Familiar Taste Of Poison von BeautyRani ((KaixRei)) ================================================================================ Kapitel 28: Show Me Your Feelings --------------------------------- Wie jeden Morgen weckte ihn der Wecker seines Handys. Doch Rei wusste, dass dieser Morgen nicht wie jeder andere sonst auch war, nein. Dieser Morgen bedeutete Veränderung. Gestern wusste er, dass er etwas für seinen Stiefbruder empfand. Heute wusste er, was es genau war. Gestern meinte er, Kai zu kennen. Heute kannte er den wahren Kai, mit seinen schlechten, vor allem aber auch mit seinen guten und sensiblen Seiten. Gestern glaubte er noch, sich irgendwie retten zu können. Heute wusste er, dass er verloren war. Wie zur Bestätigung, suchte seine Hand bereits nach dem Grund seiner Verdammnis. Leider fühlte er nichts weiter als kühle Leere. Sogar bevor er die Augen aufschlug, wusste er, dass er alleine war. Kai war nicht mehr da. Er wusste nicht, ob er darüber erleichtert oder enttäuscht sein sollte, doch brauchte er nicht lange, um zu merken, dass Letzteres überwog. Ein großer Nachteil eben, wenn man verliebt war. Man sehnte sich nach dieser Person, egal ob man es wollte oder nicht und Rei wäre es wesentlich lieber gewesen, wenn ihm Kai's Abwesenheit egal wäre. Dass es ihm egal wäre, dass sie nicht zusammen aufgewacht waren, in einer tiefen Umarmung geschlungen und die Wärme des anderen teilend. Um diesen absurden Gedanken zu entkommen, stand er schnell auf und suchte seine Kleider zusammen. Als er dann aus seinem Zimmer ging und Richtung Bad marschierte, hielt er vor der Tür inne. Er verfluchte seine dumme Hoffnung, Kai dort drin zu begegnen und verbot sich den Gedanken auf eine mögliche Fortsetzung ihres letzten Badezimmer-Intermezzos. Er entließ ein Seufzen, als er die Tür öffnete und mit keinem arroganten Grinsen begrüßt wurde oder einem flapsigen Kommentar. Kai war nicht da. Nachdem er sich geduscht und angezogen hatte, fuhren seine Gefühle wieder Achterbahn, denn er war auf dem Weg in die Küche. Eine unvermeidbare Begegnung mit Kai stand ihm unmittelbar bevor und sein Herz beschleunigte sich daraufhin einige Takte. Nur noch ein paar Meter, er konnte bereits Elly's heiteres Plappern hören. Er schluckte hart, bevor er sich endlich hinein wagte. Er nahm die morgendliche Begrüßung der anderen kaum wahr, während ihn abermals das Gefühl der Enttäuschung beschlich. Dieser Bastard war nicht da! Wo zum Kuckuck steckte dieser Typ?! „Also wenn du Kai meinst, er ist bereits vor dem Frühstück gegangen“, erwiderte seine Mutter, was ihm mitteilte, seine Frage laut ausgesprochen zu haben. „Er hatte es ziemlich eilig“, fuhr sie nachdenklich fort. „Er wollte nicht einmal warten, bis ich ihm etwas für unterwegs eingepackt habe.“ „Hm, seltsam“, sinnierte Alexander, während er die Morgenzeitung zusammenlegte. „Meinst du es stimmt etwas nicht?“, fragte er seine Frau, die lediglich mit den Schultern zuckte. Synchron wandten sich beide zu Rei, der dem Drang widerstehen musste, auf seiner Unterlippe zu kauen. Genau in dem Moment schien seine Mutter die Wunde auf seiner Lippe zu bemerken. „Oh nein, sag mir jetzt nicht, Kai hat sich gestern Nacht bei dir revanchiert und dir ebenfalls aus Reflex eine verpasst. Ist das der Grund, warum er so früh gegangen ist? Habt ihr euch gestritten?“ Unsicher blickte er von seiner Mutter zu Alexander, die ihn erwartungsvoll ansahen und auch Elly schien dieses Gespräch interessanter zu finden, als ihre Cornflakes. „Nein, wir...ich...“, er hatte keinen Schimmer was er nun sagen sollte. Wieso war Kai nicht da, um zur Abwechslung mal für ihn eine Ausrede zu erfinden? „I-ich hab mich nicht mit Kai gestritten.“ Okay, das war schon mal ein guter Anfang. „Ich...hab ihn gestern überhaupt nicht gesehen, als ich nach Hause gekommen bin. Hab also keine Ahnung, warum er es vorhin so eilig hatte.“ Das hatte hundertprozentig etwas mit ihm zu tun gehabt, aber da er das ja nicht sagen durfte... Sollte Kai sich später doch selbst eine Ausrede einfallen lassen, wieso musste er immer die ganze Arbeit machen? „Hm“, kam es einvernehmlich von seinen Eltern. „Naja, dann frag ich ihn eben selbst, wenn er nach Hause kommt“, entschloss Yui. „Und wie ist das mit deiner Lippe passiert?“, hakte Alexander zu Rei's Leidwesen nach. „Ähm...naja es war so...ich...“, er dachte angestrengt nach und irgendwie formten seine Gehirnzellen dann doch die perfekte Lüge. „Mao's Bruder hat sie mir verpasst, weil ich ihr angeblich das Herz gebrochen hab.“ „Was?“, kam es erneut gleichzeitig von seinen Eltern zurück. Schulterzuckend setzte sich Rei an den Tisch und entschloss sich wenigstens die halbe Wahrheit zu sagen. „Es hat einfach nicht gefunkt. Ich sehe in ihr einfach nur eine gute Freundin und das hat sie zwar etwas verletzt, aber sie meinte, sie würde darüber mit der Zeit hinwegkommen.“ „Und ihr Bruder sah das wohl anders?“, amüsierte sich Alexander und bekam von Yui prompt einen leichten Schlag auf den Arm. „Das ist nicht lustig, Alex.“ „Ach komm schon, er hat doch nur die Ehre seiner Schwester verteidigt und ich hoffe, Rei tut später mal das gleiche für Elly.“ Sofort reagierte das Mädchen bei der Erwähnung ihres Namens. „Was meinst du damit, Papa?“ „Dafür bist du noch zu klein. Ich erzähls dir wenn du älter bist.“ „Ich will es aber jetzt wissen!“, beharrte die Fünfjährige darauf. „Na das hast du ja super hingekriegt“, meinte Yui anklagend und versuchte ihrer Tochter wenigstens ansatzweise zu erklären, was ihr Vater damit gemeint hatte. Rei hörte da gar nicht mehr hin, da seine Gedanken wieder drohten abzuschweifen, wenn Alexander ihn nicht unterbrochen hätte. „Hey, Rei, wenn du dich für diesen besonderen Tag schon mal vorbereiten willst, dann trainiere doch zusammen mit Kai.“ Verständnislos blickte er ihn an. „Na, ich war mit Kai vor kurzem in einem sehr guten Fitnessstudio, seitdem geht er ab und zu dahin, um in Form zu bleiben.“ Kein Wunder, solche Bauchmuskeln bekam man ja nicht von alleine. Und nun wusste er auch, warum er ihn ein oder zweimal mit einer Trainingstasche um die Schulter herumlungern sehen hatte. Da war es Rei eigentlich egal gewesen, was sein Stiefbruder in seiner Freizeit so trieb, hautpsache er blieb ihm vom Leib. Doch nun hatten sich die Dinge geändert und er verspürte das Verlangen, jede kleinste Kleinigkeit aus Kai's Leben zu erfahren.... ~***~ Nicht gerade bester Laune schloss Rei seinen Spind, nachdem er seine Bücher dort verstaut hatte. Er hatte zwar erst zwei Kurse hinter sich gebracht, doch fehlte immer noch jede Spur von Kai. Nicht, dass er ihn sonst auf dem College oft zu Gesicht bekam, abgesehen von ihrem gemeinsamen Literaturkurs, der heute leider nicht auf ihrem Stundenplan stand. „Hi“, wurde ihm auf einmal ins Ohr gehaucht und für eine Millisekunde setzte sein Herzschlag aus, bis es wieder seinen gewohnten Lauf fortsetzte, als er den Übeltäter erblickte. „Mach das nie wieder“, keifte Rei seinen Gegenüber sofort an, der abwehrend die Hände hob. „Hey, welche Laus ist dir den über den Weg gelaufen, dass du – ach du scheiße!, was ist denn mit deiner Lippe passiert?!“ Besorgt beugte sich Yuriy nach vorne, um die Wunde genauer zu inspizieren. „Also so schlimm, sieht es nun auch wieder nicht aus“, hielt der Schwarzhaarige dagegen, zumindest fand er es, als er heute Morgen einen Blick im Spiegel darauf geworfen hatte. „Wie ist das passiert? Hat dir Mao vor Vorfreude beim Küssen die Lippe blutig gebissen, oder was?“ Rei waren das Augenverdrehen und der missgönnte Tonfall in dessen Stimme nicht entfallen, doch entschloss er es zu ignorieren. „Es war nicht Mao. Um ehrlich zu sein, war sie gar nicht mehr da gewesen, als es passiert ist.“ „Als was passiert ist?“, hakte der Rothaarige teils neugierig, teils anklagend nach. „Sag bloß, es war das Werk deines missratenen Stiefbruders?“ Seufzend ließ Rei den Kopf hängen, als er sich dazu entschloss, Yuriy die Wahrheit zu sagen. Schließlich war er sein bester Freund. „Kai hat das nicht getan, im Gegenteil. Er hat mich davor gerettet.“ Er konnte den verwirrten Blick seines Freunden regelrecht auf sich spüren, als er dann anfing von Gestern zu erzählen. Davon, dass zwischen Mao und ihm nie mehr sein würde als Freundschaft, von der fast Vergewaltigung und davon, wie Kai ihn davor bewahrt hatte. Natürlich ließ er alles weitere, was danach passiert war aus, das hatte niemanden etwas zu interessieren und würde ein Geheimnis zwischen ihnen bleiben. Als er dann wieder zu Yuriy blickte, sah er, wie sehr diesen die Geschehnisse der letzten Nacht trafen und wie dieser seine unbandagierte Hand zu einer Faust schloss. „Dieser verdammte Wichser“, hörte er ihn zischen und wusste nicht wirklich, ob Yuriy damit Kai oder seinen gestrigen Angreifer meinte. „Ich hoffe, dein blöder Stiefbruder hat ihm richtig eine verpasst“, erläuterte er und Rei musste leicht lächeln. „Keine Sorge, ich glaub, Kai hat ihm die Nase gebrochen.“ „Gut.“ Damit drehte sich der Rothaarige mit einem Grinsen zu ihm. „Da bin ich ja mit meinem gebrochenem Handgelenk noch glimpflich davon gekommen, was?“ Es war klar, dass er Rei damit etwas aufheitern wollte, was gut zu funktionieren schien, als dieser ein leises Lachen entließ und nicht anders konnte, als seinen besten Freund spontan zu umarmen. Dieser erwiderte es und fuhr ihm sanft über den Rücken. „Dir geht es gut, oder?“, fragte er mitfühlend und erntete ein leichtes Nicken. Erleichtert atmete er aus. „Schätze ich bin dem Kerl zu Dank verpflichtet“, meinte er dann schnaubend und mit einem spielerischen Schubs löste Rei die Umarmung. „Begleitest du mich noch zu meinem nächsten Kurs?“ Nickend folgte der Schwarzhaarige ihm den Flur entlang. Während Yuriy sich dann darüber ausließ, was es doch für eine bescheuerte Idee war, Mao überhaupt um ein Date zu bitten, da der Verlauf für ihn sowieso klar war, erblickte Rei unerwartet einen graublauen Schopf, der drohte zwischen den vielen Studenten wieder zu verschwinden. Darauf schließend, dass es eigentlich nur Kai sein konnte, drehte er sich zu Yuriy um. Dieser war seinem Blick anscheinend gefolgt, denn ein Lächeln – vom dem Rei wusste, dass es aufgezwungen war – zierte sein Gesicht. „Na geh schon“, forderte er ihn mit einer Kopfbewegung in besagte Richtung auf. „Yuriy...“ Ein Kopfnicken war die Antwort und verstehend, drückte Rei die Hand seines Freundes kurz, bevor er sich auf den Weg machte, seinem Stiefbruder zu folgen. Je mehr Rei sich von Yuriy entfernte, desto düsterer wurde sein Blick und sein aufgesetztes Lächeln wurde zu einer Grimasse. Er wusste, dass er Rei endlich loslassen musste. Er hatte nämlich dessen Blick gesehen, als er ihm davon erzählte, wie Kai ihn gerettet hatte. Voller Bewunderung und Zuneigung hatten sie ihn angeschimmert. Und auch jetzt, als dessen Augen den Graublauhaarigen von weitem erblickten, hatten sie einen besonderen Glanz angenommen und eine tiefe Sehnsucht war in ihnen zu erkennen gewesen. Er hatte sich immer gewünscht, dass dieser Blick eines Tages ihm gelten würde, doch nun blieb ihm nichts anderes übrig, als Rei gehen zu lassen und die bittere Wahrheit zu akzeptieren. Sein bester Freund war nämlich drauf und dran sich in seinen Stiefbruder zu verlieben...wenn er es nicht bereits schon war. ~***~ Genüsslich schloss er die Augen, nachdem er sich unter einem Baum ins Gras niedergelegt hatte. Nur spärlich konnte er hier den Lärm wahrnehmen, der vom Hauptgebäude zu ihm herüber schallte. Dieses ruhige Plätzchen war vom Campus etwas abgeschottet und somit zu seinem neuen Lieblingsplatz geworden. Hier konnte er sich von Tyson's ständigem Gerede anderer Leute, das ihn sowieso nicht interessierte, erholen. Hier konnte er ein kleines Nickerchen vor seinem nächsten Kurs machen, wenn er die Nacht davor nicht gut geschlafen hatte, weil ein gewisser jemand seine Gedanken bestimmt hatte. Und hier würde auch keiner mitbekommen, wie er sich in Grund und Boden schämte, wenn er an letzte Nacht dachte. Er wusste wirklich nicht, was da mit ihm los gewesen war. Er hatte sich wie ein ganz anderer Mensch gefühlt. Zuerst hatte ihn die Eifersucht innerlich zerfressen, als er daran dachte, was Rei wohl bei seinem 'Date' alles mit dieser pinken Göre trieb. Nach stundenlangem im Wohnzimmer sitzen und sich mit der restlichen Familie die Nachrichten ansehen, hatte sich jedoch langsam auch Sorge in ihm breit gemacht. Daran war ein Beitrag von einem jungen Mädchen, welche abends alleine unterwegs war und von einem Unbekannten vergewaltigt und ermordet wurde, nicht ganz unschuldig. Auch Yui hatte sich daraufhin angefangen Sorgen zu machen, da es draußen bereits dunkel war und der Schwarzhaarige immer noch nicht zu Hause war. Nicht ganz uneigennützig, hatte er angeboten sich bei Rei per SMS um sein 'Befinden' zu erkundigen. Dessen Antwort konnte dann vielleicht Yui etwas zufriedenstellen, aber nicht ihn. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl dabei und zum Glück neigte er dazu, seiner Intuition zu vertrauen, weshalb es auch nicht lange dauerte, bis er aus dem Haus war. Was er später im Park erblickte, hatte ihm die Kehle zugeschnürt und sein Körper war einige Sekunden lang wie in einem Schockzustand gewesen. Doch dann schienen alle Gefühle auf einmal auf ihn niederzuprasseln. Sorge, Angst und rasende Wut. Was dann geschah, hatte er kaum wahrgenommen, er wusste nur, wenn Rei ihn nicht aufgehalten hätte, dann wäre der Typ vermutlich nicht lebend aus dieser Sache herausgekommen. Danach hatte seine ganze Aufmerksamkeit nur noch Rei gegolten. Er wollte den geschockten Blick aus dessen Augen vertreiben, wollte ihn am liebsten in den Arm nehmen und den berühmten Spruch „Alles wird gut“ murmeln. Und wenn Kai nun an ihre Umarmung und die federleichten Küsse zurückdachte, musste er lächeln. Wenn ihm dieses Erlebnis etwas gezeigt hatte, dann, wie viel Rei ihm eigentlich bedeutete und dass er ihn auf keinen Fall verlieren wollte. Als seine Gedanken jedoch zu seinem 'Seelenstriptease' zurück schweiften, verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Er wusste nicht, wieso er plötzlich das Verlangen gefühlt hatte, Rei sein Innerstes zu präsentieren. Eigentlich hatte er nie vorgehabt, jemandem einen näheren Einblick, bezüglich seiner Gefühle für seine Mutter und die Zweifel die er hatte, zu geben. Aber irgendwie wusste er, dass er Rei vertrauen konnte und die Worte waren, ohne dass er einen Einfluss darauf haben konnte, einfach so aus ihm herausgepresst. Und dann hatte er geweint... – oh Gott, er hatte nie gewollt, dass Rei ihn so schwach und hilflos erlebte. In der Nacht war es ihm gleich gewesen, was Rei von ihm dachte, er war zu sehr in seinen eigenen Emotionen gefangen gewesen. Aber als der nächste Morgen anbrach und sein Kopf alle Ereignisse verarbeitet hatte - er konnte ihm einfach vor Scham nicht ins Gesicht sehen und hatte es für besser befunden, sich so schnell es ging aus dem Staub zu machen. Kurz verzogen sich seine Lippen zu einem Schmunzeln, als er daran dachte, wie er - immer noch in Rei's Armen liegend - aufgewacht war. Er hatte sich so geborgen und wohl darin gefühlt. Und trotzdem hatte er diesen sicheren Ort, wegen seiner eigenen Unsicherheit, verlassen müssen... Oh man, er konnte mit dieser ganzen Gefühlsduselei wirklich nicht umgehen. Nur am Rande nahm er wahr, wie sich leise Schritte näherten und dann nicht weit von ihm verstummten. Neugierig öffnete er ein Auge, schloss es jedoch wieder, als er seinen neuen Besucher erkannte. Äußerlich schien er die Ruhe selbst zu sein, innerlich wurde er aber etwas nervös, da er mit Rei's Anwesenheit nicht gerechnet hatte und nicht wusste, was ihn nun erwartete. Er hörte, wie dieser sich neben ihn setzte, das Schweigen - zu seiner Unruhe - beibehaltend. Wieso sagte er denn nichts? Seine Lider fingen an zu zucken und es fiel ihm sichtlich schwer, sie weiterhin geschlossen zu halten. Rei ging es unter anderem nicht unähnlich. Eigentlich hatte er vorgehabt, Kai eine kleine Szene zu machen, wo er heute Morgen denn abgeblieben war. Doch da er Kai damit nicht auf falsche, beziehungsweise richtige, Gedanken bringen wollte, entschloss er sich dagegen. Außerdem wären ihm die Worte sowieso im Hals stecken geblieben, als er bei dem Graublauhaarigen ankam. Dieser lag, mit verschränkten Armen hinter dem Kopf und geschlossenen Augen gemütlich im Gras und sah so friedlich aus, dass Rei diese Ruhe unter keinen Umständen kaputt machen wollte. Deswegen schritt er langsam auf ihn zu und blieb neben ihm stehen. Als er dann kurz von einem rubinroten Auge gemustert wurde, fing sein Herz wieder an, in dem neu bekannten Rhythmus zu schlagen. Unsicher wie es nun weitergehen sollte, ließ er sich im Schneidersitz neben ihm nieder und lehnte sich mit dem Rücken an den Baumstamm. Er wusste nicht, ob Kai ihn nun ignorierte, wollte es aber auf einen Versuch ankommen lassen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, kam ihm der andere überraschenderweise zuvor. „Hast du jetzt keinen Kurs zu dem du musst?“ Seine Stimme klang neutral und ließ nichts auf den momentanen Gefühlszustand des Graublauhaarigen hinweisen. Gleichgültig zuckte er mit den Schultern, obwohl Kai das nicht sehen konnte. „Wolltest du mich nicht eigentlich auf Schritt und Tritt verfolgen?“, konterte er wagemutig und wartete gespannt auf die Antwort, die nach einigen Momenten aus einem kurzen Lachen bestand. Mit dieser Frage, hatte er anscheinend die seltsame Stimmung, die zwischen ihnen herrschte, gebrochen und es sogar geschafft, dass Kai nun die Augen öffnete und ihn amüsiert ansah. „Was denn? Kannst du den Weg zur Bushaltestelle nun nicht mehr alleine finden?“ Rei biss sich auf die Lippe, um ein Grinsen zu unterdrücken und zuckte unwillkürlich zusammen, als er dadurch wieder an die kleine Verletzung darauf erinnert wurde. Auch Kai war diese Geste nicht entgangen und sein Blick verdüsterte sich für einen Augenblick. „Tut's noch weh?“ „Ich werd's überleben“, meinte er lächelnd, worauf der Graublauhaarige lediglich nickte und sich etwas aufsetzte. Mit den Ellenbogen stütze er sich ab und lehnte seinen Kopf an den Baumstamm. Es herrschte eine kurze Stille zwischen ihnen, die Rei dann mit seinen nächsten Worten brach. „Du musst dir 'ne gute Ausrede einfallen lassen. Mum ist ziemlich skeptisch geworden, als du es heute Morgen so eilig hattest aus dem Haus zu kommen.“ Damit hatte er das Thema angeschnitten, ohne es dabei wie einen Vorwurf klingen zu lassen. Er beobachtete Kai, der dabei jedoch keine Miene verzog, sondern nur lässig mit den Schultern zuckte. „Mir wird schon was einfallen.“ Damit schien für ihn die Sache vom Tisch zu sein, für Rei hingegen noch lange nicht. Blieb ihm also doch nichts anderes übrig, als mit der Tür ins Haus zu fallen. „Nur so aus Neugier“, fing er gespielt desinteressiert an. „Wieso bist du eigentlich so früh abgehauen?“ Er war sich ziemlich sicher, dass Kai ihn nun ansah, doch vermied er jeglichen Blickkontakt, aus Sorge dann ertappt zu werden. „Meinst du aus deinem Bett oder aus dem Haus?“, hörte er diesen fragen und wusste auch ohne hinzusehen, dass er sein typisches Kai-Grinsen aufgesetzt hatte. Der Graublauhaarige hatte Recht, er war wirklich ein mieser Schauspieler, wenn er so leicht zu durchschauen war. Sich seinem Schicksal ergebend, seufzte er einmal. „Beides.“ Verwundert sah er zu Kai, als dieser überraschenderweise ebenfalls ein Seufzen entließ und seinen Blick geradeaus lenkte. „Weißt du, mir waren die Zeiten, in denen du mich beschimpft und körperlich verletzt hast, viel lieber, als...das hier“, gab er schulterzuckend zu, wobei Rei eine Augenbraue hob. „Das hier?“ „Na du weißt schon, dieses ganze Gefühlsgerede.“ Das verwirrte den Schwarzhaarigen noch mehr. „Was hat denn meine Frage bitteschön mit Gefühlsgerede zu tun?“ „Ach Rei, stell dich nicht dümmer als du bist.“ „Tu ich doch gar nicht.“ „Und warum kannst du mir dann nicht folgen?“ „Weil du eine komische Denkweise hast.“ „Ich dachte, ich kann nur mit meinem Schwanz denken“, neckte er ihn. „Ich hab auch nichts anderes behauptet“, bestätigte Rei. „Aber... du hast auch deine sehr seltenen Momente, in denen du deinen Sexualtrieb ausschaltest und...Gefühle zulässt.“ „Und wieder sind wir beim Gefühlsgerede angekommen“, kommentierte Kai mit einem Augenrollen. „Was ist so schlimm daran?“ „Nichts, nur bin ich einfach nicht der Typ dafür. Ich lass eher Taten als Worte sprechen, verstehst du?“ „Oh ja, das hast du mir ja schon mehrmals demonstriert“, meinte Rei mit leichtem Vorwurf und traf auf Kai's entschuldigenden Blick. „Ich gelobe Besserung.“ Kai unterstrich diese Worte mit einem übertriebenen Blick, welcher nur ansatzweise der eines Hundewelpen gleichkam. Trotzdem wurde es Rei warm ums Herz, sodass er dessen Gesicht mit seiner Hand zur Seite drehte. „Hör auf mit dem Quatsch“, kam er nicht umhin lächelnd hinzuzufügen, was der Graublauhaarige ebenfalls mit einem Lächeln erwiderte. Erneut entstand ein stiller Moment zwischen ihnen, doch fühlten sich beide diesmal dabei nicht unwohl. „Du hast mir meine Frage immer noch nicht beantwortet“, sprach Rei mit leiser Stimme, um die angenehme Ruhe nicht völlig zu zerstören. Kai brauchte allerdings einige Augenblicke um zu antworten und auch er beließ es bei einem leisen Ton. „Sagen wir einfach, ich hab mich an diesem Morgen nicht so selbstbewusst gefühlt, wie sonst.“ „Meinst du wegen gestern Nacht?“, hakte Rei nach, bekam dieses mal jedoch keine Antwort. Anscheinend war Kai's Pensum an persönlichen Gesprächen wohl für heute erreicht. Trotzdem wollte Rei ihre Unterhaltung nicht einfach so stehen lassen. „Auch wenn es dich vermutlich nicht interessiert, aber ich finde den Gefühls-Kai eigentlich ziemlich sympathisch und du solltest ihn vielleicht etwas öfter durchschimmern lassen.“ Ein Schnauben war die Antwort darauf. „Oh ja, dabei kann ich mich auch gleich für den Club der Weicheier einschreiben lassen.“ „Nur weil man Gefühle zeigt, ist man nicht gleich ein Weichei, Kai.“ „Erzähl mal das den Schlägertypen auf meiner alten Schule.“ Überrascht sah Rei ihn an, doch Kai entschied sich wohl dazu, nichts weiter dazu zu sagen, was ihm dessen abweisende Miene deutlich mitteilte. „Und wenn...“, meinte Rei dann nach einer Weile und schluckte kurz, bevor er seine nächsten Worte aussprach. „Wenn du sie nur mir zeigst?“ Verwundert wurde er nun von Kai angesehen und er konnte spüren, wie sich vor Nervosität sein Herzschlag beschleunigte. Als sich Kai's Lippen dann zu einem – ja fast schon – liebevollen Lächeln verzogen, hoffte er nicht gleich so rot zu werden, wie ein verliebtes Schulmädchen. Er atmete innerlich erleichtert aus, als der Graublauhaarige endlich seinen Blick von ihm nahm. Irgendwie überraschte es ihn nicht, dass Kai seine Bitte ignorierte und er hatte sich beinahe schon damit abgefunden, keine Antwort mehr von ihm zu bekommen. Doch wie sagte man so schön: die Hoffnung stirbt zuletzt. Und nach einigen Augenblicken konnte er spüren, wie Kai sich seitlich an ihn lehnte und den Kopf gegen seinen Arm drückte. „Wenn ich es mir so recht überlege, ist das hier auch nicht so übel“, murmelte er leise und Rei sah wie er mit einem leichten Lächeln die Augen schloss. Er wusste, dass er nicht mehr von Kai bekommen würde und zufrieden stellte er fest, dass ihm das auch vollkommen ausreichte. ------------------------------------- Ich hoffe, dass das Kapi euch einigermaßen gefallen hat, hab diesmal auch wieder kurz die Family mit eingebaut, falls der ein oder andere ihre Existenz bereits vergessen haben sollte...was natürlich dann mein Fehler wäre XD Auch hoffe ich, dass ihr Kais und Reis Gedanken und Handlungen hier nachvollziehen könnt, da bin ich mir auch etwas unsicher, aber ihr werdet es mir ja schon sagen, wenn es euch etwas stutzig vorkommen sollte ^^' Wer hätte schließlich schon damit gerechnet, dass Kai quasi am Morgen die Flucht ergreift, oder dass Rei zu einem verliebten Schuldmädchen mutiert...bestimmt niemand, oder? Ansonsten möcht ich mal etwas sentimental werden und mich bei euch allen bedanken, bei den lieben Lesern, die sich immer die Mühe machen mir tolle Kommis zu schreiben, die vielen Favoeinträge und natürlich auch dass ihr nach mittlerweile 28 langen Kapiteln immer noch so an der Story interessiert seid^^ *kekse verteil* Ohne euch wäre ich echt aufgeschmissen, also vielen Dank für eure Existenz XD *alle knuddel* LG Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)