehosen... ... ... ... Sportlich. Tweek sah sportlich aus in Badehosen. Er fand Frauen sexy, nicht Männer...und schon gar nicht so einen treudoofen Unfallmagneten wie Tweek! „Craig, hörst du mir zu!?" „...Sorry. Hast du gerade was gesagt?" „Das fragst du mich jetzt nicht im Ernst, oder?" „...Eh ...doch...?" „Willst du mich verarschen?! Was bringt es, dir die Verhaltensregeln vorzubeten, wenn du dich taub stellst? Das ist keine Art, mit den Kunden zu reden, Craig! Selbst wenn du genervt bist, du verrichtest hier eine Dienstleistung, Dienst am Gast, und wenn du deine miese Laune nicht im Griff hast, solltest du dir einen Job suchen, in dem du nichts mit Menschen zu tun hast! Dieser Herr war weder ungeduldig noch unhöflich, aber sobald du dich auf den Schlips getreten fühlst, lässt du‘s an deiner Umgebung aus! Falls es dir entgangen sein sollte, die ganze Belegschaft ist schwer im Stress, nicht nur du, also reiß dich zusammen! Das, was du da abgeliefert hast, war durch und durch unprofessionell und ich erwarte, dass das nicht mehr vorkommt! Jetzt sieh zu, dass du dich entschuldigst und die Bestellung erledigst... und dann gebe ich dir eine Aufgabe, die deinem Charakter mehr entspricht!" Craig gehorchte grummelnd. Was hätte er auch tun sollen? Erstens kosteten Diskussionen dieser Art viel zu viel Zeit und Nerven und zweitens mochte er es nicht, wenn Tweek böse auf ihn war. Er fühlte sich unwohl dabei. Nach einer mehr oder weniger nett klingenden Entschuldigung wartete er auf den Cappuccino, servierte ihn mit falschem Lächeln und harrte der Bestrafung, die da kommen würde. Ihm schwante Übles, als Tweek mit einem großen Plastikeimer auf ihn zusteuerte. „Da du so scharf darauf bist, deine schlechte Laune abzureagieren, kannst du das jetzt gerne tun - an unseren Toiletten. Sie geben keine Widerworte und strapazieren deine Geduld nicht. Viel Spaß!" Er reichte ihm den Eimer mit Lappen, Bürste, Gummihandschuhen und Putzmitteln. „Ich soll die Toiletten schrubben?! Auf keinen Fall! Ihr habt eine Putzfrau!" „Und du hast ein Autoritätsproblem. Fang bei den Männern an." „Ich habe noch nie in meinem Leben ein Klo geputzt!" „Na, dann wird‘s Zeit." Craig verschlug es die Sprache. Er konnte sich nicht daran gewöhnen, dass der scheue und verzagte Blondschopf in allem, was den Familienbetrieb betraf, so unglaublich selbstbewusst war. Das war... irritierend. Und anziehend. ... ... ... »Ich... ich bin überarbeitet... Genau. Völlig überarbeitet.« „Und raus mit dem Kaugummi, aber sofort!" »...Ich hasse diesen Job!« „Nein, dieses Paar Schuhe gefällt mir auch nicht! Haben Sie nichts Extravaganteres?" Clyde unterdrückte das Bedürfnis, die Kundin samt Probierschemel und Ehegatten aus dem Laden zu schmeißen und zwang sich zu einem Lächeln. „Was genau verstehen Sie unter extravagant, Ma‘am? Erst verlangen Sie Sandalen ohne Absatz, dann welche mit; erst soll er niedrig sein, dann hoch; dann fällt Ihnen ein, dass Sie doch lieber Pumps kaufen wollen, können sich aber für keine Farbe entscheiden und nach den sieben Paaren, die Sie anprobiert haben, erinnern Sie sich plötzlich an die Party Ihrer Freundin in drei Tagen, für die Sie unbedingt ein Paar neuer High Heels brauchen, die so extravagant wie möglich sein sollen. Ich habe inzwischen das halbe Lager leergeräumt und Sie finden es immer noch nicht extravagant genug!?" „Nun ja, junger Mann, ich habe eben einen höchst erlesenen Geschmack." „..." „Warum schauen Sie denn so komisch? Ist Ihnen nicht gut?" „Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment.", entgegnete Clyde, das Lächeln wie eingefroren auf seinem Gesicht. Er stürzte in den Aufenthaltsraum für die Angestellten, wo sich auch sein Vater gerade aufhielt und einen Kaffee schlürfte. „Dad, ich sage dir... ich... ich...! Diese... diese eingebildete Gans... sie...!" „Mrs. Baxter ist eine unserer besten Kundinnen, mein Sohn. Sicher, sie ist ein wenig anstrengend, aber sie gibt eine Menge von ihrem Geld bei uns aus." „Du meinst, eine Menge vom Geld ihres Mannes!" „Oder so. Jedenfalls ist es unsere Pflicht, sie zufriedenzustellen." Roger Donovan überging Clydes angewiderte Grimasse, trank seinen Kaffee aus und sagte: „Wenn sie dich sosehr stört, kann ich sie ab jetzt übernehmen, okay?" „Das machst du, ehrlich?! Oh danke, danke, danke!!" Clyde umarmte seinen Vater und führte einen kleinen Freudentanz auf. Er konnte Mrs. Baxter absolut nicht leiden und hätte ihr ihre extravaganten Schuhe am liebsten sehr extravagant um die Ohren gehauen, aber das war natürlich nicht drin. Es hätte nur dem Renommee seines Vaters geschadet. „Kann ich dann heute etwas früher gehen? Außer der Schuhschnepfe und ihrem Anhängsel sind doch kaum Leute da und ich bin mit Token zum Basketballspielen verabredet. Wenn ich ihn jetzt anrufe, können wir‘s vorverlegen und haben mehr Zeit." „Die ‚Schuhschnepfe‘?" Roger grinste. „Nun, ich denke, wir schaffen es auch ohne dich. Meinen Segen hast du. Aber komm nicht wieder zu spät zum Abendessen. Du weißt ja, deine Mutter mag das nicht." „Alles klar!" Und schon war er auf und davon. Draußen vor dem Geschäft reckte und streckte er sich gründlich, holte sein Handy hervor und wählte Tokens Nummer. „Hallo Token, ich bin‘s! - Nein, nicht Denzel Washington! Wovon träumst du nachts? Ah, warte, das will ich gar nicht wissen! - Ja, ich bin getürmt. - Tse, du hast ja keine Ahnung! Ich möchte dich mal sehen, wenn man dir die Baxter auf den Hals hetzt! - Genau, das wollte ich auch vorschlagen. Bis gleich!" Er fuhr mit dem Bus in Tokens Wohnviertel, das allgemein als die „Villengegend" bekannt war. Auch Gregory von Yardale und Pip Pirrup lebten dort (wobei Pip, seit seiner Adoption vor neun Jahren, offiziell eigentlich Pirrup-Carter hieß). Wie immer, wenn Clyde diesen Teil der Stadt betrat, kam er sich grauenhaft unzulänglich und deplatziert vor, wie ein Lumpen, der versehentlich neben ein Seidentuch gehängt worden ist. Er wusste, dass seine Unsicherheit im Grunde lächerlich war, seine Familie besaß ein eigenes Geschäft und verdiente sehr gut, aber trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, hier nicht hinzupassen. Seine Befangenheit fiel erst von ihm ab, als er das große Freizeitgelände erreichte, wo sich Sportbegeisterte genüsslich austoben konnten; es gab einen Rasenplatz für Soccer und Lacrosse, zwei Anlagen für Badminton und Squash, einen Skateboard-Parcours und ein Basketballfeld. Token, in kompletter Spielermontur mitsamt Freundschaftsband am Handgelenk, wartete bereits auf ihn. „Hallo Clyde! Schön, dass du früher kommen konntest!" „Ja, ich bin auch froh. Die Baxter ist so ‘ne blöde Kuh..." „Ich weiß. Sie wohnt hier, schon vergessen? Meine Eltern können sie beide nicht ausstehen." „Echt? Komisch, warum nur?" Sie grinsten sich an. Dann holte Token den Ball und fragte: „Wie machen wir‘s? So wie immer? Wer zuerst zehn oder zwanzig Körbe hat, spendiert eine Pizza?" „Zwanzig Körbe. Auf die Art hab‘ ich wenigstens die Chance, noch ein paar Treffer mehr zu landen und dich vielleicht noch zu schlagen." „Du hast mich noch nie geschlagen." Es klang ein bisschen selbstgefällig. Clyde streckte ihm die Zunge heraus. „Klar, du bist ja auch fünfzehn Zentimeter größer als ich! Und du bist der Kapitän der Basketballmannschaft! Du spielst regelmäßig! Ich dagegen..." „Die Basketball-Saison startet erst im Winter, das ist also kein Training, was ich da mache. Kein richtiges, jedenfalls. Aber du spielst regelmäßig mit mir. Und du bist gut... für deine Größe", fügte Token schmunzelnd hinzu. „Willst du mich ärgern?" „Oh, nein, das würde ich doch nie wagen!" Clyde craigte ihn und schnappte sich den Ball, bevor der andere reagieren konnte. Mit schnellen Schritten sprang er davon, visierte den Korb an, warf... und erzielte einen Volltreffer. „Hurra! Eins zu Null! Was sagst du nun? Ich bin super, oder? Gib zu, dass ich super bin!" Token beobachtete Clyde, der den Ball aufhob und ihn jubelnd ein paar Mal hochwarf und wieder auffing, während er herum hüpfte und sich überhaupt gebärdete wie ein Fünfjähriger. Er hätte ihn küssen mögen. »...Eh? Halt, Moment, wie komme ich auf diese Idee?! Clyde ist mein bester Freund... und nichts weiter! Ich bin gern mit ihm zusammen, wir haben Spaß, wir verstehen uns prima. Punkt. Ende. Aus. Ich denke nicht, dass er süß ist... Ich meine, okay, er ist süß, aber nur in einem unromantischen Sinne. Mehr wie ein kleiner Bruder. Ein kleiner Bruder, der technisch gesehen zwei Monate älter ist als ich... ah, das ist nicht das Problem! Er verhält sich die meiste Zeit wie ein kleiner Bruder, oder nicht? Und dann ist er auch oft ungeschickt und tut sich weh und fängt an zu heulen...« „Aua!!" »...soviel dazu...« „Clyde? Was ist passiert?" „Aua... Scheiße, ich bin umgeknickt..." „Ja, und auf die Nase gefallen. Was hüpfst du auch durch die Gegend wie ein Gummiball?" „Nicht auf die Nase, auf‘s Knie", sagte Clyde weinerlich und zog einen Flunsch. „Und ich hab‘ mich nur über meinen Korb gefreut, das darf ich doch!" „Sicher, aber musstest du dich gleich auf den Asphalt legen?" Er ging in die Hocke und schob das Hosenbein nach oben. Das Knie hatte begonnen, bläulich anzulaufen und anzuschwellen. Er betastete es vorsichtig. „AU, AU, AU!!! Das tut WEH, du Wichser!!" „Schrei nicht so, ich bin nicht taub! Sieht nach einer Prellung aus, das ist schmerzhaft, ich weiß. Alles schon gehabt. So kannst du nicht weiterspielen." „Aber... aber deswegen bin ich hergekommen! Basketball, Pizza, Spielhalle, das volle Programm! Das ist nicht fair! Warum bin ich bloß so ‘ne Niete?" Clydes Augen füllten sich mit Tränen. Sein Knie schmerzte, doch es waren sein Ärger und seine Enttäuschung, die sie eigentlich auslösten. Toll. Wirklich toll. Er hatte es geschafft, Token den Tag zu ruinieren, nur weil er zwei linke Füße hatte! Nix Körbe. Nix Pizza. Nix Spielhalle. Statt dessen ein tollpatschiger Trottel zum Nachhausebringen! „Es tut mir leid, Token.", schniefte er. „Bitte? Was tut dir leid?" „Na, dass wir jetzt nicht mehr um die Pizza spielen können und dass ich alles verdorben habe..." „Ach du meine Fre-...Pack die Dramaqueen wieder ein, Clyde! Du wirst dein Knie noch eine ganze Weile spüren, das heißt aber nicht, dass es keine Pizza und keine Games geben wird! Wir brauchen kein Whistlin‘ Willy‘s oder eine blinkende Spielhalle. Ich bringe dich zu mir, wir tun einen Eisbeutel drauf, meine Mom macht ihre berühmten Black-Familienpizzen und wir können sämtliche Konsolen benutzen, die ich habe. Das wird der beste Basketball-Samstag, den wir je hatten, wetten?" „Ein Basketball-Samstag mit Pizza und Computerspielen, aber ohne Basketball?" „Ja! Wir können ja abends noch ein paar Bälle werfen, wenn dein Knie nicht protestiert. Es sei denn natürlich, Moms Familienpizzen und meine Konsolen sind für dich zu wenig, um unseren Samstagen gerecht zu werden. Ich kann dich auch nach Hause fahren..." „Nein! Ist schon okay..." Clyde wischte sich die Tränen ab und lächelte glücklich. „Basketball oder nicht, ich bin mit dir zusammen und nur das zählt. Für mich bist und bleibst du das Beste an unseren Samstagen." Token antwortete nicht, doch er fühlte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. Schweigend steckte er den Ball in sein Transportnetz, hängte es sich über die Schulter und wollte Clyde huckepack nehmen, als dieser plötzlich rot anlief und verlegen den Kopf schüttelte. Erst jetzt war ihm bewusst geworden, was er da gerade gesagt hatte. Sie sahen sich eine Weile unschlüssig an, die Stille zwischen ihnen dehnte sich ins Unendliche. Schließlich schlug Clyde die Augen nieder und erneut erwachte in Token der Wunsch, den hübschen Jungen zu küssen. Das Rot auf seinen Wangen war hinreißend und seine Lippen... waren sie schon immer so schön gewesen? »Nein!!! Was zum Teufel ist in mich gefahren?! Wie kann ich ihn nur so... so... so sexuell sehen!? Klar, ich weiß, dass Clyde kein Unschuldslamm ist, der hat‘s faustdick hinter den Ohren, wenn er will, aber er ist mein bester Freund, sogar ein bisschen wie ein kleiner Bruder, und... und... und das darf einfach nicht sein!!« »Was ist mit mir? Warum werde ich in Tokens unmittelbarer Nähe so... schüchtern? Das passt gar nicht zu mir... und warum muss er mich mit seinen wunderbaren schwarzen Augen so genau anschauen? Das macht mich nur noch nervöser... er soll das lassen!!« „Token?", ertönte eine weibliche Stimme und der Angesprochene sprang auf wie gestochen. Er half Clyde auf die Beine, der sich zögernd an ihm festklammerte, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren und wandte sich der Dame zu, die ihn angeredet hatte. Sie war sehr vornehm und elegant gekleidet, und ihr schneeweißes Haar hob sich reizvoll von ihrer dunklen Haut ab. Obwohl sie mindestens in den Siebzigern war, wirkte sie keineswegs wie eine alte Frau, ihre Haltung hatte etwas Soldatisches und ihre Stimme war klar und kräftig. „Bob hat mir gesagt, dass ich dich hier finde. Es ist keine Art, nicht zu Hause zu sein und seine Großmutter nicht zu begrüßen, wenn sie eine anstrengende Reise hinter sich hat." „Grandma? Ich dachte, du kämst erst morgen!" „Das ist keine Entschuldigung. Die Familie hat vollständig zu sein, wenn ich eintreffe. Oh - und wer ist das?" Ihr Tonfall verriet eindeutig Missbilligung. Clyde hatte sich in seinen schlichten Klamotten noch nie so unbequem gefühlt wie in dieser Sekunde. „Ah ja, Verzeihung. Grandma, das ist Clyde Donovan, mein bester Freund. Und das, Clyde, ist Cora Black, meine Großmutter, wie du schon gehört hast." „S-s-sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Ma‘am." Sein Stottern schien sie zu verärgern, denn sie verzog verächtlich die Mundwinkel. Er schluckte mühsam, um die Trockenheit aus seiner Kehle zu vertreiben. „Dein bester Freund ist ein Weißer? Warum erfahre ich erst jetzt davon?" „Es gibt keine anderen Schwarzen hier in South Park, Grandma. Und selbst wenn, was würde das ändern? Clyde ist ein netter Kerl und das allein ist wichtig." „Bist du verrückt?! Hast du vergessen, was diese milchgesichtigen Verbrecher deinem Großvater angetan haben!? Was sie unserer ganzen Rasse angetan haben!? Ich werde diese Freundschaft nicht dulden, hast du verstanden, Token?! So weit kommt es noch, dass mein Enkel sich mit diesem Pack abgibt! Warum hat dein Vater mir nie gesagt, dass keine anderen Schwarzen in diesem Kaff leben?" „Weil er genau wusste, wie du darauf reagieren würdest. Es geht dich verdammt nochmal nichts an, ob meine Freunde schwarz, weiß, rot oder gelb sind! Die Hautfarbe ist mir scheißegal! Ehrlich, Grandma - kannst du nicht einmal auf Besuch sein, ohne uns mit deinen rassistischen Ausbrüchen zu nerven?!" Die Miene seiner Großmutter wurde eisig und undurchdringlich. „Ich verbiete dir, in diesem Ton mit mir zu sprechen. Du bist ein dummer Junge, wenn du glaubst, dass die Weißen sich je ändern werden. Du kommst jetzt mit mir. Ich werde deinen Eltern dein ungebührliches Verhalten schildern und dabei selbstverständlich deinen beklagenswert schlechten Umgang erwähnen. Ein Monat Hausarrest erscheint mir angemessen." Sie drehte sich um, merkte jedoch bald, dass Token ihr nicht folgte. „Token! Hast du nicht gehört? Komm sofort mit!" Er ignorierte sie. Wortlos hob er Clyde auf seinen Rücken und schritt in Richtung Bushaltestelle davon. Sie schimpfte ihm hinterher, drohte sogar, aber er blendete sie völlig aus. Erst, als sie die Haltestelle erreicht hatten, wo sie sich auf die Wartebank setzten, brach er das Schweigen. „Bitte entschuldige, Clyde. Es tut mir so leid, dass du diesen peinlichen Auftritt miterleben musstest. Sie hätte dich nicht beleidigen dürfen. Sie ist verbittert und..." „Das macht nichts, wirklich. Die Beleidigung stört mich nicht. Was mich stört, ist, dass sie dir den Umgang mit mir verbieten will. Warum ist sie so... so...?" „...hasserfüllt? Wegen meines Großvaters. Bevor wir nach South Park zogen, lebten wir in New York, in einer gemischten Gemeinde, zusammen mit Grandma und Grandpa. Wir hatten Freunde unter unseren schwarzen und weißen Nachbarn und Grandma war damals ganz anders als heute. Grandpa arbeitete bei der Polizei und stand kurz vor seiner Pensionierung. Eines Nachts, auf einer Patrouille durch eines der verrufenen Viertel von Downtown New York, wurden mein Grandpa und sein Partner in eine Schießerei zwischen zwei Jugendbanden verwickelt. Sie versuchten, die Situation zu entschärfen, bis die Verstärkung eingetroffen wäre, aber es gelang ihnen nicht. Einer der Gangleader schoss meinem Grandpa einfach in den Kopf - mit den Worten ‚Du sollst verrecken, Scheißnigger.‘ Das Arschloch wurde verhaftet und verurteilt, doch das brachte uns Grandpa nicht zurück. Seit dieser Zeit ist Grandma nicht mehr dieselbe..." „Oh Token...!" „Versteh‘ mich nicht falsch, ich begreife, wie furchtbar das für sie war... für uns alle! Aber es ist sinnlos, zu hassen! Hass macht traurig und einsam und unglücklich... Ich bin sicher, dass Großvater das nicht gewollt hätte! Aber weder Mom noch Dad oder ich können sie zur Vernunft bringen! Sie kommt sowieso nur noch zweimal im Jahr zu Besuch, weil wir in ihren Augen Grandpas Andenken verraten haben! Sie hat sich so tief in ihrer Verzweiflung vergraben, dass jeder Versuch von außen, sie wachzurütteln, einfach an ihr abprallt! Ich möchte ihr immer noch gerne helfen, aber manchmal... manchmal kotzt sie mich sowas von an...!" Er vergrub das Gesicht in den Händen und atmete schwer. Auf einmal strich eine warme Hand langsam und sanft über seinen Rücken. Die Berührung war tröstlich, ebenso wie die leise Stimme, die ruhig, aber entschieden erklärte: „Mach dir keine Sorgen. Ich werde immer freundlich zu deiner Großmutter sein, egal, was sie sagt. Man kann nicht ständig hassen, wenn einem nur Freundlichkeit begegnet. Sie tut mir leid, aber ich werde mich kein zweites Mal von ihr einschüchtern lassen, jetzt, wo ich ihre Gründe kenne. Du bist mein Freund, Token... ich würde dich niemals aufgeben. Für nichts in der Welt." Token starrte ihn an. Sein Blick versank in diesen vertrauten braunen Augen und er staunte über die besonnene Kraft, die er in ihnen las. Dies war eine Seite seiner Persönlichkeit, die Clyde nur sehr selten zeigte. „Clyde...!" Er schloss ihn dankbar in die Arme. Clyde, hochrot, überrumpelt, erwiderte die Umschlingung und für eine kleine Ewigkeit hielten sie einander fest... Es wurde Abend. Stan kehrte vom Karaoke zurück, restlos begeistert von der geheimnisvollen Bekanntschaft, die er heute gemacht hatte. Ihre Unterhaltungen hatten Cinder und er weiterhin nur im Flüsterton geführt, da Cinder es bevorzugte, anonym zu bleiben. Stan fand das ein wenig schade, doch er wollte seinen neuen Freund nicht verschrecken. Cinder war ein fantastischer Sänger und ein interessanter Gesprächspartner, der sich im Bereich Musik noch besser auskannte als Stanley. Und genau wie Stanley hatte er einen breitgefächerten Geschmack, der sich weniger nach einem bestimmten Star oder einer Band richtete, sondern einzig und allein nach dem Lied. Es gefiel oder es gefiel nicht, ganz einfach. Er summte vergnügt vor sich hin und achtete nicht besonders auf seine Umgebung, sodass Kyles Anwesenheit vor seiner Haustür ihn erst einmal überraschte. „He, hallo, Kumpel! Was machst du denn hier?" „Ich warte auf dich, was sonst? Es ist halb acht, normalerweise kommst du um sieben vom Karaoke! Was ist passiert?" „Oh, ich habe jemanden kennen gelernt! Die ‚Goldene Stimme‘ von South Park, sozusagen! Ich kann gar nicht beschreiben, wie großartig... halt mal. Wieso bist du hier? Wir waren doch nicht etwa verabredet und ich hab‘s vergessen!? Das tut mir leid, ich..." „Beruhige dich, wir waren nicht verabredet. Wir... wir müssen reden." Stan hob die Augenbrauen. „Ah ja? Ich nehme an, du willst mir endlich reinen Wein einschenken, was deine Konfrontation mit Cartman auf Butters‘ Geburtstagsparty betrifft? Wird auch Zeit, du wolltest lange genug nicht darüber sprechen." „Ich weiß. Es ist nur... das, was da geschehen ist, war ziemlich... verrückt, um ehrlich zu sein. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, und noch weniger wusste ich, was sich daraus entwickeln würde... Okay, entwickelt hat sich eigentlich nichts..." „Na, viel geändert hat sich zwischen dir und Cartman wirklich nicht, ihr streitet wie gehabt, hackt aufeinander rum wie gehabt... Wie auch immer, lass uns reingehen, da ist es gemütlicher als auf der Fußmatte." Kyle lächelte und die beiden Freunde verkrümelten sich, nach einer entzückten Begrüßung von Mrs. Marsh, mitsamt einem Tablett voller Sandwiches und Cola, in Stans Zimmer. „Deine Mom nimmt deine Verspätung ja sehr gelassen." „Es war nur ‘ne halbe Stunde, deswegen reißt sie mir nicht den Kopf ab. Sie ist nicht..." „...so ein Kontrollfreak wie meine? Du brauchst gar nicht so verlegen zu schauen, es ist die Wahrheit. Aber ich bin nicht hergekommen, um mich über meine Mutter zu beschweren." Und bevor sich der Schwarzhaarige noch weiter darauf einstellen konnte, ergossen sich in einem hastigen Redeschwall alle Ereignisse des bewussten Abends auf sein Haupt. Als Kyle geendet hatte, verstand es Stan, seine Verblüffung ausgezeichnet zu zügeln. „..." „...Was ist? Kein Aufschrei? Du ziehst das gleiche Gesicht wie Ike, als ich es ihm erzählt habe! Könntest du dich nicht ein bisschen mehr wundern, nur so aus Prinzip?" „Nein. Ich meine, ich wundere mich fast gar nicht." „Warum nicht!?" Stan verputzte gemächlich ein Sandwich, trank einen Schluck Cola und musterte Kyle dabei durchdringend von Kopf bis Fuß. „Offen gesagt, Kyle, ich hätte nicht gedacht, dass er schon so lange in dich verliebt ist. Aber ich habe..." Er suchte nach den richtigen Worten. „...ich habe eine gewisse... Neigung... von seiner Seite durchaus in Betracht gezogen." „Bist du irre!?! Cartman und ich, wir hassen uns!! Oder... zumindest hat er mich gehasst... Jedenfalls ist das grotesk! Wie kannst du so etwas behaupten?!" „Nun, eure Beziehung ist sehr komplex... nein, keinen Protest bitte, lass mich ausreden. Ich glaube, wenn du eure... eure ‚Verbindung‘ Hass nennst, machst du es dir selbst etwas zu leicht. Ihr seid Gegner und Rivalen, zweifellos, aber ihr seid auch Freunde - auf eine verdrehte, komplizierte und ziemlich anstrengende Art und Weise. Er hat dir während des Snobsturms das Leben gerettet! Ich gebe zu, das haut auch mich um... schließlich heißt das, dass ich es Eric Cartman zu verdanken habe, dass mein bester Freund noch unter uns weilt... worauf ich hinaus will: Hass ist ein starkes negatives Gefühl, das oft als das Gegenteil von Liebe aufgefasst wird. Das ist falsch. Liebe und Hass sind sich sehr ähnlich. Wenn man einen Menschen liebt, denkt man an ihn und daran, was man ihm Gutes tun könnte. Wenn man einen Menschen hasst, denkt man ebenfalls an ihn...und daran, was man ihm Schlechtes antun könnte. Liebe ist positiv und Hass, wie ich bereits sagte, negativ, in ihrer Intensität und Wirkung sind sie hingegen identisch. Liebe kann in Hass umschlagen und Hass in Liebe. Wären die beiden Gefühle so vollkommen wesensfremd, wie immer behauptet wird, wäre das wohl kaum möglich. Das tatsächliche Gegenteil von Liebe... ist Gleichgültigkeit." „Gleichgültigkeit?" „Wenn es dir egal ist, ob ein Mensch aus deinem Umfeld lebt oder stirbt, wenn es dich nicht im geringsten kümmert. Gleichgültigkeit ist die Verneinung jeglichen Gefühls... die Antithese zur Liebe. Und man kann über dich und Cartman sagen, was man will - gleichgültig wart ihr einander nie." Kyle zog unwillig die Stirn in Falten. „Also, selbst wenn wir uns nie gleichgültig waren, sind wir trotzdem keine Freunde! Rivalen, okay, aber Freunde? Im Ernst, Stan, hast du Drogen eingeschmissen, oder was?" „Warum regst du dich auf? Du weißt genau, dass ich recht habe. Du hast ihn gerettet, als er in der gefluteten Höhle unterzugehen drohte... und du hast ihn vor diesem durchgeknallten Snooki-Ding bewahrt, erinnerst du dich? Seltsam, dass deine Jerseygene erst zum Ausbruch kamen, als Cartman in Gefahr war... Fest steht, ihr habt beide eine Menge füreinander riskiert! Du siehst also, Worte wie Hass oder Verachtung allein werden eurer Beziehung nicht gerecht. Außerdem..." „Außerdem?" „...habt ihr einiges gemeinsam." Ein Satz, auf den höchstwahrscheinlich die Todesstrafe stand. Stan hielt sich vorsichtshalber die Ohren zu. Kyle konnte unangenehm laut werden. „AH, JETZT HAST DU VÖLLIG DEN VERSTAND VERLOREN, ODER!?! CARTMAN UND ICH HABEN ABSOLUT NICHTS GEMEINSAM, HAST DU KAPIERT!?! ER IST EIN ARMSELIGER, DUMMER, EGOISTISCHER, INTOLERANTER, RASSISTISCHER, MANIPULIERENDER SOZIOPATH!!!" „...Bist du fertig?" Kyle keuchte, seine Hände waren zu Fäusten geballt und sein Gesicht vor Zorn verzerrt. Er fixierte Stan mit einem unheilvollen, geradezu furchteinflößenden Blick und würgte angeekelt hervor: „Sag‘ das nie wieder! Ich bin nicht wie er!" „Ich habe auch nicht gesagt, dass du so bist wie er, ich habe gesagt, ihr habt einiges gemeinsam. Das ist ein Unterschied... und kein Grund, das Haus zusammen zu schreien. Übrigens liefert das schon einen Beweis für meine Behauptung: Dein Temperament. Du gehst schnell in die Luft, ganz wie Cartman. Du bist ein hoffnungsloser Dickschädel, ganz wie Cartman. Du hast einen ausgeprägten Stolz, ganz wie Cartman. Du sagst immer, was du denkst, ganz wie Cartman. Du bist gut darin, Pläne zu schmieden, ganz wie Cartman. Du hast einen sehr starken Willen, ganz wie Cartman. Du nimmst eine Sache gern selbst in die Hand, ganz wie Cartman. Du bist ausgesprochen ehrgeizig, ganz wie Cartman. Und du bist gerissen, ganz wie Cartman. Ich persönlich halte euch für zwei Seiten derselben Medaille. Ja, er ist ein Arschloch und ich mag ihn nicht besonders, trotzdem gehört er irgendwie zu uns. Er besitzt Eigenschaften, die anderen ein Vorbild sein könnten, würden sie nicht aus egoistischen oder moralisch fragwürdigen Gründen heraus eingesetzt. Er hat dein Leben gerettet und dabei sein eigenes riskiert. Du hast sein Leben gerettet und dabei dein eigenes riskiert. Ist das Hass? Nein. Hassliebe? Ja, das schon eher. Und heute? Heute ist es, zumindest für Cartman, nur noch Liebe. Er ist nicht gefragt worden, ob er dich lieben will, Kyle. Es ist einfach passiert. Natürlich wird er sich deswegen nicht um 180 Grad drehen und den Boden preisen, auf dem du gehst. Das hat nichts mit Liebe zu tun, sondern mit Schwärmerei, und über dieses Stadium ist er offensichtlich hinaus. Du würdest doch keinen Mann wollen, der zu allem Ja und Amen sagt, was du von dir gibst?" „...Nein. Nein, das nicht. Aber... aber kann er nicht versuchen, etwas weniger verachtenswert zu sein? Er ist ein verdammter Nazi, Stan! Er hasst Juden!" „Aber er liebt dich. Weißt du noch, dass er auf Butters‘ Party eine Swastika trug?" „Wie könnte ich das vergessen!" „Dann nehme ich an, du hast auch seine Antwort nicht vergessen, über den Ursprung des Symbols und seine eigentliche Bedeutung, die in vielen Ländern noch gilt und absolut nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun hat? Er hat dich extra darauf hingewiesen, dass es nicht die Nazivariante ist. Swastika ist also nicht gleich Swastika, auch wenn fast jeder das denkt. Warum nun sollte Cartman eine Swastika tragen, die nicht der Naziversion entspricht?" „...Du meinst... das war ein Versuch, weniger antisemitisch zu sein...?" „Ja. Gut, noch besser wäre es gewesen, wenn er sie ganz weggelassen hätte, aber für Cartmans Verhältnisse ist das immerhin ein Anfang." Kyle musste zugeben, dass das stimmte. Er dachte daran, dass Cartman ihn darum gebeten hatte, mehr Zeit mit ihm zu verbringen, doch bisher hatte er sich erfolgreich davor gedrückt... und dabei hatte er vermutlich mehr freie Zeit zur Verfügung als Cartman selbst. Sicher, er hatte die Bitte nicht direkt akzeptiert, andererseits verärgerte ihn sein notorisches Hinausschieben. Wovor hatte er Angst? Warum erklärte er seinem Rivalen nicht klipp und klar, dass er nicht mehr Zeit mit ihm verbringen wollte und fertig? Warum zögerte er es hinaus? Was hinderte ihn? Wollte er sich die Möglichkeit offenhalten, der Bitte vielleicht doch noch nachzukommen? Nein, das konnte nicht sein. ... ... ... Oder? »Seit einem Monat befinden Cartman und ich uns irgendwie in der Schwebe. Alles wirkt so normal; wir giften uns an, er nennt mich ‚Jude‘, ich nenne ihn ‚Blödarsch‘... es ist, als hätte das Geständnis überhaupt nicht stattgefunden. Status quo. Das Problem ist nur... jetzt weiß ich, dass es ihm gefällt. Er streitet gern mit mir. Er liebt es, wenn ich mich wehre. So wie neulich...« ~~ Rückblende ~~ Mittagessen. Die Cafeteria war erfüllt von Stimmengewirr, Tellerklappern und Gelächter, die Luft geschwängert von undefinierbaren Gerüchen. Kyle saß im Seniorbereich und verspeiste einen großen Salatteller, während Stan eine Lasagne verdrückte und Kenny sich über einen üppigen Eintopf hermachte. Cartman mampfte laut schmatzend eine Currywurst mit Pommes, sein Blick ruhte aber auf dem Salatteller. „Bäh, Jude, reicht es nicht, dass du koscher essen musst? Jetzt auch noch Kaninchenfraß?" „Nicht jeder frisst wie ein Schwein, Cartman." „...Stimmt. Du frisst wie die Judenratte, die du bist." „Sagte die Nazisau." Cartman lächelte. Es war ein boshaftes, grausames Lächeln. „Säue werden geschlachtet. Ratten vergiftet man. Oder man fängt sie und räuchert sie aus... so wie in Auschwitz." Kyle ließ seine Gabel fallen. Er hechtete über den Tisch und verpasste Cartman einen mächtigen Faustschlag. Geschirr und Besteck klirrte, Stan und Kenny sprangen reflexartig von ihren Stühlen und Kyle setzte unter lautstarken Beschimpfungen („Du wertloser Haufen Scheiße! Du mieses Stück Dreck! Wie kannst du es wagen?!") noch einen Kinnhaken drauf. Cartman stöhnte vor Schmerz und hielt seine Hände schützend vors Gesicht, was Stan dazu veranlasste, seinen besten Freund zu packen und beruhigend auf ihn einzureden. Der Quarterback blutete aus der Nase, seine Wange lief blauviolett an. Dann grinste er und hob die Augen... und da sah es Kyle zum allerersten Mal. In seinem brennenden Blick lag keine Abscheu, nicht einmal Zorn, sondern nichts als grenzenlose Bewunderung. Das war so unerwartet, so paradox, dass Kyles Wut einfach verpuffte. Cartman stand auf, seine Serviette an die Nase drückend, und meinte: „Du bist wirklich gefährlich, wenn du deine Krallen ausfährst, Jude. Aber das ist gut so. Zahnlose Tiger interessieren mich nicht." Seine Stimme klang fast zärtlich. Es schien, als sollte Kyle diese letzten Worte als Kompliment auffassen. „Oh, ist das so? Ist dir nicht klar, dass du eine Menge riskierst, wenn du dich mit einem Tiger anlegst?" Cartmans Grinsen vertiefte sich. „Sagte der Tiger zum Bären." ~~ Ende der Rückblende ~~ Ein treffender Vergleich. Cartmans Erscheinung war mächtig und imponierend. Mit einer Größe von 1,95 m und einem Gewicht von etwa hundert Kilo war er nicht nur größer und schwerer als durchschnittliche Quarterbacks, sondern seine Stärke teilte sich auch durch Worte und Gesten mit. Vor einer Woche, als der Judokurs ausgefallen war, hatte er Cartman beim Training erlebt und ihm widerstrebend Bewunderung zollen müssen. Seine Bewegungen hatten etwas ungemein Kraftvolles und seine Stimme, zum Befehlen geboren, konnte wie ein Schuss über das Spielfeld knallen; nichts entging ihm, kein Pass, kein Lauf, kein Bravourstück und kein Fehler. Der Coach des Teams, Mr. Lanigan, der äußerlich das genaue Gegenteil seiner Jungs verkörperte (klein und schmächtig), führte ein hartes, straffes, aber gerechtes Regiment und Cartman unterstützte ihn dabei hervorragend. Obwohl Mr. Lanigans Persönlichkeit alle seine Spieler überragte und er eigentlich gar keine Unterstützung nötig hatte. Auf dem Platz war Cartman eine Naturgewalt, eine Dampfwalze, der Donnergott persönlich. Ja, Donner... laut und grollend, wie das Knurren eines Bären... ein Bote ungebändigter Kraft, angsteinflößend und zugleich respektheischend... Seine Mannschaftskameraden standen geschlossen hinter ihm. Er erfüllte sämtliche Anforderungen, die sie an ihn stellten. Er war und blieb ihr unangefochtener Kapitän. Kyle durchrieselte eine Woge der Erregung. Warum nur besaß Cartmans Stärke, die doch durch das Training diszipliniert wurde, immer noch diese ungezähmte Qualität? Warum machte ihn das so anziehend? War es der Reiz der Gefahr? Der Wunsch, mit dem Feuer zu spielen? »Verdammt, wie ich das hasse!! Mein Körper sagt das eine, mein Verstand und mein Herz sagen etwas anderes! Gutes Aussehen ist eine jämmerliche Versuchung, der ich am wenigsten nachgeben will! Nicht einmal Butters, der wirklich ein schöner Mann ist, würde mich so fesseln, wenn er nicht auch einen bemerkenswerten Charakter hätte. Aber allein die Tatsache, dass Cartman eine Versuchung für mich darstellt...!« „Was wirst du jetzt tun?" Stans Frage holte ihn in die Realität zurück. Er zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht... Ich wollte ihm eine letzte Chance geben..." „Dann zieh‘s durch. Sag ihm, dass es seine letzte Chance ist und warte ab, was passiert." „Hm...Du hast recht. Einen Versuch ist es wert." Er schaute eine Weile sinnend vor sich hin, bis ihm etwas einfiel. „...Wer ist nun eigentlich deine Bekanntschaft mit der goldenen Stimme?" Und Stanley erzählte. Cartman ahnte von alldem nichts. Er hockte im „Weberstübchen" und aß süßes Gebäck, um zu vergessen, dass seine Mutter einen flotten Dreier auf der Couch gehabt hatte, während er in der Küche nebenan zu essen beabsichtigte. Statt dessen wurde ihm nur speiübel. Also verschwand er so schnell wie möglich, aber das Bild würde noch tagelang nachwirken. „Na, schmeckt‘s?" Er nickte mit vollen Backen. Petra Weber, die Tochter der Webers, denen die kleine Konditorei gehörte, setzte sich zu ihm und musterte ihn wie ein seltenes Museumsexponat. Ihre Eltern und sie lebten seit sieben Jahren in den USA, sie waren aber erst vor drei Jahren nach South Park gezogen, zuvor hatten sie in San Francisco gewohnt (nobody‘s perfect). Wie am Namen unschwer zu erkennen war, stammten sie aus Deutschland, genauergesagt aus München, und sie verkauften deutsche Konditorspezialitäten, denen ein beachtlicher Erfolg beschieden gewesen war, so auch in South Park. Petra kümmerte sich normalerweise um die Bedienung der Gäste, denn es war ein Cafébereich angeschlossen, bescheiden und gemütlich, aber stets gut besucht. Wie einige ihrer eigenen köstlichen Kreationen im Angebot bewiesen, konnte sie ebenso ausgezeichnet backen wie ihre Eltern, doch sie bevorzugte den Kontakt mit den Kunden, die sie häufig zu Gesprächen ermunterte. Auf diese Weise hatte sie Cartman kennen gelernt, der bereits am Eröffnungstag die ganze Karte rauf und runter probiert hatte. „Was drückt dir denn dein zartes Herzchen ab, Eric?" Er starrte sie an. Um die Antwort hinauszuzögern, verspeiste er zunächst den Rest seines Krapfens (in ihrer Heimat gab es verschiedene Sorten von Krapfen, wie Petra ihm erklärt hatte. Als er versuchte, das Wort nachzusprechen, verstauchte er sich fast die Zunge). Das Gebäckstück war noch warm, mit viel Marillenmarmelade gefüllt, und der Puderzucker knirschte beim Reinbeißen. Sein Unbehagen entging ihr nicht. Petra war fünfundzwanzig Jahre alt, groß und hübsch, mit langem Blondhaar, das sie zu einem Zopf geflochten trug, blauen Augen, einer Stupsnase und einem etwas spitzen Kinn. Sie war einer der wenigen Menschen, die Eric Cartman handhaben konnten, weil sie Nerven aus Drahtseilen besaß, obwohl sie in ihrer rüschenbesetzten Schürze keineswegs diesen Eindruck machte. „Lass mich raten: Es ist Kyle, richtig?" „..." „Schluck runter und hol Luft, sonst erstickst du mir noch. Wer sollte sonst das Problem sein, du Gipskopf? Du bist unglücklich verliebt in den Kerl! Immerhin hast du‘s ihm endlich verklickert, das ist schon ein Schritt vorwärts." „Der sich nirgendwohin entwickelt. Ich habe ihn gefragt, ob er nicht mehr Zeit mit mir verbringen könnte, aber bisher unternimmt er nicht das geringste in diese Richtung." „Das kannst du ihm nicht vorwerfen. Nach dem zu urteilen, was du mir erzählt hast, entsprichst du nicht gerade seiner Idealvorstellung von angenehmer Gesellschaft. Du bist ein Nazi, Eric, und ich halte nichts von dieser braunen Scheiße, wenn du verstehst." „Petra..." „Lass die Hundeaugennummer, die zieht bei mir nicht. Ich warne dich: Eine dumme Bemerkung über den Holocaust und ich stopfe dir dein rassistisches Maul mit meinem Serviertablett! Versteh mich nicht falsch, ich mag dich, was merkwürdig genug ist. Du bist willensstark, intelligent und direkt. Genauso direkt wie ich, nur noch unverblümter. Du beißt dich durch, egal, was kommt - und du hast diese putzige Schwäche für niedliche Tierchen." Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu, der glatt an ihr abprallte. „Andererseits kannst du ein echter Arsch sein... Daher finde ich es mehr als nachvollziehbar, dass Kyle angesichts eurer gemeinsamen Vergangenheit nicht sofort auf deine Bitte eingegangen ist. Wenn du nicht so eine gallige Art hättest... fällt es dir denn so schwer, deine intoleranten und ignoranten Prinzipien abzulegen? Es ist eine Ignoranz, für die du deine Mutter anklagst, aber wenn du sie selbst äußerst, ist sie plötzlich okay? Bist du, als Homosexueller, nicht auch Teil einer Minderheit, die Hass, Verfolgung und Mord ausgesetzt war? Denk mal darüber nach, mein scheinheiliger kleiner Hypokrit. Deine Liebe zu Kyle hat begonnen, dich zum Besseren zu verändern, aber wenn der Junge nur halb so stolz und kämpferisch ist, wie du ihn beschrieben hast, dann bist du ihm noch lange nicht ebenbürtig. Er ist stark. Du hingegen bist schwach, denn du kannst nicht einmal dich selbst überwinden." Sie schwiegen. Nach einer gefühlten Ewigkeit meinte Eric: „Im Ernst, Petra, ich weiß gar nicht, warum ich dich so gut leiden kann." „Das beruht auf Gegenseitigkeit, glaub mir. Übrigens würde ich Kyle gerne persönlich kennen lernen. Kannst du ihn nicht mitbringen, wenn du das nächste Mal herkommst?" „Ich bin nicht sicher, ob er euren Laden freiwillig betreten würde." „Aha? Nun, dann gib ihm das hier und richte ihm aus, dass ich ihn einlade." Sie zog ein Kärtchen aus einer Tasche ihrer Schürze und reichte es ihm. Es war ein Probiergutschein, nach Erhalt sechs Monate lang gültig. „Eine Einladung wird er doch nicht ausschlagen?" „Ich denke nicht. Dazu ist er zu höflich. Warum willst du ihn überhaupt treffen?" „Um mir ein eigenes Urteil zu bilden. Ich möchte wissen, ob er wirklich so umwerfend ist, wie du ihn schilderst. Und nun - darf es noch ein Krapfen sein?" „Habt ihr noch die mit der Vanillefüllung?" „Wir haben sogar noch welche mit Schokoladencreme." „Ehrlich? Dann her damit!" Im Hause Testaburger saßen zur selben Zeit Wendy, Bebe und Patty Nelson zusammen, um den neuesten Klatsch auszutauschen. Patty Nelson war Mitglied bei den Cheerleadern und aufgrund ihrer Größe von 1,80 m und ihrer damit verbundenen Körperkraft in der Regel die Basis sämtlicher Hebefiguren. Wie Bebe hatte sie eine ausgesprochen kurvige Figur, war aber weitaus stämmiger als sie. Ihr schwarzes Haar war zu einem Pagenkopf geschnitten und die ebenfalls schwarzen Augen funkelten vergnügt. Die Mädchen hatten vor einem Jahr Freundschaft geschlossen, als ein aufdringlicher Kerl Wendy und Bebe im Bus belästigt hatte und Patty ihm zeigte, was sie von solchen Typen hielt. Er musste feststellen, dass sie in ihrer Freizeit das Kickboxen erlernte. Außerdem war sie lesbisch und mit Eric Cartman befreundet. Im Moment wurde sie von ihrem Kapitän gelöchert, wann sie endlich mit der Identität ihrer festen Freundin herausrücken würde. „Bebe, ich hab dir schon mal gesagt, dass ich es euch nicht verraten werde. Ihr würdet mir sowieso nicht glauben! Ist es nicht viel wichtiger, herauszufinden, wer dein geheimnisvoller Briefeschreiber ist?" Bebe errötete. Sie bekam regelmäßig pro Woche einen Brief in Gedichtform und hatte immer noch nicht die geringste Ahnung, wer sie verfasst haben könnte. Der erste hatte ihr Haar besungen, der zweite ihre Augen, der dritte ihre Lippen, der vierte ihre Beine und ihren Busen, der fünfte ihre Stimme und der sechste und aktuellste das gesamte Paket. Und trotz des erotisch angehauchten Inhalts waren sie niemals profan oder gar vulgär. Wendy las gerade das zuletzt geschriebene Werk laut vor: „Ihr Haar ein goldner Schleier aus Licht, Doch ich bin ihrer nicht würdig und so berühre ich sie nicht. Ihre Augen reine Edelsteine, deren Strahlen mich lähmt und zerbricht, Doch ich bin ihrer nicht würdig und so sieht sie mich nicht. Ihre Lippen wie der Purpur einer Rose, deren Dorn mich sticht, Doch ich bin ihrer nicht würdig und so küsse ich sie nicht. Ihre Beine sind göttinnengleich und ganz auf den Tanz erpicht, Doch ich bin ihrer nicht würdig und so tanze ich nicht. Ihre schöne Brust wäre Zuflucht und Lust für mich armen Wicht, Doch ich bin ihrer nicht würdig und so liebe ich sie nicht. Ihre sanfte Stimme klingt wie Musik, wenn sie spricht, Doch ich bin ihrer nicht würdig und so hört sie mich nicht. Ohne Hoffnung ist mein Sehnen, ohne Trost mein Schmerz: Ihr allein gehört meine Seele, ihr allein gehört mein Herz." Sie seufzte verzückt. „Nennt mich altmodisch, aber ich liebe diesen Kitsch! Ich meine, dass ein Junge sich so viel Mühe gibt und tatsächlich versucht, seine Gefühle in lyrische Worte zu kleiden, wer macht das heutzutage denn schon? Die meisten hätten Schiss, dass man sie für schwul hält oder sowas. Oh Bebe, hast du wirklich keine Idee, wer es sein könnte?" „Nein. Wenn ich es wüsste, hätte ich ihn längst darauf angesprochen und ihn um ein Date gebeten. Was wollt ihr? Ich bin eben eine hoffnungslose Romantikerin und würde sofort mit so einem Jungen ausgehen! Er muss einfach süß sein!" „Wohl kaum", warf Patty ein und da Bebe sie verständnislos anstarrte: „Nun ja, überleg doch mal, er betont immer wieder, dass er deiner nicht würdig ist. Es muss also jemand sein, der nicht so ohne weiteres den Kapitän der Cheerleader um eine Verabredung bitten kann, aus Angst, sich lächerlich zu machen oder zurückgewiesen zu werden... oder beides. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass es sich um einen langweiligen oder zumindest unscheinbaren Jungen handelt, der sich keinerlei Chancen bei dir ausrechnet. Einer, der süß ist und weiß, dass er dir gefallen könnte, hätte diese Geheimniskrämerei nicht nötig." „...Du hast recht, daran habe ich gar nicht gedacht..." Wendy runzelte die Stirn. „Was soll dieses enttäuschte Gesicht!? Hat dir noch niemand gesagt, dass man oft Frösche küssen muss, bevor man seinen Prinzen bekommt? Du bist ein bisschen oberflächlich in dieser Hinsicht, Bebe, vielleicht sogar oberflächlicher, als dir gut tut. Du wartest auf den Ritter in schimmernder Rüstung, der auf seinem weißen Pferd heranstürmt und dich unter dem Klang von Pauken und Trompeten auf sein Schloss entführt. Das Problem ist nur: Dieses Wunderwesen existiert nicht. Wenn sich dein Briefeschreiber als Frosch entpuppen sollte, musst du dich mit ihm auseinander setzen, anstatt ihn wieder in den Brunnen zurückzuwerfen. So viel Respekt schuldest du ihm." „Du sagst es, Süße!" Patty streckte ihre Hand zu einem High Five aus und Wendy schlug ein. „Aber... was ist, wenn ich ihn nicht mag?" „Das ist dein Risiko. Trotzdem, selbst dann musst du ihm gegenüber fair sein. Versprichst du uns das? Dass du ihm eine Chance gibst, auch wenn er auf den ersten Blick nicht dein Fall zu sein scheint? Ich verrate euch auch, mit wem ich zusammen bin!" „Ehrlich!? Okay! Ich verspreche hiermit, meinem Verehrer auch dann eine Chance zu geben, wenn er ein Frosch sein sollte... denn er könnte sich in einen Prinzen verwandeln. Und jetzt raus mit der Sprache!" Patty verdrehte die Augen. „Schön. Es ist Tammy." „Tammy? Tammy Warner?! Hatte die nicht mal was mit Kenny? Seit wann ist sie lesbisch?" „Ist sie gar nicht, sie ist bi. Sie hat ihre Ausbildung zur Friseuse begonnen und will irgendwann ein eigenes Geschäft eröffnen." „Ausgerechnet Tammy!" Wendy kicherte. „Kenny würde es garantiert umhauen, wenn er das wüsste! Oder er würde fragen, ob er zugucken darf, wenn ihr... du weißt schon." „Oh, Kenny ist im Bilde. Zum Glück neigt er nicht zur Eifersucht." „Das kommt darauf an", erwiderte Bebe grinsend und die beiden anderen glotzten sie an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen. „He, schaut nicht so! Ist euch noch nie aufgefallen, wie mies seine Laune wird, sobald Gary Harrison auftaucht und Stan den Hof macht?" Die drei Freundinnen tauschten verschwörerische Blicke. Konnte Mr. Oberplayboy wirklich eifersüchtig sein? So, und zum Schluss ein paar unvermeidliche Kapitelnotizen: Warum gerade "The Last Unicorn"? Weil es eines meiner Lieblingslieder ist und ich es einfach sehr schön finde!^^ Gut. Aber was hat dieser OC namens Petra da zu suchen? Nun, weil wir bei Kyle und Cartman die Juden/Nazi-Problematik haben und ich es für nötig hielt, eine dritte Partei miteinzubringen, die ebenfalls bis zu einem gewissen Grad von diesem Thema betroffen ist und sowohl Cartman als auch Kyle eine andere Perspektive aufzeigen kann. Und da es meines Wissens keine Figur mit deutschen Wurzeln/deutscher Herkunft im South Park-Canon gibt, musste ich eine erfinden. Anderenfalls hätte ich einen Background-Charakter genommen, wie bei Patty Nelson. Wir wissen nichts über sie (außer dass Cartman sie mag), aber sie existiert im Original, also habe ich sie herausgepickt und ihr eine Persönlichkeit verpasst. Es gibt so viele Figuren in South Park, die nur in einer einzigen Episode auftauchen oder immer nur im Hintergrund zu sehen sind und mit denen man so viel anstellen könnte, weil sie wenig bis gar nicht definiert sind, aber kaum ein FF-Autor macht das. FFs sind wie ein großer Spielplatz, aber fast niemand spielt auf der gesamten Anlage. Schade. *seufz* Na schön, genug philosophiert, wir sehen uns beim nächsten Kapitel!^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)