Von Via zu Tod von Alcaraz (Nicht dem Leben mehr Tage hinzufügen, sondern den Tagen mehr Leben geben.) ================================================================================ Kapitel 1: Carpe Diem --------------------- »Du bist in letzter Zeit ziemlich bequem geworden.« »Mh.« »Vielleicht würde es dir gut tun deine Arbeit wieder mal selbst zu erledigen.« Die Dunkelhaarige verschränkte kritisch die Arme vor der Brust und musterte die bleiche Gestalt auf den Thron mit einem vorwurfsvollen Blick. »Tse… Warum sollte ich?« Die Frau schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und ging bestimmt ein paar Schritte vor. »Du hast verdammtes Glück, dass deine Faulheit nicht ansetzt!« Sie stach ihm unwirsch mit ihrem Zeigefinger in die Brust und verengte ihre braunen Augen zu Schlitzen. »Schwester, bitte mach dich nicht lächerlich.« Ein kehliges Lachen drang über seine schmalen Lippen, während er sich der Frau angriffslustig entgegen lehnte. »Mein Reich ist hier , warum also, sollte ich es verlassen? « Zufrieden mit sich und seiner Antwort lehnte sich der blasse Mann wieder zurück in seinen Thron und faltete seine Hände zusammen. »Warum denn nicht? « Er reagierte nicht. »Aah! Du machst mich wahnsinnig! «, rief die Dunkelhaarige laut und drehte sich ab. Im nächsten Moment war sie verschwunden. Tod verdrehte teilnahmslos die Augen. Das war alles so unheimlich typisch für sie. Kam hierher um sich bei ihm über etwas zu beschweren, was sie nicht einmal persönlich betraf. Wie gewohnt lehnte er sich wieder entspannt in seinem Thron zurück und schloss die Augen. Die übliche leblose Ruhe war wieder eingekehrt. Immer wenn Leben sein Reich betrat, füllte es sich mit etwas, dass hier einfach nicht reinpassen wollte. Aber jetzt, jetzt war alles wieder einfach so wie es sein sollte. Doch da sollte er sich irren. Unbeholfene Schritte hallten von den Wänden und etwas Kleines betrat sein Reich. »… Meister.« einer seiner vielen gesichtslosen Helfer betrat die große Halle und verneigte sich tief vor seinem Herrn. »Was gibt es?«, fragte Tod etwas kühl und setzte sich wieder gerade auf. »Meister, ein Problem. Ein großes Problem.« das Wesen verneigte sich noch tiefer und wagte es nicht auch nur einmal aufzuschauen. Tod sagte nichts, sondern wartete darauf, dass die Kreatur weiter sprach. »Es geht um einen Menschen, Meister.« »Was ist das Problem?« »Er stirbt nicht.« Tod lachte auf und schüttelte den Kopf. So etwas selten Dämliches hatte er in all den tausenden von Jahren, in denen er schon im Amt war nicht gehört. »Das kann nicht möglich sein. Niemand umgeht mich.« Schon eine kleine Ewigkeit wie es ihm schien, wütete er in der Akte des vermeintlichen Menschen herum, der ihn offensichtlich nicht zum ersten Mal überlistete. Ein Haufen kleiner schwarzer Gestalten war vor ihm versammelt, wobei keiner von ihnen so wirklich sprechen wollte. Sie standen stocksteif da, so als wäre es ihre Schuld, dass der Mensch noch lebte. »Und warum bitte, erfahre ich erst jetzt davon?« Die kleinen Helfer traten synchron einen Schritt zurück und verbeugten sich zeitgleich sehr tief. »Ein Fehler, Meister. Wir hielten es für einen Fehler.« »Aha und was hat euch überzeugt, dass es keiner ist? « kalte Wut lag in seiner Stimme. Noch nie hatte ihm jemand entkommen können. Alles Leben führt zu ihm, da konnte nicht einfach einer sagen, dass er nicht mitmachte. Er entschied wann es für jemanden an der Zeit war. »Es war ein Zufall, Meister. Erschlagen wurde er. Ich wollte ihn mitnehmen, doch bevor ich ihn greifen konnte…«, um seine Aussage zu stützen hob das Wesen sie krallenbesetzte Hand und tat so als wollte es irgendetwas in der Luft liegendes an sich reißen. »War er verschwunden.« »Verschwunden?«, wiederholte Tod so, als würde er dem Wesen keinen Glauben schenken. »Ich konnte ihn nicht mehr sehen, Meister.« Wieder klappte er die Akte auf. Das Bild eines blonden Jungen strahlte ihm entgegen. Er wirkte jung, fast noch kindlich. »Kenneth Hawker.«, las Tod laut und ließ seinen Blick über die eigentümliche Schrift gleiten, »In Menschenjahren 19, hätte laut dieser Akte… Bereits mehr als 72 Mal sterben müssen. 72 Mal! «, Tod verstummte einen Moment und warf einen strafenden Blick zu seinen Helfern. »Da ihr offensichtlich mit dieser kleinen Aufgabe, einen einzelnen Menschen in mein Reich zu bringen überfordert seid… Werde ich mich dem wohl persönlich annehmen müssen. « Es war schon etwas länger her, dass Tod das Reich der Lebenden betreten hatte- und zugegeben seit her hatte sich einiges getan. Die Straße auf der er lief war schwarz, bemalt mit einigen weißen Markierungen. Pfeile, Striche, Linien - Menschen waren wirklich fragwürdige Gestalten. Warum bemalten sie ihre Straßen derart sinnlos? Es schien als würde Tod förmlich über den Asphalt hinweg schweben, ohne sich wirklich bewegen zu müssen. Frei von jeder Fessel ließ er seinen Blick schweifen. Natürlich nahm ihn kein Lebender wahr. Genauso wenig wie er die Lebenden richtig wahrnehmen konnte. Er sah sie schemenhaft, als undeutliche Klötze, die sich ab und an bewegten. Erst wenn sie dem Tod nahe waren, konnte er sie klarer erkennen. Bis sie endlich ihre Körper verließen und bereit waren ihm zu folgen. Nun. Die wenigsten waren bereit, egal wann er kam, er kam unpassend. Zu früh, zu spät. Lebenden konnte man es einfach nie recht machen. Wie ein Phantom glitt er durch einen kleinen Park, zielsicher auf eine Seitenstraße zu, die im Dunkeln von einfachen Passanten oft übersehen wurde. Tod wusste genau wo er suchen musste, es war ein tiefer Instinkt der ihn leitete. Es war eine Gabe, die ihn als Tod ausmachte. »Kenny! Hör auf mit dem Scheiß, das ist nicht lustig!« Es war die Stimme eines Mädchens. Sie klang heiser, vielleicht auch ein wenig panisch. Tod glitt ein wenig näher heran. Es war fast als wäre sie unsichtbar. Langsam hob er seinen Kopf. Den Jungen konnte er deutlicher erkennen. Er stand weit oben und balancierte auf einer Dachkante. »Gott, mach dir nicht ins Hemd.« »Kenny! Du fällst gleich runter. Du verletzt dich noch…!« »Und wenn schon.« »Kenny-« »Kenny, Kenny, Kenny… Kannst du auch Mal was Anderes sagen?« Das Mädchen zog wütend die Augenbrauen zusammen und gab ein beleidigtes Geräusch von sich. »Bitte was? Ich bin nicht diejenige, die auf einem Dach rumspaziert und sich dabei fast auf die Fresse legt!« »Reg dich endlich ab. Mir passiert nichts, du Heulsuse.« »Schön.« Das Mädchen klang nun ernsthaft gekränkt, sie drehte sich ab und lief geradewegs durch Tod hindurch. »Ich gehe. Wir sehen uns Ken- Kenny!« Ein Ziegel unter den Füßen des Blonden brach wie aus Geisterhand weg. Bevor der Junge verstanden hatte was da gerade passiert war, fiel er bereits. Gerade als er hatte aufschreien wollen, kam er unter einem hässlichen Knirschen auf der Straße auf. »Oh Gott!«, die Stimme des Mädchen überschlug sich fast. Sie hatte sich umgedreht und war zu dem Blonden rüber gehastet. Sie stolperte vor Aufregung fast über ihre eigenen Füße, bevor sie sich an die Seite von ihrem Freund kniete. »He-hey… Ganz ruhig, i-ich rufe den Krankenwagen… Es wird alles gut.« Kenny stöhnte leise auf und presste sich mit der letzten Kraft die er hatte in den Arm seiner Begleiterin. »Scheiße…« Alles war voller Blut. Auf Tods Lippen kräuselte sich ein schmales Lächeln. Wenn man wollte, dass etwas richtig erledigt wurde, musste man es eben selber machen. Und genau das hatte er getan. Die Konturen des Jungen wurden klarer, sein Körper fast greifbar. »Kenneth Hawker.« Der Blonde schaute auf und erblickte die Bleiche Gestalt. Er zuckte und riss die Augen auf. »W-wer bist du?« Er versuchte zurückzukrauchen, doch sein Körper bewegte sich keinen Millimeter. Ein blutiges Rinnsal lief ihm über die Augen, während er seinen Blick nicht von dem Fremden abwenden konnte. »Der Tod. Es wird an der Zeit.« Der Junge lebte noch. Er stand lediglich mit einem Fuß im Grab. Aber das reichte ihm schon. Er würde den Jungen jetzt mit sich nehmen, komme was da wolle. »B-bitte was? Sie… Sie spinnen doch total, ich… Ich bin doch nicht tot!« »Das sehe ich anders.« Tod streckte die Hand nach dem Jungen aus, doch plötzlich verschwand der Blonde aus seinem Sichtfeld. Es war als würde ihn der Mensch aus den Fingern gleiten, während er ihn doch eigentlich in sein Reich geleiten sollte. Sprachlos verfolgte Tod das Geschehen ohne irgendetwas dagegen tun zu können. Der Junge verschwand vor seinen Augen! Er streckte die Hand aus, wollte den Menschen halten und wenn nötig mit Gewalt in sein Reich zerren, doch es ging nicht. Es ging einfach nicht. Seine Hand griff einfach durch den Blonden hindurch, ohne auch nur eine Spur zu hinterlassen. Tod war wieder blind und stand praktisch in seinem eigenen Staub. Wütend stülpte er sich seine Kapuze vom Kopf und verengte die Augen zu Schlitzen. Wieso hatte er diesen Menschen nicht mitnehmen können! Er! Tod würde noch Mal in die Menschenwelt müssen, um herauszufinden was da los war. Er musste wissen, wieso der Junge noch lebte. Immerhin wurde ihm hier gehörig in seine Aufgabe gepfuscht. Doch dieses Mal würde er die Welt nicht als Tod betreten. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen und er wusste jetzt schon, dass ihm das gar nicht gefallen würde. »Du…?« Leben musste sich die Seiten halten um nicht umzufallen. Sie lachte so laut, dass ihre Stimme von den Wänden widerhallte. Tod hingegen fand das Ganze offensichtlich nicht halb so witzig. Er hatte seine Arme recht steif verschränkt und schaute starr zu der Dunkelhaarigen hoch. »Was. Ist. So. Witzig?« Selten hatte Tod so trocken geklungen. Die Frau verstummte einen Moment, schnappte nach Luft und drehte sich ab. »Oh, es ist nichts. Aber hast du mir nicht vor nicht allzu langer Zeit erzählt, dass du dein Reich nicht verlassen musst?« »Das muss ich auch nicht.«, entgegnete der bleiche Mann schnell und wandte seinen Blick ab. Er mochte das Reich des Lebens nicht besonders. Es war viel zu hell und… freundlich. »Ah ja. Deswegen kommst du zu mir, um mich um eine menschliche Hülle zu bitten?« »Selbst du, meine Liebe, solltest die Dringlichkeit meiner Bitte verstehen.« Leben seufzte schwer. »Gut. Ist ja gut. Dir ist aber hoffentlich klar, dass du ein bisschen mehr brauchst, als nur eine menschliche Hülle, um in der Lebenden Welt irgendwas zu bewegen.« Tod lachte amüsiert auf. »Menschen sind klüger als du denkst!« »Sind sie nicht.« »Doch das sind sie. Sie sind vielen Geheimnissen des Lebens von ganz allein auf die Spur gekommen, weißt du?« »Oh, nein, Schwester. So läuft das nicht. Du willst nicht, dass sie dir auf die Schliche kommen und trotzdem fütterst du sie immer weiter mit Informationen. Von wegen von alleine auf die Spur gekommen. Du gabst ihnen die Philosophie und sie kamen deinen Fragen näher, dann gabst du ihnen die Biologie und sie kamen dir noch näher. Das ist doch alles völlig paradox und idiotisch. « Tod setzte ein herablassendes Lächeln auf. So war das nun Mal mit dem Leben. »Nein das ist nicht idiotisch. Es ist kompliziert. Verstehst du?«, sie unterbrach sich selbst und setzte nun einen Ton auf, bei dem man hätte denken können, dass sie mit einem Dreijährigen sprach, nicht mit dem Tod persönlich. »Das Leben ist kompliziert, deswegen bin ich ja auch eine Frau. Der Tod dagegen ist ein Mann… « Tod hob eine Augenbraue an und betrachtete seine ewige Begleiterin skeptisch. »Und Männer sind … nennen wir es simpel. « »…« Es war immer wieder unglaublich was Leben für eine Logik an den Tag legte. Manchmal fragte er sich, warum er eigentlich noch überrascht war. »Ich werde nicht lange brauchen.«, wechselte er galant das Thema und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das glaube ich kaum. Es ist nicht so einfach bei den Menschen wie du denkst.« Tod lachte auf. »Oh bitte. Das sind Menschen.« »Die sind mehr auf Zack, als du vielleicht denkst.« Leben wurde zunehmend ärgerlicher und zog die Augenbrauen warnend zusammen. Tod schien das herzlich wenig zu kümmern. »Nur weil sie deine kleinen Rätsel gelöst haben, heißt das nicht, dass sie auf irgendeine Weise intelligenter sind, als irgendwelche kleinen Stofftiere. « offensichtlich hatte Leben immer noch nicht genug. Immer wenn sie in einer ihrer ewigen Diskussionen nicht weiterkamen, wiederholte sie ihre Worte, so als würde das was an seiner Meinung ändern. »Kleinen Rätsel? Ich fand das mit der Biogenetik ein starkes Stück.«, entgegnete die hochgewachsene Frau nun etwas resigniert und zuckte mit den Schultern. »Und alle Fragen haben sie nicht gelöst.« »Drei. Und zwei davon gehören streng betrachtet mir.« »Wie ist das erste Leben entstanden? Was ist der Sinn des Lebens? Was kommt nach dem Tod?« Julien Moore, enthusiastischer Philosophielehrer an der Valemont High, nahm sein Fach nicht nur ernst, sondern war auch der Überzeugung das es nichts Wichtigeres gäbe, als über die Essenz des Seins zu sinnieren. Leider hatte Mr. Moore immer noch nicht begriffen, dass sein Unterricht nach drei Jahren immer noch keinen sonderlichen Anklang bei seinen wenigen Schülern gefunden hatte. Kain Tucker vertrieb sich lieber die Zeit damit ein Mädchen vor ihm mit kleinen Papierkügelchen abzuwerfen, während sein bester Freund neben ihm verhalten kicherte. Auch Kenneth Hawker und seine Freundin Kaylee zeigten nur begrenztes Interesse an dem Philosophieunterricht. Stattdessen hatten sie ihre Köpfe zusammengesteckt und führten ihre eigene unphilosophische Diskussion. »Nein du verstehst nicht. Ich hatte echt das Gefühl da war jemand…!« »Kenny, du spinnst. Da war niemand.« »Doch. Ehrlich, das war kein Traum.« »Nein Kenny. Das war ein Traum. Du bist dieses dämliche Haus runtergefallen! Wer weiß… Vielleicht hast du dir eingebildet irgendwas zu sehen.« »Ich hab mir nichts eingebildet, okay?« »Ich hab niemanden gesehen, Kenny. « Für Kaylee war dieses Gespräch offensichtlich beendet. Der Blonde konnte es nicht fassen. Etwas herrisch griff er nach ihrem Handgelenk und zog sie ein Stück zu sich, bevor sie sich abwenden konnte. »Hör Mal, Kaylee…« »Miss Gold, Mr. Hawker, es wäre sehr freundlich wenn Sie meinem Unterricht genauso folgen könnten wie ihrer kleinen Diskussion.« Kenny schaute seufzend auf und murmelte etwas Unverständliches, während Mr. Moore nun ungehalten für Ruhe in seiner Klasse sorgte. »Zu morgen schreiben Sie mir alle einen Aufsatz über die drei ungelösten Fragen, der Philosophie. Ich werde das einsammeln…« Ein lauter entnervter Seufzer ging durch die Klasse. Ein dunkelhaariger Junge schlug seinen Kopf gegen die Tischplatte und knurrte leise, während Kenny sich wieder zu Kaylee wandte. Für ihn war das Thema noch lange nicht vom Tisch, doch Kaylee würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen nahm sie ihr Hausaufgabenheft hervor und notierte die Aufgabe. »Okay Kenny, ich muss los. Ich muss nämlich noch lernen. Sag Bescheid, wenn du von deinem Trip wieder runter bist. « Mit den Worten stand sie auf und verließ die Klasse mit einer anderen Gruppe Mädchen. Kenny blieb allein zurück und legte sich eine Hand an die Schläfe. Seit seinem Unfall von vor drei Wochen, war Kaylee schnell überreizt, wenn er von seiner Halluzination anfing. Aber er war sich so sicher gewesen. Diese bleiche Gestalt, die ihre Hand nach ihm ausgestreckt hatte. Nein, er konnte sie sich doch nicht einfach nur eingebildet haben? Sie hatte so unheimlich… real gewirkt. »Und vergiss nicht… Immer schön menschlich bleiben.« Leben fühlte sich fast wie der Coach eines besonders berühmten Sportlers. Sie stand hinter Tod und massierte seine Schultern, so als wollte sie ihn gleich in den Ring schicken. Der Schwarzhaarige seufzte tief und schwer. »Das ist dein Tipp für die Welt der Lebenden? Immer schön menschlich bleiben?« Leben verzog abermals das Gesicht und schob die Unterlippe vor. »Was willst du noch? Iss dein Gemüse, wasch dich immer hinter den Ohren, steck dein Hemd in die Hose…« »Du weißt genau was ich meine!«, herrschte Tod sie etwas unwirsch an und musterte sein Spiegelbild in einem Schaufenster. Was er sah gefiel ihm nicht. Er war durchschnittlich groß, hatte schwarzes Haar, einen relativ hellen Hautton und zwei mausgraue Augen. Nicht gerade so wie man sich den Tod vorstellte. Aber etwas Passenderes als das war Leben wohl nicht eingefallen. »Hast du einen Namen? «, fragte die Dunkelhaarige nun etwas pikiert und rümpfte ihre Nase beleidigt. Woher er sich das Recht nahm sie einfach so anzufahren war ihr schleierhaft. »Name?« »Hallo…! Du bist ein Mensch, Menschen haben Namen! Und Glaub mir, die nennen sich für gewöhnlich nicht Tod.« »Das ist doch völlig überflüssig.« »Nicht wenn du hier eine Weile bleiben willst. Glaub mir, es wird der Punkt kommen, wo du deinen Namen nennen musst.« Tod antwortete nicht und verdrehte stattdessen die Augen – na wenigstens das funktionierte in dieser Hülle noch richtig. Nach einer kleinen Ewigkeit, in der Leben ihm einen vorwurfsvollen Blick zuwarf, öffnete er schließlich den Mund: »Das kann ich auch improvisieren.« Leben lachte laut auf und schüttelte den Kopf. »Improvisieren? Ich kenne dich. Sobald du dich irgendwo vorstellen musst, kommen dir so dämliche Namen wie Bob in den Kopf.« »Das stimmt nicht.« »Ach ja? Wie heißt du?«, fragte sie spontan und lächelte ihn etwas überheblich an. Sie kannte diesen Mann einfach gut genug, um zu wissen wie unkreativ er war. »Ähm… Martin.« »… Martin? Willst du dich ernsthaft Martin nennen?« »…« Während Tod so den Boden begutachtete kam ihm der Gedanke, dass das mit der Menschenwelt vielleicht doch nicht so einfach werden würde wie er anfangs gehofft hatte. Dass es in der Menschenwelt alles andere als einfach zugehen konnte, hatte Kenneth Hawker schon oft genug am eigenen Leib erfahren müssen. Seufzend ging er ein paar Schritte und starrte auf ein nicht weit entfernt stehendes Haus. Es war heruntergekommen, die gesprungenen Fenster standen offen und der Vorgarten schien auch schon bessere Zeiten gesehen zu haben. Einen Moment lang zögerte der Blonde, bevor er das morsche Holztor aufstieß und auf die Tür zuging. Er hasste es wie die Pest hierher zu kommen, allein der Geruch der hier in der Luft lag, brachte ihn dazu den Atem anzuhalten. »Kenny da bist du ja. Wo warst du?«, die Stimme der Frau klang vorwurfsvoll. »In der Schule. « Kenny ging achtlos den verdreckten Flur entlang und trat eine alte Verpackung einer Pizza beiseite. »Schule?«, wiederholte die Rothaarige, so als hätte sie nicht verstanden. Sie lag auf einem Sofa, das wohl mal grün gewesen war und hatte eine leere Bierflasche in der Hand. »Sieh zu, dass das nicht noch Mal vorkommt. « Kenny achtete gar nicht mehr auf ihre Worte. Sie klangen weit hergeholt und meistens wusste diese Frau sowieso nicht mehr wovon sie redete. »Trink weniger.«, sagte er stattdessen wenig überzeugt und warf seine Schultasche in eine Ecke. »Du hast mir gar nicht zu sagen! « Die Rothaarige richtete sich empört auf und musterte den Blonden mit einem verschleierten Blick. »Ich bin deine Mutter, verstanden? Sei ein wenig respektvoller!« Kenny lachte freudlos auf und schüttelte sich, bevor er sich abdrehte und immer noch laut lachend in sein Zimmer ging. »Du braucht mich nicht bis hier hin begleiten. « Entnervt hatte Tod die Arme verschränkt und blickte zu seiner ewigen Begleiterin, die ihn sogar bis in die Menschenwelt verfolgt hatte. Inzwischen hatten sie eine Seitenstraße erreicht, die Tod als diese wiedererkannte, in der er den blonden Jungen fast mit in sein Reich gezerrt hätte. »Warum denn nicht? Ich kann dich ja wohl ein Stückchen begleiten, nicht dass du dich verläufst.« »Pah, das würde gar nicht nötig sein, wenn du mir endlich Augen geben würdest, die in der Welt auch ordentlich sehen können.« Leben lachte und klopfte Tod verständnisvoll auf die Schulter. »Das habe ich doch schon.« »Wie bitte? « Der bleiche Mann runzelte die Stirn und musterte Leben mit einem skeptischen Blick. »Sehr witzig. Ich sehe nichts.« Zumindest nichts, was für Tod von Bedeutung war. Eigentlich hatte er damit rechnen müssen, dass Leben versuchte ihn reinzulegen. Diese setzte nun einen wenig erfreuten Gesichtsausdruck auf und fuhr sich einmal gespielt lässig durch das schwarze Haar. »Was bitte meinst du? Das sind menschliche Augen.« »Was?! Die sind ja fast blind!« »Pah! Gewöhn dich besser dran.« Kaylee hatte allem Anschein nach die Nase voll. Ihre Augen funkelten wütend zu Kenny rüber, der gekonnt in eine andere Richtung starrte, während sie gemeinsam eine Straße entlang gingen. »Ignorier mich gefälligst nicht!«, zeterte sie schließlich wütend und biss sich auf die Unterlippe. Der Blonde erwiderte nichts. Er war diese ewige Diskussion einfach leid. Sie führte doch sowieso zu nichts. »Du… Du bist einfach unglaublich, Kenny. Ist dir eigentlich klar was du da machst?« Kenny antwortete immer noch nicht und versteifte sich stattdessen in seine Trotzhaltung. Sein Blick war immer noch von Kaylee abgewendet, während er irgendeinen Punkt in der Ferne anvisierte. Das Mädchen öffnete den Mund um weiter auf Kenny einzureden, als dieser abrupt stehen blieb und seinen Kopf langsam zu Kaylee drehte. »Hör zu. Ich weiß genau was ich tue, okay? Ich habe lange und oft darüber nachgedacht und weißt du was? Ich mach’ das nicht zum ersten Mal, also reg’ dich ab.«, er klang entnervt. Es war auch nicht das erste Mal, dass Kenny diese Worte sagte. Jedes Mal wenn er auf den Weg zur örtlichen Forschungskammer war, musste er sich die Predigt seiner kleinen Freundin anhören. »Abregen? Kenny, hörst du dir eigentlich Mal selber zu?« In ihren Augen glitzerten Tränen, während sie nun etwas verzweifelt nach den Arm des Blonden griff. »Verdammt noch Mal, Geld ist nicht alles!«, setzte Kaylee nun noch verzweifelter hinter her und schüttelte den Kopf. Nein, sie wollte nicht dass Kenny dahin ging. Dieser Ort war nicht gut für ihn und das Schlimmste daran war, dass der Junge das schlicht weg nicht einsehen wollte. Für ihn zählte nur das Geld. Geld, Geld, Geld. Das war es um was sich Kennys kleine Welt drehte. »Weißt du, Kaylee? So kann nur jemand sprechen, der keine Ahnung davon hat, wie es ist mit der Armut klarzukommen.« Kenny klang wütend. Seine Nackenhaare stellten sich auf, während sich seine Hände zu Fäusten ballten. »Du hast absolut keine Ahnung wie es ist, ständig mit der Angst zu leben, morgen nichts auf den Tisch zu haben!« Kaylee musterte ihren besten Freund einen Moment, sagte aber nichts. »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest. « Kenny beschleunigte seinen Schritt, in der Hoffnung sie abhängen zu können, doch so einfach wollte Kaylee es ihm nicht machen. Sie war ihm halb hinterher gerannt und packte seinen Arm. »Warum suchst du dir nicht einen anderen Job? Warum muss es denn so was sein? Ich meine… wer weiß was passieren könnte!« Kenny verzog das Gesicht und presste ein sehr gezwungenes Lachen über seine Lippen. »Was soll denn bitte passieren?« »Das ist nicht komisch, Kenny.«, Kaylee presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Sie konnte es nicht fassen, wie leichtfertig ihr Freund mit diesem Thema umging. Sie sah so aus als hätte sie ihm am liebsten eine geohrfeigt. »Das war auch kein Witz.« Auch Kennys Gesichtsausdruck hatte sich erhärtet, denn er meinte seine Worte ernst. »Es ist doch scheißegal was die da mit mir machen. Im schlimmsten Fall wache ich morgen wieder im Forschungslabor auf, ohne dass irgendwer Notiz davon nimmt.« »Es ist nicht scheißegal, Kenny! Was ist wenn du nicht mehr aufwachst? Wir beide wissen nicht was das ist. Vielleicht solltest du es nicht so ausreizen!« Kenny sagte nichts mehr, im Gegenteil, er wurde nur noch schneller und verschwand schließlich in der Tür des Forschungszentrums. Kaylee schrie laut und wütend auf. »Das darf doch nicht wahr sein!« »Entschuldigen Sie?« Kaylee verstummten schlagartig und drehte sich zu der Gestalt um, die sie gerade in ihrem kleinen Ausbruch unterbrochen hatte. Es war eine bleiche Gestalt, nicht besonders groß, aber dennoch ein Blickfang. Etwas an ihm wirkte einfach falsch. »Ich denke mir geht es nicht gut. Mein Magen krampft sich in unregelmäßigen Abständen zusammen.« Der Mann nickte müde und legte den Kopf nachdenklich schief. »Soll ich einen Arzt rufen?« Kaylee war schon kurz davor ihr Handy hervorzuziehen, als der Dunkelhaarige schon den Kopf schüttelte. »Nein. Ich dachte Sie können mir sagen was mir fehlt.« »Ich… bin kein Arzt, Mister.« Sie runzelte die Stirn und musterte das Gesicht des Mannes mit wachsender Neugierde. Er wirkte irgendwie ziemlich weltfern, seine grauen Augen fixierten keinen bestimmten Punkt, sondern wanderten ziellos durch die Gegend, so als würden sie etwas suchen. Dann ein lautes Knurren. Kaylee starrte zu dem Mann der sich nun mit fast verärgertem Gesicht den Bauch hielt. »Wann haben Sie das letzte Mal was gegessen? Vielleicht… haben Sie Hunger?« »Hunger? …Das könnte natürlich sein.«, er griff sich abermals an den Bauch und schüttelte ungläubig den Kopf, so als würde er das erste Mal in seinem Leben etwas Derartiges verspüren. Die Jugendliche hingegen schien nicht halb so verwundert über den Fakt, dass er hungrig war, als dass er überhaupt danach fragte. »Und wo bekomme ich etwas zum Essen?« Kaylee verzog das Gesicht. So wie der Mann die Worte betonte hätte man glauben können, dass er eine vollkommen andere Sprache im Kopf hatte. »Da gibt’s ’nen Supermarkt.«, sagte sie nun etwas zögerlich und setzte ein gespielt freundliches Lächeln auf, das binnen Sekunden allerdings wieder von ihren Lippen wich. »Da… können Sie etwas kaufen.«, fügte sie unsicher hinzu, als sie den irritierten Ausdruck in seinen Augen sah. »Kaufen?« »…Ja, kaufen… Mit Geld… ähm Sie wissen schon.« Er wusste nicht und das sah man seinem Gesicht auch recht deutlich an. Kaylee runzelte überfordert die Stirn. Sie hatte keine Ahnung was sie von diesem merkwürdigen Typen halten sollte. Am liebsten wäre sie einfach weggegangen, aber irgendwie hatte sie nicht das Gefühl einfach so verschwinden zu können. »Geld? Wie bekommt man… Geld?« »Durch Arbeit?« Wie alt war der Kerl? Stellte er sich mit Absicht so dumm, oder tat er nur so? In Kaylees Kopf spielten sich plötzlich einzelne Horrorszenarien ab, die irgendwie alle auf Kidnapping hinausliefen. Sie schluckte einmal schwer und versuchte ihr Unterlid zucken unter Kontrolle zu bringen. »Und wie bekommt man eine… Arbeit?« Kaylee schüttelte den Kopf. Das konnte doch einfach nicht sein Ernst sein. Einen kurzen Moment fragte sie sich welcher Anstalt genau er entsprungen war, dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und atmete einmal tief ein. »Durch… ähm… das Arbeitsamt?« »Und wo finde ich ein solches… Arbeitsamt?« Der Typ konnte nicht von hier sein. War er ein zu groß geratenes Kind, oder was tickte in seinem Kopf nicht richtig? »Da vorn.. also die Straße entlang und dann einfach rechts. Da ist eins. Einfach eine Nummer ziehen und warten.« Kaylee lächelte etwas verschwitzt und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich muss dann auch los, ähm man sieht sich.« Das Mädchen war so schnell weg, dass sogar Tod nicht mit dem Schauen hinterher kam. »Nr. 346, bitte in Raum 12. Nr. 346, bitte. « Tod betrat den Raum etwas zögerlich und ließ seinen Blick schweifen. Lediglich eine Büroangestellte, die ab und an aufschaute saß auf einen Stuhl und blickte ihn auffordernd an. »Setzten Sie sich. Ihr vollständiger Name, bitte?«, fragte sie etwas pikiert und tippte geschäftig auf ihrer Tastatur herum. »Damien.« »Damien und weiter?« Tod antwortete nicht. Stattdessen wanderte sein Blick hektisch über die Bücherregale, auf der Suche nach einem tragbaren Namen. Doch hier war nichts. »Was… denken Sie?« »Bitte was?« »Was Sie denken, was mein Name ist?«, setzte er nach und hatte damit wohl das Falsche gesagt. Die Frau schüttelte verärgert den Kopf und schaute von ihrem Computerbildschirm hoch. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« Tod schluckte. Was für eine seltsame Frage. Warum sollte er sie auf seine Arme nehmen wollen? Bei aller Liebe so vertraut waren sie sich doch jetzt auch nicht. »Ähm, oh! Der gleiche Name wie Sie!« »Kingsley?« wiederholte die Büroangestellte mit einem ungläubigen Unterton, während ihre Finger allmählich wieder zurück auf die Tastatur glitten. »Ja, genau das war es.« »Kann ich ihren Personalausweis sehen?«, Tod riss die Augen auf und begann fieberhaft zu überlegen. Personalausweis? »Ist verbrannt.« »Ihre Geburtsurkunde?« »Ist auch verbrannt.« »Irgendwelche Leute, die bestätigen können, wer sie sind?« »Alle verbrannt… Schrecklicher Unfall.« Völlig fassungslos musterte die Büroangestellte den bleichen Mann und schien nicht glauben zu können, dass er von hier stammte. »Verbrannt… also. Nun gut, dann sollten Sie sich erst einmal darum kümmern, dass diese Papiere neu beantragt werden. « Tod zuckte teilnahmslos mit den Schultern. »Ich kann zumindest schon Teile des Formulars hier ausfüllen. Haben Sie denn irgendwelche Referenzen?« »Referenzen?« Tod starrte sie unmissverständlich an. Diese ganze Fragerei war ihm einfach zuwider. Warum konnte sie ihm nicht einfach einen Job geben und fertig? Nein, Menschen mussten alles verkomplizieren. »… Als was haben Sie vorher gearbeitet?«, fügte die Angestellte nun etwas entnervt hinzu, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte. »Keinen fest definierten Beruf, den Sie als solchen anerkennen würden.« »Praktika? Ausbildung? Schulabschluss? « Langsam aber sicher verlor die Frau die Beherrschung. Ihren Computer hatte sie schon lange vergessen. Stattdessen war ihr Augenmerk nun voll und ganz auf den bleichen Mann gerichtet. »Nein.« »Wie, nein? Irgendwas müssen Sie doch gemacht haben!« »Ich habe Lebe- Leute abgeholt.« »Jetzt reicht’s! Raus!« »Was…?« Die Frau war nicht mehr gewillt zu antworten. Bestimmt zeigte sie mit ihrer Hand nach draußen, während ihre Nasenflügel gefährlich bebten. Als Tod das Arbeitsamt –wohlgemerkt ohne Arbeit- verließ, war er alles andere als gut gelaunt. Sein Magen knurrte immer noch unablässig, während seine Gedanken wie im Chaos durch seinen Kopf fegten. Was war das nur für eine bescheuerte Welt? Ein Arbeitsamt, dass ihm keine Arbeit geben wollte, ein Junge der nicht starb… diese Welt war eine Katastrophe, die sich nicht einmal an die einfachsten Regeln halten konnte. Inzwischen war es dunkel geworden, die Sonne hatte sich längst verabschiedet und eine unangenehme Stille trat in die wie leer gefegten Straßen. Tod seufzte schwer und bog in eine Seitengasse. Wie sollte er als nächstes vorgehen? Hier arbeiten? Nun sein Magen machte ihm ziemlich deutlich was er als nächstes tun sollte. Für jemanden der in seinem Leben nie zuvor so etwas wie Hunger verspürt hatte, war es wirklich schwer einzuschätzen wie lange man, dass aushalten konnte. »Hey, Alter.« Tod drehte sich etwas irritiert auf dem Absatz um. Tatsache, er war gemeint. Eine Gruppe halbstarker Jugendlichen hatte sich ihn genähert. Der Junge der gerade gesprochen hatte ging einen Schritt vor und war allem Anschein nach der Anführer seiner kleinen Gang. »Schicke Fetzen trägst du da.« Tod hob skeptisch eine Augenbraue an. Auch wenn er noch nicht lange in der Welt der Lebenden war, bemerkte auch er, dass das hier ganz offensichtlich die Art unter Menschen war sich gegenseitig zu beleidigen. »Hey! Ich rede mit dir.« Tod reagierte nicht, stattdessen setzte er seinen Marsch fort. Hunger war echt ein beschissenes Gefühl. Doch plötzlich bemerkte er eine Hand auf seine Schulter die ihn herumriss und bevor Tod irgendwas entgegnen konnte, spürte er schon einen glühend heißen Schmerz auf seiner Wange. »Mann, der hat doch nix.«, es war ein brünetter Junge, der offensichtlich gerade Mal über die Pickelphase hinweg gekommen war. Er kaute auf dem Rest Stummel seiner Zigarette herum und warf einen Blick zu der bleichen Gestalt, die es zu Boden gerissen hatte. »Das werden wir ja sehen. Du da! Her mit deinem Handy.« Tod rieb sich mit der flachen Hand über die Wange. So etwas war ihm wirklich noch nie passiert! Noch nie! Er atmete rasselnd aus und rappelte sich ziemlich unbeholfen wieder auf die Beine. »Was…?« »Dein Handy, Mann!« Der Junge trat wieder auf Tod zu und schlug ihm in die Magengegend. Keuchend sank dieser zu Boden. So etwas hatte er noch nie gefühlt. Er rang nach Luft und versuchte sich aufzurichten, doch ehe er sich hatte rühren können, spürte er abermals dieses elende Stechen. Der Junge hatte ihn noch mal getreten. »Alter, der hat nix.«, wiederholte der Eine und versuchte seinen Kumpel zurückzuzerren. »Friss das!«, der Junge holte abermals aus und im nächsten Moment wurde es schwarz um Tod. Ein Bett. Zumindest vermutete Tod es, als sein Bewusstsein langsam wieder in den menschlichen Körper drang. »Hey, Mann.« Kenny lächelte dem Fremden aufmunternd zu und verschränkte die Arme. »Auch schon wach?« Der Blonde streckte sich ausgiebig und musterte den Kerl. Irgendwas an ihm war so vertraut, dass Kenny das Gefühl hatte ihn kennen zu müssen. Vielleicht war das der Grund warum er ihn mitgenommen hatte. Der bleiche Mann sah furchtbar aus. Sein Gesicht war teilweise geschwollen und sein linkes Auge war blau. Er sah so aus als wäre er wirklich übel verprügelt worden. »Wo bin ich?« »42. Ecke, Mapel Street. Ich hab dich gefunden und gedacht ich bring dich hier her, damit du erst Mal zu dir kommen kannst. Alles okay soweit?« »Denke.« Tod klang nicht überzeugt und hielt sich den Kopf. Hatte er das Ganze nur geträumt? Er war einen Moment derart benommen, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Warum war er hier? Richtig er wollte jemanden abholen. Sein Blick wanderte zu dem Blonden und plötzlich schien es ihm wie Schuppen vor den Augen. »Dich habe ich gesucht.«, sagte er plötzlich und setzte sich auf. Kenny starrte ihn verwirrt an. »Mich…?«, er konnte sich nicht vorstellen warum jemand ausgerechnet nach ihn suchen sollte. Doch sein Gegenüber schien vollkommen überzeugt. »Vielleicht solltest du einmal duschen und dann reden wir, okay?« Tod zuckte mit den Schultern. Ihm sollte es recht sein, Hauptsache er erfuhr was es mit Kenneth Hawker auf sich hatte. »Ich bin Kenny.« »Ich weiß.« Tod verzog das Gesicht und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. Wie erwartet verzog der Jugendliche das Gesicht und musterte ihn nun mit einer Mischung aus Argwohn in den Augen. »Was…?« »Ähm Mar- Damien. Mein Name ist Damien.« »Oh… Okay. « Ohne noch etwas zu sagen führte Kenny seinen Gast zum Badezimmer und drehte sich um. »Handtuch und Duschzeug ist da. Liegt gleich neben dem Waschbecken.« Mit den Worten verschwand Kenny in sein Zimmer. Etwas an diesem Mann faszinierte ihn. So als wäre er nicht von dieser Welt. Völlig in Gedanken ließ sich der Blonde auf sein Bett fallen und schloss die Augen. Dann, ein plötzlicher Aufschrei. Kenny wirbelte herum, sprang aus dem Bett und lief wieder zurück zum Bad. »H-hey ist alles in Ordnung?« »Ich bin entstellt!« »…Was?« Kenny runzelte nun endgültig überfordert die Stirn. »Entstellt…! Ich bin hässlich!« »Alter, du wurdest verprügelt. Da kann es passieren, dass Gesichtspartien ein wenig verrückt sind. «, erklärte der Blonde ein wenig verwirrt und klopfte einmal an die Tür. »Geh weg!« »Benimm dich doch nicht wie ’ne Tussi!« Kenny seufzte entnervt. Warum hatte er nicht einfach einen Krankenwagen gerufen und war verschwunden? Warum hatte er ihn mitgenommen und ließ ihn auch noch hier übernachten! Gott, war er denn vollkommen bescheuert? Jetzt hatte er den totalen Freak bei sich zu Hause hocken, von dem gerade Mal wusste dass er Damien hieß. »Fantastisch, Kenny, einfach fantastisch.« murmelte er leise und schlug seinen Kopf gegen die Badezimmertür. »Gut Kenny, mir reicht es endgültig.« Kaylee raufte sich durch die Haare und schüttelte sich vehement. »Was denn?« »Weißt du, erst die ganze gefährliche Scheiße, die du in den letzen Wochen so abgezogen hast und jetzt das hier? Verdammt noch Mal! Du lässt einen wild Fremden bei dir wohnen?! Hast du sie nicht mehr alle beisammen?« Tod hob die Hand zum Gruße. Einerseits um zu zeigen das er da war, und andererseits um zu signalisieren, dass er von Frühstückstisch aus jedes Wort der Beiden mühelos verstehen konnte. Sein Gesicht sah nicht mehr ganz so lädiert aus, nachdem er die gröbsten Blutflecke entfernt hatte und irgendwie hatte er sich an seinen Anblick gewöhnt- nun was hieß gewöhnt? Er betrachtete sich einfach nicht mehr im Spiegel (und das zog er konsequent durch)! »Ich hab das Gefühl ich kenne ihn…«, Kenny senkte die Stimme und zog seine beste Freundin ein Stück zu sich ran, die nun nur noch skeptischer die Augenbrauen zusammenzog. »Hör Mal, mir kommen tagtäglich irgendwelche Leute bekannt vor, trotzdem lasse ich sie deswegen nicht bei mir wohnen! Was sagen deine Eltern dazu?« Kaylee biss sich plötzlich auf die Unterlippe. Was für eine dumme Frage! Auch Kennys Blick hatte sich erhärtet. Er lachte freudlos auf und schüttelte den Kopf. »Ich glaube meine Mutter hat noch nicht Mal bemerkt, dass wir seit letzter Nacht einen Gast haben. Also was soll’s.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)