Tödliches Spiel: Auftakt von UrrSharrador (Das Leben ist kein Spiel. Der Tod schon ...) ================================================================================ Prolog: Das allererste Spiel ---------------------------- Ein Schrei war das erste. Er eröffnete das allererste Spiel. Orochimaru sah zu, wie sich sein Opfer zu regen begann. „Hilfeeee!! Hört mich keiner?!“ Keuchend hielt Zaku mit dem Brüllen inne. Er spürte den dumpfen Schmerz in seinem Hinterkopf und schmeckte bittere Galle auf seiner Zunge. Wie war er hierhergekommen? Und wo war er überhaupt? Es war fast völlig finster, nur eine nackte Glühbirne über ihm spendete kaltes Licht. Stöhnend versuchte er sich zu bewegen. Er war mit eisernen Schnallen an einen niedrigen Tisch gefesselt. Nur seinen rechten Arm hatte er frei. Mit fahrigen Bewegungen tastete er seinen Körper ab, versuchte, die Schnallen zu öffnen. Vergeblich. Sie hatten nicht einmal Löcher für Schlüssel; allerdings sah er, dass dünne Kabel aus ihnen hervor wuchsen und unter dem Tisch verschwanden. Zakus Augen gewöhnten sich langsam an das Halbdunkel und er sah, dass um seinen freien Arm ebenfalls ein Kabel gewickelt war, ein dickeres diesmal, das mit dünnen Drähten so fest an seine Haut gezurrt war, dass es wehtat. Ein mieses Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, und er erstarrte. Ein einzelner Schweißtropfen lief ihm von der Schläfe, kitzelte sein Ohr und fiel auf die hölzerne Tischplatte. „Haben Sie sich ein Bild von Ihrer Lage gemacht?“, ertönte eine raue, kratzige Stimme. Zakus Kopf ruckte herum. Geblendet schloss er die Augen, als vor ihm noch zwei Lampen aufflammten. Als er die Tränen aus seinen Augen geblinzelt hatte, erkannte er die Person, die keine drei Meter vor ihm stand. „Sie?“, keuchte er ungläubig. „Ich möchte ein Spiel spielen, Zaku“, sagte der Mann mit den Schlangenaugen ruhig, während Zaku weiter erfolglos an seinen Fesseln zerrte. „Geben Sie sich keine Mühe. Es gibt nur einen Weg, wie Sie frei kommen.“ „Was soll das, verdammt?“, schrie Zaku. „Ich hab für Sie gearbeitet! Machen Sie mich sofort los!“ „Sie sind ein schlechter Mensch, Zaku, und das wissen Sie“, fuhr der Mann ungerührt fort. „Ich hatte ausreichend Gelegenheit, um einiges über Sie in Erfahrung zu bringen. Ich habe Sie immer gut bezahlt, doch das dürfte Ihnen zu wenig gewesen sein.“ Zaku versuchte immer verzweifelter, sich zu befreien, wurde aber nur von einem stechenden Schmerz in seinem linken Handgelenk belohnt, der ihm Tränen in die Augen trieb. „Sie haben mit aller Macht versucht, Geld an sich zu reißen. Sie haben zusammengerafft, wo es ging, und sich nicht darum geschert, ob Sie Gesetze brechen oder anderen damit schaden. Heute erhalten Sie die Möglichkeit, mit alledem abzuschließen.“ „Was reden Sie da? Wo bin ich, verdammte Scheiße!?“, schrie Zaku. Orochimaru deutete vor sich auf den Tisch. Zaku folgte seinem Blick und riss die Augen auf. „Was … Was haben Sie vor …?“ An der Kante des Tisches standen zwei Kreissägen, eine kleinere und eine beängstigend große. „Wie ich schon sagte, ich werde Sie testen“, fuhr Orochimaru mit seiner rauchigen Stimme fort. „Um die heutige Nacht zu überleben, müssen Sie beweisen, dass Sie einige Grundsätze verstanden haben. Sie waren Ihr Lebtag nur auf Ihren Vorteil bedacht, ohne selbst ein Opfer dafür zu bringen. Geopfert haben Sie zu diesem Zweck das Glück anderer. Heute werden Sie lernen, dass auch Sie ein Opfer bringen müssen, um im großen Spiel des Lebens weiterzukommen.“ Zaku schwitzte. Sein Schweiß lief ihm in die Augen und brannte. Das konnte doch nur ein schlechter Traum sein … Orochimaru und … Orochimaru und die Sägen … „Sobald ich einen Schalter drücke, werden sich die beiden Sägen in Bewegung setzen. Wenn Sie den rechten Arm ausstrecken, wird die kleine Säge ihn in sechzig Sekunden erreicht und durchtrennt haben. Gleichzeitig wird auch das Kabel gekappt, das um Ihren Arm gewickelt ist. Somit wird ein Stromkreis unterbrochen und Ihre Fesseln werden aufspringen.“ „Du hast sie ja nicht mehr alle!“, stieß Zaku hervor. Seine brennenden Augen zitterten. Orochimaru ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Wenn Sie Ihren Arm allerdings nicht opfern wollen, wird die große Kreissäge Ihren Körper dreißig Sekunden später erreichen und ihn mittendurch sägen. Ich bete für Sie, dass Sie die Regeln, die Ihnen vorgegeben werden, wenigstens diesmal einhalten können. Das Spiel ist eröffnet.“ „Warte – das kannst du nicht machen! Hey!“, brüllte Zaku wie am Spieß, als Orochimaru sich vorbeugte. Zaku hörte in der folgenden, atemlosen Stille das Klicken eines Schalters, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mit einem ohrenbetäubenden Kreischen erwachten die Sägeblätter zum Leben. Zaku stimmte in den schrillen Chor mit ein, als er sah, wie sie sich durch das Holz des Tisches fraßen und mit vernichtender Endgültigkeit auf ihn zuhielten, unaufhaltsam, unzerstörbar, die kleine knapp neben seinem Körper, während ihr Kurs die größere genau zwischen seine festgeschnallten Beine führen würde. In Sekunden der Panik zappelte Zaku wie verrückt und riss an seinen eisernen Fesseln, dann riss er den rechten Arm herum und versuchte mit seinen Zähnen das Kabel zu durchbeißen, das ihn wie eine Schlange umklammerte, doch er schaffte es nicht einmal, die Isolierung zu durchbrechen. Während er panisch nach Luft schnappte, versuchte er, die Drähte zu lockern oder zu zerbeißen, um das Kabel wegziehen zu können. Ein stechender Schmerzblitz fuhr in einen seiner Zähne und ließ ihn aufkeuchen. Es war zwecklos. Entmutigt und schweißüberströmt ließ er den Arm wieder sinken. Die kleine, schnellere Säge hatte fast die Hälfte ihrer Strecke zurückgelegt. Er musste seinen Arm opfern, um … Nein, niemals, er konnte doch nicht …! Orochimaru sah ihm mit ausdruckslosem Gesicht zu, wie er den Arm erneut hob und so weit wie möglich nach links streckte. Sein Schultergelenk schmerzte, als würde es gleich ausgekugelt werden, als Zaku mit seinem Chakra das Loch in seiner linken Handfläche öffnete und einen schneidenden Luftstrom entweichen ließ, der genau auf seinen rechten Arm gerichtet war. Er fühlte, wie er an seiner Nase vorbeipfiff, selbst auf die Entfernung noch unangenehm und schmerzhaft. Wie winzige, messerscharfe Klingen riss die eisige Luft seine Haut auf. Zaku schrie wie am Spieß. Blut sickerte aus den Wunden hervor und wurde von der Luftströmung weggerissen. Mit einem metallischen Pling riss einer der Drähte. Das Kabel lockerte sich. „Zaku, halten Sie sich an die Regeln!“, hörte er Orochimarus Stimme über das Sausen der Luftschleusen und das Kreischen der Sägen. „Fick dich!“, schrie er guttural. Der Schmerz war unerträglich. Ein zweiter Draht riss und schnalzte gegen seine wunde Haut. Sein Arm begann zu zittern. Das Geräusch der Säge wurde ohrenbetäubend laut, als sie eine Handbreit neben seinem Kopf ins Leere fuhr, sein Haar flatterte. Dann, endlich, sah er, wie eine winzige Kerbe in der Isolierung des Kabels erschien. Er zwang sich dazu, seinen schmerzenden Arm in dieser Stellung zu halten – und eine Sekunde später meinte er, einen blauen Blitz aufflammen zu sehen. Ein Stromstoß zuckte durch seinen Arm seine Schulter hoch und verebbte, als der Luftstrom das Kabel zerschnitten hatte. Fast im gleichen Moment ertönte ein Klicken, und die Schnallen sprangen auf. Zaku warf sich mit letzter Kraft zur Seite, rutschte über die Tischkante und polterte zu Boden. Über sich hörte er immer noch die Sägen, die größere nun genau da, wo er eben noch gelegen war. Zitternd atmend und den verletzten Arm fest gegen die Brust pressend, stand er wankend auf. Sein Sichtfeld verschwamm. Er tat einen taumelnden Schritt und stieß mit dem Fuß gegen etwas. Mit wackeligen Knien ging er in die Hocke und hob mit der Linken eine spitze Metallstange auf, die dort am Boden lag und nur auf ihn zu warten schien. In seinem schmerzverzerrten Gesicht zuckte ein Grinsen. „Jetzt … bist … du dran“, schnaufte er – und stürzte auf Orochimaru zu, der sich nicht von der Stelle bewegt hatte. „Du Schwein!“, brüllte Zaku und stieß zu. Genau in dem Moment, in dem beide Sägen verstummten und der Tisch polternd auseinanderfiel, bohrte sich der Eisenspieß in Orochimarus Brust wie in Butter. Zaku verharrte einen Moment so und musste sich dann sogar gegen den Schlangenmann lehnen, um nicht zu stürzen. „Das hast du davon … Niemand legt sich mit mir an, verdammt …“ Etwas tropfte auf seine Hand, die den Schaft der Eisenstange noch nicht losgelassen hatte. Er senkte erleichtert lächelnd den Blick. Das war kein Blut. Die Erkenntnis traf Zaku wie eine kalte Dusche. Seine Pupillen wurden winzig klein, als er zurücktaumelte und Orochimaru ins Gesicht sah. Genauer gesagt, er sah dorthin, wo sein Gesicht hätte sein müssen. Der Schlangenmann hatte keinen Kopf mehr. Von den Schultern abwärts zerfloss er zu braunem, zähflüssigen Matsch, der auf dem Boden eine Pfütze bildete. Zaku war einem Schlammdoppelgänger auf den Leim gegangen. Er sah sich zum ersten Mal genau in diesem Raum um. Er war perfekt quadratisch, die Wände waren aus massivem Beton. Eine schwere, metallene Tür war der einzige Ausgang – sie hatte allerdings kleine Klinke. Zaku versuchte sie mit der heilen Hand aufzudrücken. Nichts rührte sich. Er biss die Zähne zusammen und warf sich dagegen. Ein bohrender Schmerz durchzuckte seine Schulter, aber die Tür regte sich keinen Millimeter. Auch seine Luftschleusen konnten ihr keinen Kratzer zufügen. Entmutigt und immer nervöser werdend sah er sich erneut in dem Raum um. Es gab nichts, womit er sie hätte aufbekommen können … Da fiel sein Blick auf etwas Glänzendes, das in dem Matschhaufen lag, in den sich Orochimarus Doppelgänger verwandelt hatte. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend zog er einen einfachen Kassettenplayer aus dem Schlamm. Sein Finger zitterte, als er auf den Knopf drückte, der ihn abspielen ließ. Orochimarus Stimme knarzte ihm entgegen. „Sie haben versagt, Zaku. Wieder einmal haben Sie die Regeln gebrochen und das von Ihnen erwartete Opfer nicht gebracht. Doch Sie werden eines lernen: Gier führt letztendlich zur kompletten Vereinsamung. Der Raum, in dem Sie sich befinden, ist luftdicht versiegelt. Ich sehe keinen Grund, die Tür für Sie zu öffnen.“ Zaku ließ das Gerät fallen. „Game Over, Zaku.“ Mit einem verzweifelten Wutschrei brach Zaku in die Knie. Sein Blick streifte eine winzige Kamera in der Ecke des Raumes, ehe das Licht ausging. „Hier sieht es aus wie in einer Grabkammer“, stellte Kisame fest. „Hier war wohl schon seit Ewigkeiten niemand mehr.“ Der Keller war so mit Gerümpel vollgeräumt, dass nur ein schmaler Gang von etwa einem Meter Breite übrig blieb, um die Tür auf der anderen Seite zu erreichen. „Ich glaube, wir sind hier falsch.“ Deidara verglich die Berichte mit der Beschaffenheit des Raumes. „Das ist ein anderer Keller. Außerdem – würde sich eine Jugendbande in so einem Loch verstecken? Wo ist das Graffiti? Wo sind die Dart-Scheiben, die Sofas, der ganze Kram?“ „Sie haben die leeren Heroin-Spritzen vergessen“, meinte Kisame humorlos grinsend und entblößte eine Reihe spitzer Zähne. Die beiden Akatsuki-Agenten hatten von ihrem Vorgesetzten Itachi den Auftrag erhalten, das Versteck der jugendlichen Junkies, die sie letzte Woche nach langem Ermitteln wegen Drogendealens und einer ganzen Reihe von Eigentumsdelikten dingfest gemacht hatten, auszuforschen, um Beweise sicherzustellen. Offenbar war dies jedoch nicht die richtige Adresse, der Keller des verlassenen Hauses konnte unmöglich das Bandenversteck sein. „Gehen wir wieder?“, schlug Deidara vor. „Nicht so hastig, Detective“, hielt Kisame seinen Kollegen zurück. „Hinter die Tür will ich noch sehen.“ Er deutete auf die Brandschutztür am anderen Ende des künstlichen Tals zwischen den Bergen aus Schrott, alten Fahrrädern und staubigen Möbeln. „Was wird schon dahinter sein?“, maulte Deidara, während Kisame an der Tür rüttelte, die klemmte. „Noch mehr Müll und – Vorsicht!“ Er warf sich zur Seite und drückte Kisames Kopf nach unten. Ein Knall ertönte, und etwas schoss so dicht über ihren Köpfen hinweg, dass sie den scharfen Luftzug spürten. Mit klopfenden Herzen warteten sie eine halbe Minute, ehe sie es wagten, sich wieder aufzurichten. Kisame hatte die Tür geöffnet und damit einen teuflischen Mechanismus ausgelöst: An der inneren Klinke war eine Schnur befestigt gewesen, die den Abzug einer an der Wand montierten Schrotflinte gezogen hatte. „Teufel noch eins“, entfuhr es Kisame. „Danke, Detective.“ „Ich glaube, ich nehme zurück, was ich vorher gesagt habe“, murmelte Deidara. Seine Stimme zitterte ein wenig. „Wir sollten diesen Keller auf jeden Fall unter die Lupe nehmen.“ Der Raum mit der Gewehrfalle maß keine zwei Meter, und auf der linken Seite war eine weitere Tür, diesmal aus Eisen, mit einer Gummiabdichtung an den Rändern. Die beiden Akatsuki-Agenten nickten einander zu. Diesmal zog Deidara die Tür auf. Sie hielten sich beide wohlweislich außerhalb der Schusslinie auf, sollte auch hier eine Falle auf sie warten. Die Tür war erstaunlich schwer aufzuziehen und öffnete sich mit einem saugenden Geräusch. Dahinter war es stockfinster. „Warten Sie, hier draußen ist ein Lichtschalter“, sagte Kisame. Rechts neben der Tür gab es außerdem noch einen Fernsehbildschirm, der allerdings längst tot war. Deidara blinzelte, als das Licht anging. „Was zum …“, entfuhr ihm, als er wieder sehen konnte. Die beiden traten in den Raum, nicht ohne sich zu vergewissern, dass nicht irgendwo doch noch eine Falle auf sie wartete. In der Mitte der Kammer lagen Trümmer eines zerteilten Tisches oder etwas in der Art, nicht weit davon entfernt lag eine Leiche: Ein junger Mann, dessen rechter Arm verletzt war, der aber nicht daran gestorben sein konnte. War er erstickt? „Sehen Sie sich das an, Detective“, sagte Kisame und deutete auf die Nachricht, die das Opfer mit seinem eigenen Blut auf den Boden gemalt hatte. Sie war schmutzig braun geworden und kaum noch zu entziffern, doch es handelte sich um ein einziges Wort. „Orochimaru“, las Deidara vor. „Was soll das heißen? Hat der ihm das angetan? Haben Sie von dem schon mal gehört?“ Kisame schüttelte den Kopf und besah sich noch einmal genau den Tatort. „Und dabei wollten wir nur ein Bandenversteck finden … Wir sollten die Spurensicherung rufen. Ich glaube, wir sind hier auf was sehr, sehr Heißes gestoßen.“ Kapitel 1: Eifer ---------------- Woho ... hab ich mir Zeit gelassen ... das kommt davon, wenn die Story noch nicht 100%ig steht und man nicht genau weiß, wie's weiter gehen soll :/ Was solls, hier bitteschön^^: ======================================== Dosu rüttelte halbherzig an seinen Ketten. Die Zeitschaltuhr lief unerbittlich gegen Null. Sie war über rote Kabel mit zwei mit Nägeln gefüllten Sprengsätzen verbunden, ein – noch – stummes Mahnmal, was passieren würde, wenn er sich dem Spiel nicht fügte. Natürlich! Zaku war der erste gewesen – wie hatte er nur geglaubt, davonzukommen? Er war in derselben Nacht, als Zakus Tod publik geworden war, von daheim ausgezogen und hatte sich versteckt gehalten. Jetzt, nur ein halbes Jahr später, hatte der Killer ihn gefunden. Erneut versuchte er, die rostigen Eisenketten abzuschütteln, aber er wusste, wie hoffnungslos es war. Die Ketten endeten in teuflischen Ringen, die jemand, als Dosu betäubt gewesen war, durch seine Glieder gestoßen hatte. Seine Handflächen waren durchstoßen und man hatte die grausamen Folterwerkzeuge auch hinter seinen Achillessehnen eingehakt – würde er sich auf die vorgesehene Weise befreien, würde er nicht mehr gehen können. Und damit nicht genug war ein besonders großer Ring durch seinen Unterkiefer getrieben worden, wie ein Extrem-Piercing irgendeines Regenwaldvolkes. Die Bewegung schmerzte, also hielt Dosu wieder still. Seine Gedanken rasten. Er hatte noch vierzig Sekunden. Die Ketten waren rostig … Orochimaru hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihm die Kleider abzunehmen, und er trug sein neues Schallgerät, das er sich nach Zakus Mord zu seiner Absicherung gekauft hatte, am rechten Arm unter seiner Jacke … Grimmig starrte er zu dem Fernseher, der ihm gerade eben die Anweisung erteilt hatte, die Ketten aus seinem Fleisch herauszureißen. Das kam nicht in Frage – nicht, wenn es sich verhindern ließ! Dosu ballte die Fäuste – und bereute es sofort wieder, als sich die Ringe durch seine Haut drehten. Er atmete tief durch. Zweiunddreißig Sekunden … Er musste sich beeilen. Mit seinem Chakra aktivierte er den Schallgenerator an seinem Arm. Der Ton war so hoch, dass man ihn kaum hörte, aber er spürte die Vibrationen, die er erzeugte. Die Kette rasselte, seine Hand schmerzte bestialisch – mit einem Klirren zersprang das Eisen und Dosu hatte den Arm frei. Keuchend presste er ihn an die Brust, wagte aber nicht, seine Hand zu berühren, in der noch immer der Ring und ein Ende der Kette steckten. Keine Zeit verlieren … Er führte das Gerät zu der Kette an seinem anderen Arm und wiederholte die Prozedur. Zu langsam, er war zu langsam … Er bückte sich und führte die Resonanzkatastrophe auch bei seinen Beinfesseln durch. Sein Blick flackerte zum Timer. Noch zwölf Sekunden. Er berührte mit dem Schallgenerator die letzte Kette, die zu seinem Kieferring führte, und drehte den Schall voll auf. Diesmal war er viel zu nah an seinen eigenen Ohren. Der Ton scheuerte durch seine Gehörnerven und setzte seinen Gleichgewichtssinn außer Kraft. Dosu schwankte. Alles verdoppelte sich vor seinen Augen, wackelte, als vibriere nicht er, sondern die Welt. Er stieß ein langgezogenes Stöhnen aus, dass ebenso ratterte wie all seine Sinne. Übelkeit kämpfte sich in ihm hoch, aber musste dagegen ankämpfen! Er musste sich befreien … Sein Schädel dröhnte. Alle Geräusche, das Rasseln der Ketten, das Piepsen der Uhr, alles war um ihn herum verstummt. Er spürte, wie ihm Blut aus den Ohren und der Nase lief und konnte sich bildlich vorstellen, wie die winzigen Äderchen in seinen Augen aufplatzten und sich seine Augäpfel vampirisch rot verfärbten. Dann schoss ein weiterer, noch übler stechender Schmerz durch seinen Kopf, und er sah auf einem Auge gar nichts mehr. Sein Frühstück drängte nach oben. Alles drehte sich, Dosu stürzte in die Knie und erbrach sich. Wie lange noch? Wann war die Kette endlich kaputt? Er konnte nicht mehr. Alles war besser, als länger den Schallwellen ausgesetzt zu sein, selbst den Tod würde er dieser Folter vorziehen … Er konnte nicht mehr, es ging nicht mehr, es war aus … Dosu riss den Arm weg und deaktivierte sein Gerät. Die Welt war immer noch schweigsam um ihn herum. Die Kettenglieder seines Kieferrings waren längst gesprungen, ohne dass er es bemerkt hatte. Er hätte gar nicht so sehr bis an seine Grenze gehen müssen … Aber jetzt war es geschafft. Dosu keuchte und versuchte, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Seine verschwommene Sicht wurde wieder scharf, und er sah, dass er auch sein Zeitgefühl komplett verloren hatte. Er riss die Augen auf, als er den Timer von einer Sekunde auf null springen sah. Das Inferno aus Feuer und fliegenden Nägeln, das sich erhob, hörte er nicht. „Hallo Dosu. Ich möchte ein Spiel spielen. Haben Sie geglaubt, dass Sie …“ Das Band setzte aus und rauschte nur noch. „Mehr war nicht zu rekonstruieren. Ein Wunder, dass wir überhaupt was haben“, murmelte Sasori. „Er ist in die Luft geflogen?“ „So könnte man es ausdrücken. Wenn unsere Informationen korrekt sind, war er auch ein Lehrling von Orochimaru, der aber dann mit dem Handwerk aufgehört und sein Glück als Tontechniker versucht hat. Ich vermute mal, dass er gemeinsam mit dem ersten Opfer ein krummes Ding gedreht hat.“ „Hm.“ Kisame leckte sich mit der Zunge über die spitzen Zähne und musterte den Bildschirm, auf dem die Tonspur des Videobandes zu sehen war – oder was davon übrig war. Daneben sah man auf einem weiteren Schirm das dazugehörige Bildmaterial: Orochimarus Visage, die zu verstecken er sich nicht mehr die Mühe gemacht hatte, nachdem man seine Identität herausgefunden hatte. „Der dritte Fall innerhalb von fünf Monaten, oder?“ Sasori nickte und quirlte mit seinem Löffel in seiner Kaffeetasse herum, die nicht einmal mehr halb voll war. „Geben Sie’s auf, Kisame“, ließ Deidara von seinem Arbeitsplatz aus fröhlich vernehmen. Er schien heute bester Stimmung zu sein und machte sogar früher Schluss als üblich. Der Detective hatte seinen Schreibtisch bereits aufgeräumt und nahm soeben seinen Mantel vom Haken. „Das ist nicht Ihr Bier. Kümmern Sie sich lieber um ihren eigenen Fall, oder die hohen Tiere werden sauer.“ Kisame und Deidara waren zwar diejenigen gewesen, die das erste Orochimaru-Opfer gefunden hatten, aber da sie noch an dem Fall der Jugendbande drangewesen waren, hatte ihr Vorgesetzter Itachi die Special Agents Sasori und Konan beauftragt, dem Killer nachzugehen. Mittlerweile hatten die beiden anderen ihre Ermittlungen schon abgeschlossen, aber wer einmal an einem Fall dran war, blieb dran, und so war der Fall Orochimaru weiterhin an Sasori und Konan hängen geblieben. Dennoch hegte Special Agent Kisame unübersehbar großes Interesse an den Morden und klebte in letzter Zeit immer öfter an Sasoris Bildschirmen – etwas, das Deidara nicht nachvollziehen konnte. Eigentlich ermittelte Kisame neulich gemeinsam mit Itachi gegen einen Drogenschmugglerring. Er würde kaum Zeit finden, sich auf beide Fälle zu konzentrieren. „Also, ich bin dann weg. Kurenai erwartet mich. Bis am Montag dann.“ Deidara zog sich den Mantel an und nickte noch einmal in Richtung der beiden Special Agents. Kisame hörte ihm nur mit halbem Ohr zu. „Was war das komische Gerät, das die Spurensicherung gefunden hat?“ „So etwas wie ein Schallgenerator, wenn unsere Vermutungen richtig sind“, antwortete Sasori. „Er hat sich über das Chakra des Opfers aktivieren lassen.“ „Das heißt also, dieser Dosu war ein Ninja?“ „Ja. Seine Fähigkeiten dürften ihm auch genutzt haben – allerdings nur bis zu einem gewissen Grad.“ Deidara wohnte ihrem Wortwechsel noch kurz bei, dann zuckte er mit den Schultern und ging mit schnellen Schritten auf die Tür zu – und wäre fast mit einer blauhaarigen Frau zusammengeprallt, die mit einem Stoß Akten hereinkam. Ein einzelnes Blatt löste sich von dem Dokumententurm und segelte zu Boden, als sie beide zurückprallten. „Nicht so eilig, Detective“, sagte Konan. „Hab Sie nicht gesehen. Was ist das alles?“ Deidara deutete auf den Papierstapel, der auf den Ordnern lag. Konan seufzte. „Probleme“, sagte sie knapp. „Probleme?“ „Das sind Strafanzeigen gegen die Akatsuki-Soko.“ „Oh.“ Deidara ahnte, worum es ging. „Hidan?“ Der weibliche Special Agent nickte. „Allein heute hat er sich wieder zwei Anzeigen wegen Beamtenbeleidigung eingefangen. Der Kerl ist eine Landplage. Irgendwann leistet er sich noch etwas Großes, wo es ihm dann nichts mehr nützt, bei den Akatsuki zu sein. Ich habe gehört, die Oberen warten nur auf einen Grund, ihn endgültig aus der Soko zu schmeißen.“ „Schon möglich. Nun, ich hab eine Verabredung“, erklärte Deidara. Konan blickte vielsagend auf das Blatt Papier, das ihr wegen ihm vom Stapel gefallen war, aber er machte keine Anstalten, sich danach zu bücken. „Bis am Montag dann, Special Agent.“ Bevor er zur Tür hinaus rauschte, warf Deidara noch einen Blick zu Kisame und Sasori. Orochimarus Videotape hatte sie immer noch vollkommen in den Bann gezogen. Es war ihm schleierhaft, was an diesem Fall so besonders sein sollte. Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, Zaku zu testen. Dass Orochimaru damals in diesem Geschäft noch unerfahren gewesen war, war keine Entschuldigung. Natürlich hatte die Polizei ihn mit dem Opfer in Verbindung gebracht; schließlich war er sein letzter legitimer Arbeitgeber gewesen – genauer gesagt, sein Handwerksmeister. Die Akatsuki-Polizei hatte außerdem seinen Namen in dem Keller gefunden, so war ihm nichts anderes übrig geblieben, als unterzutauchen und seine Spiele aus den Schatten heraus weiterzuspielen. Für die Polizei war er nur ein Mörder von vielen, aber Orochimaru sah sich nicht als solcher: Er war mehr. Weit mehr. Er hatte sämtliche Verbindungen zu seiner Umgebung gekappt, seine Verlobte verlassen, seine Freundschaften aufgekündigt, sein Haus bei Nacht und Nebel an einige zwielichtige Gestalten verkauft und hatte dann eine Zeitlang in einem unterirdischen Versteck im nahen Wald gehaust. Die Höhlenanlage war gefunden worden, als er gottlob einige Besorgungen hatte machen müssen und deswegen nicht dort gewesen war. Seitdem lebte er in einem Versteck tief in den verwinkeltsten Gassen der Stadt. Hier hatte er alles, was er brauchte: Einen ganzen Keller voller Gerätschaften, mit denen er experimentieren konnte, einen guten Blick auf die Straße nebenan, um Polizeikräfte schon von weitem zu sehen, und vor allem – Zeit. Viel Zeit, um Pläne zu schmieden, wen er wie spielen lassen würde. Orochimaru tat das nicht, weil es ihm Spaß machte. Er tat es, weil es sein musste. Vor Jahren hatte er eine schwere Krankheit gehabt, eine der schwersten, die ein Mensch sich vorstellen konnte: Krebs. Als er erfahren hatte, dass sein Leben nicht mehr allzu lange dauern sollte, hatte er verzweifelt alles versucht: Ärzte, Esoteriker, er hatte sogar angefangen, Jutsus zu entwickeln, die seine Unsterblichkeit gewährleisten sollten. Nichts von alledem hatte Früchte getragen. Oh ja, er hatte mit seinen Jutsus einige Jahre herausholen können, mehr aber auch nicht. Sein Leibarzt war es schließlich gewesen, der ihm eine Option bot: Ein Arzt aus dem Ausland hatte eine vielversprechende Therapie entwickelt – wobei vielversprechend bei einem Hirntumor bedeutete, dass die Chancen eins zu drei standen, geheilt zu werden. Orochimaru wollte es nicht unversucht lassen, und tatsächlich schlug die Behandlung an, wenn auch nur, weil es ihm gelang, mit seinen Jutsus die Wirkung zu erhöhen. Fortan war Orochimaru geheilt – und sah sich plötzlich einer Realität gegenüber, in der er so froh wie noch nie zuvor war. Er wäre fast gestorben – und dieses Nahtodereignis hatte einen anderen Menschen aus ihm gemacht. Er kostete das Leben in vollen Zügen aus, genoss jede Minute, mehr noch als zu der Zeit, in dem seine Minuten begrenzt waren. Er stand dem Leben positiver gegenüber, Essen und Trinken oder einfach nur Ausruhen empfand er als höchstes Gut. Und er wollte etwas mit seiner gewonnenen Zeit anfangen, etwas Nachhaltiges, Sinnvolles: Er wollte seine Erfahrungen teilen, anderen ebenfalls das Gefühl geben, wirklich zu leben und ihren Willen wecken, etwas aus ihrem Leben zu machen. Er, Orochimaru, wollte der Stein sein, der alle anderen ins Rollen brachte. Denn etwas störte ihn an der Welt: Den Leichtsinn, mit dem die Menschen ihr Leben oft wegwarfen oder auf dem Leben anderer mit den Füßen herumtrampelten. Diese Menschen würde er therapieren, wie der Krebs ihn therapiert hatte, bis sie zur Einsicht kamen. Und es gab nur den einen Weg – sie ebenfalls den Tod schauen zu lassen, dem sie aus eigener Kraft entkommen mussten. Zaku war der erste gewesen – aber es würden noch viele folgen. Orochimaru verfügte über ein ausgezeichnetes Informationsnetz; er hatte sich mithilfe eines Hackers Zugriff zu den Rechnern des Akatsuki-Hauptquartiers beschafft. Er kannte die schwarzen Schafe der Gesellschaft, die das Gesetz nicht oder zu wenig bestraft hatte. Alles weitere hatte er hier in seinem Versteck – fehlten nur noch die Schauplätze, an denen die Spiele stattfinden sollten. Das musste genau geplant werden. Genau, es waren Spiele. Er gewährte jedem, den er testete, eine Chance. Es gab immer eine Lösung, und eine Belohnung am Schluss: Das Leben. Orochimaru lehnte sich zurück. Seine Hände schmerzten vom vielen Herumhantieren mit dem Schraubenzieher. Er besah sich die metallene Kapsel, die sich hydraulisch schließen sollte. Das war sein bisher größtes Werk. Bald war es fertig, dann konnte es zum Einsatz kommen. Wen es testen würde, stand noch in den Sternen. Um die Augen zu entspannen, sah er auf den Gebäudeplan, der an einer Pinnwand hing. Ein nicht ganz sauberer Immobilienmakler hatte ihm dieses Haus besorgt, das wie geschaffen war für das erste Multiplayer-Spiel, das er veranstaltete. Sieben Jahre … und immer war nur einer auf einmal getestet worden. Nun sollte sich das ändern. Er griff nach der Mappe, die neben ihm auf dem Stuhl lag. Darin waren Fotos mehrerer Männer und Frauen. Sie würden alle auf einmal drankommen, miteinander interagieren … Er fand es jetzt schon aufregend. In diesem Haus konnte buchstäblich alles passieren … Und er würde in der ersten Reihe sitzen und sich die Vorführung ansehen. Wie immer. Sein bisher größtes Spiel in all den Jahren. Bald würde es beginnen. ========================================== So ... wie man sehen kann hab ich mich dafür entschieden, auch mal aus Orochimarus Sicht zu schreiben ;) Um nochmal alle Zweifel aus dem Weg zu räumen, die erste Hälfte des Kapitels spielt etwa ein halbes Jahr nach dem ersten Mord, beim zweiten Teil mit Orochimaru liegt dieser sieben Jahre zurück. Freue mich über alle möglichen Reaktionen :) Kapitel 2: Tür zum Tod ---------------------- Ich weiß, ich bin spät dran ;) Viel Spaß! ============================== Ein Husten ließ ihn aufwachen. Zuerst sah er alles verschwommen, irgendwo über ihm schwamm ein Lichtschimmer. Ein bitterer Geschmack lag auf seiner Zunge. Er versuchte, den Kopf zu drehen, aber es fiel ihm so schwer, dass er es bleiben ließ. Hinter seiner Stirn begann es schmerzhaft zu pochen. Das Husten wiederholte sich, dann hörte er das Geräusch eines sich bewegenden Körpers, gefolgt von einem heiseren Murmeln, aber er konnte nicht sagen, aus welcher Richtung die Geräusche ertönten. Er versuchte erneut sich zu bewegen und drehte sich nach rechts, gerade rechtzeitig, um die Umrisse einer Gestalt zu erkennen, die in die Höhe schnellte – und einen kurzen Moment später mit einem unterdrückten Schrei wieder in die Knie sackte. „Was … Wo bin ich hier?“ „Keine Ahnung“, ertönte eine leise Stimme aus der anderen Ecke des Raumes. „Ich bin auch gerade erst wach geworden.“ Während Haku die Augen zusammenkniff und sich bemühte, wieder scharf zu sehen, ertönte von irgendwoher ein Stöhnen, das wieder in ein Husten überging. Die bleierne Müdigkeit fiel allmählich von ihm ab, seine Sinne regten sich wieder. Und wurden zusätzlich von einem Adrenalinstoß angekurbelt, als er sich erinnerte. Die dunkle Gasse! Der Vollmond, der hinter den Dachfirsten verschwand! Die vermummte Gestalt … Der Schlag ins Genick, die blitzende Nadel … Danach nichts mehr. Haku setzte sich mit einem Ruck auf und wurde mit einem nie dagewesenen, bestialischen Kopfschmerz bestraft, der ihm ein leises Stöhnen entlockte. „Ah!“, erscholl ein wütendes Brüllen. „Scheiße, Scheiße, was ist los! Wer seid ihr? Wo bin ich?“ Neben Haku sprang noch jemand auf die Beine – und auch der junge Mann konnte nur schwer das Gleichgewicht halten. „Mir dröhnt der Schädel …“ „Mir auch, also schrei nicht so herum“, knurrte eine Stimme, die eisig und gefährlich leise klang. Endlich konnte Haku wieder scharf sehen. Es bereitete ihm immer noch Mühe, den Kopf zu drehen, ohne dass ihm übel wurde, also musterte er langsam den Raum und die Personen, die sich darin aufhielten. Es sah aus wie ein gewöhnliches Wohnzimmer – ein sehr ärmliches und heruntergekommenes Wohnzimmer. Ein Schrank mit gähnend leeren Türen auf der einen Seite, ein alter, ausgeschalteter Fernseher auf der anderen, dazwischen eine rosafarbene Couch, deren Innereien durch eine Vielzahl von Rissen quollen. Ein niedriger Tisch und dazu passende Stühle in der Ecke, ein leeres, staubiges Regal, und ein wuchtiger, nachtschwarzer Safe, der so ziemlich das modernste Einrichtungsstück in diesem Zimmer sein durfte. Die Wand bestand aus hellem Holz, hatte aber sichtlich schon bessere Tage gesehen. In den Ecken wehten Spinnenweben in dem sachten Luftzug, den eine rostige Klimaanlage verursachte. So wie die Wände aussahen, gab es hier mit Sicherheit Ratten. Hakus Blick glitt über die anderen Menschen, die sich träge regten oder schon wach waren. Es waren, ihn nicht mitgerechnet, sechs Personen in dem Raum. Da war erst einmal die Frau, die die ersten Worte gesagt hatte. Sie hatte langes, blondes Haar und war besonders auffällig gekleidet; sie trug einen teuren, pelzigen Schal um den Hals und schwere Ohrringe, außerdem ein schreiend buntes Top und einen Minirock und glänzende Schuhe mit Absätzen, die jenseits von Gut und Böse lagen. Ihr Make-up war verlaufen und ließ ihr Gesicht wie das einer Figur in einem Horrorfilm aussehen. Momentan war sie genau wie Haku damit beschäftigt, ihre Leidensgenossen zu mustern. Dann war da der Typ, der geschrien und es endlich geschafft hatte, aufzustehen. Er sah sich mit gehetztem Blick im Raum um und drehte sich dabei so wild im Kreis, als legte er es darauf an, gleich wieder umzukippen. Er hatte kurzes, stachelig wirkendes braunes Haar, rote Tätowierungen – oder nur Farbe – im Gesicht und auffallend lange Eckzähne. Ein weiterer junger Mann war noch nicht ganz aufgewacht; er lag noch am Boden, bewegte sich aber, als wollte er sich aufsetzen, hätte aber vergessen, wie das ging. Er hatte schlohweißes Haar, das ihm in zwei Zöpfen ins Gesicht hing. Als Haku ihn betrachtete, hustete er soeben wieder, ohne die Augen aufzuschlagen. Haku konnte sich täuschen, aber es sah aus, als hätte auch er so etwas wie Make-up im Gesicht. Eine Tunte? Als er den Blick weiterwandern ließ, sah er noch einen Typen, der sich gerade aufgesetzt hatte und blinzelnd die Umgebung absuchte. Noch einer mit Schminke … Außerdem trug er ein lächerliches, schwarzes Ganzkörperkostüm mit Katzenohren. Neben ihm lag eine Art Sack aus Mullbinden. Dann saß da noch ein Mann an die Wand gelehnt da und als Haku ihn ansah, erwiderte er den Blick aus stechenden Habichtaugen. Es kam ihm vor, als hätte er ihn schon einmal gesehen, aber vielleicht täuschte er sich. Sein Mund verschwand hinter einer Maske aus weißen Bandagen und er trug ein dunkles Muskelshirt. Von den Versammelten mochte er wohl der älteste sein, aber er hatte etwas an sich, das sogar Haku nervös machte – obwohl er in seinem kurzen Leben auf der Straße so einige furchteinflößende Dinge gesehen und schon selbst getan hatte. Wen er fast übersah, war ein dunkelhaariges Mädchen, das in der Ecke kauerte und sich sichtlich Mühe gab, einfach nicht da zu sein. Ihr Gesicht war recht hübsch, wahrscheinlich, denn sie hatte den Kopf so weit in ihrem Jackenkragen vergraben, dass man es bis zu Nase nicht erkennen konnte. Mit ihren Augen stimmte irgendetwas nicht, aber Haku war noch ein kleines bisschen zu benommen, um sagen zu können, was. „Also“, sagte der Mann mit dem Muskelshirt. „Hat einer von euch eine Ahnung, was hier los ist?“ Seine Stimme klang kalt und schneidend, aber immer noch leise. Niemand antwortete. Der Mann sah zu dem Mädchen in der Ecke, das erschrocken zusammenzuckte und den Blick senkte. „Wüsste ich auch gern“, sagte der Kerl mit den Fangzähnen. „Wenn ihr mich fragt, ist das ein Wohnzimmer oder so etwas. Ein sehr … marodes Wohnzimmer.“ „Du bist ja ein ganz Schlauer“, meinte der mit den Katzenohren spöttisch und wurde mit einem zornsprühenden Blick belohnt. „Ich glaube …“ Haku unterbrach sich, als er hörte, wie hoch, leise und heiser seine Stimme klang. Es waren Momente wie dieser, in denen er sich wünschte, endlich in den Stimmbruch zu kommen. Er räusperte sich und setzte neu an. „Ich glaube, man hat uns entführt. Kann sich einer von euch vielleicht daran erinnern, wer es war?“ Die Blonde legte die Stirn in Falten. „Ja … Da war irgendetwas …“ „Oh Scheiße!“, entfuhr es Fangzahn. Alle blickten ihn alarmiert an. Plötzlich lachte er. „Ich hab von so was im Fernsehen gehört. Das ist eine Reality-Show, die kidnappen Leute auf der Straße und schleppen sie in irgendeine Art Geisterhaus, wo sie eine Aufgabe lösen müssen. Der Gewinner kriegt einen Haufen Kohle und das Ganze wird live übertragen. Seht ihr?“ Er deutete auf ein Kameraauge, das in der Ecke unter dem Plafond hing. „Na, ich weiß nicht“, murmelte Katzenohr. Hakus Blick glitt weiter über die Decke – und dann erst sah er das Bündel, das knapp über ihm baumelte. Er riss es von der dünnen Schnur und packte es aus. „Was hast du da, Kleiner?“ Die Blonde kam näher und riss es ihm aus der Hand, und bevor er protestieren konnte, hatte sie es schon ausgewickelt. In dem Päckchen lag ein altmodischer Kassettenplayer. Verdutzt sah sie ihn an. „Sag mir nicht, dass …“ Katzenohr verstummte und was von seinem Gesicht nicht violett bemalt war, wurde käseweiß. Haku registrierte mit einem schnellen Blick, dass auch der Weißhaarige endlich aufgewacht war und sich desorientiert umsah. „Da steht Spiel mich ab drauf“, las die blonde Frau vor. „Nein … nein …“ Der Typ mit den Katzenohren kam taumelnd näher und nahm ihr das Gerät mit zitternden Händen aus der Hand. „Bitte nicht, das kann doch nicht …“ Er drückte auf Play, und eine rauchige Stimme erklang. „Herzlich willkommen …“ Katzenohr drückte fast panisch auf die Stopp-Taste, schloss die Augen und knirschte, lautlos stöhnend, mit den Zähnen. „Was … Was ist denn los?“, fragte die Blonde unsicher. „Hey, Kumpel, weißt du, was hier abgeht?“, fragte Fangzahn. „Er hat uns erwischt.“ Katzenohr sah in die Runde und ein Schweißtropfen lief an seiner Schläfe entlang. „Wer ist er?“, fragte Fangzahn ungeduldig. Seine Stimme klang etwas schrill. „Orochimaru.“ Die Blonde sog scharf die Luft ein. „Der Serienmörder?“ Katzenohr nickte und musterte sie einen nach dem anderen. „Ich habe gehört, dass es jedes Mal genauso abläuft. Man wird entführt und irgendwie bewusstlos gemacht. Anschließend wacht man in einem verschlossenen Raum auf – und muss ein Spiel auf Leben und Tod bestreiten.“ „Ein Spiel?“, fragte Haku. Die Sache macht ihn nervös. „Ach, Schwachsinn!“ Die Stimme von Fangzahn war nicht so fest, wie er es sich wohl gewünscht hätte. „Gib her das Ding!“ Er nahm den Kassettenplayer und drückte entschlossen auf Start. Mit angehaltenem Atem lauschten sie der Stimme. „Sie alle sind, wie man sagen könnte, schlechte Menschen. Jeder von Ihnen führt ein Leben, das anderen schadet. Ich behaupte, die Welt wäre ohne Sie besser dran. Heute ist es an Ihnen, mir das Gegenteil zu beweisen und mir zu zeigen, dass Sie das Leben verdienen.“ „Hört ihr? Genau das meine ich!“, flüsterte Katzenohr, aber die Blonde unterbrach ihn mit einem harschen „Pscht!“ „Sie werden sich fragen, wo Sie hier sind. Ich kann Ihnen so viel sagen: Sie befinden sich in einem Haus, das komplett von der Außenwelt abgeschirmt ist. Die Außenwände sind mit Chakra verstärkt und werden sich auch nicht von Ihren Jutsus zerstören lassen. Sie werden sich einem Test unterziehen, dessen Ergebnis darüber entscheidet, ob Sie frei sind oder nicht, ob Sie leben oder sterben. Es ist ein Spiel, wenn Sie es so wollen.“ „Der Kerl spinnt doch!“, zischte der Mann mit den Fangzähnen. „Ich werde Ihnen nun die Spielregeln erklären“, fuhr die Stimme dessen fort, den Katzenohr Orochimaru genannt hatte. „Zu dem Zeitpunkt, in dem das Betäubungsmittel, das Sie verabreicht bekommen haben, aufgehört hat zu wirken, waren Sie etwa eine halbe Stunde hier. Seit diesem Moment atmen sie ein giftiges Gas ein. Es ist geruch- und geschmacklos, aber es wird innerhalb von drei Stunden ihre Blutgefäße zersetzt haben und Sie damit töten. Die einzige Tür, die nach draußen führt, wird in fünf Stunden geöffnet. Nun zu einem Hinweis, wie Sie so lange überleben können. Passen Sie gut auf: Überall im Haus sind Spritzen mit einem Gegengift versteckt, das das Gas neutralisiert. Sie müssen diese Spritzen finden und sich das Mittel injizieren. Allerdings ist an jede Dosis eine Bedingung geknüpft – ein Mini-Spiel sozusagen. Eine Spritze, wie Sie sie suchen, ist in dem Safe eingeschlossen. Um ihn zu öffnen, ist ein Code von sieben Zahlen notwendig, allerdings ist das Schloss so programmiert, dass es eine falsche Zahl zulässt. Die Reihenfolge spielt keine Rolle. Ist mehr als eine Ziffer falsch, sperrt sich das Schloss für jede weitere Eingabe. Die Zahlen selbst sind nicht schwer zu finden. Sie alle haben sie verinnerlicht und müssen nur tief in sich gehen, um sie herauszufinden. Denken Sie daran, Sie haben nur einen Versuch. Die anderen Spritzen müssen Sie selbst suchen. Legen Sie die Eigenschaften ab, die Sie hierher gebracht haben, und Sie werden es schaffen. Erhalten Sie sich diese schlechten Angewohnheiten, und Sie erwartet der sichere Tod. Das Spiel ist eröffnet.“ Mit einem gänsehauterregenden Rascheln endete das Band. Einen Augenblick herrschte Totenstille. „Was für ein Schwachsinn!“ Der Typ mit den Fangzähnen warf den Kassettenplayer mit einer fahrigen Bewegung zu Boden. „Ausgekochter Blödsinn! Wie ich euch gesagt hab, eine Reality-Show! Ein normaler Mensch kommt gar nicht auf so eine kranke Scheiße!“ Seine Stimme zitterte allerdings ein wenig, als er das sagte. Wahrscheinlich glaubte er selbst nicht daran. Wie um sich selbst Mut zu machen, fuchtelte er mit dem Mittelfinger in Richtung des Kameraobjektivs. Haku hob den Kopf und sah zu der Klimaanlage hoch, die unheilverkündend surrte. Wie viel Gift hatten sie wohl schon eingeatmet? „Und wenn es doch stimmt?“, murmelte Katzenohr nachdenklich. „Dann haben wir ein gewaltiges Problem.“ „Ach, jetzt macht euch nicht in die Hosen.“ Die Blonde stemmte die Hände in die Hüften und sah sich demonstrativ um. „Überlegen wir lieber, wie wir hier rauskommen.“ Hakus Blick glitt erneut zu dem Safe, in dem angeblich eine Spritze mit dem Gegenmittel verwahrt war. Da sah er einen verirrten Lichtstrahl, der sich neben der stählernen Außenhülle des Tresors auf etwas Kleinem, Metallischem widerspiegelte. Er ging in die Hocke und hob einen kleinen Schlüssel auf. „Hey, Leute!“ „Der Kleine hat was gefunden!“ Haku unterdrückte ein Seufzen. Er wünschte sich, die Blonde würde aufhören, ihn Kleiner zu nennen, auch wenn es offensichtlich war, dass er der jüngste war, so konnte es nur einen kleinen Altersunterschied geben. Vielleicht sollte er froh sein, dass sie ihn nicht für ein Mädchen hielt, auch das passierte ihm von Zeit zu Zeit. „Ein Schlüssel?“ Fangzahn nahm ihm das kleine Stück Eisen ab. Haku sah aus den Augenwinkeln, wie der kühle Mann mit den Habichtaugen aufstand und mit fast lautlosen Schritten näherkam. „Hier liegt noch etwas.“ Haku hob einen Zettel hoch und brauchte einen Moment, um die krakelige Schrift zu entziffern. „Versuchen Sie nicht, mit diesem Schlüssel eine Tür zu öffnen. Was soll das heißen?“ Fangzahn zögerte und sah unschlüssig zu der einzigen Tür, die aus dem Raum führte. „Seid nicht solche Muschis“, sagte Habichtauge heiser, nahm den Schlüssel an sich und trat entschlossen auf die Tür zu und steckte den Schlüssel ins Loch. „W-warte“, ertönte da eine piepsige Stimme aus der Ecke. Haku sah überrascht das dunkelhaarige Mädchen an, das bisher kein Wort von sich gegeben hatte. Habichtauge reagierte gar nicht, sondern setzte dazu an, den Schlüssel mit einem Ruck herumzudrehen, als Haku rief: „Warte noch einen Moment!“ Unwillig drehte sich der Mann um und musterte erst ihn, dann das Mädchen mit einem eisigen Blick. Offenbar hatte er sie sehr wohl gehört. „Was?“, fragte er gedehnt. „Noch mehr Spekulationen von euch hirntoten Halbwüchsigen?“ Fangzahn sog empört die Luft ein, aber der Mann achtete gar nicht auf ihn. Haku sah fragend das Mädchen an. „Tu es nicht, das ist … gefährlich.“ „Mach dir nicht ins Hemd“, sagte Fangzahn, offenbar pikiert, trat neben Habichtauge und machte sich so groß wie möglich. Der andere hatte aber immer noch viel breitere Schultern als er. „Wir kriegen das schon hin.“ „Hört euch doch wenigstens an, was sie zu sagen hat“, schlug Katzenohr vor. Fangzahn sah ihn abschätzend an. „Ich hätte dich für mutiger gehalten. Hat das kleine Kätzchen Angst? Wie ich schon sagte, es kann uns absolut nichts passieren. Das ist alles nur eine Show.“ „Und wenn nicht?“ Katzenohr klang verärgert. „Hör mal zu, du Großmaul, wer viel redet, fällt schnell auf die Schnauze.“ „Das muss ich mir von dir nicht sagen lassen!“, fuhr ihn Fangzahn unbeherrscht an. „Wenn das, was der Typ auf dem Tonband erzählt hat, stimmt, können wir hier nicht warten, bis die Wände zu Staub zerfallen“, knurrte Habichtauge. Sein Mundverband raschelte, als er das sagte. „Haltet also die Klappe, oder ich reiß euch die Zunge raus.“ „Ach ja? Komm her und versuch’s!“, rief Fangzahn angriffslustig. „Ich bin ein Ninja, weißt du?“ „Verdammt nochmal!“, entfuhr es der Blonden. „Müsst ihr Männer bei jeder Gelegenheit darüber streiten, wer den höheren Testosteronspiegel hat? Wenn ihr wollt, kloppt euch doch, wenn wir hier draußen sind, aber nicht jetzt!“ Sanfter und an das zweite Mädchen gewandt, sagte sie: „Erzähl uns, warum wir die Tür nicht aufschließen sollten.“ „Das … Das ist eine Falle. Du darfst den Schlüssel nicht … nicht herumdrehen“, brachte sie kleinlaut hervor. „Ach nein?“, machte Habichtauge mit rauer Stimme. „Woher willst du das wissen?“ „Ich … ich sehe es“, sagte die Dunkelhaarige. Haku erkannte, dass ihre Augen weiß und pupillenlos waren. Seltsam … „Ich habe das Byakugan. Ich kann durch Wände sehen.“ „Und was ist hinter der Wand?“, fragte Haku. „Eine …“ Das Mädchen schluckte. „Eine Pistole. Wenn jemand den Schlüssel umdreht, schießt sie.“ Der Mann mit dem Mundverband schien zu überlegen. Er schien sie plötzlich ernst zu nehmen und trat einen Schritt zur Seite. „Byakugan, hm? Wenn ich hier stehe und den Schlüssel umdrehe, stehe ich dann in der Schussbahn?“ Das Mädchen sah Haku an, und er verstand. Auch er trat einige Schritte zur Seite. „Jetzt geht es“, sagte sie. Habichtauge nickte und drehte den Schlüssel. Ein Schuss wie ein Peitschenknall ertönte. Obwohl er es erwartet hatte, zuckte Haku zusammen. Staub und winzige Holzsplitter rieselten zu Boden, als die Kugel die Tür durchschlug und in die gegenüberliegende Wand fuhr. Habichtauge drückte die Klinke nach unten und öffnete die Tür. Eine teuflische Apparatur war auf der Rückseite befestigt, in der eine Pistole steckte, mit dem Lauf Richtung Zimmer. Der Mann mit dem Gesichtsverband prüfte fachmännisch die Trommel der Waffe. „Schade“, sagte er. „Das war die einzige Patrone.“ „Glaubst du immer noch an eine Reality-Show?“, fragte Katzenohr den Typ mit den Fangzähnen, der nichts darauf erwiderte. Haku merkte, dass er selbst erst nach und nach begriff, in welcher Lage er sich befand. Und er hatte das Gefühl, dass sie noch weitaus schlimmere Dinge erwarteten als Pistolenfallen. Er sollte Recht behalten. ======================================= So ... es ist zwar nur ein Einleitungskapitel, aber ohne das konnte ich das Spiel nicht eröffnen^^ Ich hoff, dass ich das nächste Kapitel schneller online bringe ... Ist nicht leicht, so viele FFs zu managen ;) PS: Ich weiß, Haku ist eigentlich älter als Ino, Kankuro und Kiba, aber stellt euch einfach vor, die anderen sind in Shippuuden gealtert und für ihn ist die Zeit stehen geblieben :P Kapitel 3: Auge um Auge ----------------------- Ein ungewohntes Gewicht um seinen Hals herum und kaltes Metall an seiner Wange waren die ersten Eindrücke, die er hatte, als er aufwachte. Es war völlig finster um ihn herum und roch muffig nach feuchter Kellerluft. Er saß auf einem Stuhl, Kälte kribbelte über seinen nackten Oberkörper. Wo war er? Mit den Händen ertastete er etwas, das sich wie eine eiserne Halskrause anfühlte. Er bemühte sich, daran zu rütteln und sie abzustreifen, doch sie saß so fest wie seine Krawatte an einem normalen Arbeitstag – und war ungleich stabiler. Über ihm entflammte eine Glühbirne und das Licht stach so grell in seine Augen, dass ihm ein brennender Schmerz ins Hirn schoss. Er presste die Lider zusammen. Sein linkes Augenlid antwortete mit einem pochenden Schmerz. Irgendwo vor ihm knisterte etwas. Er zwang sich, die Augen zu öffnen, aber vor allem das linke wehrte sich mit aller Kraft: Er konnte es nur halb aufmachen; es war wohl zugeschwollen. Genau in Sichtlinie stand ein alter Röhrenfernseher auf einem Holzschemel, der das Rauschen verströmte. Der Bildschirm hatte sich in das Schlachtfeld eines Ameisenkrieges verwandelt. Es dauerte einen Moment, bis ein Gesicht sichtbar wurde: Es war die bleiche, längliche Visage eines Mannes von unbestimmbarem Alter – auf den ersten Blick konnte man ihn auch mit einer Frau verwechseln –, langem dunklem Haar und gelben Schlangenaugen. „Hallo, Kakashi“, ertönte eine Stimme wie Schmirgelpapier. „Ich gehe davon aus, dass Sie nicht nur wissen, wer ich bin, sondern auch, in welcher Lage Sie sich befinden.“ Und ob er das wusste. Kakashi schluckte. Seit die Akatsuki-Spezialeinheit den ersten Orochimaru-Fall entdeckt hatte, hatte er die Entwicklung der Dinge genauestens verfolgt. Das erste Opfer, der Lehrling eines Ingenieurs für Maschinenbau, hatte mit seinem eigenen Blut den Namen Orochimaru auf den Boden geschrieben. Es hatte bald neue, ähnliche Fälle gegeben, die daraufhin von der innerhalb der Akatsuki-Einheit gegründeten Soko den Namen Orochimaru-Fälle erhalten hatten. Das war nichts anderes als der Name ebenjenes Ingenieurs, der der Polizei allerdings entwischt und anscheinend vom Rand der Welt verschwunden war – oder sich in ihrem Schatten versteckte. Nachdem er sein Gesicht eine Weile wirken gelassen hatte, fuhr Orochimaru fort: „Sie sind ein Mann, der sich der Erfüllung der Gesetze verschrieben hat. Ihre Aufgabe ist es, schlechte Menschen zu bestrafen und somit die guten vor ihnen zu schützen. Sie haben in ihrem Fach eine Perfektion erreicht, die man sich nur wünschen kann. Dennoch haben Sie mich enttäuscht. Kaum eine Handvoll Leute wissen von den Geschehnissen vor vier Jahren. Wir beide kennen sie jedoch, Kakashi, und wir wissen auch, welche Verfehlung Sie damals begangen haben. Sie haben ihren Gerechtigkeitssinn ihren Gefühlen untergeordnet. Sie, der Sie unzählige Verbrecher hinter Gitter gebracht haben, brachten es nicht übers Herz, die Schuld eines Kindes zu beweisen – eines Kindes, das mittlerweile zu einem Verbrecher herangereift ist, was hätte verhindert werden können, wenn Sie damals die richtige Entscheidung getroffen hätten. Sie wissen nun, weswegen Sie sich heute vor mir verantworten müssen. Ein Spiel wird testen, ob sie noch über den nötigen Scharfblick verfügen, um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Und um Sie etwas mehr zu fordern, werden Sie nicht nur um ihr eigenes Leben spielen, sondern auch um das eines weiteren Kindes: Ihrer Tochter.“ Kakashi sog scharf die Luft ein. Der Kerl hatte … Stumm formten seine Lippen den Namen seiner Tochter. Sie war sein Ein und Alles, seit ihre Mutter gestorben war … „Ich hoffe, ich habe nun Ihre volle Aufmerksamkeit“, fuhr die rauchige Stimme des Schlangenmannes fort. „Kakashi, Sie waren bisher bei jeder Verhandlung erfolgreich, wenn Sie es wollten. Manche sagen, Sie hätten einen Blick für Details, und Ihnen entginge nicht das geringste Muskelzucken in den Gesichtern der Angeklagten. Heute werden wir sehen, ob Sie auch in der Lage sind, nach innen zu blicken. Falls Sie es noch nicht getan haben, empfehle ich Ihnen, in den Spiegel neben sich zu sehen.“ Kakashi folgte seiner Anweisung und blickte in einen polierten Motorradspiegel, der an einer simplen Eisenstange befestigt war – und erstarrte. Nicht nur dass sein linkes Auge, wie vermutet, blutig und fast zugeschwollen war, er sah auch endlich das Ding, das er um den Hals trug: Es war eine doppelte Maske, oder eher ein auseinandergebrochener Helm: Eine Hälfte stand von seinem Nacken ab, die zweite wuchs aus der eisernen Apparatur unterhalb seines Kinns – und war voller spitzer Nägel. Kakashis Atem ging schneller. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und sah, wie sich weiße Dampfwölkchen vor seinen Lippen bildeten, während Orochimaru fortfuhr: „Ich denke, Sie sind mit dem Begriff eiserne Jungfrau vertraut. Ich nenne dieses Gerät das eiserne Gesicht. Sie haben neunzig Sekunden Zeit, den Schlüssel dazu zu finden. Sollten Sie ihr Schloss nicht in dieser Zeit öffnen, wird die Maske zuklappen wie eine fleischfressende Pflanze. Ich werde Ihnen verraten, wo der Schlüssel sich befindet, zutage fördern müssen Sie ihn allerdings selbst. Ich habe ihn unterhalb Ihres linken Augapfels versteckt. Das notwendige Werkzeug finden Sie in der Kiste vor Ihnen. Sind Sie bereit, ihr legendäres Habichtauge zu opfern, um Ihr Leben und das Ihrer Tochter zu retten? Sie müssen wählen. Das Spiel ist eröffnet.“ Der Fernsehbildschirm verwandelte sich wieder in ein Gewimmel aus schwarzen und weißen Punkten. Kakashi zwang sich zur Ruhe. Er lauschte. Lief die Zeit schon? Nein, Orochimaru konnte unmöglich wissen, dass er schon wach war. Allerdings war auch das Video genau darauf abgestimmt gewesen … Eine Zeitschaltuhr, natürlich. Das grelle Licht hätte ihn so oder so geweckt, danach kam das Video … Und schlagartig wurde ihm klar, dass er keine Zeit verlieren durfte. Im gleichen Moment begann eine Uhr in seinem Nacken zu ticken. Kakashi sprang von dem Hocker auf und stürzte zu der Werkzeugkiste, die vor seinen Füßen stand. Ihm lief ein Schauer über den Rücken, als er hineinlangte und ein sauber blitzendes Skalpell in der Hand hielt. Er zögerte einige wertvolle Sekunden, ehe er sich wieder zu dem Spiegel umwandte und das Messer zu seinem Auge hob. Sein Sharingan … Ein guter Freund von ihm namens Obito hatte es einst besessen. Als er bei einem Abendessen bei Kakashi und seiner Frau Rin zu Besuch gewesen war, hatten bewaffnete Männer die Wohnung gestürmt. Sie wollten sich an Kakashi rächen, weil sie ihn für den lebenslangen Arrest eines Kumpanen von ihnen verantwortlich sahen. Die Polizei kam fast sofort danach, es gab einen Schusswechsel; Obito wurde tödlich verletzt, Kakashi verlor sein linkes Auge. In seinem letzten Atemzug bot Obito ihm an, ihm eines seiner Sharingan-Augen zu schenken, und Rin, eine medizinische Kunoichi, führte die Operation durch. Mit diesem Auge hatte Kakashi tatsächlich viele Verbrecher genau analysieren und überführen können. Leider hatte es nicht verhindern können, dass Rin ein Jahr später bei einem Autounfall ums Leben kam. Erinnerungen an seinen verlorenen Freund flammten in seinem Kopf auf. Kakashi näherte die Klinge seinem Auge und musste sich zwingen, nicht zu blinzeln. Es tränte plötzlich wie verrückt und schmerzte höllisch … Kakashi hielt die Luft an. Das Skalpell zitterte. Seine Finger waren schweißnass. Kleine Schmerzpunkte flimmerten vor seinem Auge … Er stieß die Luft aus. Er konnte es nicht. Wer konnte sowas auch schon? Er hatte von Ninjas gehört, die bereitwillig einen Arm für eine Sache opferten, aber das hier war doch etwas anderes … Nein. Es ging um seine Tochter. Kakashi atmete tief durch und hob das Skalpell wieder ruhig. Ganz ruhig, ganz ruhig … Nur ein kleiner Ruck … Nein, das reichte nicht aus, der Schlüssel musste tief unten sein, er würde etwas graben müssen … Eine Welle aus Übelkeit schlug über ihm zusammen. Nein, nein … Mach schon! Stich zu!, befahl er seiner Hand, aber sie rührte sich nicht. Er musste … Er würde … Kakashi trat einen Schritt zurück und schleuderte das Skalpell zu Boden. Klimpernd landete es in einer Nische zwischen der Fernsehkommode und der uralten Badewanne daneben. Keuchend sammelte Kakashi seine Gedanken. Im Spiegel sah er, dass die Zeiger der Uhr die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten. Er hatte noch etwa vierzig Sekunden Zeit … Was tat er da eigentlich? Dieses Auge gehörte ihm nicht, er hatte es schon einmal verloren … Den Schmerz würde er überstehen … Leise fluchend warf er sich nach vorne und streckte die Hand nach dem Messer aus. Es lag gerade etwas außerhalb seiner Reichweite – natürlich. Kakashi schwitzte wie verrückt. Staub und Dreck vom Boden klebten sich an seiner Haut fest, als er sich streckte, so sehr es ging. Der eiserne Kragen war zu breit, als dass er durch den schmalen Spalt passte – auch von oben kam er nicht an das Messer heran. „Komm schon, komm schon“, murmelte er. Das konnte doch nicht so enden … Er kugelte sich fast die Schulter aus, als es ihm endlich gelang, das Messer mit den Fingerspitzen zu berühren. Noch ein Stück … Sein zitternder Finger stupste das Skalpell an und schob es noch ein Stück zur Wand. Kakashi hätte am liebsten geschrien. Die Uhr in seinem Nacken tickte unerbittlich weiter. Ein Schweißtropfen lief in sein wundes Auge und brannte dort wie ein Funken. Kakashi konnte ein schmerzvolles Aufkeuchen nicht verhindern, als sein verrenktes Schultergelenk mit einem glühenden Zucken, das sich bis in seine Fingerspitzen fraß, protestierte – dann hielt er das Messer in der Hand. Er fasste es so fest, dass die scharfe Schneide seiner Haut einige Bluttropfen abrang, dann sprang er auf und lief zum Spiegel zurück. Er hatte nicht einmal mehr zehn Sekunden. Erneut setzte er das Messer an und … Er konnte es einfach nicht. Wieso fiel ihm diese eine Bewegung so schwer? Die Zeit schien stillzustehen, als ihm klar würde, dass ihm die notwendige Willenskraft fehlte. Aber wie konnte das sein? Das Leben seiner Tochter stand auf dem Spiel … Es kam ihm vor, als wäre es totenstill um ihn herum. Nur das Ticken der Uhr bewies, dass die Zeit nicht stehen geblieben war. Er würde es tun, sagte er sich, er musste sein kleines Mädchen retten … Aber die Zeit war bereits zu knapp. Kakashi sah mit vernichtender Klarheit ein, dass es zu spät war. Den Schlüssel hervorzuoperieren und das Schloss rechtzeitig aufzubekommen, mit den Schmerzen, die er haben würde – das war nicht mehr möglich. Im Spiegel sah er seine Zeit ablaufen. Sieben Sekunden, sechs Sekunden … fünf … Er zwang all sein Chakra, auf geregelten Bahnen zu laufen. Wie ein siedender Blitz war ihm eine letzte Möglichkeit durch den Kopf geschossen. Sie war verzweifelt und vollkommen wahnsinnig und würde mit ziemlicher Sicherheit nicht funktionieren … Aber er klammerte sich so fest an diese winzige Hoffnung, wie er es vermochte. Sein Atem wurde langsamer, er zwang sich zur inneren Ruhe und konzentrierte sich, so stark er konnte. Die Schmerzen in seiner Schulter, seinem Auge und seiner Hand halfen ihm dabei, nur das Hier und Jetzt zu sehen. Drei Sekunden, zwei … Das Klicken wurde hektischer. Kakashis Herz klopfte ihm bis zum Hals. Eine Sekunde … Die Zeit war um. Etwas knatterte, als würde sich ein Zahnrad wahnsinnig schnell drehen. Kakashi riss die Augen auf. Sein linkes, verletztes Auge sandte einen roten Schmerzblitz in sein Gehirn. Er sah alles durch einen Nebel. Wie in Zeitlupe sah er die Maske zuklappen, die Stacheln schienen gierig nach ihm greifen zu wollen. Sein Auge schien zu explodieren. Kakashi stieß einen Schrei aus – etwas knallte hart gegen seinen Hinterkopf und vernichtete seinen Gleichgewichtssinn. Er stürzte hart zu Boden und blieb liegen. Sein Atem ging noch immer. Er schmeckte den metallischen Geschmack von Blut auf der Zunge. Sein Gesicht war ein einziger Schmerz. Vorsichtig tastete er nach seinem Hinterkopf und spürte Metall. Die eiserne Maske war gegen seinen Kopf gedonnert, gottlob waren an der Rückseite keine Stacheln angebracht gewesen. Unter dem Metall sickerte Blut von einer Platzwunde hervor, aber das war seine geringste Sorge. Immer noch schwankend stand Kakashi auf. Er kämpfte gegen eine heftige Übelkeit an, ihm war kalt und schwindelig. Hatte er sich eine Gehirnerschütterung zugezogen? Mit zitternden Fingern zog er den Spiegel zu sich. Sein linkes Auge musste er reflexartig zusammenkneifen, als wäre ihm etwas hineingefallen. Er hatte Angst davor, was er sehen würde. Dann gab er sich einen Ruck. Sowohl aus seinem Mund als auch aus seiner Nase, die aber nicht gebrochen aussah, lief Blut. Das war dem Sturz zuzuschreiben; er hatte sich auf die Zunge gebissen. Ansonsten schien sein Gesicht heil, sah man von dem roten Fleck auf seiner Stirn ab, der eine schöne Beule werden würde. Doch da waren keine tödlichen Eisenstacheln zu sehen. Sein Blick glitt zu seinem Hals hinab. Der eiserne Ring, aus dem die beiden Maskenhälften wuchsen, war noch da. Der vordere Teil jedoch, der beinahe in sein Gesicht gesprungen wäre, war verschwunden. Bis kurz vor sein Kinn reichte die Eisenschale noch, dann war sie wie glatt abgehackt. Kakashi atmete tief durch. Gesetzt den Fall, dass er nicht so gut wie tot war und in seinen letzten Atemzügen halluzinierte, hatte er es geschafft. Er hatte mit seinem Kamui noch nie einen derartigen Gegenstand in so kurzer Zeit in eine andere Dimension verfrachtet, die Technik selbst beherrschte er erst seit zwei Jahren. Aber Not verlieh wohl wirklich Flügel … Danke, Obito. Mit einem Mal schwappte seine Erschöpfung über ihm zusammen und löschte jegliches Bewusstsein aus. Er konnte gerade noch verhindern, dass er ebenso unelegant fiel wie kurz zuvor, dann wurde ihm schwarz vor Augen.  Kapitel 4: Kein Rauch ohne Feuer -------------------------------- „Und jetzt?“, fragte der Typ mit den Fangzähnen und den Gesichtstatoos, die wie zwei rote Dreiecke aussahen. Hinter der Tür war ein langer Gang zum Vorschein gekommen, der in beiden Richtungen einen Neunzig-Grad-Knick machte. Haku verließ den Raum als Letzter, da er vorsichtshalber den Kassettenplayer aufgelesen hatte. „Er hat gesagt, überall im Haus sind Spritzen versteckt“, überlegte der Typ mit dem Katzenohr-Ganzkörperanzug und dem Behälter, den er sich wie einen Rucksack um den Rücken gebunden hatte. „Am besten, wir teilen uns auf und suchen sie.“ „Nein“, sagte Haku. „Wenn wir zusammen gehen, haben wir höhere Überlebenschancen.“ „Macht doch, was ihr wollt“, sagte der muskelbepackte Mann mit dem Verband um den Mund. „Ich gehe.“ „Du kannst nicht einfach … Wir können das Haus nicht verlassen!“, rief ihm die Blonde mit der verwischten Schminke hinterher, aber er hörte nicht. „Männer“, murmelte sie schließlich, drehte sich um und marschierte in die andere Richtung davon. Haku zögerte kurz. Sie kam ihm zwar ziemlich eingebildet vor, aber die Frau war ihm immer noch sympathischer als der Mann mit den eisigen Augen. Also folgte er ihr nach rechts und der Rest der Truppe ebenso. Sie kamen in ein längliches Zimmer mit niedriger Decke, das so etwas wie Küche und Wohnzimmer gleichzeitig sein mochte. Es maß an die zehn Meter und war von ehemals weißen, jetzt schmutzigen, gemauerten Wänden umgeben. Am hinteren Ende befand sich eine Einbauküche mit gekacheltem Boden und Wänden, die fast nur von einem gigantischen Herd beherrscht wurde. Eine stabil aussehende Holztür führte in etwas, das wohl die Speisekammer war. Desweiteren gab es eine lange Sitzbank, auf der eine ganze Familie Platz haben musste – und die sicher schon bessere Tage gesehen hatte –, und davor einen gewaltigen Kamin, in dem sogar ein beachtliches Feuer loderte. Entsprechend warm war es auch in dem Zimmer. An der Wand in der Mitte des langen Raumes stand ein klassischer Schminktisch aus hellem Holz. Ihn nahm die Gruppe zuerst unter die Lupe. Der Blick der Blonden fiel in den Spiegel und sie erstarrte. „Mein Gott … Wie sehe ich denn aus?“, stieß sie hervor. „Wie ein Zombie“, griente der Typ mit den Fangzähnen, was ihm einen giftigen Blick einbrachte. Die Blonde nahm einen Wattebausch von der Ablage und wischte sich das Geschmiere aus dem Gesicht. Dann durchsuchte sie die Schubladen des Schminktischs und förderte kurz darauf einen Lippenstift und ein Puderdöschen zutage. „Du willst dich doch jetzt wohl nicht schminken?“, rief der Typ mit dem Katzenohr-Outfit. Hakus Meinung nach hätte sein Make-up auch einen Neuanstrich vertragen. Am besten wäre es vielleicht gewesen, wenn er es sich ebenfalls abgewischt hätte. Er drehte sich um und untersuchte den Raum. Der Weißhaarige mit den beiden Zöpfen erkundete soeben die Küche. Haku hatte fast vergessen, dass er überhaupt da war. Er hatte bisher kein einziges Wort gesprochen, alles, was man von ihm hörte, war ein gelegentliches Husten. Er ging zu ihm und hörte kurz darauf die Schritte der anderen beiden Männer, die die Blonde allein mit ihrem heiligen Schminktisch ließen. Das Mädchen mit den Byakugan-Augen hatte nur einen Schritt in den Raum gemacht und wusste offenbar nicht, was sie tun sollte. Haku sah, wie der Weißhaarige an dem Herdgriff rüttelte. „Er geht nicht auf“, erklärte er. Die anderen durchstöberten den Kühlschrank und die Schubladen der Anrichte, ohne etwas zu finden – als die Blonde einen spitzen Schrei ausstieß. Sofort fuhren sie alle herum. „Was ist los?“, rief Fangzahn alarmiert. Die Blonde hatte eine gekrümmte Haltung eingenommen und sich von ihnen abgewandt. Sie presste sich die Hände vors Gesicht. Mit wenigen Schritten waren die anderen bei ihr. „Was ist los? Was ist passiert?“, rief Fangzahn, und als er keine Antwort bekam, riss er das Mädchen an der Schulter herum und zog ihre Hände grob von ihrem Gesicht fort. Und begann schallend zu lachen. Haku beugte sich vor, um ebenfalls etwas sehen zu können. Das Gesicht der Blonden und ihr Top bis zum Bauchnabel waren über und über mit etwas Schwarzbraunem beschmiert, als sei ihr ein Schneeball aus Matsch im Gesicht explodiert. Es roch unangenehm nach einer Mischung aus Schmieröl und Bratenfett. „Das ist nicht witzig!“, fauchte die Frau und verpasste dem Tätowierten einen Stoß vor die Brust, was ihn nicht daran hinderte, weiterzugrölen. Haku besah sich den Schminktisch. Es war wieder eine Falle gewesen, wenn auch eine harmlose: Sie hatte eine der Schubladen geöffnet und einen Mechanismus ausgelöst. Eine verborgene Klappe auf der Oberseite des Tisches hatte eine kleine Düse freigegeben, ähnlich der einer Wasserspritzpistole, die das Fett in das Gesicht der Blonden gespritzt hatte. Auch der Boden rings um sie herum war total versaut. Es durfte ein ganzer Schwall der schmierigen Substanz gewesen sein und sie war weit genug zerstäubt worden, damit sie auch ja davon erwischt wurde. Auch wenn der Zweck dieses Streichs Haku ein Rätsel war. „Ich bring dich um, wenn du nicht sofort zu lachen aufhörst!“, zischte sie wütend und versuchte, sich das Fett aus dem Gesicht zu wischen. Alles, was sie erreichte, war jedoch, dass sie es weiter verschmierte. „Entschuldige“, gluckste Fangzahn und wischte sich eine Träne aus den Augen. Haku spähte in die Schublade, die die Falle ausgelöst hatte. „Da drin liegt etwas“, verkündete er, griff hinein und zog einen Plastikbeutel hervor, auf dem ein Etikett angebracht war. „Steht da was drauf?“, fragte Katzenohr. Haku kniff die Augen zusammen. INO stand mit großen, krakeligen Lettern darauf. „Ja … drei Buchstaben. I, N und O. Was bedeutet das?“ „Das bedeutet Ino, du Genie“, zischte die Blonde und riss ihm den Beutel aus der Hand. „Das ist mein Name!“ Sie langte hinein und zog eine weitere Kassette hervor. Wortlos reichte ihr Haku das Abspielgerät. „Hallo, Ino“, ertönte Orochimarus Stimme knarzend. „Haben Sie bereits Bekanntschaft mit dem Schminktisch gemacht, meine Liebe? Möbelstücke wie ihn sollten Sie zur Genüge kennen. Manch einer könnte meinen, Menschen schminken sich, um vor anderen und vor sich selbst eine Maske zu tragen. Ich behaupte, es ist lediglich ein Ausdruck von Eitelkeit. Und Eitelkeit ist einer der Gründe, warum Sie hier sind. Das nächste Spiel ist Ihnen gewidmet. Sie haben als Tochter eines wohlhabenden Mannes alle Vorzüge genossen, die ein Mensch mit Geld kaufen kann. Dennoch waren Sie nie zufrieden und haben andere, minderprivilegierte Menschen gedemütigt. Alles in Ihrem Leben hat sich um teure Kleidung, Schmuck und Geld gedreht. Dass Sie mit dieser Verhaltensweise andere verletzt haben, hat Sie nie gekümmert, und Sie waren zu eigensinnig, als dass Sie ihren Reichtum mit anderen, Bedürftigen geteilt hätten. Eitelkeit und Egoismus – diese Kombination kann töten. Unter dem Schminktisch ist ein Schlüssel angebracht. Entfernen Sie ihn, beginnt das Spiel, in dem Sie eine Dosis mit dem Gegenmittel gewinnen können. Es liegt an Ihnen, ob Sie Ihre schlechten Gewohnheiten ablegen können, oder ob Sie sich erneut von ihnen beherrschen lassen. Sie müssen wählen.“ „Spiel, dass ich nicht lache“, stieß Ino hervor. Ihre Stimme war allerdings unstet, wie Haku merkte. Sie sah die anderen an. „Aber er hat es mir gewidmet. Das heißt, wenn wir die Spritze finden, gehört sie mir.“ „Schon verstanden, Frau Ino“, zog Fangzahn ihren Namen in die Länge und grinste dann, als ihm etwas einfiel. „Ino Fettbacke würde doch jetzt ganz gut passen.“ Haku fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte, in einer Situation wie dieser Scherze zu treiben. Inos Augen blitzten. „Na schön, wie wäre es, wenn ich dich …“ Sie stockte und senkte zähneknirschend den Kopf. „Momentan fällt mir noch kein Spitzname für dich ein, aber das kommt noch!“ „Kiba. Einfach nur Kiba“, meinte er, immer noch grinsend. „Interessiert mich nicht!“ Ino hatte die Fettfalle wirklich in Rage gebracht. „Ich bin Kankurou“, sagte der Mann mit den Katzenohren. „Vielleicht ist es ja gar nicht schlecht, wenn wir uns einander vorstellen.“ „Kimimaro“, sagte der Weißhaarige knapp. „Ich bin Haku.“ Mit der Andeutung eines Lächelns wandte er sich zu dem dunkelhaarigen Mädchen um, das keine Anstalten machte, seinen Namen zu nennen. „Wie heißt du?“ Sie sah ihn eine Weile an, ehe sie antwortete. „Hi… Hinata.“ Haku nickte ihr aufmunternd zu. „So, das reicht jetzt, ich fange an“, verkündete Ino und bückte sich unter den Tisch. Haku sah, wie sie den Schlüssel, der auf dem Boden lag, aufhob. Zu spät erkannte er, dass an ihm eine Schnur befestigt war, die ihn mit einem Metallstift verband, der im Boden steckte. Als sie ihn herauszog, wurde wohl ein Stromkreis unterbrochen, und der Tanz ging los. Es geschah alles gleichzeitig, sodass Haku erst nachher verstand, was alles passiert war: Mit einem surrenden Geräusch knallte die Tür hinter ihnen zu und ein Klicken verriet, dass sie abgeschlossen wurde. In der Küche sprangen die Ofentür und das Backrohr auf, etwas zischte und mit einem Mal quoll dichter, schwarzer Rauch heraus. Auch der Kamin begann zu qualmen, ohne dass Haku sah, was dort entzündet worden war, aber es stank penetrant nach Gummi. Während die sechs mit aufgerissenen Augen auf das Szenario starrten, verdichtete sich der Rauch zu einem stinkenden, schwarzen Nebel unter der Decke, der im Hals reizte. „Scheiße nochmal!“, schrie Kiba. „Der will uns ausräuchern!“ Seine letzten Worte gingen in einem Husten unter. Haku fragte sich, ob der Qualm überhaupt durch Feuer entstand oder irgendwie in den Raum geleitet wurde, bei der Menge. Ino verlor keine Zeit mehr. Sie schloss die Hand um den Schlüssel, fuhr herum und stürmte los – und rutschte auf dem vor Öl glitschigen Boden aus. Hilflos mit den Armen rudernd stürzte sie, Haku kam es fast wie Zeitlupe vor, und schlug hart mit dem Hinterkopf gegen ein Bein des Schminktisches. Der Schlüssel segelte im hohen Bogen davon. „Scheiße“, murmelte Kankurou und lief ihm gebückt hinterher. „Alles in Ordnung?“, fragte Haku und half Ino auf die Füße. Sie murmelte etwas Unverständliches, aber er sah eine üble Platzwunde auf ihrem Hinterkopf. „Ich hab ihn!“, rief Kankurou – und wurde von einem tiefen Hustenanfall geschüttelt. Mit wenigen Schritten waren sie bei der Tür und Kankurou werkte am Schlüsselloch herum. „Er passt nicht“, stellte er fest. „Was soll das heißen, verdammt? Gibt her!“ Auch Kiba versuchte es, war aber ebenfalls nicht erfolgreich. „Es ist ein Spiel“, überlegte Haku. Er sah zu der zweiten Tür im Raum, der zur Speisekammer. Ino war seinem Blick gefolgt. „Das könnte funktionieren.“ Sie riss Kiba, der immer noch ungestüm versuchte, den Schlüssel einzuführen, selbigen aus der Hand und sprintete los. Haku folgte ihr auf einiger Distanz und erkannte, wie teuflisch das Spiel war. Sie musste genau dorthin, wo der Qualm am stärksten war – ohne die Gewissheit zu haben, dass der Schlüssel auch tatsächlich passte. Ino stieß ihn förmlich ins Schloss, drehte ihn herum und riss die Tür auf. Eine Qualmwolke waberte vorbei und verschleierte Haku für einen Moment die Sicht. „Was ist dahinter?“, rief er. Er bekam nur ein Husten als Antwort. Aber sollte sie ihren Atem ruhig schonen. Der Rauchschleier wurde kurz lichter und Haku erkannte, dass hinter der Tür tatsächlich nur ein winzig kleiner Raum lag, in dem ein einzelner, etwa meterhoher Metallschrank hing, auf den das Symbol einer Spritze geklebt war. Ein kleines Schloss versperrte ihn. Ino versuchte ihr Glück mit dem Schlüssel erneut – doch auch hier passte er nicht. „So ein Mist!“, schrie sie und pfefferte ihn zu Boden, wo er klimpernd liegen blieb. „Es muss …“ Sie hielt sich hustend die Hand vor den Mund und ging in die Hocke, um dem Qualm zu entkommen. „Es muss noch einen Schlüssel geben!“, schrie sie ihnen zu. „Setzt euch in Bewegung und sucht ihn!“ Hakus Blick flackerte in dem Raum umher. Der beißende Rauch kratzte in seinem Hals und brannte ihm in den Augen. Er konnte nach ein paar Schritten alles nur mehr durch einen grauen Schleier sehen. Und da sollten sie noch etwas so Kleines wie einen Schlüssel finden? Kurzerhand stieß er den Schminktisch um. Nichts an der Unterseite. Kimimaro näherte sich dem Kamin so sehr, wie es ging, und untersuchte den Sims – und brach würgend hustend in die Knie. Haku hatte keine Zeit, sich Sorgen um ihn zu machen. Vielleicht war der Schlüssel irgendwo in der Küche? Ino versuchte mittlerweile, das qualmende Backrohr und den Ofen zu schließen, hatte aber ebenso wenig Erfolg wie vorher Kimimaro dabei, sie aufzubekommen. Auch sie hustete bereits ununterbrochen und war kreidebleich im Gesicht. Kiba begann, die Sitzpolster vom Sofa zu reißen, als Ino rief: „Da! Da ist er! Ich …“ Wieder schüttelte sie ein Hustenanfall. „Ich seh ihn! Kiba!“ „Wo?“, schrie Kiba zurück. Sein Kopf ruckte suchend hin und her. „Da, genau vor dir! Bist du blind, oder was?“, schrie das Mädchen ungehalten. „Ich seh nichts!“ „Du nutzloser Idiot!“ Ino wollte losrennen, aber das Glück hatte sie offenbar verlassen – oder ihr war bereits schwindelig von dem schweren Qualm, den sie zu lange eingeatmet hatte. Nach zwei Schritten kam sie aus dem Tritt und stürzte, und Haku konnte das grässliche Knacken ihres Knöchels bis hier her hören. Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus. „Ino!“ Haku war mit einigen großen Sätzen bei ihr und wollte ihr aufhelfen, aber sie fixierte nur Kiba mit ihrem Blick. „Wo ist er denn, verdammt?!“ Kiba klang hilflos. Ein Schweißtropfen lief ihm übers Kinn und landete auf dem Boden. „Er steckt im Bezug! Da ist ein Loch!“ „Da ist kein Loch!“ „Natürlich ist es da!“, fauchte Ino. „Du verdammter Blindfisch! Halt wenigstens still!“ Sie begann Fingerzeichen zu machen. Also war sie eine Kunoichi. „Aber ich seh ihn verdammt noch mal nicht!“ Kiba raufte sich die Haare. „Du sollst einfach nur stillhalten!“, brüllte Ino und beendete ihr Jutsu, indem sie Daumen und Zeigefinger aneinander presste und auf Kiba richtete. Haku blieb fast das Herz stehen, als sie in sich zusammensackte und offenbar bewusstlos war. „Ino!“, stieß er hervor. „Verdammt!“ „Na bitte!“, ertönte Kibas Stimme. „Alles muss man selber machen.“ Er hielt einen schmalen Silberschlüssel in der Hand und lief zu Ino, um ihn ihr zu bringen. Haku streckte die Hand danach aus, aber Kiba legte ihn auf den Boden – und mit einem Mal schlug Ino die Augen auf und Kiba wirkte plötzlich sehr ratlos. „Aber … aber was …?“ Er kam nicht dazu, weiterzusprechen. Ino packte den Schlüssel und humpelte mit zusammengebissenen Zähnen in die Speisekammer zurück. Hakus scharfer Verstand sagte ihm, dass sie wohl eine Art Körperkontrolle-Jutsu beherrschen musste. „Geh auf, verdammt!“ Ino hustete schwer. Haku trat an ihre Seite, ebenfalls hustend. Der Raum drehte sich bereits vor seinen Augen. Es war kaum noch Luft vorhanden, und nach ein paar Schritten verschwand alles im Qualm, der fast bis zum Boden reichte. Selbst das Metallkästchen sah er wie durch einen schwarzen Schleier. Inos Hände zitterten, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte. Das Schloss klemmte. „Verdammt nochmal … mach … endlich!“, rief Kiba, der nach Luft rang, aber nur Rauch einatmen konnte. Auch er taumelte bereits. „Ich versuch’s!“ Ino werkte fahrig an dem Schlüssel herum, der zwar ins Schloss passte, sich aber nicht so einfach drehen ließ. Haku hustete und fühlte sich, als ob er sich übergeben müsste. Er ließ den Blick schweifen. Von den anderen war nichts mehr zu sehen, aber man hörte auch ihr Husten. Wie lange würden sie noch durchhalten? Vom Schloss des Kästchens führte ein Kabel in die Wand. „Vielleicht … geht die Tür … drüben … auch wieder auf“, meinte Haku schwer atmend. Ihm war so schwindlig wie noch nie zuvor in seinem Leben. Seine Gedanken waren träge und so undurchsichtig wie der Qualm. „Mach’s endlich … auf“, brachte Kiba hustend hervor. „Jaja, ich versuch’s ja!“, rief Ino. Schweiß lief ihr über die Stirn und zog dünne, schmierige Linien in die Fettschicht auf ihrem Gesicht. Mit einem metallischen Knall brach der Schlüssel ab. Ino starrte mit ungläubig geweiteten Augen auf den oberen Teil des Schlüssels, den sie in der Hand hielt. „Oh Gott“, hauchte sie. „Nein … nein!“ „Was hast du gemacht, du dämliche Schlampe?!“, schrie Kiba aufgelöst. „Jetzt sind wir alle im Arsch!“ Nur noch ein kleines, scharfkantiges Stück des Schlüssels ragte aus dem Schloss. Kiba begann mit seinen – außerordentlich langen – Fingernägeln den millimeterbreiten Spalt zu ertasten, wo das Kästchen aufgegangen wäre, und zerrte mit aller Kraft daran. Mit einem Ächzen ließ er davon ab, als ihm ein Fingernagel abbrach. Hakus Gedanken rasten. „Wasser …“, murmelte er. „Ich brauche Wasser!“ Seine Stimme klang rau und kratzig. Ino und Kiba standen beide gekrümmt da. Sie atmete durch die Finger, er durch seinen Jackenstoff, aber es half nichts mehr. Etwas anderes als Rauch bekamen sie wohl nicht mehr in ihre Lungen. Sie husteten beide mehr als irgendetwas anderes. „Was…ser? Spinnst du?“, brachte Kiba zwischen zwei todbringenden Atemzügen hervor. Haku antwortete nicht. Er taumelte zum Waschbecken in der Einbauküche, spürte kaum, wie er sich das Bein an der offenen Backofenklappe stieß. Mit einem Ruck drehte er den Wasserhahn auf. Nichts. Es kam kein Wasser. Mit einem stillen Fluch auf den Lippen schwankte er zu den anderen zurück. Sein Blick glitt auf Inos Gesicht, die sich mittlerweile ergeben auf den Boden gehockt hatte und nur noch hustete. Ohne Erklärungen strich er mit zwei Fingern über ihr Gesicht und hielt einen Batzen klebriges Fett in der Hand. Sie sah ihn aus tränenden, roten Augen an, sagte aber nichts. Haku presste seine fettigen Finger auf den kläglichen, metallenen Zacken, der noch aus dem Schloss ragte, und machte mit der anderen Hand Fingerzeichen. Er hatte noch nie Fett zum Gefrieren gebracht und war sich gar nicht sicher, ob es überhaupt funktionierte – doch da erhärtete es sich, wurde zu Eis und verband seine Finger mit dem Schlüsselbart im Schloss. Äußerst behutsam, da die Verbindung nicht besonders gut halten konnte, drehte er die Finger herum. Diesmal blockierte das Schloss gottlob nicht. Mit einem Klicken sprang es auf. Hinter ihnen quietschte etwas. Das Geräusch ließ neues Leben in Ino einkehren. Sie sprang auf die Füße und taumelte auf ihn zu, stieß Haku zur Seite und griff in den Schrank. Endlich hielt sie die Spritze in der Hand. „Hey!“, drang die hustende Stimme von Kankurou an ihre Ohren. „Die Tür ist offen! Verschwinden wir!“ „Steck die Spritze ein und dann nichts wie weg hier“, brachte Kiba kurzatmig hervor. „Sicher“, zischte Ino mühsam. „Und draußen nimmst du sie mir weg, ja?“ Sie schraubte die Kappe von der Nadel, stieß sich die Spritze ins Bein und injizierte sich mit zittrigem Daumen das Gegenmittel. Haku warf einen Blick in den Metallschrank. „Da ist eine … Sauerstoffflasche drin!“, sagte er. Sein Hals war ein einziger Schmerz. „Gottseidank“, murmelte Kiba, dem es von ihnen dreien sichtlich am dreckigsten ging, doch Ino stieß ihn abermals zur Seite. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich zu wehren. „Was … machst du da?“, hustete Haku. Ino zerrte die weiße Gasflasche aus dem Schrank. Sie war wohl schwerer, als sie vermutet hatte. Mit einem erstickten Schrei kippte Ino nach vorn und die Flasche donnerte auf ihren Zeh. Gellend und gleichzeitig heiser schrie die Frau auf. „Was treibt ihr … so lange?“ Kankurous Umrisse schälten sich aus dem Qualm. Er hatte sich das schwarze Gewand bis zur Nase hochgezogen, dennoch musste es eine Qual für ihn sein, in den Bereich mit dem dichtesten Qualm zu treten, wo er doch schon hätte fliehen können. Haku rechnete es ihm hoch an. „Lass … Kiba den Sauerstoff …“, brachte Haku hervor. Der Junge mit den Fangzähnen konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und Haku tat sein Möglichstes, um ihn zu stützen, obwohl er selbst kaum noch stehen konnte. „Das ist … mein Spiel … schon vergessen?“, ächzte Ino und hob die Flasche wieder auf. Sie presste sich die Sauerstoffmaske, die direkt am Druckminderer hing, auf den Mund und mühte sich ab, das Ventil zu öffnen. „Wenn ich … hier ersticke … wozu hätten wir dann so viel für die Spritze riskiert?“ Kankurou war bei ihnen angelangt und riss die Augen auf. „Ino – nicht!“ „Schnauze!“ Es gelang Ino, das Ventil zu öffnen. Mit dem Druckminderer war etwas nicht in Ordnung; es zischte laut. Dennoch drückte sich Ino erneut die Maske aufs Gesicht. Es gab eine Stichflamme und einen berstenden Knall. Kankurou riss Haku und Kiba herum und stieß sie von Ino weg. Mit einem pfeifenden Geräusch flog die Sauerstoffflasche so dicht an Hakus Kopf vorbei, dass sein Haar flatterte, schoss quer durch den Raum wie eine Kanonenkugel und schlug in der Wand ein. Die Kachelfliesen zersplitterten und regneten auf sie hinab. Haku erschrak, als er sah, mit welcher Wucht die Flasche das Mauerwerk zerschmettert hatte; es sah aus, als hätte jemand ein großes Stück aus der Wand gebissen. Wäre sie nicht mit Chakra verstärkt, wäre sie vielleicht einfach durchbohrt worden. Kankurou zerrte Kiba hinter sich her, der mehr stolperte als lief und offensichtlich nahe dran war, das Bewusstsein zu verlieren. Auch Hakus Lungen brannten höllisch, als sie immer noch nicht die Luft bekamen, nach der sie lechzten. Er zwang sich, den Atem anzuhalten, um nicht noch mehr Qualm einzuatmen, und das war die reinste Hölle. Der Weg zur Tür war noch so weit, so weit … Alles verschwamm vor seinen Augen, das Bild wurde körnig und schwarze Flecken tanzten in seinem Blickfeld. Dann sah er etwas Helles vor sich, wie das Licht am Ende des Tunnels. Sie stolperten nicht durch die Tür, sie fielen. Haku prallte gegen etwas Weiches, das er nicht sehen konnte, und riss es mit sich zu Boden. Neben ihm brach Kiba zusammen. Er würgte und atmete so flach, dass man es kaum hörte. „Tür zu!“, schrie Kankurou mit dem letzten bisschen Atem, das er aufbringen konnte. „Was ist mit Ino?“, fragte Kimimaro, dessen Gesichtsfarbe sich zu grau gewandelt hatte. Kankurou schüttelte keuchend den Kopf und bedeutete ihm mit einer Geste, endlich die Tür zu schließen. Der Weißhaarige zögerte noch einen Moment, dann schlug er das Tor zur Hölle wuchtig zu, damit nicht noch mehr Qualm auf den Gang drang. Haku bemerkte beiläufig, dass die Tür Gummidichtungen besaß, die den Rauch zurückhielten. Orochimaru hatte wirklich an alles gedacht. Eine Weile lagen oder saßen alle nur hustend da. Kiba hatte offenbar das Bewusstsein verloren, aber sein Brustkorb hob und senkte sich bereits wieder ruhiger. Wieder spürte Haku etwas Weiches unter seiner Wange. Blinzelnd sah er auf und erkannte, dass er halb auf Hinata lag. Peinlich berührt wälzte er sich von ihr hinunter – aufsetzen konnte er sich noch nicht. Hinata schien ihn jedoch gar nicht wahrgenommen zu haben. Mit weit aufgerissenen Augen, um die herum hervortretende Adern zu sehen waren, starrte sie auf die Tür. Haku wusste, dass sie die Geschehnisse mit ihrem Byakugan verfolgt hatte. „Hinata …?“, fragte er zögerlich. „Ihr Gesicht“, hauchte das Mädchen. Ihr Blick war voll Entsetzten, ihr Kinn zitterte. „Haku, ihr Gesicht …“ „Ich weiß. Sieh nicht hin.“ Haku war klar, dass sie von Ino sprach. Er wandte sich an Kankurou. „Was … was ist da überhaupt passiert?“ Kankurou hatte sich gegen die Wand gelehnt und sein Gesicht war aschfahl und schweißüberströmt. Er atmete noch ein paarmal tief durch, ehe er antwortete. „Es war das Fett“, sagte er. „Eine chemische Reaktion. Sauerstoff reagiert mit Fett, Oxidation nennt man das. Dabei entsteht Wärme. Je höher die Sauerstoffkonzentration ist, desto wärmer wird es. Und das da drin war eine medizinische Sauerstoffflasche, sprich, reiner Sauerstoff mit einem irren Druck. Das Fett ist so heiß geworden, dass es sich entzündet hat, und das hat eine Knallgasreaktion ausgelöst und die Flasche ist explodiert.“ Haku schluckte. Seine Nackenhaare sträubten sich. Er verstand in etwa, was Kankurou sagen wollte, und war froh, nicht genauer hingesehen zu haben. Eitelkeit und Egoismus – diese Kombination kann töten. Jetzt wusste er, was das zu bedeuten hatte. Der Schminktisch und die Sauerstoffflasche. Die Falle war erst zugeschnappt, als Ino beides beansprucht hatte. Es fröstelte ihn so stark, als hätte er Schüttelfrost, als er zur Tür hinübersah, hinter der ein Albtraum stattgefunden hatte. Jetzt konnte wohl absolut niemand von ihnen mehr das Spiel als Scherz oder Reality-Show abtun. Sie hatten erst vor einer halben Stunde das Spiel begonnen, und schon war jemand von ihnen tot. Kapitel 5: Streit ----------------- Kiba hatte nach wenigen Minuten das Bewusstsein wiedererlangt. Haku wusste nicht, was er alles gesehen hatte und woran er sich noch erinnerte, aber der wilde Junge war ungewohnt schweigsam seit der Sache mit Ino. Da es an diesem Ende des Flurs keine Tür mehr gab, schlugen sie den Weg ein, den vorher der Mann mit den Habichtaugen genommen hatte. Sie kamen in eine uralte, staubige Empfangshalle, die bis auf einen Teppich und einen zerbrochenen Stuhl leer war. Eine doppelflügelige Eingangstür erweckte die Hoffnung auf Freiheit, aber durch das Fensterglas konnte man die Eisenlamellen sehen, die sie von draußen wie eine zusätzliche Wand blockierten. Und angeblich war die Außenhaut des Hauses ja auch chakraverstärkt. Eine Treppe führte an einer Seite in den ersten Stock hinauf. Kankurou deutete stumm auf eine Tür, die dem Eingang gegenüber lag. Sie ließ sich ohne Probleme öffnen. Und dahinter … „Vorsicht!“ Haku packte ihn am Handgelenk und hielt ihn fest. Kankurou schluckte. Hinter der Tür öffnete sich ein gähnender Abgrund. Eine Art Fallgrube, einen Meter breit und fünf Meter lang, aus deren Boden krumme Nägel wuchsen. Ihnen gegenüber, auf der anderen Seite des Abgrunds, schwebte eine Tür. „Na toll. Und wie kommen wir da rüber?“, murmelte Kankurou. „Kannst du uns sagen, was hinter dieser Tür liegt, Hinata?“, fragte Haku, doch das schüchterne Mädchen war seit dem Zwischenfall mit Ino noch mehr in sich gekehrt, fast schon apathisch. Sie antwortete nicht. „Die Tür ist nur aus Plastik, sie wird leicht aufzubekommen sein“, überlegte Kiba. „Vielleicht ist eine Spritze dahinter.“ „Und du willst hinüberfliegen und sie dir holen, was?“, spottete Kankurou. „Schade, dass es nur ein Mythos ist, dass Ninjas übermenschlich weit springen können.“ Kiba schüttelte nachdenklich den Kopf. „Ich habe ein Jutsu, mit dem ich auf die andere Seite kommen könnte. Aber womöglich zerstöre ich dabei das, was hinter der Tür ist.“ „Es ist ein Spiel“, erinnerte Haku. „Es muss einen Weg geben, wie wir hinüberkommen.“ In diesem Moment hörten sie ein metallisches Pochen. Sie wirbelten herum. Das Geräusch kam aus einer offenen Tür im Vorraum, hinter der eine Treppe in den Keller führte. Stumm nickten sie einander zu.   Sasori stieß die Luft aus, lehnte sich in seinem Bürosessel zurück und verschränkte die Arme im Nacken. „Der wievielte?“, fragte er, fast teilnahmslos. Es war bereits spät in der Nacht. Mittlerweile waren Sasori und Konan allein in ihrem Büro; da sie schon so lange in den Orochimaru-Fällen ermittelten, hatten sie ihre eigenen Räumlichkeiten erhalten. Sasori befürchtete allerdings, dass Itachi bald jemand anderen auf den Serienkiller ansetzen würde. Sieben Jahre lang führte sie der Schlangenmann nun schon an der Nase herum – wahrscheinlich waren sie nur deswegen noch nicht von dem Fall abgezogen worden, weil ihr Vorgesetzter wusste, wie schwierig der Mörder zu fassen war. „Der vierundsechzigste“, sagte Konan und legte eine Heftmappe mit Details zum jüngsten Orochimaru-Fall vor ihn. „Aber das Spiel hat wohl schon vor vier Wochen stattgefunden. Der Mann war ein gesellschaftlicher Außenseiter, niemand hat ihn vermisst. Er wurde nur zufällig gefunden.“ „Orochimaru ist in letzter Zeit erstaunlich inaktiv gewesen“, überlegte Sasori. „Er hat sich ja mit vielen Leuten angelegt, angeblich sogar mit Mafiabanden. Vielleicht hat ihn einer von denen erwischt.“ „Das glaube ich nicht“, sagte Konan. Sasori im Grunde auch nicht. „Vielleicht bereitet er auch nur ein größeres Spiel vor?“ Er öffnete die Mappe. Das Schwarzweißbild eines untersetzten Mannes mit wilder Haarmähne und Sonnenbrille war zu sehen. „Gatou?“, sagte er. „Ein Geschäftsmann?“ „Er hat jede Menge illegaler Geschäfte betrieben. Angeblich hat er auch Auftragsmörder engagiert, die seine Konkurrenz aus dem Weg geräumt haben. Orochimaru hat ihn durch einen Raum voller Stacheldraht kriechen lassen. Das hat er nicht überlebt.“ „Verstehe. Was ist mit dem Video?“ „Es gab nur ein Tonband. Gatou hat es wohl auf den Boden geschmettert und ist darauf herumgetrampelt, es ist ziemlich lädiert. Das Technikerteam arbeitet aber dran, es wiederherzustellen.“ Sasori klappte die Mappe zu. „Und wieder warten wir auf das Ergebnis eines anderen Teams“, murrte er. „Ich hasse es, zu warten. Vor allem, wenn Orochimaru etwas Großes vorhat.“ Konan antwortete nicht. Im Grunde ging es ihr genauso.   Der Keller war nicht mehr als ein hohler Betonwürfel und gerammelt voll mit allerlei Gerätschaften, die aber völlig nutzlos für sie waren: Eimer mit Farbe, Pinsel, Lack, eine stumpfe Heckenschere, ein Wagenheber, mehrere Kisten, leer oder mit Gerümpel darin. In der Mitte des Raumes stand eine Art eiserner Kasten, der Haku unangenehm an einen übergroßen Sarg erinnerte. Es gab eine Klappe, durch die man sich in sein Inneres quetschen konnte. Davor stand der Mann mit den Habichtaugen und hielt etwas in der Hand. Er sah auf, als er die fünf kommen hörte. „Da seid ihr ja“, sagte er mit seiner beängstigend ruhigen Stimme, als sie nacheinander die ausgetretenen Stufen in den Keller hinabstiegen. Wortlos streckte er die Hand aus. Es dauerte eine Weile, bis Haku verstand und ihm den Kassettenplayer aushändigte. Er erhaschte einen Blick auf die Kassette, die Habichtauge gefunden hatte. Mit Markierstift war der Name Zabusa auf die Oberfläche gekritzelt worden. „Hallo, Zabusa“, ertönte auch schon Orochimarus rauchige Stimme aus dem Gerät. „Wir beide wissen, dass Sie nicht gerade ein Musterbürger sind. Sie sind ein Söldner und in den untersten Schichten der Gesellschaft beheimatet. Für Geld erledigen Sie Aufträge für Leute, die sich selbst nicht die Hände schmutzig machen wollen. Es gibt kaum ein Verbrechen, dessen Sie nicht schuldig sind: Von bewaffneten Raubüberfällen, Entführungen bis hin zu Mord- und Totschlag ist alles dabei. Man sagt, dass Sie sogar für den Anschlag auf den berühmten Brückenbauer der Nachbarstadt verantwortlich sind. Während Ihrer Missionen haben Sie immer wieder andere Menschen durch die Hölle geschickt, oder sind, je nach der Schwierigkeit ihres Auftrags, selbst hindurchgegangen. Ich möchte Sie nun einmal mehr in die Hölle und zurück führen. Aus eigener Erfahrung wissen Sie ja, dass einem dort nur der verdrehte Verstand des Teufels Erlösung schenken kann. In dem Kasten vor Ihnen befinden sich zwei Spritzen mit dem Gegenmittel für das Gift. Ich habe Sie dazu auserwählt, in den Kasten zu kriechen und sie sicherzustellen. Eine davon schenke ich Ihnen – sehen Sie es als Dank an, weil Sie geholfen haben, die anderen zu entführen.“ „Was zum Teufel soll …“, entfuhr es Kiba, aber Zabusa presste den Finger an die Lippen. „Pscht!“ „Die zweite können Sie jemandem schenken. Jedoch wird Sie Ihr Beruf als Söldner gelehrt haben, dass alles auf der Welt seinen Preis hat. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.“ Das Band verstummte. „Was zum Teufel soll das heißen?“, begehrte Kiba auf. „Ganz ruhig“, murmelte Kankurou und legte ihm die Hand auf die Schulter, die er unwirsch abschüttelte. „Ganz ruhig? Spinnst du? Der Kerl hat uns hierhergebracht!“ Kiba war nahe dran zu schreien. Zabusa musterte ihn mit unbewegter Miene. „Das muss nicht stimmen“, gab Haku zu bedenken. „Vielleicht will Orochimaru uns nur gegeneinander ausspielen.“ „Nein …“, kam plötzlich eine piepsige Stimme aus der Ecke des Raumes. Simultan drehten sich alle zu Hinata um, die daraufhin zusammenzuckte und offenbar nicht wusste, wohin sie schauen sollte. Dennoch sprach sie weiter. „Ich erinnere mich … Er war es. Er hat mich überfallen. Als ich gerade meine Wohnungstür aufschließen wollte, da ist er … von weiter hinten im Gang … hervorgesprungen.“ Sie duckte sich, als fürchtete sie, für diese Enthüllung geschlagen zu werden. Ihre Augen schimmerten feucht. Haku überlegte scharf. Auch ihm kam Zabusas Visage bekannt vor. Hatte er auch ihn entführt? Oder war er ihm doch schon einmal begegnet? „Ist das wahr?“, fragte Kankurou scharf. Zabusa sah auch ihn unbewegt an. „Hast du ein Problem damit?“, fragte er kühl. „Ein Problem?!“ Kiba war jetzt vollkommen in Rage. Er trat ein paar Schritte auf Zabusa zu und baute sich drohend vor ihm auf. „Du hast sie ja nicht alle! Du arbeitest mit diesem Orochimaru zusammen?“ „Es war ein Auftrag“, sagte Zabusa schlicht. „Gut bezahlt – auch wenn ich keinen Heller davon gesehen habe.“ „Red keinen Scheiß!“, schrie ihn Kiba an. „Du zeigst uns jetzt sofort den Weg nach draußen!“ „Wenn ich den kennen würde, wäre ich nicht mehr hier“, erwiderte Zabusa, der nicht aus der Ruhe zu bringen war – aber es war eine eisige Ruhe, und die Temperatur in dem Keller schien sich in den letzten Minuten merklich verringert zu haben. „Du steckst mit Orochimaru unter einer Decke, also musst du es auch wissen, verdammt!!“ „Du willst also wissen, wie du hier rauskommst?“, fragte Zabusa plötzlich. Kiba stockte eine Sekunde, als hätte er mit so etwas nicht gerechnet. „Allerdings“, knurrte er. „Na schön, dann sage ich es dir“, sagte der Söldner. Alle in dem Raum hielten den Atem an. „Jag dir eine Spritze mit dem Gegenmittel in die Venen und warte, bis die Vordertür aufgeht“, sagte Zabusa. Kiba sog scharf die Luft ein. „Du verdammter … Ich bring dich um, du …“ Er trat noch einen Schritt auf ihn zu. Zabusas Hand glitt im Reflex zu seiner Schulter, als trüge er dort normalerweise immer eine Waffe. „Nur zu. Komm her. Dann ist es einer weniger, der eine Spritze will.“ Kiba ließ ein wölfisches Knurren hören. „Glaubst du, ich mach‘ Spaß?“ „Das reicht jetzt langsam!“, schaltete sich Kankurou ein und packte den Jungen am Arm. „Er steckt hier genauso fest wie wir, also vergiss es.“ „Vergessen?“ Kiba konnte es nicht fassen. „Der Typ ist … Wegen ihm ist Ino tot, verdammt!“ „Oh?“, machte Zabusa und legte den Kopf schief. „War die Kleine etwa deine Freundin? Wie schade. Aber in spätestens zwei Stunden bist du bei ihr, keine Sorge.“ Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Kiba stieß einen gutturalen Wutschrei aus, riss sich von Kankurou los – und drehte sich um seine eigene Achse und sprang gleichzeitig auf Zabusa zu. Die Luft um ihn herum wirbelte wie in einem Tornado umher. „Tsuuga!“ Zabusa riss die Augen auf. Im buchstäblich letzten Moment sprang er zur Seite. Kibas ungestüme Attacke donnerte kreischend und Funken sprühend gegen den Metallsarg, prallte davon ab und schlug auf der anderen Seite des Kellers in einem Stapel Kisten ein. Holz barst, Späne flogen umher, Staub erfüllte die Luft. Als der Tornado verebbte, stand da wieder Kiba, der sich hustend umdrehte. Zabusa schnappte sich einen leeren Eimer und schleuderte ihn auf den Jungen. Kiba schlug ihn mit der flachen Hand zur Seite – da war Zabusa auch schon heran, stieß ihn gegen die Wand und presste ihn den Ellenbogen gegen die Kehle. Röchelnd strampelte Kiba mit den Füßen, die den Boden gerade nicht berührten. „Auch ein Ninja, ja?“, sagte Zabusa ruhig. „War das etwa schon alles?“ „Das geht jetzt wirklich zu weit!“, rief Kankurou, aber der Söldner hörte nicht auf ihn. Haku überlegte fieberhaft, wie er Kiba helfen konnte, der blau anzulaufen drohte. Der Junge stieß eine Beleidigung aus, die nicht zu verstehen war, und schlug mit der Hand zu. Seine langen Fingernägel bohrten sich tief in Zabusas beachtliche Armmuskeln, bis Blut kam. Der Söldner stieß die Luft zwischen den Zähnen aus und lockerte einen Moment lang seinen Griff, den Kiba nutzte und ihm mit aller Kraft die Fangzähne in die Hand schlug. Jetzt schrie Zabusa auf und zuckte zurück. Kiba fiel stolpernd auf die Knie. Auf Zabusas Stirn pochte eine Ader. Seine Hand blutete wirklich stark. „Jetzt bist du dran!“, knurrte er und holte mit der anderen Faust aus. Kiba erhob sich schwankend, die Faust raste auf sein Gesicht zu – und wurde von einem Schatten aufgehalten, der plötzlich im Weg war. Haku konnte Holz knacken hören. Zabusa war ebenso überrascht wie er. Zwischen ihm und Kiba schwebte plötzlich eine spindeldürre Gestalt, die mit einem Fetzen Stoff bekleidet war. Sie hatte eine plumpe Hand ausgestreckt und Zabusas Schlag abgefangen. Der Kopf der Kreatur ruckte unstet auf dem Hals; das Ding hatte drei Augen und eine wallende, braune Mähne. „Ha!“, stieß Kiba aus und wollte sich auf Zabusa stürzen, aber das hölzerne Wesen packte ihn am Kragen und hielt ihn eisern fest. „Jetzt beruhigt ihr euch erst mal!“, sagte Kankurou. Haku wandte den Kopf. Der Schwarzgewandete hatte eine Hand ausgestreckt. Chakrafäden entsprangen seinen Fingern und führten zu dem Wesen. War er ein Puppenspieler-Ninja? „Zabusa, richtig?“, fragte er. Der Söldner zog seine Hand zurück und drehte sich zu ihm um. „Ja.“ „Orochimaru hat dir das Spiel gewidmet. Du wirst in den Kasten kriechen und die Spritzen rausholen. Eine kannst du dir dann gleich injizieren, dann kannst du von mir aus seelenruhig im Eingangsbereich warten, bis die Tür aufgeht, ohne von uns behelligt zu werden. Was sagst du?“ Zabusa schnaubte. Fand er es amüsant, dass Kankurou so einen autoritären Ton anschlug? „Einverstanden“, sagte er. „Aber ich wäre ohnehin in den Kasten gekrochen, auch ohne deine Predigt.“ Kankurou wandte sich an Kiba. „Hast du dich beruhigt?“ Kiba starrte Zabusa immer noch so hasserfüllt an, dass die Luft beinahe knisterte. Schließlich schluckte er und nickte. Kankurou bewegte einen Finger ein wenig und die Puppe ließ seinen Jackenkragen los. „Gut. Dann gehe ich jetzt“, sagte Zabusa, drückte Kankurou den Kassettenplayer in die Hand und trat auf den eisernen Sarg zu, der Haku immer noch ein mulmiges Gefühl bereitete, auch wenn er ihn nicht betreten musste. Dort, wo Kibas Jutsu das Metall getroffen hatte, waren weiße Kratzer und Schrammen zu sehen. „Wer bekommt die zweite?“, fragte Kiba. Zabusa warf ihm einen Blick zu. „Du ganz sicher nicht.“ „Du verfluchter …“ Kiba ballte schon wieder die Fäuste. „Das entscheiden wir nachher, ja?“ Haku trat zwischen die beiden Streithähne. „Er soll die Spritzen erst mal holen.“ Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, öffnete Zabusa die eiserne Klappe. Sie quietschte ohrenbetäubend. Der Metallsarg war gerade so niedrig, dass er sich auf dem Bauch hinein robben musste. Er war wohl etwas über zwei Meter lang. Am hinteren Ende sah Haku zwei Spritzen an dünnen Schnüren baumeln. War es etwa so einfach? Zabusa kroch vollends in den Kasten und drehte sich unter den Spritzen um. Er griff nach oben und riss mit einem kraftvollen Ruck die erste Injektionsnadel von ihrer Schnur. Dann verfuhr er genauso mit der zweiten – die anstatt zu reißen einfach nachgab und irgendwo in dem Kasten einen Mechanismus auslöste. Haku zuckte zusammen. Er hatte es geahnt. Mit einem Knall fiel die Klappe zu. Ein Schloss schnappte ein, und gleichzeitig ertönte ein Fauchen aus dem Inneren des Metallsarges.   Zabusa starrte auf die Flammen, die plötzlich vor seinen Füßen aus dem Boden züngelten. Er lag wie auf einem Gitterrost – um gegrillt zu werden. Ächzend kroch er so weit nach hinten, wie es ging. Da fauchte es erneut und eine zweite Reihe Flammen entzündete sich. „Scheiße!“, fluchte er. „He, macht die Klappe wieder auf, verdammt nochmal!“   „Was ist da drinnen los?“, fragte Kankurou nervös. „Feu… Feuer“, hauchte Hinata. Sie hatte wieder ihre Byakugan-Augen aktiviert. „Er … er verbrennt!“ „Scheiße!“, zischte Kankurou und griff nach der Klappe. Sie ließ sich nicht öffnen. „Halt aus! Wir holen dich da raus!“, brüllte er wenig überzeugend. Er wirbelte herum. „Hier muss es doch irgendwas geben, das wir als Brecheisen benützen können!“ Haku begann, in den Kisten nach etwas Brauchbarem zu wühlen, aber er fand nur Staub, Spinnweben und Papierfetzen.   Zabusa stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus, als das Feuer immer näher kam. Mehr und mehr Flammenreihen entbrannten. Die Hitze in der metallenen Kapsel war jetzt schon unerträglich. Er biss fest die Zähne zusammen und schob, die beiden Spritzen immer noch fest umklammert, die Beine mitten durch die Flammen. Tränen schossen ihm in die Augen, die er zusammenkniff. Nur mit großer Mühe gelang es ihm, ein Stöhnen zu unterdrücken. Seine Beine schienen nur noch aus Feuer zu bestehen. Seine Hose brannte wie Zunder. Mit aller Willensstärke schob er sich weiter, bis seine Fußsohlen das Ende des Sarges erreichten. So kräftig er konnte stieß er die Füße gegen die Klappe, doch vergebens – auch von innen ließ sie sich nicht öffnen. Zabusa war normalerweise niemand, der schnell in Panik geriet. In der beengenden Kapsel jedoch, die Stück für Stück zu einem Backofen mutierte, würde allerdings auch der abgebrühteste Killer nervös werden. „Verdammt nochmal, was macht ihr da draußen?“, brüllte er. „Holt mich raus, ihr Idioten!“   „Da.“ Haku fuhr herum. Hatte Kimimaro etwas entdeckt? Der weißhaarige Typ hatte den Sarg umrundet und stand an der Hinterseite. „Hier ist ein Sichtfenster“, sagte er. Sofort waren alle neben ihm. Auch Kiba trat widerwillig näher. Durch milchiges Glas konnten sie gerade erkennen, dass dort drinnen etwas Orangefarbenes loderte und sich davor ein Schatten bewegte. „Vielleicht können wir die Scheibe einschlagen“, murmelte Kimimaro, hustete und hielt sich dabei die Hand vor den Mund. „Ich könnte es versuchen, aber ich fürchte, mein Chakra hat sich noch nicht genug wiederholt …“ Er betrachtete seine Handfläche, die voller Blutspritzer war. Haku lief ein kalter Schauer über den Rücken. „Kein Problem“, sagte Kankurou und knuffte Kiba gegen die Schulter. „Du! Mach du es!“ „Wieso ich?“, empörte sich Kiba. „Was kann ich schon tun?“ „Ich hab’s doch vorher gesehen! Du bist ein Ninja! Mach nochmal dieses Tsuuga-Ding!“ „Damit kratze ich die Hülle nur!“ „Nicht auf die Hülle – zerstör das Fenster damit!“ Kiba überlegte einen Moment, in dem man Zabusa wieder schreien hörte. „Den Teufel werd‘ ich tun“, sagte er dann entschieden. Kankurou verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Wie war das?“, zischte er leise. „Ich denk ja gar nicht dran, diesem Arsch zu helfen!“ Kankurou mahlte mit den Zähnen. Er packte Kiba grob am Kragen. „Jetzt hör mal zu, er hat zwei Spritzen! Zwei!“ „Na und? Ich krieg ja sowieso keine davon!“ „Aber je mehr wir sammeln, desto besser für die allgemeine Lage!“, spie Kankurou ihm entgegen. „Kriegst du das nicht in deinen hohlen Schädel rein?“ Zabusas Geschrei erreichte einen neuen Höhepunkt, und anders als vorher brach es nicht mehr ab. „Könnt ihr das nicht auf später verschieben?“, keuchte Haku. „Streiten ist jetzt das Dümmste, was ihr tun könnt!“ „Du halt die Klappe!“, fuhr Kiba ihn an. „Dieser Zabusa ist schuld, dass wir hier festsitzen! Ino ist schon tot, wegen ihm könnte es uns allen so ergehen!“ „Und genauso gut könnte er uns helfen!“, hielt Kankurou dagegen, aber Kiba verschränkte nur die Arme und drehte sich weg. „Ohne mich.“ Kankurou knirschte mit den Zähnen. Ein schweigsamer Moment verging, in dem nur Zabusa zu hören war, der etwas brüllte, was sie nicht verstanden. „Dann lässt du mir keine Wahl“, murmelte Kankurou schließlich und machte eine Handbewegung. „Was hast du vor?“, fragte Haku erschrocken, als er sah, dass sich die Marionette von vorhin wieder zu bewegen begann – und sich auf Kiba stürzte, der im letzten Moment auswich, als aus dem Mund der Puppe eine Messerklinge schoss. Knapp an seiner Schulter vorbei schrammte sie über die Wand. Kankurou schien auf unsichtbaren Tasten Klavier zu spielen. Die Puppe flog an Kiba vorbei, wendete in der Luft und kehrte zurück. „Vergiss es!“, schrie Kiba und sprang erneut zur Seite. Der hölzerne Körper prallte gegen den Sarg und erzitterte kurz, ehe Kankurou ihn wieder unter Kontrolle brachte. „Seid ihr verrückt geworden?“, rief Haku. „Kankurou! Hör damit auf!“ Aber der Puppenspieler dachte nicht daran. Ein geringfügiges Zucken mit einem Finger – und der rechte Arm der Puppe löste sich und offenbarte eine versteckte Klinge, die auf Kiba zusauste. Der Ninja schrie auf, als sie seinen Oberarm aufschlitzte, und ging ächzend in die Knie. „Du hast Glück, dass ich kein Gift auf die Klingen aufgetragen habe“, knurrte Kankurou und ließ die Puppe abermals herumschwenken. „Du bist völlig verrückt!“, schrie Kiba und stand schwankend auf, als ihm die Marionette gegen den Rücken prallte und nach vor stieß, direkt vor Kankurous Füße, der ihm einen kräftigen Kinnhaken verpasste, ehe er sich auf seine Brust kniete und seinen Hals umschloss. „Du scheinst es einfach nicht zu kapieren“, keuchte der Puppenspieler und presste die Finger zusammen. Haku hielt die Luft an. Hinata hauchte etwas, das er nicht verstand.   Die Kapsel stand bis zu Zabusas Gürtellinie in Flammen. Er schrie unablässig und konnte vor Schmerz keinen klaren Gedanken mehr fassen. Keiner seiner Aufträge hatte bisher eine solche Folter beinhaltet – keiner!   Kiba zappelte unter Kankurous Würgegriff. Er war kräftiger als der Puppenspieler und würde bald freikommen, aber da zuckte erneut Kankurous kleiner Finger und Kiba bekam von der Marionette einen kräftigen Schlag zwischen die Beine. Grausamer Schmerz explodierte in seinem Körper und er wollte nach Luft ringen, aber Kankurou schnitt ihm den Atem ab. „Helft … mir“, keuchte er. „Der Kerl … will mich …“ „Umbringen?“, schrie Kankurou und klang dabei ein wenig hysterisch. „Ha! Das ist genau das, was du Zabusa antust!“ „Er hat’s … nicht anders … verdient“, keuchte Kiba. Kankurou knurrte und verstärkte den Griff. Haku machte sich bereit, einzugreifen. Hatte der Puppenspieler den Verstand verloren? „Jetzt hör mir mal zu“, zischte Kankurou Kiba ins Ohr. „Zabusa hat mehr Erfahrung mit Gefahren und dem Tod als wir alle zusammen! Er hat uns vielleicht hierhergebracht, aber er ist sicher ein zäher, starker Kerl, der jetzt im gleichen Schlamassel sitzt wie wir und uns helfen kann, rauszukommen! Geht das in deinen verdammten Dickschädel?!“ Die letzten Worte hatte er geschrien. Kiba hörte zu zappeln auf. Er starrte Kankurou entgeistert an. „Genug jetzt!“, sagte Haku scharf, packte den Puppenspieler an den Schultern und riss ihn von Kiba herunter. „Jetzt mach schon!“, schrie Kankurou. Kibas Kinn zitterte. „Arschloch“, zischte er. „Gut, spiel ich eben den Retter! Aber damit das klar ist – ich mach das weder für dich noch für Zabusa!“ Er trat auf das Sichtfenster zu. „Weich aus da drin!“, rief er mit krächzender Stimme. Dann rotierte er um seine eigene Achse und schoss, mit den ausgestreckten Armen voraus, auf die Kapsel zu. „Tsuuga!“ Knirschend bohrte sich sein Jutsu in das Glas und ließ es zersplittern. Metall kreischte, als Kibas wirbelnder Körper die Ränder des Fensters berührten. Zischend entwich heiße Luft. Kibas stürzte zurück und schrie auf, die Hände vor das Gesicht gepresst. Wimmernd rollte er über den Boden. „Komm raus!“, schrie Kankurou und hielt dem Schatten im Inneren der Kapsel die Hand hin. Hitze fraß sich durch seinen Anzug in seine Haut. Zabusa bemerkte zuerst gar nicht, dass seine Rettung nahte. Erst nach wertvollen Sekunden sah er die Hand. Haku schnappte nach Luft, als er sah, dass die Innenseite des Sarges buchstäblich glühte. Etwa die Hälfte des Bodens stand in Flammen. Zabusa schlug harsch Kankurous Hand zur Seite. Haku sah, dass seine eigene Faust nicht nur mit Blasen übersät, sondern sogar rissig und teilweise schwarz war. Die Spritzen, die er in dem Sarg geerntet hatte, waren nur noch geschmolzenes Plastik. Der Söldner packte den Rahmen des Fensters und versuchte sich herauszuziehen – und blieb prompt mit seinen breiten Schultern stecken. Haku glaubte nicht, was er da sah. Der ganze Ärger mit Kankurou und Kiba – umsonst? Der Puppenspieler mahlte mit den Kiefern. „Ihr Schwachköpfe!“, stieß Zabusa aus. „Das soll euer Plan sein?“ Er zappelte und ruderte mit den Armen, aber es half nichts. Ächzend ließ er sich wieder in die Kapsel gleiten. „Was hast du vor … Warum gehst du wieder rein?“, rief Kankurou entsetzt.   Zabusa antwortete nicht. Hinter den anderen, an der Wand, hatte er Rohre gesehen. Er zwang sich zur Ruhe, obwohl es ihm vorkam, als würde sich seine Haut abschälen. Die Luft in dem engen Eisensarg glühte. Er konnte durch die grellgelben Flammen hindurch über der Klappe, durch die er in diese Zwickmühle geraten war, unscharf etwas erkennen. Ein Teufelchen war mit heller Farbe auf die Metallwand gezeichnet, die Flammen erzeugten die Illusion, die Zeichnung würde sich bewegen. Es zeigte auf ein winziges Rad, das ein Ventil öffnen mochte – etwa einen Wasserzufluss? In Zabusas Kopf ratterten einmal mehr die Zahnräder. Was hatte Orochimaru gesagt? In der Hölle kann einem nur der verdrehte Verstand des Teufels Erlösung verschaffen. Hölle … Teufel … verdreht … Das war ein Wortspiel! Er musste das Rad drehen, aber … Wie auf ein Stichwort schoss eine weitere Reihe Flammen in die Höhe und fraß sich in seine Hüfte. Zabusa stöhne auf und kniff die Augen zusammen. Vom Schreien war er heiser, und sein Körper war sowieso nur noch ein einziger, tödlicher Schmerz, da kam es auf ein bisschen mehr auch nicht mehr an. Aber um an das Rad zu kommen, musste er zurückkriechen, quer durch den ganzen Backofen, quer durch die Feuersbrunst … Das schaffte er nicht mehr. Zabusa holte tief Luft. Selbst das Atmen war eine Qual, glühendes Eisen schien in seine Kehle und Lunge zu strömen. Er formte die Fingerzeichen des Jutsus des Wasserdrachen – und hoffte, dass er erreichte, was er wollte. Als er beim letzten Siegel angekommen war, loderte die letzte Flammenreihe in die Höhe und setzte seinen Oberkörper bis zum Hals in Brand. Zabusa bäumte sich auf und stieß einen gutturalen Schrei aus. Die Mullbinden, die er über den Unterkiefer trug, verkohlten und lösten sich langsam. Zitternd führte er die Hände wieder zusammen. Er hatte kurz die Kontrolle über sein Chakra verloren und musste das Jutsu neu beginnen … Schweiß kroch ihm über die Haut und verdampfte in Sekundenschnelle. Seine Beine taten längst nicht mehr weh, er spürte sie gar nicht. Nur seiner außerordentlichen Zähigkeit war es zu verdanken, dass er das Jutsu überhaupt noch vollenden konnte.   Draußen hörten die anderen ein Blubbern, das rasch lauter wurde. Kiba und Kankurou, die sich wieder in die Haare gekriegt hatten, wandten sich um, auf der Suche nach dessen Ursprung. „Was …?“, murmelte Kiba, als aus der Dichtung eines der Rohre an der Wand ein dünner Wasserstrahl pfiff. Haku wandte sich wieder dem Sarg zu – bildete er es sich ein, oder glühte dessen Oberfläche schon? – und runzelte die Stirn. Tat Zabusa das?   Mit einem lauten Knall barst das Rohr. Das Ventilrad schoss knapp an Zabusas Kopf vorbei und prallte mit einem metallischen Ton mehrmals von der Innenseite der Kapsel ab. Wie ein Sturzbach ergoss sich das Wasser in Form eines kleinen Drachenkopfes ins Innere des Sarges. Die irrsinnige Hitze hatte zur Folge, dass der erste Schwall verdampfte, ehe er überhaupt den Boden erreiche. Aber nach und nach wurde die Kapsel abgekühlt, und das nachströmende Wasser benetzte den Boden und löschte die Flammen aus. Die ganze Kapsel war von weißem Dampf erfüllt, schon bald konnte Zabusa nichts mehr sehen. Mit letzter Kraft robbte er sich vorwärts, direkt unter das gesprengte Ventil. Kühles Nass fror all seine Sinne ein. Dann wurde ihm schwarz vor Augen und er hoffte, dass er wieder erwachen würde. Er würde hier herauskommen – so schnell würde es verdammt nochmal nicht vorbei sein! Kapitel 6: Fehlkalkulation -------------------------- Nach einigen Minuten hatte der Metallkasten ein Klicken von sich gegeben, und Kimimaro hatte es als Zeichen erkannt, dass sich die Vorderklappe nun wieder öffnen ließ. Weißer Dampf waberte ihnen entgegen, als er den Metallverschluss aufzog. Haku erinnerte der Anblick unangenehm an die Falle mit dem qualmenden Ofen. Nun qualmte es weiß – war vielleicht auch der Ausgang der Mini-Spiele unterschiedlich? Von Ruß geschwärztes Wasser stand knöchelhoch in dem Kasten. Zabusas beeindruckende Gestalt lag darin, die Kleidung bis zum Schritt verkohlt, die Haut darunter voller rotschwarzer Blasen. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Haku wusste nicht, warum, aber er war erleichtert. „Kommt“, murmelte Kankurou. Zu dritt zerrten er, Kimimaro und Haku den Söldner aus seinem Beinahe-Sarg. Haku versuchte, nur die Stiefel zu berühren, die noch einigermaßen erhalten waren. Kimimaro war nicht so zimperlich und packte Zabusa an der wunden Haut, doch dieser ließ nicht mal ein Stöhnen hören. Wie ein nasser Sack glitt Zabusa aus dem Kasten. Eine kleine Wasserpfütze breitete sich unter ihm aus. Haku war entsetzt, als er das ganze Ausmaß seiner Brandwunden sah. Selbst die Mullbinden um seinen Mund waren verkohlt und auseinandergefallen. Seine Arme waren voller eklig schimmernder Blasen. Es war wohl ein kleines Wunder, das er noch lebte. Hinatas Husten erinnerte sie daran, dass sie nicht ewig herumstehen und darauf warten konnten, bis Zabusa wieder bei Bewusstsein war. „Mist, wo sind sie?“, fragte Kiba, der das Innere der Apparatur untersuchte, ohne jedoch hineinzukriechen. „Meinst du die?“ Kimimaro deutete auf Zabusas Hand. Er hatte die Finger um etwas verkrampft, das einst die Spritzen mit dem Gegenmittel sein mochten. „Scheiße.“ Kiba zwängte die Finger auseinander und begutachtete das abstrakte Kunstwerk aus geschmolzenem Plastik, aus dem immer noch zwei verbogene Metallnadeln ragten. „Das war’s! Toll gemacht, wirklich toll! Jetzt haben wir schon drei Spritzen verloren, drei! Wie viele gibt es wohl noch, hä? Wie viele, um die wir uns zanken dürfen?“ Mit jedem Wort war er lauter geworden, bis Hinata unter seinen Rufen zusammenzuckte. Haku legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Kankurou war es mal wieder, der den Jungen mit der Gesichtsbemalung in die Schranken wies. „Wenn du von Anfang an gemacht hättest, was ich gesagt habe, wäre es vielleicht gar nicht so weit gekommen. Wann verstehst du endlich, dass wir einen kühlen Kopf bewahren und zusammenarbeiten müssen?“ Kiba senkte angriffslustig das Kinn und knurrte: „Zusammenarbeiten, ja? Fickt euch doch! Ihr habt ja keine Ahnung, wo wir hier sind! Dieser verdammte Orochimaru hat für jeden von uns ein kleines, perverses Spiel vorbereitet, und er will uns das Gesicht wegsprengen oder uns bei lebendigem Leib grillen! Glaubst du ernsthaft, so ein Kindergartendenken hilft uns da weiter?“ Zabusas Stöhnen unterbrach Kibas zornigen Redeschwall. Der Söldner schien aufzuwachen. „Macht, was ihr wollt!“, brummte der Junge. „Haltet von mir aus Händchen mit eurem Kidnapper. Ich bin hier draußen, noch bevor ihr euch geeinigt habt, wer als Nächstes freiwillig abkratzt!“ Damit rempelte er Kankurou aus dem Weg und stieg mit raschen Schritten die Treppe hoch. Kankurou sah ihm mit finsterem Blick nach. „Ich auch“, sagte Kimimaro plötzlich und hustete. „Du willst auch auf eigene Faust losziehen?“, fragte der Puppenspieler mit schmalen Augen. „Hat er dich mit diesem Blödsinn angesteckt? Zusammen können wir eher was erreichen.“ „Ich glaube nicht, dass ich noch viel Zeit habe“, sagte Kimimaro nüchtern und strich sich stirnrunzelnd einen Blutfaden aus dem Mundwinkel. „Das Gift wirkt sicher unterschiedlich schnell, aber in anderthalb Stunden sind wir ausnahmslos alle tot. Kiba hat recht, zumindest diese Falle hier war für eine einzige Person konzipiert. Wenn wir uns aufteilen, kommen wir schneller an die Spritzen ran.“ Er zögerte auf der Treppe. „Wenn ich mehr als eine finde, gebe ich sie euch.“ Dann verhallten seine Schritte auf der Holztreppe, Haku blieb mit Kankurou, einem benommenen Söldner und einem verängstigten Mädchen zurück.   „Mehr können Sie noch nicht vorweisen? Sie lassen uns ganz schön warten.“ Sasori nippte ungeduldig an seiner vierten oder fünften Tasse Kaffee an diesem Abend. Die Kollegen von der Technik hatten ihn und Konan in ihr Büro gebeten, weil sie ein paar Sekunden des Tonbands, mit dem Orochimaru diesen Gatou begrüßt hatte, wiederherstellen konnten. Wobei ein paar Sekunden genau das bedeutete, wonach es sich anhörte. „Herzlich willkommen. Wir beide werden darin übereinstimmen, dass Sie ein schlechter Mensch sind. Ihr ganzes Leben lang haben …“ Dann hörte man nur noch Gequietsche, als würde jemand auf einer Säge ein schnelles Stakkato spielen. Die Aufnahme blubberte, die Techniker setzten sie wieder auf Anfang zurück und Orochimarus Stimme erklang erneut. „Herzlich willkommen …“ „Das ist alles, was wir rausholen konnten“, sagte der Techniker kaugummikauend. „Außer dass wir hier mal wieder Überstunden schieben, wird nichts mehr dabei rauskommen.“ „Dann schieben Sie noch ein paar mehr Überstunden und versuchen es weiterhin“, sagte Sasori trocken. Am heutigen Tag war so gut wie gar kein Fortschritt zu verzeichnen gewesen, und der übermäßige Koffeingenuss wirkte sich auch nicht gerade positiv auf seine Geduld aus. „Und schalten Sie das endlich aus, ich kann es schon auswendig“, fügte er hinzu, als Orochimaru gerade zum fünften Mal seine Willkommensworte an sie richtete. „Warten Sie“, sagte Konan plötzlich, als der Techniker gerade die Hand ausstrecken wollte. „Noch mal.“ Das Gebrabbel des Schlangenmannes knisterte in der Stille, die sich über den Technikerraum senkte, und nun konnte Sasori es auch hören: Kurz bevor der beschädigte Teil kam, hörte man wie weit entfernt etwas knattern, das vielleicht gar nicht an dem kaputten Band lag. In schweigendem Einverständnis hörten sie es sich ein weiteres Mal an. Sasori erinnerte das Geräusch einen riesigen Ventilator – oder eher, Rotorblätter. Er tauschte einen bezeichnenden Blick mit Konan und wusste, dass sie dasselbe dachte. „Gute Arbeit.“ Mit koffeingetriebenen Schritten eilte er zurück in sein Büro. Konan zückte bereits ihr Diensthandy, und er hörte sie hinter sich telefonieren. „Hier Special Agent Konan vom Akatsuki-Sonderkommissariat. Ich brauche eine Liste sämtlicher Helikoptereinsätze vor vier Wochen und früher von Rettung, Feuerwehr, Polizei und Militär – und alle, die sonst noch dokumentiert sind.“   Kimimaro hatte die Treppe im Eingangsbereich genommen, die in den ersten Stock führte. Ein langer Flur mit schmutzigen gelben Wänden wand sich in zwei Richtungen um die Handvoll Räume herum, die es hier oben gab. Streng genommen konnte es in jedem von ihnen eine neue Falle geben – und somit auch eine neue Spritze. Er hörte Kiba zu seiner Rechen gegen etwas hämmern und dann fluchen. Er klang extrem gereizt. Kimimaro spürte, dass sein Chakra endlich wieder richtig da war, und traute sich durchaus zu, es mit Kiba aufzunehmen – aber er schmeckte auch nach jedem Hustenanfall den metallischen Geschmack von Blut im Mund und hatte Besseres zu tun, als sich mit einem Rabauken zu prügeln. Also folgte er dem Flur nach links. Etliche leere Bilderrahmen glotzten ihn an, Reste einer Blumentapete klebten dann und wann auf den Wänden. Die Türen hier waren allesamt aus Holz. Auf der ersten, die er sah, war mit roter Farbe ein Name geschrieben. HAKU Der Junge. Kimimaro zögerte, zog dann dennoch vorsichtig die Tür einen Spalt auf. In dem Raum dahinter schien es kälter zu sein als draußen; aber vielleicht lag das an den hellblau getünchten Wänden. Ein Safe, ähnlich dem in dem Raum, in dem sie aufgewacht waren, stand der Tür gegenüber. Davor lag eine kleine Kassette. Kimimaro wollte die Tür ganz öffnen, spürte jedoch den Widerstand eines Drahts, der innen an dem Knauf befestigt war. Er würde einen Mechanismus auslösen, wenn er versuchte, einzutreten. Da er den Kassettenplayer nicht hatte, wüsste er nicht einmal, was er zu tun hatte. Resigniert schloss er die Tür wieder und folgte dem Flur weiter. Unterwegs packte ihn heftiges Schwindelgefühl, etwas brodelte seine Kehle hoch und ließ ihn würgen. Er spuckte schleimiges Blut auf den Dielenboden. Verdammt. Hinter der nächsten Tür sah er auf den ersten Blick eine der Spritzen, die er so dringend brauchte. Sie hing in einem Glaskasten von der Decke und es war offensichtlich, was der Haken daran war.   „Ich weiß echt nicht, ob wir ihn nicht einfach hier liegen lassen sollen“, murmelte Kankurou, nachdem er eine Weile unruhig im Keller auf und ab getigert war. Haku, der neben dem sich immer noch nicht rührenden Zabusa saß und gekühlte Lappen auf seine Brandblasen legte, sah überrascht auf. „Was? Aber du hast doch zu Kiba gesagt …“ „Ich weiß, was ich gesagt habe!“ Kankurou knirschte mit den Zähnen. „Ich versuche einfach zu überlegen, was das Vernünftigste ist, das wir tun können.“ Haku meinte eine Sorgenfalte in seinem bemalten Gesicht zu erkennen, als er Hinata beobachtete. Das Mädchen war in den letzten Minuten immer schweigsamer geworden und ihre Haut glitzerte hell vor Schweiß. Obwohl auch Haku immer wieder husten musste, war es bei ihr besonders schlimm. „Wieso bist du überhaupt hier?“, wagte Haku zu fragen. „Gute Frage. Ich mag Marionetten.“ „Und das ist ein Grund für Orochimaru, dich zu fangen?“ „Offenbar“, brummte Kankurou. „Es kann natürlich auch an meinem etwas kruden Hobby liegen.“ „Das da wäre? Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst“, beeilte sich Haku hinzuzufügen. Der andere zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Es gibt unter Ninjas so eine Art Untergrundsportart, vielleicht hast du davon gehört. Es ist so was wie ein Stierkampf – sie treten gegen beschworene Wesen an, oder eben auch gegen Puppen. Man kann darauf wetten, wie gut sie abschneiden, wie weit sie kommen, und so weiter und so fort. Das Ganze ist interessant, weil man dabei sterben kann. Tja, und ich habe für die Kämpfe ein paar Puppen mit möglichst fiesen Fallen gebaut.“ Er sah sich demonstrativ um. „Eigentlich etwas, das Orochimaru gefallen müsste.“ „Du glaubst, weil du Puppen für illegale Kämpfe gebaut hast, musst du in diesem Spiel mitspielen?“ Wieder zuckte Kankurou die Achseln. „Möglich. Wäre ich sparsamer mit dem Gift umgegangen und hätte ich mir nicht Mühe gegeben, möglichst unbesiegbare Marionetten zu bauen, wären vielleicht weniger Ninjas gestorben, die einfach nur mitgemacht haben, um an Geld zu kommen. Ich durfte sogar schon mal dafür sitzen, zum Glück nicht lange. Gute Führung und so. Was ist mit dir? Irgendeine Idee, warum du hier bist?“ Hunderte, dachte sich Haku. „Ich bin auf der Straße aufgewachsen. Da macht man viel Blödsinn.“ „Verstehe“, murmelte sein Mitleidender. Haku merkte, wie er Kankurou zu vertrauen begann. Mehr voneinander zu wissen, auch wenn es noch so wenig war, schweißte sie zusammen. Hinatas erneutes Husten unterbrach ihren Plausch. „Okay, wir können nicht hier bleiben und nichts tun. Zabusa ist ein Söldner“, erklärte Kankurou schließlich ruhig, als müsste er sich vor allem selbst überzeugen. „Er ist sicher aus einem harten Holz geschnitzt. Er wird zu sich kommen und von alleine nach einem Weg hier raus suchen können. Wir brauchen dringend selbst Spritzen, sonst sind wir geliefert. Vielleicht hatten Kiba und Kimimaro schon irgendeinen Erfolg.“ Beim Anblick von Zabusas verbranntem Körper fragte sich Haku schaudernd, ob sie nicht eher deren Leichen vorfinden würden, wenn sie sie jetzt suchen gingen. Aber Kankurou hatte recht. Das Abwarten, ob Zabusas Zustand sich besserte, hatte vor allem ihnen selbst gedient: Sie hatten nach all dem Horror, den sie bereits erlebt hatten, einfach verschnaufen müssen. Doch für niemanden in diesem Haus stand die Zeit still. „Kannst du aufstehen?“, fragte er Hinata sanft, die auf einen Hocker gesunken war. Matt nickte sie, taumelte ihm dann aber geradewegs in die Arme. Er musste sie auf dem Weg nach oben stützen. Kankurou warf Zabusa, der immer noch in seiner Pfütze lag, einen langen Blick zu, ehe auch er den Keller verließ.   Achtsam trat Kimimaro näher. Womöglich waren in den Ecken des Zimmers Fallen angebracht … doch nicht einmal die Tür war hinter ihm zugefallen, als er den Raum betreten hatte. Die Spritze mit dem Gegenmittel lachte ihn geradezu an. Sie befand sich in einem Glaskasten, der an eisernen Ketten von der Decke baumelte. Es gab zwei Öffnungen an der Unterseite, gerade breit genug für seine Hände. Sie wurden von oben mit scharfen Glasscherben bedeckt. Kimimaro besah sich den Kasten von allen Seiten. Es gab auch hier eine Kassette; sie lag oben auf dem Kasten. Dennoch wollte Kimimaro nicht erst die anderen suchen und den Player besorgen, wenn die Spritze direkt vor seinen Augen war. Es schien doch ganz klar, was er zu tun hatte: Die Hände in die Öffnungen stecken und die Spritze aus dem Kasten ziehen. Da erkannte er, dass sie an einer dünnen, silbernen Kette hing. Also musste er entweder die Kette zum Bersten bringen oder sich das Mittel direkt im Kasten in die andere Hand injizieren. Er ging die Aktion in Gedanken durch und fand, dass er nichts falsch machen konnte. Einmal atmete er noch tief durch – das Ausatmen verkam zu einem Hustenanfall, der seine Handinnenflächen mit hellem Blut besprenkelte. Es war höchste Zeit, sich das Gegenmittel zu spritzen. Er ließ beide Hände von unten in den Kasten gleiten; seine Finger drückten die Glasscherben aus dem Weg. Er bekam die Spritze ohne Schwierigkeiten zu fassen. Dann erkannte er das Teuflische an der Falle: Die Scherben waren so platziert, dass sie sich in dem Fleisch desjenigen verkeilten, der so dumm war, die Hände in die Öffnungen zu stecken. Prüfend versuchte Kimimaro, die Arme zurückzuziehen. Die scharfen Kanten schnitten brennend in seine Unterarme. Er steckte fest – ohne eine Ahnung, wie Orochimaru es sich vorgestellt hatte, dass man der Falle entkommen sollte. Schließlich schnaubte er. Orochimaru war ohne Zweifel ein kriminelles Genie. Eigentlich sollte er diesen Mann bewundern. Nebenbei schien er sich auch mehr für Kimimaro zu interessieren als jeder andere Mensch, dem er je begegnet war – immerhin hatte er sich die Mühe gemacht, ihn in diesem komplexen Spiel mitspielen zu lassen, ihn zu entführen und zweifellos auch in seiner Vergangenheit zu graben. Aber dennoch hatte er nicht tief genug gegraben. Sein Interesse war wohl nicht bis zu seinen Jutsus gegangen. Vielleicht, weil es eine extrem seltene Fähigkeit war, die Kimimaro besaß – er und seine Familie, von der bereits alle tot waren. Und sein Chakra war zurück und voll unter seiner Kontrolle. „Das Spiel ist zu Ende“, sagte Kimimaro und ließ gewundene Knochen aus seinen Unterarmen wachsen. Sie bohrten sich in das Glas und ließen es splittern, kleinere Knochen aus seinen Handgelenken brachten die Scherben zum Bersten. Schließlich schraubten sich die Knochenstacheln bis zur Oberseite des Kastens und zerstörten auch dort das Glas. Die Kette mit der Spritze fiel herab. Kimimaro fing sie auf. Er hatte lange genug nach Orochimarus Regeln gespielt. Entschlossen rammte er sich die Spritze in den Oberarm und injizierte sich das Mittel, fühlte, wie es in seinem Blutkreislauf brannte. Wieder atmete er tief durch und hoffte, dass das Husten, das ständiger Begleiter jedes Atemzugs geworden war, endlich verschwinden würde. Es verschwand nicht. Genauso wenig wie das Brennen. Mit weit aufgerissenen Augen keuchte Kimimaro auf, als sich ein kribbelnder Schmerz seinen Arm hinauffraß, über seine Schulter bis zu seiner Brust. Das Bild eines Mannes kroch plötzlich in seine Gedanken, als wollte ihm sein Unterbewusstsein etwas mitteilen. Das Bild eines Arztes, dieses Kabuto Yakushi, der ihm einmal Medikamente gegen seine seltene Krankheit verschrieben hatte, die seine Symptome unterdrücken und die er sich niemals leisten konnte. Kurzerhand hatte Kimimaro die Pillen aus der nächstbesten Apotheke gestohlen … und nun kam ihm wieder in den Sinn, wie der Arzt ihn gewarnt hatte. „Kein Alkohol und keine anderen Medikamente, wenn sie die Pillen nehmen“, hatte er gesagt. „Bei Ihrem Krankheitsverlauf entwickeln sich sonst möglicherweise desaströse Nebenwirkungen.“ Nein. Er bekam kaum mit, wie seine Knie nachgaben. Sollte das Ironie des Schicksals sein? Etwas schien sich über seinen Brustkorb zu legen, presste ihn zusammen, und dann fühlte er, wie er etwas sein Herz mit der Wucht eines Presslufthammers traf. Und dann nichts mehr. Kapitel 7: Nadelstiche ---------------------- Da es vom Erdgeschoss aus nur zu dem Raum ohne Boden und zu dem Wohnzimmer mit dem Safe ging, stiegen Haku, Kankurou und Hinata in den ersten Stock hinauf. Dort gabelte sich der Flur. „Nach rechts oder nach links?“, fragte Haku. Ohne zu antworten schlug Kankurou den Weg nach rechts ein. Hinata bat um eine Pause, doch Haku konnte ihr den Gefallen nicht tun. „Es ist wichtig, dass wir weitersuchen“, sagte er beschwichtigend. „O…kay“, meinte sie schwach. „Ist alles … in Ordnung mit dir?“, fragte er zaghaft. Die Frage war mehr als überflüssig: Sie sah furchtbar aus. Das lange, dunkle Haar klebte ihr nass im Gesicht, ihr Atem ging stoßweise und die Lider über ihren hellen Augen flatterten, als wäre sie gar nicht wach, sondern würde träumen. „Ich hätte … es nie tun sollen“, hauchte sie kraftlos. „Was tun sollen?“, fragte Haku. „Wir müssen weiter“, drängelte Kankurou. „Nur eine Sekunde!“, rief er ihm zu und ließ Hinata gegen die Wand sinken. War es das Gift, das sie so sehr mitnahm? Wieso hatte sie nicht schon vorher gesagt, dass es ihr so schlecht ging? Hatte sie sich nicht getraut? Sie wären sofort aus dem Keller gelaufen. „Jede Sekunde ist kostbar“, sagte Kankurou und hustete seinerseits, wischte sich über den Mund. Seine violetten Gesichtsbemalungen wurden von roten Schmierspuren durchkreuzt. „Ich hätte nicht dorthin gehen sollen“, wisperte sie und schien mit sich selbst zu reden. „Da war dieses Event, und dieser Junge … Ich wollte doch nur Naruto beeindrucken, und jetzt … Das Feuer … Ich wollte nur einmal mutig und cool sein, nur einmal …“ Tränen liefen aus ihren Augen. „Es sollte nur ein Feuerwerk werden, ich wusste, dass die Feuerwerkskörper selbstgebastelt waren, aber ich … ich …“ Ihre Stimme versagte. „Ist schon gut“, murmelte Haku mitfühlend. „Wir kommen hier raus, ja?“ In dem Moment wurden Schritte laut. Kiba bog um die Ecke und prallte zurück, als er sie sah. „Scheiße, habt ihr mich erschreckt“, keuchte er. Haku konnte sehen, dass auch er gar nicht gut aussah. Sein Gesicht war eingefallen und grau. „Etwas gefunden?“, fragte Kankurou. „Nein“, brummte Kiba verdrossen. „Da ist so eine beschissene Tür, aber sie geht nicht auf. Da sind ein paar Schlitze, als ob man was reinstecken müsste, und der Spinner hat einen Krähenkopf davorgelegt. Keine Ahnung, was das bedeuten soll.“ „Augenblick – einen Krähenkopf?“, fragte Kankurou hellhörig. „Ja. Total krank. Ich hab versucht, die Tür mit meinem Tsuuga aufzubrechen, aber die ist mit Chakra verstärkt, genau wie die Wände.“ Kankurou hörte ihm schon nicht mehr zu. Er schien es plötzlich eilig zu haben. „Haltet noch ein wenig durch“, sagte er zu Haku und Hinata. „Ich glaube, ich weiß, wie man da reinkommt. Ich bringe ihr die Spritze.“ Hinatas Lippen bewegten sich, doch sie konnte kaum noch ihre Augen offenhalten, geschweige denn sprechen. „Danke“, sagte Haku an ihrer Stelle. Kiba schnaubte. „Pass nur auf, dass du bei deinem Benefizwahn auch noch eine Spritze abbekommst.“ Kankurou maß ihn mit einem abfälligen Blick und eilte dann davon. Während Kiba schimpfend dem Flur nach links folgte, spürte Haku etwas an seiner Oberlippe kitzeln. Er wischte es fort und merkte, dass er begonnen hatte, aus der Nase zu bluten.   Seine Wange war eiskalt, als Kakashi zu sich kam. Er brauchte eine Weile, um sich zu erinnern, wo er war. Mit klammen Gliedern rappelte er sich auf. Die nackte Glühbirne war nach wie vor das Einzige, was diesem düsteren Kellerraum Licht spendete. Immer noch trug er die Reste des eisernen Kragens um den Hals, unter der geschlossenen Schale juckte sein Hinterkopf. Er sah sich um, und zum ersten Mal hatte er Zeit dazu. Es schien tatsächlich ein Kellerraum zu sein, in den er gesperrt war, und bis auf den Stuhl mit dem Spiegel, den Fernsehapparat, die vorsintflutlichen Badewanne und die Toilettenschüssel war er leer. Es gab eine Tür, allerdings hatte diese weder eine richtige Klinke noch irgendeine Art von Schloss. Es sah so aus, als müsste man sie aufschieben, doch auf dieser Seite gab es keinen Griff dazu. Er saß also immer noch in der Falle. Kakashi überlegte, ob er rufen sollte, entschied sich aber dagegen. Er suchte nahe der Decke nach Kameralinsen oder etwas Ähnlichem und wurde fast sofort fündig: Ein kleiner roter Lichtpunkt verriet, dass jemand sämtliche seiner Bewegungen aufzeichnete. Orochimaru musste also längst wissen, dass er seinen Test bestanden hatte. Dass er noch immer nicht hier herausgelassen wurde, konnte nur bedeuten, dass der Schlangenmann noch etwas mit ihm vorhatte. Und das gefiel Kakashi ganz und gar nicht.   Die Kaffeemaschine schien mit jeder Kanne, die er sich zubereitete, länger zu brauchen. Da Sasori sich selbst einen fast perfekten Puppenkörper zusammengebastelt hatte, funktionierten seine Glieder mit Chakra statt mit Muskeln, und Koffein hatte auf den Chakrafluss nur geringe Auswirkungen. Daher brauchte es riesige Mengen des schwarzen Gesöffs, um das Herzstück in seiner Brust ausreichend zu stimulieren, Chakra durch seinen Körper zu pumpen – mit dem Nebeneffekt, dass der Chakrastrom unstet und nervös wurde und sich Sasori nach der zehnten Tasse oft wie ein Junkie auf Entzug fühlte. Aber etwas Besseres gab es im Polizeihauptquartier nicht, und wenn es mehr zu tun gäbe als heute, wäre er auch motivierter und hätte das Zeug gar nicht nötig gehabt. Übellaunig nahm er die Kanne, goss sich den starken Kaffee in seine Tasse und kehrte zu seinem Bürosessel zurück. Konan saß ihm gegenüber und rief wiederholt ihre Mailbox ab, neben ihr hatte sich Kisame breitgemacht. Der Special Agent hatte ebenfalls Überstunden gemacht und war mit seiner Arbeit nun eigentlich fertig – dennoch war er noch auf einen Sprung herübergekommen, um zu sehen, welche Fortschritte sie im Fall Orochimaru machten. Sasori erinnerte sich daran, dass Kisame das erste Opfer des Serienkillers gefunden hatte. Selbst nach all den Jahren zeigte er immer noch reges Interesse an dem Fall. „Hier ist sie“, sagte Konan plötzlich, als Sasori sich eben setzen und seine Zeit mit weiterem Nichtstun vergeuden wollte. Sofort umrundete er den Schreibtisch und sah seiner Kollegin über die Schulter. Konan deutete auf die Mail, die eben eingetrudelt war. Sie enthielt die angeforderte Liste der Hubschraubereinsätze. Sasori versprach sich nicht allzu viel von der Sache, aber es war die einzige Spur, die sie hatten. Konan las sich die Tabelle durch und mahlte mit den Lippen, sodass ihr Piercing munter hüpfte. „Es sind sogar weniger, als ich befürchtet habe.“ „Ja“, murmelte Sasori. „Die Frage ist nur, wann Orochimaru das Band besprochen hat.“ Vor vier Wochen etwa war es erstmals von Gatou abgespielt worden. Streng genommen konnte es aber auch schon sieben Jahre alt sein. „Die Kollegen waren ja ganz schön schnell“, stellte Kisame fest. „Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie sie erst vor einer viertel Stunde angerufen, oder?“ Sasori kam es viel länger vor, aber er sagte nichts, sondern deutete auf eine Zeile in dem Tabellenblatt. „Stellen Sie sich vor, das war der Helikopter.“ Ein Rettungseinsatz in einem Einkaufsviertel in der Innenstadt. „Der ist über die halbe Stadt geflogen. Man könnte ihn überall gehört haben.“ „Nicht ganz“, murmelte Konan, stand auf und nahm einen Filzstift in die Hand. Hinter ihr an der Wand hing ein großer Stadtplan, auf den sie eine Linie zeichnete. „Orochimaru braucht eine Werkstatt oder ein Lager für seine ganzen Spielereien. So etwas ist für gewöhnlich unterirdisch, in Kellern, oder am Stadtrand, oder in Industriegebieten – nach meinem Bauchgefühl zumindest. Von der Station zum Einsatzort muss der Helikopter etwa so geflogen sein.“ Sie zeichnete eine rote Linie auf den Plan. „Und dann so, um schnellstmöglich zum Krankenhaus zu kommen.“ „Da bewegen wir uns aber auf dünnem Eis“, merkte Kisame an. „Er könnte auch ein wenig davon abgewichen sein. Wollen Sie jetzt alle mutmaßlichen Flüge dort einzeichnen?“ Konan tat wirklich genau das. Sie warf wiederholt einen kurzen Blick auf ihren Computerbildschirm, um die Flugstrecke dann auf die Karte zu malen. Heraus kam kein so komplexes Spinnennetz, wie Sasori erwartet hatte; natürlich starteten die Rettungshubschrauber für gewöhnlich an ihren Stationen und flogen nach dem Auflesen des Patienten eines der Krankenhäuser an. Die Einsätze, die weiter zurücklagen, zeichnete Konan strichliert ein. „Selbst wenn wir alle Keller und Industriegebäude und Lager auf den Strecken herausfinden, ist die Auswahl immer noch zu groß“, meinte Sasori. „Es ist besser als nichts. Und wir haben ja Zeit“, meinte Konan. „Es sei denn, Orochimaru plant wirklich eine große Sache“, sagte Sasori. „Dann zählt jede Minute.“ „Glauben Sie?“ Er zuckte mit den Schultern. „Das war jetzt mein Bauchgefühl.“   Kiba hatte die Wahrheit gesagt. Die große Tür nach der Biegung am Ende des kahlen Flurs lenkte alle Blicke auf sich. Vier senkrechte Schlitze waren darin eingearbeitet, fast kunstvoll. Der halb verweste Krähenkopf, den Kiba erwähnt hatte, lag seitlich an der Wand. Kiba musste ihm einen Tritt verpasst haben. Mit flinken Fingern tastete Kankurou über das Holz. Es gab einen Türknauf, doch der ließ sich nicht bewegen. Wahrscheinlich fungierten die Schnitte als Schlüssellöcher … und er glaubte zu wissen, was der Schlüssel dazu war. Er wuchtete den Rucksack, in den er seine Puppe wieder verstaut hatte, von seinem Rücken. Binnen Sekunde hatte er sie mit Chakrafäden aus seinen Fingern verknüpft und ließ sie aus ihrem Gefängnis steigen. Karasu, die Krähe. Die Marionette, die sein Markenzeichen geworden war – zumindest in der Unterwelt. Einige schnelle Fingerbewegungen, und das Kunstwerk klappte auseinander. Seine Gliedmaßen offenbarten scharfe Klingen, die Kankurou mit einem Scharren in die Schnitte in der Tür gleiten ließ. Ein sanftes Klicken begleitete jede davon, dann hörte er auch ein leises, elektrisches Surren. Zögerlich berührte er den Knauf erneut, darauf gefasst, einen Stromschlag zu erhalten. Als das nicht geschah, drehte er ihn, und die Tür glitt widerstandslos und mit gut geölten Angeln auf. In dem Zimmer war es stockdunkel. Das Licht aus dem Flur riss nur rohe Bodenbretter aus der Finsternis. Kankurou schluckte. Irgendwie glaubte er nicht, dass Orochimaru ihn zu töten versuchte, ohne ihm vorher eine konkrete Aufgabe zu stellen. Dennoch schob er sich mit äußerster Vorsicht in den Raum, den Torso von Karasu neben sich, und tastete nach einem Lichtschalter. Er fühlte eine Plastikplatte unter seinen Fingerspitzen, trat noch ein wenig weiter nach rechts, bekam einen Schalter zu fassen und schnippte ihn um. Im selben Moment, in dem die Lampe über ihm knackend zum Leben erwachte, schwang die Tür mit einem Knall ins Schloss. Er fuhr herum, hörte die Gliedmaßen und Klingen seiner Puppe am Boden klimpern, als die Wucht sie aus den Öffnungen schleuderte. Instinktiv rüttelte er an dem Türknauf auf dieser Seite. Das chakraverstärkte Holzmonster ließ sich nicht öffnen. Natürlich. Er stöhnte innerlich auf und drehte sich wieder in den Raum zurück. Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er war froh, vorhin keinen Schritt nach vorn getan zu haben. Direkt vor ihm gähnte eine klaffende Öffnung im Boden, die mit spitzen Kanülen gefüllt war, blitzende, fiese Nadeln reckten sich ihm in allen Winkeln entgegen, und der bloße Anblick reichte, um ihm eine Gänsehaut zu bescheren. Jenseits der Spritzengrube befand sich ein Safe in der Wand, auf dem ein digitaler Timer ablief. Hundertachtzig Sekunden. Kankurou fluchte, sprang mit einem Satz über die Grube hinweg und pflückte die Kassette von der Schnur, die vor dem Safe baumelte. Mit schweißnassen Fingern gelang es ihm kaum, den Kassettenplayer zu öffnen, den er noch bei sich trug. Verdammt, er musste die Spielregeln erfahren! Endlich bekam er die Kunststoffhülle auf, schmiss Zabusas Kassette davon und legte die neue ein. Orochimarus Stimme ließ ihn wieder einmal frösteln, und in dieser Umgebung war es besonders schlimm. „Hallo, Kankurou. Sie befinden sich in einer Situation, die Ihnen bekannt vorkommen sollte. Ein ums andere Mal haben verzweifelte Ninjas in einer schmutzigen, winzigen Arena gegen spitze Tödlichkeiten gekämpft, die Sie gebaut haben. Viele brauchten das Geld dringend zum Überleben und waren deshalb bereit, dafür in den Tod zu gehen. Sie selbst haben es meist nicht einmal für nötig gehalten, von den sicheren Rängen aus zuzusehen. Heute dürfen Sie am eigenen Leib erfahren, wozu Sie diese Menschen getrieben haben. Die Arena, in der Sie kämpfen werden, befindet sich unter Ihnen. Die Nadeln darin sind Ihr Gegner. Auch Ihr Ziel ist es, als Sieger wieder emporzusteigen und zu überleben. Finden Sie den Schlüssel, der in dem Nadelhaufen versteckt ist, und können Sie damit den Safe vor Ihnen aufschließen, so winkt Ihnen eine Dosis mit dem Gegenmittel als Belohnung. Auf zwei Dinge sollten Sie jedoch achtgeben. Erstens waren die Ninjas in der Arena ihren Gegnern oftmals weit unterlegen. Um diesen Sachverhalt nachzustellen, ist Ihre geliebte Puppe nun außer Betrieb gesetzt, und Sie müssen sich selbst die Hände schmutzig machen. Zweitens haben Sie mit vergifteten Klingen oft für einen Überraschungseffekt in der Arena gesorgt. Passen Sie also gut auf, denn einige der Nadeln unter Ihnen sind ebenfalls vergiftet, und es ist kein langsam wirkendes Gift wie das, welches Sie eingeatmet haben. Doch Sie kennen sich bestimmt mit Pfeilgiftfröschen aus und wissen, worauf Sie zu achten haben. Das Spiel ist eröffnet.“ Kankurou sprach der Schweiß aus. Ihm schien, als hätte Orochimaru extra langsam gesprochen, damit ihm die Zeit knapp wurde – nur achtzig Sekunden blieben ihm noch! Dennoch brauchte er eine schiere Ewigkeit, ehe er sich überwinden konnte, in die Nadelgrube hinunterzusehen. Quer durcheinander lagen dort Spritzen, wie Junkies sie verwendeten … Und die gelbliche Farbe und das schmierige Licht ließen sie definitiv schmutzig wirken. Irgendwo dort war der Schlüssel, der ihm das Leben retten konnte? Mir oder Hinata, dachte er und biss die Zähne zusammen. Sollte er sich tatsächlich für eine Fremde diese Nadeln unter die Haut jagen, bei dem Versuch, das Gegenmittel zu erbeuten? Sie sah nicht so aus, als könnte sie ihr eigenes Spiel bestehen, wenn sie darauf stieß … Er könnte sagen, er hätte nichts gefunden oder es nicht geschafft … Hinata und Haku verließen sich auf ihn, aber der Junge war eindeutig kriminell, und das Mädchen hatte sicher auch etwas auf dem Kerbholz, sonst wäre sie nicht hier … „Verflucht!“, schrie er und kratzte sich die Kopfhaut durch seine Kapuze. Er musste verrückt sein, jetzt über die Katze im Sack nachzudenken! Erst das Mittel besorgen, dann darüber nachdenken, wie es weiterging! Er zuckte mit den Fingern; Rumpf und Kopf von Karasu flogen über die Grube zu ihm. „Außer Betrieb, ja?“, rief er höhnisch. „Du kennst mich schlecht!“ Er würde den Teufel tun und in diesen höllischen Nadelhaufen springen! Karasus Gliedmaßen waren vielleicht draußen auf dem Flur, aber er konnte den Rest der Puppe immer noch steuern, und Orochimaru hatte offenbar keine Ahnung, wie viel Feinmechanik in ihrem Kopf steckte! Wie einen Greifvogel ließ Kankurou seine Krähe in die Grube stürzen. Kunststoff knirschte, teuflisches Metall schrammte über Holz. Es raschelte, als er Karasu einmal quer durch die Grube pflügen ließ, mit Argusaugen darauf achtend, ob irgendwo ein Schlüssel zum Vorschein kam. Die Zeit lief unerbittlich gegen ihn. Ein Blick über die Schulter sagte ihm, dass er noch vierzig Sekunden hatte. Schweiß trat ihm auf die Stirn, in seinem Ganzkörperanzug war es plötzlich unglaublich stickig. Komm schon! Komm schon, komm schon, komm schon! Ein weiteres Mal durchwühlte seine Puppe die Nadeln für ihn. Er ließ ihren Kopf ruckartig kreisen, sodass die Spritzen wie Wellen über den Rand der Grube schwappten. Je weniger dort drin waren, desto eher würde er den Schlüssel finden … Oder sollte er doch selbst hineinsteigen? Von hier aus war ein kleines Metallding sicher nicht leicht auszumachen … „Komm schon, bitte!“, stöhnte er. Wo war er? Wo war der Schlüssel? Noch dreißig Sekunden! Plötzlich verschwamm die Welt vor seinen Augen, kurz nur, aber es reichte aus, um ihm bittere Galle auf die Zunge zu schicken. Er würgte, hustete bei dem Versuch, sie hinunterzuschlucken, sah Blutspritzer auf die Spritzen regnen. Halt durch! Die Chakraverbindung drohte abzubrechen, der untere Teil von Karasu machte sich plötzlich selbstständig und wurde nur noch vom Kopf durch die Grube geschleift. Keuchend konzentrierte Kankurou all sein Chakra auf seine linke Hand. Keine Zeit, die Verbindung neu aufzubauen – es muss reichen, den Kopf zu steuern! Dann kam der Schwindelanfall, und für einen kurzen Moment wurde Kankurou schwarz vor Augen. Als er wieder etwas von seiner Umgebung erkennen konnte, befand er sich im freien Fall. Es fühlte sich an wie ein buchstäblicher Sturz in ein Nadelkissen. Unter ihm klirrte und raschelte es, als sich hunderte spitzer Nadeln in jeden Zoll seines Körpers bohrten. Kankurous Schrei zerfetzte ihm fast die Kehle, und er war sicher, dass sich gleichzeitig ein Schwall Blut seinen Weg ins Freie bahnte. Er war unfähig sich zu bewegen. Seine Glieder waren wie erstarrt, die Finger hatte er zu Klauen gekrümmt, alle Muskeln angespannt, um den Schmerz abzuwehren. Die Chakraverbindung zu Karasu war weg, seine Puppe war irgendwo unweit von ihm ins Nadelbett gesunken. Die Uhr! Er meinte die roten Leuchtziffern auf seiner Netzhaut weiterticken zu sehen. Er konnte nicht mehr viel Zeit haben. Kankurou biss stöhnend die Zähne zusammen. Tränen verschleierten seinen Blick. Mühsam drehte er sich auf die Seite; jeder Nerv in seinem Körper schien durchbohrt. Als er sich bewegte, spürte er, wie die Kanülen in seiner Haut hingen und hin und her baumelten. Er stieß ächzend die Luft aus, schaffte es irgendwie, auf alle Viere zu kriechen. Keuchend stellte er fest, dass unter ihm der Boden der Grube war. Karasu hatte die Spritzen genügend umhergeschaufelt, dass er nicht so viele abbekommen hatte, wie er im ersten Moment geglaubt hatte, dennoch schmerzte es höllisch und – Kankurou sog scharf die Luft ein, als er direkt vor sich eine knallbunt bemalte Kanüle sah. Sie kennen sich bestimmt mit Pfeilgiftfröschen aus und wissen, worauf Sie zu achten haben. Die vergifteten Nadeln! Was sollte Orochimaru sonst gemeint haben, außer dass er auf auffällig gefärbte Spritzen achten sollte? Der Schmerz trat in den Hintergrund, zurückgescheut von purem Adrenalin und dem Brüllen, das Kankurous Kehle verließ. Seine Hände rissen die Nadeln aus seiner Haut, überall an seinem Körper, in den Beinen, an den Armen und schließlich am Rücken. Nur um sicher zu sein, warf er sich rücklings gegen die Wand der Grube. Seine Wunden schmerzten, aber es steckten keine Nadeln mehr in seinem Fleisch. Keine der Spritzen war eingefärbt gewesen. Er hatte noch mal Glück gehabt … Der Sturz hätte ins Auge gehen können. Vielleicht hätte es ihn nicht mal gerettet, wenn er die Nadeln so schnell herausgezogen hätte, wäre eine davon vergiftet gewesen … Und nun? Sollte er in die Grube tauchen, wie Karasu vor ihm? Immer noch tat ihm alles weh, die Nadelstiche waren tief und fies. Atemlos blickte er sich um, auf der Suche nach der Puppe … Und fand den Schlüssel. Kankurou verschenkte weitere kostbare Sekunden damit, das hellgrüne Schildchen anzustarren, an dem ein winziger Messingschlüssel hing, nur zwei Schritte von ihm entfernt. Karasus Körper musste ihn nach oben geackert haben. Er wankte darauf zu und zog ihn unter der obersten Schicht Nadeln hervor, die nur seine Handschuhe kratzten. Auf dem Weg zum Rand der Grube merkte er, wie sein Körper zu versagen begann. Ihm wurde wieder schwindlig, schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen und er fühlte sich so schwach wie noch nie zuvor. Das Nervengift hatte zu lange in seinem Körper gearbeitet, und er hatte zu viel Chakra verbraucht. Mit letzter Kraft zog er sich über die Kante zurück in den Raum. Dort fiel sein Blick auf den Timer. Fünf Sekunden. „Nein!“, keuchte er und kroch auf allen Vieren auf den Tresor zu. Dass sich dabei eine Spritze, die Karasu zuvor aus der Grube geworfen hatte, in seinen Unterschenkel bohrte, spürte er kaum. Er versuchte den Schlüssel richtig in die Finger zu bekommen, doch seine Hände fühlten sich fast taub an. Drei Sekunden. Endlich war das grüne Plättchen aus dem Weg. Nun musste er nur noch den Schlüssel in das Schlüsselloch bringen … Zwei Sekunden. Wieder ein Schwindelanfall. Die Flecken vor seinen Augen mehrten sich und er konnte kaum erkennen, was seine zitternden Finger taten. Eine Sekunde. Endlich fand der Bart ins Schloss. Jetzt musste er ihn nur noch … Ein schrilles Klingeln ließ ihn zurückspringen, und er hörte einen schweren Riegel, der sich im Inneren des Safes vorschob. Der Timer war auf null gesprungen. „Nein“, keuchte Kankurou und tastete fassungslos über die Stahlplatte. Er versuchte den Schlüssel zu drehen, aber es ging nicht. „Nein!“ Zornig schlug er mit der flachen Hand gegen den Safe. Er hatte es doch fast geschafft! Eine Sekunde – eine einzige lächerliche, beschissene Sekunde länger, und er hätte das Gegengift gehabt! Kankurous wütendes Brüllen ging in ein wortloses Heulen über. Er hatte versagt. Kapitel 8: Zahn um Zahn ----------------------- Haku war hin- und hergerissen. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, seit Kankurou und Kiba ihn und Hinata alleingelassen hatten, obwohl es sicher noch nicht mal zehn Minuten her war. Aber mit Hinata, die an seine Schulter gelehnt dasaß und deren Atem zu einem qualvollen Schnaufen verkommen war, schien ihm die Zeit endlos, und mehr als einmal wurde der Drang, aufzuspringen und selbst nach einer Spritze zu suchen, fast übermächtig. Schließlich trottete Kankurou um die Ecke. Hakus anfängliche Erleichterung schlug in Bestürzung um, als er seinen Gesichtsausdruck und seine zerrissene Kleidung sah. „Kein Erfolg?“, fragte er. Kankurou schüttelte den Kopf. „Leider. Ich war so kurz davor, aber ich hab’s nicht geschafft.“ „Sie hält nicht mehr lange durch“, sagte Haku ernst. Sie waren vielleicht anderthalb Stunden in diesem Haus, erst die Hälfte der Zeit, die Orochimaru ihren Körpern zugesichert hatte, aber Hinata sah aus, als könnte sie jede Minute das Bewusstsein verlieren. „Lass uns woanders nach Spritzen suchen“, murmelte Kankurou. „Auf dieser Seite sind sonst keine Türen. Nehmen wir den linken Korridor bei der Treppe.“ Haku nickte. Sich zu grämen half nichts. Er zog Hinata hoch. Die junge Frau war wahrscheinlich so schwer wie er selbst, und da sie kaum mehr als eine leblose Puppe in seinen Armen war, fühlte er ihr Gewicht doppelt. Kankurou machte keine Anstalten, ihm zu helfen, er tappte fast gemächlich hinter Haku her. Haku fragte sich, ob auch er die Auswirkungen des Giftes bereits stärker spürte. Er wagte nicht zu fragen, mit welcher Art von Prüfung er konfrontiert gewesen war, aber die hellen Binden waren unordentlich um den Behälter mit der Puppe auf Kankurous Rücken geschlungen, so als hätte er die Marionette eingesetzt und wäre danach zu erschöpft gewesen, um sie wieder ordentlich wegzupacken. Wahrscheinlich sollte Haku froh sein, dass Kankurou überhaupt noch lebte. Und wenn er uns belügt? Der Gedanke kam so plötzlich wie ein hinterhältiger Angriff, und einmal gedacht, ließ sich der Zweifel nicht mehr beseitigen. Was, wenn Kankurou seinen Test bestanden und eine Spritze erbeutet hatte? Wenn er sie für sich selbst benutzt hatte und nun einfach nur daneben stehen und warten würde, bis die Vordertür aufging? Andererseits, konnte Haku es ihm verübeln? Wenn es so war, dann konnte er ohnehin nichts daran ändern.   Als Haku die Tür mit seinem Namen sah, überkam ihn eine weitere Gänsehaut. Kiba, der in einem anscheinenden Anflug von Vernunft eben die Wände des Flurs abklopfte und jeden Bilderrahmen abnahm, warf ihm einen bezeichnenden Blick zu, sagte aber nichts. Auch Kankurou schwieg, und Hinata sah die krakeligen Buchstaben wahrscheinlich gar nicht. Schließlich öffnete Kiba eine Tür weiter hinten und ein Fluch entfuhr ihm. „Was ist los?“, fragte Haku erschrocken. „Scheiße“, wiederholte der wilde Junge. „Den weißhaarigen Kerl hat’s erwischt.“ Haku schob Hinata in Kankurous Arme und war mit wenigen Schritten bei ihm. In einem Zimmer voller Scherben lag Kimimaros gekrümmte Leiche. Haku hatte keinen Zweifel, dass er tot war, und es war sicher kein angenehmer Tod gewesen. „Verdammt“, murmelte er. „Wir hätten ihn sicher brauchen können. Er war immer recht besonnen und überlegt.“ Kiba schien das als Vorwurf aufzufassen. „Ja, wir hätten vor allem nicht gewusst, wann er uns allen in den Rücken fällt!“ Damit ließ er Haku stehen und riss die nächste Türe auf, hinter der nur eine Besenkammer lag. „Oweh, die nächste Falle“, sagte er sarkastisch. „Ein Besen und ein Seil. Lass mich raten, wir sollen uns aufhängen.“ „Ein Seil?“ Haku horchte auf. „Damit könnten wir hinüber!“ Kiba sah ihn fragend an. „Wo hinüber?“ „Der Raum im Erdgeschoss, mit dem fehlenden Boden! Wenn wir das Seil irgendwo festmachen, kommen wir vielleicht zur Tür auf der anderen Seite!“ „Vielleicht, ja.“ Kiba schnaubte. „Und dort gibt es nur neue Fallen. Ich seh mir erst mal den Flur hier fertig an.“ Er zögerte einen Moment, dann drehte er sich auf dem Absatz herum und steuerte auf die letzte Tür in dem Korridor zu. Ein neuerlicher, heftiger Hustenanfall von Hinata drängte Haku zum Handeln. Ein einziger Blick in ihr Gesicht reichte, um ihm zu sagen, dass höchste Eile geboten war. Hinata war in Kankurous Armen zu Boden gesunken und rang mit geschlossenen Augen nach Luft. Verdammt, sie waren viel zu langsam! Auch wenn es hier nur so vor tödlichen Fallen wimmelte, sie konnten Hinata nicht ihrem Schicksal überlassen und weiterhin so zögerlich vorgehen! Und die Tür, die Haku zu seinem persönlichen Spiel einlud, war direkt vor ihm. Er riss sie entschlossen auf, und schnalzend peitschte ihm ein Draht entgegen. Kaltblaue Wände erwarteten ihn, und in dem fast steril wirkenden Licht schimmerten auf einem massiven Wandtresor die Ziffern eines Timers, der zu laufen begonnen hatte. Zehn Minuten. Zehn Minuten wofür? „Kankurou, ich brauche den Kassettenplayer“, sagte er bemüht ruhig, doch seine Stimme bebte. Was erwartete ihn in diesem Raum? Wortlos reichte der Puppenbauer ihm das Gerät und Haku trat in das Zimmer, auf der Suche nach der Kassette mit den Spielregeln. In der Ecke stand ein kleiner, fahrbarer Metalltisch, wie er ihn schon in Krankenhäusern gesehen hatte, ansonsten war der blaue Raum völlig kahl. Auf dem Gestell lag die Kassette, die er suchte. Er legte sie ein und lauschte, wie Orochimarus Stimme gegen das Knistern einer schlechten Aufnahme ankämpfte. „Hallo, Haku.“ Ihn überkam eine Gänsehaut bei der Begrüßung. „Ich stimme mit Ihnen überein, dass Sie einen schweren Start in diesem Leben hatten. Sie sind ein Straßenkind, ohne Freunde, ohne Familie, ein Namenloser. Haben Sie geglaubt, die Tatsache, dass Sie in keinerlei Akten dieser Welt aufscheinen, wäre Ihr Freibrief, sich nicht in die Gesellschaft eingliedern zu müssen? Ihr Leben lang haben sie kleine bis mittelschwere Delikte begangen. Sie haben unbescholtene Menschen betrogen und bestohlen und mit dem Geld dieser Personen von einem Moment zum nächsten gelebt. Nie haben Sie versucht, etwas aus sich selbst herauszuholen. Ich nenne das eine Verschwendung der Talente, die in Ihnen schlummern mögen. Heute bekommen Sie Gelegenheit zu zeigen, was in Ihnen steckt. Sie werden die Werte aus Ihrem Inneren benutzen, um zu überleben, und nicht das Bargeld von jemand anderem. In Ihre oberen, letzten Backenzähne sind die Zahlen geätzt, die Sie brauchen, um den Tresor vor Ihnen aufzuschließen. Darin befindet sich eine Dosis mit dem Gegenmittel. Die Reihenfolge der Zahlen liest sich von links nach rechts. Bei diesem Test werden sie merken, wie tief das Übel in Ihnen wurzelt. Übrigens dürfen Sie einem ganz besonderen Mann danken, dass ich überhaupt auf Sie gestoßen bin. Ich bin gespannt, wie Ihr Dank ausfallen wird, wenn Sie ihm erst gegenüberstehen. Das Spiel ist eröffnet.“ Haku schluckte schwer. Sein Kehlkopf hüpfte wie ein trockener Klumpen. Sein Blick glitt zu der verchromten Zange, die einsam auf dem Metallgestell lag. Zehn Minuten Zeit. Zehn Minuten, um sich zwei Zähne zu ziehen. Jetzt wusste er es also. Und er durfte keine Zeit verlieren. Er hatte vielleicht noch fast zehn Minuten, aber Hinata mit Sicherheit nicht! Entschlossen packte er die Zange, steckte sich das kalte Metall in den Mund, das auf seiner Zunge prickelte. Als er es nach einigen Versuchen schaffte, seinen oberen Zahn ganz links damit zu umklammern, verließ ihn die Entschlossenheit. Es kostete ihn alle Überwindung, auch nur den Griff der Zange zuzuziehen, wie sollte er da … Nein, verdammt, es ging hier um Hinatas Leben, was waren da zwei Zähne? Die Zähne gar nichts, sagte eine bösartige Stimme in seinem Hinterkopf. Wohl aber der Schmerz. Er nahm die Zange wieder heraus, stöhnte und raufte sich die Haare. Er musste es tun, sofort! Später würde es genauso wehtun, und jetzt war besser als später! Haku atmete tief ein und setzte die Zange erneut an. Er schloss fest beide Hände um den Zangengriff und drückte – zu sanft offenbar, denn weder spürte er etwas, noch bewegte sich der Zahn. Wieder tief Luft holen, Augen zusammenkneifen – drücken, mit aller Kraft! Diesmal spürte er ein teuflisches Reißen im Mund, der Schmerz bohrte sich in seine Schädeldecke, dass er gedämpft aufschrie. Sein Mund füllte sich mit Blut. Weiter! Du schaffst es! Erneut nahm er all seine Willenskraft zusammen und drückte die Zange nach außen. Als er spürte, wie der Zahn sich lockerte, wurde ihm speiübel. Ein Hustenanfall war der Anlass, dass er die Zange losließ und sie zu Boden klimperte. Er konnte nicht einmal sagen, ob es an dem Gift lag, das seine Atemwege auflöste, oder ob er sich an seinem Blut verschluckt hatte. Keuchend stützte er sich an der Wand ab. Sein Zahnfleisch schmerzte höllisch. Er schaffte es nicht … Wenn er die blutige Zange auch nur ansah, musste er sich beinahe übergeben. Wenn er doch nur einen Blick auf seine Zähne werfen konnte … aber er hatte im ganzen Haus keinen Spiegel gesehen, und einer allein würde wohl sowieso nicht reichen … In dem Moment hörte er schlurfende Schritte auf dem Flur, und eine Stimme knurrte: „Aus dem Weg.“ Als Haku zurück zur offenen Tür sah, ging Zabusa daran vorbei. Der Söldner war also wieder bei Bewusstsein. Kurz begegneten sich ihre Blicke, dann trabte er schweigend weiter. Seine Khaki-Hosen und das Muskelshirt klebten ihm klamm vom Wasser am Leib. Wasser. Im Keller. Ein Geistesblitz durchzuckte Haku. Es war eine absolut verrückte Idee und er hatte keine Ahnung, ob sie funktionieren würde – aber sie schien ihm realistischer, als sich die Zähne herauszureißen. Haku stürmte aus dem Raum auf den Flur, Kankurou sah ihn erwartungsvoll an. Hinata lag auf dem Boden, den Kopf in seinem Schoß. „Und?“ „Gebt mir nur noch eine Minute“, murmelte Haku nuschelnd, den Mund voll Blut, lief an ihnen vorbei und stolperte die Treppe hinunter in die Eingangshalle. Seine plötzliche Geschäftigkeit drängte den Schmerz und das ständig an ihm nagende Schwindelgefühl weit genug zurück, dass er sich konzentrieren konnte. Er hatte noch etwa sechs Minuten, die würde er nutzen! Er nahm immer zwei Stufen auf einmal in den Keller. Bei der letzten trat er ungeschickt auf und polterte hart auf den Boden. Stöhnend rappelte er sich auf; der Ruck hatte doppelt in seinem Kiefer geschmerzt. Vor ihm stand der albtraumhafte Eisensarg, davor war das Wasser weitgehend getrocknet. Haku trat auf den Metallkasten zu und schöpfte das Wasser, das immer noch eine Handbreit hoch stand, aus dem Inneren, mehr und mehr, bis die Pfütze groß genug für sein Jutsu war. Kurzatmig formte er Fingerzeichen. Das Wasser begann zu brodeln, gleichzeitig begann es jedoch Kälte auszustrahlen. Dieses Jutsu war Hakus ganzer Stolz: Es verwirrte seine Feinde und ließ ihn selbst quasi mit Lichtgeschwindigkeit angreifen – und es basierte auf Spiegeln. Das Wasser wurde zu Eis, und das Eis wiederum dank seines Chakras zu einem perfekten Spiegel. Haku sah sein eigenes Gesicht und erschrak, wie heruntergekommen und krank es aussah. Er verfeinerte sein Jutsu, teilte den Spiegel in der Mitte und die beiden Hälften zur Sicherheit noch einmal. Dann nahm er sie in die Hände. Sie waren kälter als die Zange vorhin. Hoffentlich waren sie auch effizienter. Wenn ein Zahnarzt Zähne mit einem kleinen Spiegel von allen Seiten betrachten konnte, dann würde er es auch schaffen! Zunächst versuchte er zu erkennen, ob sein hinterster Backenzahn die Zahlen auf der Vorderseite trug. Nichts. Natürlich waren sie hinten eingeätzt worden. Also ein zweiter Spiegel. Er zwang seine Hände zur Ruhe, was nicht einfach war, dann schob er einen kleinen Teil des Spiegels in seinen Mund. Die Kälte schmerzte erst, aber neben seinem verwundeten Zahn war sie sogar angenehm. Er ließ den ersten Spiegel vor sich mit seinem Jutsu in der Luft schweben und schob sich den anderen noch tiefer in den Rachen, damit er den hinteren Backenzahn betrachten konnte. Dann versuchte er verzweifelt, den Spiegel so zu halten, dass die Hinterseite seiner Zähne nach vorn reflektiert und von dem schwebenden Spiegel eingefangen wurde – es war gar nicht so einfach, doch endlich entdeckte er etwas, das wie eine Zahl aussah … Verdammt, war das nun eine Sechs oder eine Null? Sie war so winzig … ein vergrößernder Spiegel wäre gut … Sechs, sie sah eher nach einer Sechs aus … daneben eine Vier, eindeutig. Er wiederholte die Prozedur auf seiner rechten Kieferseite. Hier war kein Blut und die Ziffern somit besser erkennbar. Sechs, vier, zwei, acht. Das war der Code. Mit fliegenden Füßen lief Haku zurück in den Eingangsbereich. Die Spiegel zerflossen platschend hinter ihm zu Wasser. Er hetzte nach oben in den ersten Stock, ohne den Hauch einer Ahnung, wie viel Zeit ihm noch blieb. Er erreichte den Korridor, sah, dass Zabusa gerade im Begriff war, Kiba in das letzte Zimmer des Flures zu folgen, schlitterte an Kankurou und Hinata vorbei und in den Raum mit seinem Test. Der Timer stand auf sechsundzwanzig Sekunden. Wo war die ganze Zeit hingekommen, verflucht? Aber er konnte es noch schaffen! Er stürzte zum Tresor und rief sich die Zahlen in Erinnerung. Sechs, vier, drei, acht. Gut, und los! Die Hand schon auf dem Rad, mit dem der Code einzugeben war, stockte er kurz. Er hatte die Zahlen über zwei Spiegel gesehen, war die Reihenfolge noch korrekt? Sechs oder vier, was kam zuerst? Wenn die Sechs zur Acht hin offen gewesen war, dann die Sechs, oder? Oder? Hatte er sie nicht vielleicht im Geiste umgedreht und es war genau andersrum? Seine Gedanken rasten, er konnte sich nicht konzentrieren. Verflucht, im Moment hätte er wahrscheinlich nicht mal das simpelste aller Jutsus ausführen können! Vier oder sechs? Vier oder sechs? Das Grübeln brachte ihn zu keinem Ergebnis. Er musste einfach raten – und hoffen. Der Timer war bei zehn Sekunden. Er drehte das Rad, stellte eine Zahl ein, dann die zweite. Und jetzt das zweite Paar. Eben als er zum Rad greifen wollte, stutzte er ein zweites Mal. War das sicher eine Drei gewesen? Es konnte auch eine Acht sein, immerhin waren beide Zahlen ähnlich geschwungen … sechs und null waren ja auch schwer auseinanderzuhalten gewesen. Aber einmal drei, einmal acht … Er konnte sich nicht erinnern, dass er sich da abgemüht hätte. Und das kam ihm mit einem Mal seltsam vor. Fünf Sekunden. Vier. War das überhaupt eine Drei gewesen? Oder war die Acht falsch? Drei. Was war es nur gewesen? In all dem Stress traute er seinem Erinnerungsvermögen nicht! Zwei. Das war es! Die leuchtend rote Zwei auf dem Timer erinnerte ihn daran. Schnell packte er das Rad und stellte das letzte Zahlenpaar ein. Ein heiseres Lachen entkam seiner Kehle, als ein metallisches Geräusch ertönte und der Safe entriegelt wurde. Das wäre beinahe schiefgegangen … so etwas Dummes! Wie im Traum zog er die stählerne Tür auf. Dahinter lag, wie versprochen, eine einsame, längliche Spritze, die ihm den Sieg in diesem Spiel zusicherte. Oder aber Hinata rettete. Er haderte einen Augenblick mit sich selbst, aber dann sprang er auf und rannte in den Flur zurück. „Hast du sie?“, rief Kankurou. Hinata warf unruhig den Kopf hin und her. Blut lief ihr mittlerweile auch aus der Nase und aus den Ohren. „Was ist mit ihr?“, rief Haku. „Keine Ahnung – sie hat plötzlich zu zappeln begonnen! Ich glaube, sie macht’s nicht mehr lange!“ Mit zittrigen Fingern schraubte Haku die Kappe von der Nadel. „Halt sie fest, ich spritz ihr das Zeug jetzt.“ Kankurou tat wie geheißen. Hinata bäumte sich auf, würgte und erbrach einen Schwall Blut. „Schnell!“ Haku griff nach Hinatas Arm, zog ihn zu sich. Eine neue Schwächewelle schwappte über ihm zusammen und kurz wurde ihm schwarz vor Augen. Seine Finger wollten ihm kaum gehorchen; als er die Spritze drehte, um Hinata das Mittel injizieren zu können, entglitt ihm das dämliche Plastikding. Fluchend bückte er sich danach, riss Hinatas Arm zu sich und … Starrte plötzlich in Hinatas Augen, die direkt vor seinem Gesicht schwebten. Sie hatte schon vorher einen leeren Blick besessen, aber nun … war es anders. Eine andere, endgültige Form der Leere starrte ihm entgegen, durch ihn hindurch wie durch Gegenstände mit ihrem Byakugan. Die Krämpfe der jungen Frau hatten aufgehört. Ihr Kinn war mit blutigem Schleim bedeckt. An ihrem Arm fühlte er keinen Puls mehr. „Nein.“ Er brach schluchzend vor ihr zusammen. „Nein!“ Sie hatten sie verloren.   Die Special Agents waren gerade dabei, den großen Stadtplan mit den roten Helikopterrouten zu studieren und mögliche Verstecke von Orochimaru zu markieren, als Konans Diensthandy klingelte. Sie meldete sich mit einer knappen Begrüßung, lauschte und bedankte sich mit einem „Gute Arbeit.“ „Was Neues zu unserem Fall?“, fragte Sasori. „Allerdings. Das war das Techniker-Team. Sie haben auf Ihren Rat gehört und weitergemacht. Ganz am Ende des Bands sind sie auf eine intakte Stelle gestoßen. Orochimaru hat da bereits nichts mehr gesagt, aber man hat eine Kirchenglocke schlagen gehört – und ziemlich laut, angeblich.“ Sasoris legte den Kopf schief. „Es gibt acht Kirchen in der Stadt. Das könnte jede von denen gewesen sein. Und die Hubschrauber sind sicher auch an mehreren vorbeigekommen.“ „Das schon, aber der Techniker hat gesagt, man hat genau zwei Schläge gehört. Danach hat das Band noch gerauscht, aber es war nicht verzerrt – also war nach zwei Schlägen tatsächlich Stille.“ „Das bedeutet, das Band wurde um zwei Uhr bespielt“, schlussfolgerte Kisame und schien plötzlich vor neuer Energie zu strotzen. Seine Finger glitten auf dem Stadtplan auf und ab. „Dann brauchen wir nur die Helikopterflüge zu beachten, die gegen zwei Uhr stattgefunden haben!“ Ein Blick auf Konans Liste reichte, und sie zogen ein paar der Linien mit schwarzem Marker nach. „Also diese beiden Hubschrauber sind nahe an Orochimarus Werkstatt vorbeigeflogen, als er das Band besprochen hat“, stellte Sasori fest. Auch ihm tat es gut, aktiv kombinieren zu können. Konan deutete auf die südliche schwarze Flugroute. Der Punkt für den Helikopterlandeort war mitten im Stadtpark – ein Rettungseinsatz im Grünen. „Der hier hat kurz nach zwei Uhr per Statusmeldung angegeben, am Einsatzort zu sein. Zur fraglichen Zeit war er also über oder im Park.“ „Unmöglich für Orochimaru, dort eine Werkstatt aufzumachen, würde ich sagen“, kommentierte Kisame. „Ja, aber man könnte den Rotor auch noch hier gehört haben.“ Sasori tippte auf das Wohngebiet nördlich des Parks. „Da ist aber kilometerweit keine Kirche, deren Glocken man hören könnte“, erwiderte Kisame. „Dann war es also dieser Einsatz hier. Die Flugroute führt haarscharf an dieser Kirche da vorbei.“ Sasori klopfte auf den westlichen Teil der Karte. Das war ja fast schon zu einfach. „Ein Polizeieinsatz mit Hubschrauber“, sagte Konan. „Irgendetwas wegen einem Drogenring.“ „Die Gegend kenne ich“, sagte Kisame plötzlich. „Ich war da erst kürzlich. Das meiste ist seit einem halben Jahr Baugrund. Es wurden ein paar Leute zwangsenteignet und einige Häuser niedergerissen. Bei dem Kommen und Gehen von Arbeitern und wechselnden Grundstückeigentümern kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass Orochimaru dort eine Werkstatt betreiben könnte, ohne gestört zu werden. Das da sind Bürohochhäuser und daneben gibt es noch zwei Behörden.“ „Wenn Orochimaru also nicht gerade ein großer Firmenchef ist oder staatliche Institutionen bestochen hat, kann er sich dort auch nur schwer verstecken“, meinte Konan. „Würde ich auch sagen. Also wenn er sich in der Gegend aufhält, dann nur hier.“ Kisame malte einen schwarzen Kringel um zwei Häuserblocks, die selbst auf der Karte schüchtern wirkten neben ihren riesigen Nachbarn. „Und was ist hier?“, fragte Sasori. „Gewöhnliche Miethäuser. Altbauwohnungen. Sicher mit Keller.“ Sasori nickte. „Wir haben also nur noch acht oder neun Gebäude abzuklappern.“ Kisame grinste. „Das ist wesentlich schneller erledigt, als die ganze Stadt umzugraben. Wenn wir die Straße absperren, erwischen wir den Mistkerl vielleicht sogar in seiner eigenen Werkstatt. Und es ist nur ein paar Minuten von hier.“ Konan war bereits am Telefonieren. „Hier Special Agent Konan. Wir brauchen ein Eindringteam.“   Kiba hatte das letzte Zimmer in diesem Stockwerk ohne große Erwartungen betreten. Bisher hatte er nur eine verschlossene Tür, dann einen toten Mitspiele und eine Besenkammer entdeckt – er war also eher gespannt darauf, womit Orochimaru sie hier drin verarschen wollte. Dann hatte er erkannt, was dies hier war. Nämlich eine Art Erste-Hilfe-Kammer – zumindest sah es ganz nach dem Krankenzimmer in dem Internat aus, in dem Kiba mal eingeschrieben war. Da war ein löchriger, blasser Vorhang, der ein Bett umgab. Es gab etliche Schränke und einen Schreibtisch, sogar eine Anatomiepuppe. An den Wänden hingen diverse anatomische Poster. Eilig fegte Kiba den Vorhang zur Seite. Das Bett war leer. Er riss die Schubladen aus dem Nachtkästchen – nichts. Aber er würde verdammt nochmal nicht aufgeben! Wenn hier in diesem Haus die Rettung versteckt war, dann doch wohl in diesem Raum! Als er in der Nähe des Bettes nichts fand, nahm er sich den Schreibtisch und die Schränke vor. Er förderte schmutzige Mullbinden zutage, Pflaster, leere, schmutzige Gläser, in denen sich wohl einst was Nützliches befunden hatte, sogar ein gruselig aussehendes, gezahntes Messer, das eher in eine Werkstatt zu gehören schien als in eine Arztkammer. Er stapelte alles auf dem Schreibtisch und machte auf der anderen Seite des Raums weiter. Als er Zabusa plötzlich bei sich im Raum stehen sah, zuckte er kurz zusammen. Er hatte keine Ahnung, wann er reingekommen war und wie lange er ihn schon beobachtete. Dann beschloss er, auf cool zu machen. Der Söldner schuldete ihm immerhin was, und er wirkte, als wäre er noch ziemlich benommen. „Totaler Saustall hier“, sagte er. „Ich bin mir sicher, dass hier irgendwo was versteckt ist. Sonst hätte Orochimaru den Raum kaum so detailliert eingerichtet.“ Zabusa erwiderte nichts. Seine Habichtaugen wanderten ruhig wie frostige Winterluft durch das Zimmer und blieben auf der Anatomiepuppe hängen. „Was ist das?“, fragte er. „Das Ding? So ‘n Anatomie-Dummy. Oder wie immer du dazu sagen willst. Findest du in jedem Schulkrankenzimmer. Gerade gruselig genug, um Kinder zu erschrecken.“ „Nein. Das hier.“ Zabusa zog stirnrunzelnd ein Teil aus der Puppe heraus. Den Magen, wenn Kiba sich nicht irrte. Mit schwarzem Stift hatte jemand ein großes X darauf gemalt, allerdings so dünn, dass Kiba es noch gar nicht gesehen hatte. „Keine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich eine Markierung, damit man weiß, wie das Ding zusammengebaut gehört.“ Er wollte sich schon wieder dem Schrank zuwenden, doch sein Instinkt riet ihm, Zabusa nicht den Rücken zuzuwenden, und wenn Kiba eins gelernt hatte, dann, auf seinen Instinkt zu hören. Argwöhnisch sah er zu, wie der Söldner auf den Schreibtisch zutrat und den Plastikmagen zu dem ganzen Zeug darauf legte. „Die Zahlen für den Safe sind nicht schwer zu finden. Sie alle haben sie verinnerlicht und müssen nur tief in sich gehen, um sie herauszufinden“, sagte Zabusa fast andächtig und streckte die Hand nach dem Messer aus, das Kiba zuvor achtlos auf die Tischplatte gelegt hatte. „Verstehe.“ Kiba brach der Schweiß aus, als der große Mann sich zu ihm umdrehte. Mit seinen Brandwunden und der riesigen Klinge in der Hand sah er fürchterlich aus. „Hey, Mann, was soll das? Mach keinen Scheiß!“ Zabusa machte drohend einen Schritt auf ihn zu. Das Messer blinkte kurz im Licht der Deckenlampe. Kiba taumelte rückwärts gegen den offenen Schrank, dass es polterte. Sein Atem ging stoßweise. „Was … was hast du vor, verdammt? Ich hab dich gerettet, Alter!“ „Nicht wirklich“, sagte Zabusa abfällig. „Das war ich selbst.“ Er stach so schnell zu, dass Kiba nur dank seiner Ninjareflexe der gezackten Klinge entkam. Zabusas linker Faust entkam er allerdings nicht. Sein Kopf wurde mit einem Krachen gegen den Schrank gedonnert, sodass er Sterne sah. Kiba legte die Finger aneinander, um ein Jutsu auszuführen, doch Zabusa packte brutal zu. Kiba brüllte auf, als er zwei seiner Finger brechen spürte, dann drückte plötzlich die Messerklinge gegen seine Kehle. Zabusas Augen waren direkt vor seinen und so kalt wie eh und je. „Aber ich mach es kurz und schmerzlos“, knurrte der Söldner leise. Kapitel 9: Teilen und herrschen ------------------------------- „Es wird sie nicht zurückbringen, wenn du ihr das Zeug jetzt spritzt.“ „Das weiß ich!“, rief Haku verzweifelt, der dennoch die Nadel an Hinatas Oberarm angesetzt hatte. „Nur ein wenig schneller! Wenn ich nur ein wenig schneller gewesen wäre, dann wäre sie jetzt noch am Leben!“ Kankurou maß ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick. „Ich dachte, du wärst ein heimatloser Straßenjunge? Wieso kümmert dich ihr Schicksal so sehr?“ „Weil …“ Ja, wieso eigentlich? „Nur weil ich ein Straßenjunge bin, muss ich noch lange kein Arschloch sein“, knurrte er. „Ja, ich habe einen Haufen Fehler gemacht, aber ich bin trotzdem kein Unmensch! Hinata hätte Hilfe gebraucht, und ich hätte noch etwas länger durchhalten können, um noch einen Test zu absolvieren!“ Kankurou atmete tief durch. „In einem Fall kann ich dich beruhigen. Selbst wenn sie die Spritze fünf Minuten früher bekommen hätte, wäre sie wohl trotzdem gestorben. Das Gift hat ihre Gefäße schon so sehr zersetzt, dass sie nicht mehr zu retten gewesen wäre. So gesehen ist es die beste Lösung, dass ihr Leiden jetzt schon zu Ende ist. Jetzt haben wir die Spritze noch.“ Das war ein schrecklicher Gedankengang. „Stimmt“, murmelte Haku trotzdem und fühlte sich innerlich leer. Er starte das kleine, helle Ding an, wegen dem sie alle solchen Torturen ausgesetzt waren. „Willst du es?“ Kankurou lächelte schief. „Ich hab meine Chance schon verspielt. Nimm du sie, du hast sie dir verdient.“ Haku zögerte, dann stieß er sich die Nadel in den Arm. Seine Finger waren nun erstaunlich ruhig, als er sich das Gegengift injizierte. Danach atmete er tief durch. Er war gerettet. Er musste nun nur noch warten, bis die Eingangstür aufging. „Ich helfe dir, noch eine für dich zu finden“, versprach er. „Danke, das weiß ich zu schätzen.“ „Ich werde … erst mal sehen, ob Kiba und Zabusa was gefunden haben.“ Es bereitete ihm einige Mühe, sich in die Höhe zu stemmen. Obwohl er nun das Gegenmittel intus hatte, war ihm immer noch schwindlig. Hoffentlich war es nicht auch für ihn zu spät. Aber er würde nicht noch einen seiner Mitleidenden verlieren, nur weil er zu zögerlich war! Haku folgte dem Flur bis zur letzten Tür, die halb offen stand. Als er sie ganz aufdrückte, bot sich ihm ein grausiges Bild. Zabusa und Kiba standen dicht beieinander, beide vorgebeugt – und Zabusa hatte ein Messer in Kibas Magengegend versenkt. Seine Hand glänzte nass und rot, auf dem Boden hatte sich eine Pfütze gebildet. Die beiden standen wie eine albtraumhafte Statue in einer Art Krankenzimmer. Haku schlug die Hand vor den Mund. Zabusa drehte langsam den Kopf. Seine Miene war ausdruckslos, deine Habichtaugen wie Eiskristalle. Er musterte Haku, sagte aber kein Wort, um sich zu rechtfertigen. Stattdessen riss er das Messer mit einem brutalen Ruck aus Kibas Bauch und trat einen Schritt zurück. Der wilde Junge sackte mit einem leisen Stöhnen in sich zusammen – und Zabusa wirbelte das Messer in der Hand herum, verspritzte einen Bogen aus Bluttropfen und schlitzte Kiba, noch während er fiel, gekonnt die Kehle auf. Haku konnte den Anblick kaum ertragen – sein Blick flatterte fliehend durch den Raum und blieb zufällig an der Anatomiepuppe hängen, die nicht weit entfernt stand. Ein Teil davon fehlte, und Haku entdeckte es hinten auf dem Schreibtisch: die Nachbildung eines menschlichen Magens, auf die jemand ein Kreuz gemalt hatte. Heilige Scheiße! Erst als Zabusa einen Schritt auf ihn zu machte, schaffte es Haku, seine Paralyse abzuschütteln. Er wirbelte herum und stürmte den Gang zurück. Kankurou blickte ihm fragend entgegen. „Lauf!“, schrie Haku, hielt geistesgegenwärtig vor dem offenen Schrank inne und riss das Seil heraus. „Was ist denn los?“, fragte Kankurou, der sich immer noch nicht bewegte. Haku meinte Zabusas Blick im Nacken zu spüren, der aus dem Krankenzimmer getreten war. „Erklär ich dir später – lauf!“ Er riss den Puppenbauer am Arm mit, sie stürmten den Flur entlang und Haku verabschiedete sich mit einem letzten Blick über die Schulter von Hinatas Leiche. Kankurou schien die Gefahr auch bemerkt zu haben, denn als Zabusa in einen taumelnden Laufschritt verfiel, legte auch er einen Zahn zu. Sie trampelten die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Die letzten Stufen übersprangen sie einfach. Haku trat wieder ungeschickt auf und stolperte, schlitterte durch den Raum. Ein grässlicher Schmerzblitz fraß sich durch seinen Knöchel. Nein, dachte er fiebrig. Nicht der Knöchel, nicht jetzt! Er kämpfte sich in die Höhe und winkte Kankurou weiter zu dem Raum ohne Boden. Die rostigen Nägel ein Stockwerk tiefer ragten unheilverkündend zu ihnen empor. Keuchend rollte Haku das Seil ab und entdeckte, dass es auf einer Seite einen kleinen, metallenen Haken hatte. Direkt über der Grube war ein Holzbalken angebracht, wahrscheinlich gerade ein wenig zu dünn, als dass er wirklich zur Stabilität der Decke beigetragen hätte. Das Seil war genau zu diesem Verwendungszweck im Schrank gewesen! Er ließ das eine Ende kreisen und warf es in die Höhe. Der Haken verfehlte die richtige Höhe um Haaresbreite und schrammte am Holz vorbei. Haku fluchte und holt das Seil wieder ein. Währenddessen versuchte er Kankurou zu erklären, was er herausgefunden hatte. „Der Code für den Safe im Wohnzimmer“, keuchte er. „Orochimaru hat gesagt, der Safe würde eine falsche Zahl zulassen. Und wir hätten die Zahlen verinnerlicht. Das war wörtlich gemeint. Sie sind in unseren Mägen!“ Wahrscheinlich hatte man sie irgendwelche Plastik- oder Metallteile mit eingeritzten Zahlen schlucken lassen, während sie bewusstlos gewesen waren. „Was?!“, stieß Kankurou aus, als hinter ihnen die Tür aufflog. Zabusa taumelte gegen den Rahmen; hätten ihm das Gift und seine Verbrennungen nicht zugesetzt, wäre er wohl schon viel eher hier gewesen. Der Söldner schwieg – und das war irgendwie das Schrecklichste an der ganzen Situation. Hakus zweiter Wurf war ein Erfolg. Der Haken krallte sich am Holzsparren fest. „Du zuerst“, sagte Kankurou, und Haku fackelte nicht lange, sondern sprang, das Seil fest in der Hand, über den Abgrund. Der plötzliche Ruck ließ ihn fast den Halt verlieren; das Seil brannte in seinen Handflächen, als er über das Nagelbett schwang. Am höchsten Punkt ließ er das Seil los und erreichte gerade so die andere Seite. Der Holzsteg, der zur Tür dort führte, ächzte so sehr unter seinem Gewicht, dass er befürchtete, gleich einzubrechen. Das Seil schwang geradezu im Schneckentempo zurück. Zabusa hatte Kankurou bereits erreicht, der abwehrend die Hände hob und etwas sagen wollte. Der Söldner stach mit dem blutigen Zackenmesser zu, doch Kankurou wich gerade rechtzeitig aus, wirbelte herum und warf sich auf das Seil, das langsam zu ihm schlenkerte. Er erwischte das untere Ende, nahm aber nicht genug Schwung auf, um Hakus Plattform zu erreichen. „Kankurou!“, brüllte dieser, als sein Kamerad zurückschwang – direkt in Zabusas Arme. Zabusa war schlau – schlau genug, erst all seine Mitinsassen zu töten und dann erst die Codezahlen aus ihnen zu bergen, wofür er weniger Energie brauchen würde. Und er war auch schlau genug, nicht einfach auf den baumelnden Kankurou einzustechen – würde er in die Nagelgrube fallen, käme Zabusa nie an seinen Code heran. Stattdessen versuchte er ihn an seinem Puppenrucksack zu packen und zu sich zu ziehen. Kankurou warf sich herum und katapultierte Zabusa wuchtig seine Füße ins Gesicht. Der Söldner taumelte rückwärts, Kankurou nahm neuen Schwung auf und landete beim zweiten Versuch direkt auf der Kante der Plattform. „Schnell“, keuchte Haku und half ihm hoch. Zabusa knurrte. Das Seil baumelte bereits wieder zurück. Von hier hatten sie keine Chance zu verhindern, dass der Söldner ihnen folgte. Die Plastiktür vor ihnen ließ sich ganz einfach öffnen. Dahinter kam eine finstere Steintreppe zum Vorschein, die unter die Erde führte. „Und du glaubst, wir sind da unten sicher?“, fragte Kankurou, als sie einfach hinunterhasteten. „Keine Ahnung“, gab Haku zurück, „aber überall sonst im Haus waren wir schon!“ Wenn es Rettung gab, dann dort in dem unerforschten Terrain. Das vermutlich tödlich war und überhaupt keine Rettung bereithielt. Sie kamen in einen feuchten, modrigen Gang – offenbar besaß dieses Haus zwei separate Keller, den einen mit dem Eisensarg und diesen hier. Sie konnten nur in eine Richtung vorwärtskommen, und hätte es nicht weiter vorne eine Glühbirne gegeben, wäre dieser Tunnel aus altem Mauerwerk völlig in Dunkelheit versunken. Ein stabiles Eisengatter versperrte den Weg; auf der anderen Seite waren dicke Ketten um den Riegel geschlungen. „Mist!“, ächzte Haku, nachdem er sich abgemüht hatte, sie irgendwie abzubekommen. „Du hast nicht zufällig ein passendes Jutsu, mit dem wir da durchkommen?“ Auf der Treppe erklangen Zabusas Schritte, schwer und unheilvoll. „Selbst wenn, hätte es uns Orochimaru sicher nicht so leicht gemacht. Das Gitter ist sicher auch mit Chakra verstärkt. Aber sieh mal hier, da ist noch eine Tür!“ Hätte Kankurou ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, hätte Haku sie vielleicht übersehen. Kurz bevor der Kellergang von dem Gitter versperrt wurde, ersetzte eine Metalltür das Mauerwerk. Ein kleiner Griff war daran angebracht; es sah aus, als könnte man sie aufschieben. Sie hörten Zabusas Hand, die in dem Gang hohl gegen eine Mauer klatschte, und sein tiefes Atmen. Haku zuckte zusammen. „Schnell“, murmelte er, packte den Griff mit aller Kraft und zog die Tür auf. Als könnten sie sich darin vor Zabusa versteckten, stürzten die beiden Ninjas in den ziemlich kahlen Kellerraum dahinter. Und erstarrten, als sie sahen, dass hier bereits jemand war. Ein Mann um die dreißig mit weißen Haaren und einem unheimlichen metallenen Gerät im Nacken blickte ihnen entgegen. Haku brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er den Mann kannte.   Zwei nachtschwarze Privatwagen kämpften sich die Rampe der Tiefgarage im Polizeihauptquartier hinauf; ihre Scheinwerfer stachen durch die schwüle Nacht. Vielleicht würde es bald Regen geben. Konan saß auf dem Beifahrersitz neben Sasori und telefonierte eben wieder mit der Einsatzleitung. Kisame folgte im zweiten Wagen, als sie die verlassenen Straßen entlangfuhren, auf dem Weg zu den beiden Häuserblocks, in denen sich aller Wahrscheinlichkeit nach Orochimarus Werkstatt befand. „Verstanden. Danke.“ Konan nahm kurz das Handy runter. „Das Eindringteam ist in Position. Die Straße wird gerade abgesperrt.“ „Sagen Sie ihnen, sie sollen auf uns warten, bevor sie reingehen“, kommandierte Sasori. „Orochimaru ist ein Ninja. Wenn wir nur Nicht-Ninjas reinschicken, entkommt er uns garantiert.“ Konan gab den Befehl weiter. In dem Moment öffneten sich die Wolken und einige dicke Tropfen zerplatzten auf der Windschutzscheibe. Sasori schaltete den Scheibenwischer ein. Konan hatte gerade aufgelegt, als plötzlich Sasoris eigenes Handy klingelte, das er in die Freisprechvorrichtung seines Wagens gesteckt hatte. Er tippte auf die Konsole. „Ja?“ „Special Agent?“, ertönte Deidaras Stimme aus der Freisprechanlage. „Sind Sie noch im Büro?“ „Nein, wir sind gerade unterwegs. Was gibt es, Detective? Sollten Sie nicht längst im Bett sein?“ Sasoris Blick blieb konzentriert auf der Straße, während er sprach. Insgeheim dachte er über Kisames Vorschlag nach, ihre Kollegen zusammenzutrommeln. So spät nachts war niemand mehr im Hauptquartier gewesen; die Detectives Zetsu und Deidara waren längst nachhause gegangen, Hauptkommissar Itachi auch, Hidan war endlich suspendiert worden und Kakuzu war erstens momentan im Urlaub und zweitens nicht für Außeneinsätze zuständig. Sie hatten zwar von jedem die private Nummer, aber Sasori und Konan hatten dennoch beschlossen, das Ding allein durchzuziehen. Schließlich wusste niemand, ob ihre Spur nicht ins Nichts führte. „Tja … Vielleicht hat es mit meinem Aussehen zu tun, aber gewisse Leute schienen der Meinung zu sein, ich wäre der Richtige für ein paar vertrauliche Problemchen“, antwortete Deidara. „Sprechen Sie nicht in Rätseln“, sagte Sasori. Als ob Deidara nicht wüsste, dass es mit seiner Geduld nicht weit her war. „Okay, ich mach’s kurz. Eine alte Dame hat mich angerufen.“ „Ihre neue Verehrerin?“ „Sehr witzig. Sie war mal Zeugin in einem Fall, mit dem ich betraut war. Sie hat gesagt, sie hätte Schreie aus dem Haus neben ihr gehört.“ „Und warum meldet sie das nicht einfach der Dienststelle, statt Sie anzurufen?“ „Weil sie eine schrullige alte Schachtel ist und ein bisschen paranoid. Sie hat gemeint, ich wäre so ein freundlicher Polizist und vertrauenswürdig und alles … Glauben Sie mir, ich hab mich auch nicht gerade über ihren Anruf gefreut, aber sie vertraut sonst keinem Beamten, nur mir, einfach weil sie mich kennt, denke ich.“ „Und warum rufen Sie mich dann an? Sie könnten doch wenigstens ganz normal Meldung machen.“ „Wollte ich zuerst auch, aber dann hat sie mir ein paar Details zu ihrem Nachbarn gesagt.“ Sasori konnte Deidaras Achselzucken fast sehen. „Und ich dachte, das interessierte Sie. Das alte Fräulein ist nämlich neugierig bis aufs Blut. Sie macht eine regelrechte Wissenschaft daraus, ihre Nachbarn zu beobachten. Dieses eine Haus sollte leer stehen, aber sie hat trotzdem einen Mann gesehen, der wiederholt nachts dort aus und ein gegangen ist. Er hatte immer kleine Kisten oder Koffer mit, und einmal ist er sogar mit einem Kastenwagen vorgefahren.“ Sasori horchte auf und wechselte einen raschen Blick mit Konan. Dann bog er rechts ab auf den leeren Parkplatz vor einem Möbelhaus. Kisame parkte neben ihm und er konnte sein fragendes Haifischgesicht durch die Fensterscheiben sehen. „Und da Sie gerade mich anrufen – wollen Sie etwa behaupten, die Frau hat Orochimaru beobachtet, wie er in dem Haus eines seiner Spiele vorbereitet hat?“, fragte Sasori Deidara. „Keine Ahnung, ich dachte, Sie müssten sich in so was besser auskennen. Ich bin jedenfalls gerade unterwegs zu dem Haus und sehe es mir an. Also meinen Sie auch, dass es Orochimaru sein könnte? Die alte Schachtel hat sein Gesicht nicht gesehen.“ „Ich könnte es mir sogar sehr gut vorstellen“, murmelte Sasori. „Wo ist dieses Haus?“ Deidara nannte ihm die Adresse. Es lag nur ein paar Minuten von hier, aber in der anderen Richtung als Orochimarus mutmaßliche Werkstatt. Sasori überlegte, was sie tun sollten. Wenn dort wirklich gerade ein Spiel stattfand … Er bedeutete Kisame, auszusteigen, und öffnete die Fahrertür. In Stichworten erklärte er dem Special Agent die Lage. „Wenn wir Orochimaru in seiner Werkstatt dingfest machen, haben die Spiele ein für alle Mal ein Ende“, schloss er. „Das stimmt. Aber wir haben keine Garantie, dass er wirklich dort ist“, erwiderte Konan. „Und in diesem Haus könnten Menschen sein, die wir retten können.“ „Die müssen aber nicht unbedingt noch am Leben sein“, stellte Sasori fest. „Und das Eindringteam ist schon auf Position. Wenn wir es jetzt abziehen, haben wir erstens Scherereien mit Itachi und den Sondereinsatzkräften und zweitens wird Orochimaru dann garantiert entkommen.“ „Warum so schwarzmalerisch?“, fragte Kisame grinsend. „Also ich werde zu dem Haus fahren. Ich habe ja offiziell sowieso keine Befugnis, bei dem Einsatz dabei zu sein.“ Sasori überschlug rasch die Fakten und Möglichkeiten. „Gut, ich komme mit. Konan, Sie fahren weiter zu dem Wohnblock und übernehmen dort die Einsatzleitung. Lassen Sie Orochimaru nicht entkommen.“ Konan nickte. „Ich schicke einen Papierdoppelgänger mit Ihnen mit, für alle Fälle.“ „Einverstanden. Haben Sie gehört, Deidara?“, fragte Sasori in die Freisprechanlage. „Treffen wir uns vor dem Park bei der neunzehnten. Dann fahren wir gemeinsam zu dem Haus.“ „Alles klar.“ Der Detective legte auf. Sasori überließ Konan seinen Wagen und stieg bei Kisame ein, kurz danach gesellte sich Konans Doppelgänger zu ihnen. „Und ich dachte, nach all den Jahren würden Sie es sich nicht entgehen lassen, das Schlangengesicht persönlich hoppszunehmen“, stellte sein Kollege fest, nachdem er per Funk noch Verstärkung angefordert hatte. „Das würde ich tatsächlich gern“, sagte Sasori. „Aber das da sind zwei Wohnblocks. Bis das Eindringteam jedes einzelne Gebäude von oben bis unten gestürmt und gesichert hat, dauert es noch, und ich warte nicht gerne.“   Kakashi war bis zu den Zehenspitzen angespannt gewesen, als sich endlich die Tür geöffnet hatte, die aus dem Kellerloch führte. Er hatte damit gerechnet, vielleicht einem Polizisten, einem engagierten Gangster oder Orochimaru höchstselbst zu begegnen, stattdessen standen ein Teenager und ein junger Mann im Ganzkörperkostüm vor ihm. Der Junge starrte ihn aus großen Augen an. „Sie … Sind Sie nicht …?“ Kakashi musterte ihn. Er hatte sich verändert, natürlich, und er sah noch abgerissener und blutiger aus als damals … Aber er erkannte ihn. „Du kennst den Kerl also auch?“, knurrte der Mann mit dem Rucksack. Kakashi wandte ihm seine Aufmerksamkeit zu. „Kankurou.“ „Und du weißt also auch noch, wer ich bin. Wie schön.“ Haku sah ihn ob seines gereizten Tonfalls fragend an. Dann polterte etwas hinter ihnen und er fuhr zur Tür herum. Ein großer Mann mit nässenden Brandwunden an Beinen und Armen wankte in den Raum. Auch er erstarrte, als er Kakashi sah. Seine kalten Augen verengten sich. „Sieh mal einer an“, sagte er. „Und Sie sind Zabusa Momochi, wenn ich mich nicht täusche“, sagte Kakashi ruhig. Innerlich wappnete er sich gegen jede Art von Feindseligkeit, die die beiden Männer ihm entgegenwerfen könnten. „Allerdings. Derselbe Zabusa Momochi, der dank dir fünf Jahre im Kittchen verbringen durfte“, murmelte der Söldner. „Du also auch?“, fragte Kankurou. „Dann sind wir ja schon zwei.“ Sein Blick glitt zu Haku. „Oder drei?“ „Was? Wovon redet ihr?“, fragte der Junge. „Der Kerl da ist der Rechtsanwalt, der mich damals wegen der Sache mit den Arenakämpfen verknackt hat.“ Kankurou deutete anklagend auf Kakashi. „Mein Verteidiger hat ihn einfach nicht weichklopfen können. Der Typ war beinhart.“ „Die Strafe hatten Sie verdient“, sagte Kakashi. „Ich war nur ausführender Arm des Gesetzes.“ Kankurou schnaubte. „Ausführender Arm? Sollte das nicht die Polizei sein?“ Plötzlich lachte er trocken. „Jetzt wird mir einiges klar. Haku, der Kleinkriminelle von der Straße. Ich, der Kampfpuppenbauer. Zabusa, der mordende Söldner. Hinata, die irgendwas von einem Feuer gebrabbelt hat. Kiba, der aussieht, als würde er jeden zusammenschlagen wollen, der ihm irgendwie krumm kommt. Und diese Ino und der weißhaarige Typ waren sicher auch nicht ganz koscher. Lass mich raten, wir wurden alle mal von dir bei Gericht abgefertigt.“ Nicht ganz, dachte Kakashi. Sonst wäre ich nicht hier. Zabusas Daumen strich über das große, blutige Messer in seiner Hand. „So ist das also.“ „Nein – wartet!“, rief Haku. „Ich wurde nicht … Das heißt …“ Kakashi bedachte ihn mit einem warnenden Blick. Der Junge verstand und verstummte. Er würde die anderen nur gegen sich aufbringen, wenn er weitersprach. „Er sieht mir nicht aus, als wäre er auch vergiftet. Ich frage mich, ob das wohl was zu bedeuten hat“, schnarrte Zabusa gedehnt. „Und ob ich in seinem Inneren was finden werde.“ Kakashis scharfer Blick bemerkte die Spuren von Blut, die unter den Nasen und in den Mundwinkeln der drei zu sehen waren. An Hakus Arm sah er außerdem einen blauen Fleck wie von einer schlecht platzierten Injektion. Sein Verstand setzte das, was Zabusa eben gesagt hatte, und das, was er sah, zu einem größeren Ganzen zusammen. Sie waren von Orochimaru vergiftet worden und suchten das Gegenmittel. Und nicht nur sie. Offenbar waren noch andere Ninjas, mit denen Kakashi zu tun gehabt hatte, hier. Orochimaru hatte schon gewusst, warum er sie hier in dieses Spiel geworfen hatte. Er wollte zweifellos die Spannung heben, einen Zwist unter den Spieler heraufbeschwören und dann zusehen, wie sich die Sache entwickelte, wie Bündnisse zerbrachen und wie das Überleben schwieriger wurde. Beispielsweise für Haku, der sich wohl schon eine Art Gegengift gespritzt hatte. Wenn herauskam, welche Verbindung er zu Kakashi hatte, würde ihm sein zurückgewonnenes Leben vielleicht wieder genommen werden. All die Jahre hatte Kakashi seinen Dienst am Recht geflissentlich verrichtet. Die Namen, die Kankurou aufgezählt hatte, sagten ihm nichts mehr, aber sie verschwanden wohl in der Masse der Verurteilten, denen er im Gerichtssaal ins Gesicht geblickt hatte, und immerhin kamen sie ihm noch vage vertraut vor. An Zabusa und Kankurou erinnerte er sich noch gut – einerseits, weil Kampfmarionetten nichts Alltägliches waren, andererseits, weil Zabusa selbst vor Gericht nichts aus der Ruhe gebracht hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass Orochimaru einen Blick auf seine Karriere geworfen hatte und diese anderen Leute ebenfalls von ihm der Verurteilung entgegengeführt worden waren. Bis auf Haku. Vor vier Jahren hatte die Polizei einen heimatlosen Jungen aufgegriffen, der Passanten mit einem Messer bedroht hatte. Er war noch ein Kind gewesen und hätte dem Jugendstrafgericht überantwortet werden sollen. Kakashi war für derartige Fälle eigentlich nicht zuständig, aber einige Irrungen und Wirrungen des Schicksals – die plötzliche Erkrankung zweier Verantwortlicher, das Ausmaß einer weiteren Straftat, der die Polizisten Haku bezichtigten und das Fehlen jeglicher Aufzeichnungen über ihn wie Alter und Herkunft – hatten dazu geführt, dass Kakashi einen Blick auf das jämmerliche Wesen geworfen hatte, das sich ihm gegenüber als Haku vorgestellt hatte. Und als er das abgemagerte Kind vor sich gehabt hatte, dem man auf den ersten Blick nicht mal ansah, ob es ein Junge oder ein Mädchen war, und das nur gestohlen hatte, um zu überleben, hatte er Mitleid. Das Gericht war drauf und dran, ihn in eine Jugendstrafanstalt zu stecken, und auch wenn Haku vielleicht gut mit Messern und Nadeln umgehen konnte – dort würde er das nicht zur Verfügung haben, und sein Äußeres wies auf ein Kind, das dort nicht lange durchhalten würde. Vielleicht hätte er nicht so weich gehandelt, wenn er nicht selbst eine Tochter gehabt hätte. Jedenfalls beging Kakashi den einzigen wissentlichen Verstoß gegen seine Prinzipien in seinem Leben. Er gab vor, sich um den Fall zu kümmern, erfand Beweise für eine falsche Identität des Jungen, damit man seine Schritte nicht weiter verfolgen konnte, und boxte ihn aus der Sache raus. Als das Gericht ihn widerwillig auf freien Fuß setzte, wollte Kakashi ihn in die Obhut eines Waisenhauses oder einer anderen gemeinnützigen Einrichtung geben, aber kaum war er aus dem Gerichtsgebäude draußen, war Haku spurlos verschwunden. Und für diese Verfehlung seiner Grundsätze hatte ihn Orochimaru nun hierher gebracht. Und den Jungen gleich mit. Irgendwie hatte er die Wahrheit spitzgekriegt. Eigentlich müsste Kakashi Haku hassen, doch er war der Ansicht, einmal gefällte Entscheidungen sollte man einzig sich selbst zuschreiben. Zabusa hustete und Blut sprenkelte den Boden. „Sieht so aus, als müsste ich Orochimaru danken. Wenn ich mit euch fertig bin, komme ich nicht nur hier raus, sondern habe gleichzeitig auch meine Rache.“ Das Messer funkelte im Licht der Glühbirne, rötlich und unheilvoll. Kakashi hob abwehrend die Hände. „Wir sind erwachsene Männer. Lasst uns diese Sache bereden. Der Serienmörder Orochimaru hat uns vielleicht in ein Spiel geworfen, aber die Regeln können wir selbst bestimmen.“ Aber Zabusa hörte nicht auf ihn. Wie ein Raubtier sprang er ihn an. Kapitel 10: Deathmatch ---------------------- Sie hatten Deidara wie vereinbart getroffen, und nun brausten die Privatwagen zweier Akatsuki-Polizisten die Allee entlang und gaben sich Mühe, jegliche Geschwindigkeitsbegrenzungen in den Wind zu schießen. Ein, zwei Mal wurden sie von Radarfallen geblitzt, aber das war keine große Sache. Sofern sie tatsächlich Orochimaru in die Finger bekamen und sein womöglich noch laufendes Spiel beendeten, hieß das. Deidara schliff mit quietschenden Reifen ein und parkte halb auf dem Gehsteig, halb auf der Straße. Kisame brachte seinen Wagen kaum eleganter zum Stillstand. Die Seitentüren wurden aufgerissen, zugeschlagen. Sasori atmete kalte, feuchte Nachtluft. Es hatte zu regnen begonnen. „Das da ist es?“, fragte er und deutete auf das zweistöckige Haus, das nicht viel anders aussah als seine Straßengenossen – es war lediglich etwas breiter und wirkte heruntergekommener. Verlassen. Lediglich ein Zubau schien etwas neuer. Deidara nickte knapp und stieß die Gartentür auf. Nach einem kurzen Stück ungepflegten Rasens prangte eine große Eingangstür. Sie schien mit Brettern verrammelt, aber wenn man genau hinsah, erkannte man, dass es braun bestrichene Eisenlamellen waren, die die Tür verriegelten. „Wenn das mal nicht verdächtig ist“, kommentierte Kisame. „Wir sollten keine Zeit verlieren.“ Konan – oder eher ihr Doppelgänger – nickte. Deidara strich sich die Haarmähne aus dem Gesicht. Er trug seinen Chakradetektor vor dem linken Auge. „Negativ, Kollegen. Durch die Lamellen und durch die Hauswände fließt Chakra, und zwar ziemlich starkes. Es wird nicht einfach, da reinzukommen.“ „Wir umrunden das Haus“, bestimmte Sasori. „Vielleicht finden wir irgendwo einen Zugang.“ Auch wenn er nicht viel Hoffnung hatte. Zur Not mussten sie auf brachiale Gewalt zurückgreifen. Kisame betrachtete die Fenster, die allesamt ebenfalls fest abgeriegelt waren. Sie stapften durch hohes, nasses Gras, dann quetschten sie sich am Gartenzaun vorbei bis zur Rückseite des Hauses. Dort wurden sie fündig. „Wenn, dann hier“, meinte Deidara, als er die Hintertür analysierte. „Hier ist die Chakrakonzentration am geringsten.“ „Merkwürdig, oder?“, fragte Kisame. „Als wollte Orochimaru, dass wir zur Hintertür reingehen.“ Deidara zuckte die Achseln. „Vielleicht hat er sich diesen Weg auch freigehalten, um selbst aus dem Haus zu kommen, und hinterher das Chakra verstärkt. Das würde erklären, warum es hier nicht so gefestigt ist.“ „Wenn da drin ein Spiel stattfindet, ist es egal, ob es eine Falle ist“, sagte Sasori. Sieben Jahre erfolgloses Warten auf Ergebnisse hatten ihn noch ungeduldiger werden lassen als üblich. „Wir brechen ein.“ Deidara grinste schelmisch, zog einen Batzen Lehm aus seinem Beutel am Gürtel und drückte ihn auf das Türschloss. „So würde es gehen. Es wäre halt Sachbeschädigung.“ „Geschenkt“, sagte Sasori. „Gut. Dann einmal zurücktreten, bitte.“ Deidara formte ein Fingerzeichen und ließ den Lehm explodieren. Die Tür wurde aus dem Schloss geschleudert; das Chakra darin war nicht stark genug, um die Explosion zurückzuhalten. Sasori nahm sein Handfunkgerät – das Einzige, das sie dabeihatten, da Konan das zweite mitgenommen hatte – und gab seiner Kollegin Bescheid. „Wir haben das Haus und gehen jetzt rein.“ „Verstanden“, knarzte ihre Stimme aus dem Lautsprecher. „Das Eindringteam ist zur Hälfte fertig. Noch haben sie nichts gefunden. Meine Doppelgängerin soll sich auflösen, wenn Sie die Situation im Griff haben. Es kann gut sein, dass ich ihr Chakra hier brauche.“ „Gut, weitermachen.“ Sasori nickte seinen Kollegen und der falschen Konan zu und die vier betraten das Haus. Ihre Taschenlampen spießten die Dunkelheit in einem engen, modrigen Gang auf, der nach unten führte. Die Hintertür führte wohl in den Keller. Eine darauffolgende Tür ließ sich ohne Probleme öffnen, und sie erreichten einen kleinen Raum voller Gerümpel und mit drei weiteren Türen, die davon abzweigten. Als sie ihn betraten, flammten plötzlich mehrere Glühbirnen an der Decke auf. Sasori wirbelte herum, sah aber keinen Angreifer – nur einen handelsüblichen Bewegungsmelder an der Wand, wie es ihn oft vor Haustüren gab. Und kurz nach den Lichtern erwachte auch der uralte Röhrenmonitor in der Ecke zum Leben. In einem körnigen Schwarzweißbild grinste ihnen Orochimarus Fratze entgegen. „Hallo und willkommen, Special Agent“, ertönte seine schleimig-kratzende Stimme. Kisame fluchte. Sasori starrte den Bildschirm nur grimmig an. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn Orochimaru nicht auch für den Fall vorgesorgt hätte, dass ein paar Akatsuki-Polizisten das Haus fanden.   Hakus Schrei gellte in Kakashis Ohren, als Zabusa sich ihm entgegenwarf, die gezackte Messerklinge wie einen Reißzahn gebleckt. Doch noch bevor der Söldner ihn erreicht hatte, wurde Kakashi klar, dass er geschwächt war: Nicht nur hatte er augenscheinlich schlimme Verbrennungen davongetragen, auch das Gift schien seine Wirkung zu tun. Zabusas Schritte waren unstet, seine Arme zitterten. Kakashi war zwar nach seiner Aktion mit dem Kamui noch immer nicht ausgeruht, aber sein Sharingan ermöglichte ihm trotzdem, Zabusas Bewegungen spielerisch vorherzusehen. Er blockte den Messerstich mit dem Unterarm und ließ einen Hagel aus Faustschlägen gegen Zabusas Oberkörper und Kopf niedergehen. So brachte er genügend Abstand zwischen sie, dass er einmal um die eigene Achse wirbeln und wuchtig gegen Zabusas Brustkorb treten konnte. Der Kick schleudere den Söldner ächzend gegen die alte Badewanne, die in dem Kellerraum stand. Abermals hob Kakashi die Hände. „Wir können das ohne unnötige Gewalt regeln. Hör mir einfach zu. Diesmal sitzen wir alle im selben Boot“, versuchte er es mit Vernunft. „Er hat recht!“, rief Haku. „Kakashi kann uns sicher helfen, die anderen Spritzen mit dem Gegenmittel zu finden, dann können wir hier alle raus!“ Zabusa knurrte wortlos, nahm das Messer zwischen die Zähne und rappelte sich hoch. Seine Hände formten Fingerzeichen. Haku schien zu erkennen, was er vorhatte. „Vorsicht! Die Wasserrohre!“ Zabusa beendete seine Siegel und die Rohre, die an der Wand nahe der Badewanne emporkrochen, barsten in einer Fontäne. Ein kleiner Wasserdrache bildete sich aus dem spritzenden Nass und sauste auf Kakashi zu, der sich mit einem gewagten Salto rückwärts in Sicherheit brachte. Doch die wirbelnde Wasserfigur folgte ihm. Kakashi sprang zurück bis in die obere Ecke des Raumes, stieß sich von dort wieder ab und versuchte dem Drachen zu entgehen. Der Wasserschwall prallte lautstark gegen die Zimmerecke und war wuchtig genug, die Kamera abzureißen, die dort oben hing. Dann sammelte sich das Wasser wieder, und wie um den Schaden komplett zu machen, fegte es auf Kakashis Fersen auch noch den Fernsehbildschirm von seinem Sockel, der Funken sprühend auf dem Boden zerbarst. Und immer noch war der Hunger des Drachen nicht gestillt. Kakashi war nun zwischen Zabusa und seinem Jutsu und sprang diesmal genau auf den Söldner zu. Der nahm das Messer aus dem Mund und warf sich ihm entgegen. Abermals erlaubte Kakashi sein Sharingan lebensrettende Präzision. Noch im Sprung trat er Zabusas messerbewehrten Arm zur Seite, landete dann mit dem anderen Fuß auf seiner Schulter und stieß sich abermals ab. Der Wasserdrache erwischte seinen eigenen Schöpfer und riss Zabusa von den Füßen, ehe er einfach zerplatzte und den halben Raum dabei überschwemmte. Kakashi war nicht einmal sonderlich außer Atem. Er hatte momentan nur wenig Chakra, aber seine Beweglichkeit war fast wie gewohnt. „Ich sage es noch einmal. Es hat keinen Sinn.“ Zabusa rappelte sich prustend und spuckend in die Höhe. Sein Messer hatte er verloren. Seine Habichtaugen lösten sich von Kakashi und zuckten durch den Raum. Er schien sich Kakashi doch nicht länger als ersten Gegner vornehmen zu wollen. Kankurou war bis in eine Ecke zurückgewichen, also fixierte Zabusa Haku. Wankend und schwer atmend, die bloßen Hände zu Klauen gekrümmt, lief er auf den Jungen zu. Der hielt plötzlich Zabusas Messer in der Hand – die Wasserwelle musste es zu ihm geschwemmt haben. Mit einer Hand bedrohte er Zabusa damit, mit der anderen machte er Fingerzeichen. Kakashi war erstaunt – Haku schien seine zweite Hand nicht für sein Jutsu zu benötigen. Vor ihm wuchs ein milchiger Spiegel aus der Wasserpfütze und blockierte Zabusa die Sicht. Der Söldner hielt sich nicht lange damit auf, sondern zertrümmerte ihn mit den Fäusten – und in dem Scherbenhagel stürzte sich Haku auf ihn.   Konan ging unruhig im Laster der Einsatzleitung auf und ab, während die nächste Meldung des Eindringteams auf sich warten ließ. Die Häuser hier waren allesamt verlassen gewesen – vielleicht hatte das mit diesen Bauvorhaben zu tun, die Kisame erwähnt hatte. Sie hatte nicht mehr viel Hoffnung, noch auf Orochimarus Werkstatt zu stoßen. Dabei hatten sie so lange an der Sache mit dem Tape und dem Stadtplan und den Hubschraubereinsätzen getüftelt! Hatten sie sich auf zu viele Unklarheiten eingelassen? „Einsatzleitung, bitte kommen“, krachte es plötzlich aus dem Lautsprecher auf einem der mobilen Pulte. „Hier Einsatzleitung, kommen“, meldete sich der Mann, der die Instrumente überwachte. „Wir haben hier was gefunden … Sieht wie ein Labor aus, over.“ Konan spürte Erregung durch ihr Rückenmark kribbeln. Sie lagen doch nicht falsch. Sofort beugte sie sich zum Funkgerät. „Hier Special Agent Konan. Bleiben Sie, wo Sie sind, und warten Sie auf mich.“ Sie schaltete ihr eigenes tragbares Funkgerät auf die Frequenz, die vom Team benutzt wurde, um weiterhin mit ihnen und der Einsatzleitung in Kontakt bleiben zu können, und sprang von der Ladefläche in den strömenden Regen hinaus. Gleich würde es sich zeigen, wie gut die Akatsuki-Polizei wirklich war!   Das Messer erwischte erst Zabusas Ohr, dann seine Hüfte und zog rote Blutschnüre nach sich, so schnell war Haku damit. Zabusa knurrte und versuchte ihn zu packen, dann, ihn zu schlagen, doch Haku war einfach zu flink. Es schien, als könnte er den Söldner, der von Minute zu Minute mehr wie ein unbeholfenes Riesenbaby wirkte, mit Leichtigkeit überwältigen. Er wollte ihn nicht töten, obwohl er vielleicht allen Grund dazu hatte. Orochimaru legte es darauf an, sie gegeneinander auszuspielen – wenn sie sich umbrachten, lachte sich der Schlangenmann höchstens ins Fäustchen! Haku schlitzte Zabusas Unterarm auf und versuchte, ihn mit kleinen Wunden endlich zum Aufgeben zu zwingen, als die Welt vor seinen Augen plötzlich verschwamm. Sein Fuß trat nicht dort auf, wo er sollte, ein Schwindelgefühl packte ihn … Er stürzte. Hart schlug er mit dem Kinn am Boden auf, das Messer entglitt seinen Fingern, die nass vor Schweiß und Blut waren. Nicht einmal der Reflex, sich abzustützen, war gekommen. Das Gift musste mehr Schaden in ihm angerichtet haben, als er gedacht hatte. Obwohl er das Gegenmittel genommen hatte und die Symptome nicht mehr schlimmer geworden waren, hatte es ihm stark zugesetzt und ihn erschöpft. Er kam nicht einmal dazu, einen Fluch auszustoßen. Plötzlich erwischte ihn Zabusas Stiefel am Hinterkopf. Haku stöhnte. Direkt vor sich sah er das Messer liegen, doch der Söldner trat auf seine Hand, die er danach ausstreckte, dass die feinen Knochen knirschten. Zabusa nahm das Messer und packte mit der anderen Pranke Haku im Genick. Wie ein Spielzeug hob er den mageren Junge in die Höhe, bis seine Beine in der Luft baumelten. „Schade“, brummte Zabusa und sah ihn mit seinen eisigen Augen an. „Irgendwie habe ich dich gemocht.“ Damit verstärkte er den Druck um Hakus Hals und schnürte ihm die Luft ab.    „Wenn Sie diese Nachricht hören, bedeutete das, dass Sie einen Schritt weitergekommen sind in Ihren bisher fruchtlosen Bemühungen, mich aufzuhalten“, sagte Orochimarus Stimme. Der Mann in der Aufnahme sah jünger auf, als er aktenkundig war. „Jahrelang haben Sie nicht gewusst, was Sie tun können, damit meine Spiele ein Ende haben. Heute biete ich Ihnen sogar drei Wege an, die Sie fortan beschreiten können. Das Spiel, das ich von langer Hand geplant habe, ist noch in vollem Gange. Zu Ihrer Linken führt eine Tür dorthin, wo meine momentanen Opfer um Ihr Leben kämpfen. Hinter der Tür zu Ihrer Rechten wiederum befindet sich ein kleines, unschuldiges Mädchen, das das Pech hat, als Einsatz für einen der Spieler zu dienen. Sobald das Spiel vorbei ist, wird der Raum, in dem es sich befindet, zu einer Todesfalle. Die Tür in der Mitte wiederum führt in den Raum, von dem aus man einen Blick auf die Bilder sämtlicher Überwachungskameras im Haus hat. Vergessen Sie nicht, Special Agent: Ich überwache den Ablauf meiner Spiele gern persönlich. Dort lässt sich auch die Zufuhr des tödlichen Nervengifts regulieren, das in das Haus strömt. Welche der drei Türen werden Sie wohl wählen? Wollen Sie das laufende Spiel unterbrechen und versuchen, die Leben der Spielenden zu retten? Wollen Sie meine Regeln respektieren und stattdessen ein kleines Mädchen retten? Oder streben Sie danach, meinen Kontrollraum zu stürmen? Sie stehen am Scheideweg, Special Agent. Entscheiden Sie mit Bedacht.“ Sasori quetschte das Funkgerät in seiner Hand. Die hinterhältige Schlange wollte tatsächlich ein Spiel mit ihnen spielen. Gut, damit war eigentlich zu rechnen gewesen. Er würde Orochimaru nicht tun lassen, was er wollte. Konans Doppelgängerin hatte währenddessen die drei Türen inspiziert. Auf die linke war ein Tic-Tac-Toe-Feld gemalt, auf die mittlere eine Kamera und auf die rechte ein Strichmännchen mit Zöpfen und einem Rock. „Sie sind nicht verschlossen“, sagte sie. „Wenn er nicht irgendeinen Mechanismus angebracht hat, können wir sie vielleicht sogar nacheinander betreten.“ „Dazu reicht die Zeit nicht“, sagte Sasori. „Wir müssen das laufende Spiel stoppen. Je eher, desto besser.“ „Dazu sollte aber jemand dieses Nervengift abschalten, von dem er geredet hat“, gab Kisame zu bedenken. „Und dieses Mädchen? Vielleich löst man die Falle aus, sobald man den Zustrom des Giftes deaktiviert“, sagte Konan. „Orochimaru hat nicht bedacht, dass wir vielleicht zu viert kommen“, grinste Deidara. „Wenn wir uns aufteilen, können wir alle drei Aufgaben gleichzeitig lösen.“ Kisame blieb vor der mittleren Tür stehen, die, wie Orochimaru gesagt hatte, in den Überwachungsraum führte. „Mich würde interessieren, ob er wirklich hierhinter ist. Dann wären alle unsere schönen Schlussfolgerungen für die Katz gewesen. Und das Eindringteam stürmt im Moment vermutlich eine leere Werkstatt.“ „Wir werden es ja gleich wissen.“ Sasori funkte die echte Konan an. „Wie sieht es bei Ihnen aus?“ Es kam keine Antwort. Das musste bedeuten, dass Konan ihr Funkgerät auf eine andere Frequenz geschaltet hatte – wahrscheinlich auf die des Eindringteams. Wenn sie schon so weit waren, würde wohl bald ein Ergebnis herausschauen. „Na schön.“ Kisame ließ den Nacken kreisen, dass es knackte. „Wer übernimmt welche Tür? Wie sehr hassen Sie Orochimaru, Sasori?“ „Wieso?“ „Weil ich ihn auch gern zur Strecke bringen würde. Ich bin als Erster auf diesen Fall gestoßen und hab einige Nächte auf eigene Faust darüber gebrütet. Es wäre schön, wenn mein Einsatz sich rentieren würde.“ Sasori zuckte mit den Schultern. Das hier war kein offizieller Einsatz, und es war nicht mal sicher, ob Orochimaru wirklich im Überwachungsraum war. Da begab er sich lieber selbst in Gefahr, anstatt nur das Gift abzustellen. „Tun Sie, was Sie wollen.“ „Dann mach ich mich daran, das Mädchen zu retten“, sagte Deidara. „Ich bin ja schließlich nur ein einfacher Detective – Personenrettung ist sicher okay, aber Spezialeinsätze schimpft Itachi hinterher sicher unverantwortlich.“ „Dann werden wir beide das Spiel unterbrechen.“ Sasori nickte Konans Doppelgänger zu. „Los. Lassen wir die Spieler nicht warten.“   „Lassen Sie ihn los, Zabusa“, sagte Kakashi scharf, als er sah, wie Haku in Zabusas Griff zappelte. Der Söldner drückte ihm mühelos die Luft ab. „Sonst was?“ Zabusa drehte sich zu ihm herum, um Haku wie einen Schild zwischen sie zu bringen. Kakashi bückte sich und überlegte fieberhaft, welches Jutsu er einsetzen könnte. Das Kamui? Ausgeschlossen, sein Sharingan hatte sich noch nicht weit genug erholt. Das Raikiri? Besser. Aber es würde ihm in seinem jetzigen Zustand nur einmal gelingen, und mit Haku als Geisel … Wenn er nur nahe genug rankäme … „Kankurou! Ich habe absolut nichts gegen Sie, und die Sache mit dem Gefängnis ist hier nebensächlich. Sind Sie nicht so etwas wie Hakus Freund?“, rief Kakashi dem Puppenbauer zu. Doch der kauerte immer noch in einer Ecke und machte keine Anstalten, zu helfen. Kakashi unterdrückte einen Fluch und tat einen Schritt. „Bleib, wo du bist! Bist du nicht auch irgendwie mit dem Jungen verbrüdert? Zumindest sieht es für mich so aus“, zischte Zabusa. Abermals nahm er das Messer zwischen die Zähne und zog aus seinem Hosenbund plötzlich eine Pistole hervor. Mit einem Klicken spannte er den Hahn und richtete sie auf Haku. Kakashi erstarrte.   Die Eingangstür war bereits aufgebrochen. Die meisten Leute des Eindringteams standen noch im Freien im Regen, nur sechs Mann drängten sich in einen kahlen Vorraum und leuchteten mit ihren Taclights durch die nächste aufgebrochene Tür. Dahinter waren in der Tat Werkbänke und Schaufensterpuppen und allerlei Teufelszeug zu sehen, das nur Orochimaru gehören konnte. Konan bedeutete ihnen mit einem forschen Nicken, weiterzugehen, und zog ihre Dienstwaffe. Geschmeidig wie Katzen schoben sich die Männer in ihren Kevlarrüstungen durch die Tür. Kurz darauf folgten Rufe, dass die Tür zu beiden Seiten gesichert war. Dennoch erschuf Konan einen weiteren Papierdoppelgänger, der den Männern an ihrer statt folgte. Eine riesige Lagerhalle nahm sie auf. Die Tische, die sie gesehen hatte, waren nur ein paar von vielen gewesen. Über ihnen schwebten dicke Röhrenlampen, die allerdings abgeschaltet waren. Die Taclights der Spezialeinheiten schnitten durch die Dunkelheit. Die Halle war so weitläufig, dass Dutzende Möglichkeiten eines Hinterhalts in Konans Gedanken zu kribbeln begannen. Die Lichter schwenkten über obskure Apparaturen, über einfache Werkzeuge und über blanke Tische und noch mehr Werkzeuge – und huschten dann plötzlich über ein kleines Kästchen in der Wand, auf dem etwas wie ein rundes schwarzes Auge prangte. Konans Doppelgängerin sog scharf die Luft ein. „Zurück!“, rief sie, aber es war zu spät. Ein Lichtsensor war vermutlich die beste Waffe, die man gegen ein Eindringteam einsetzen konnte. Im hinteren Teil der Halle klickte etwas, als der Sensor eine Falle auslöste. Dann hallte ein Dutzend Schüsse fast gleichzeitig durch die Werkstatt, die kurz vom Entflammen von Schießpulver erhellt wurde. Die sechs Männer wurden allesamt erwischt, auch Konans Doppelgänger traf ein Schuss in die Brust. Als er sich in Papierfetzen auflöste, wurden seine Erinnerungen in Konans echten Körper transferiert und sie wusste, was geschehen war. Die übrigen Spezialeinheiten riefen quer durcheinander, stürzten in die Lagerhalle, gaben sich gegenseitig Deckung, auf der Suche nach dem Feind. Schluckend betrat auch Konan den Raum. Die meisten der sechs waren noch am Leben und krümmten sich stöhnend am Boden. „Das war eine Gewehrfalle!“, sagte sie laut. „Macht das Licht aus!“ Im kurzen Feuerschein hatte ihr Klon eine Treppe am Ende der Halle ausgemacht. Es wäre Wahnsinn, durch die Finsternis zu tappen, also nahm sie das Gewehr eines der verwundeten Specials, dessen Taclight immer noch brannte, und dämpfte den Lichtschein mit einem Stück Papier. So würde sie sehen, was knapp vor ihren Füßen war, aber die Lichtsensoren würden hoffentlich nicht wieder ausschlagen. Die Männer folgten ihr achtsam, als sie sich an den Werkbänken vorbei zu einer Treppe kämpfte. Sie war von einem Metallgitter umgeben und besaß hölzerne Stufen – es stank geradezu nach einer Falle. „Warten Sie hier“, befahl Konan, gab das Gewehr einem Special und nahm wieder ihre Dienstwaffe zur Hand. Dann ließ sie sich Flügel aus Papier wachsen und schwebte vorsichtig den schmalen Tunnel hinauf, den die Gitter bildeten, ohne die Metallmaschen oder den Boden zu berühren. Am oberen Absatz fand sie ein Arbeitszimmer vor. Regale mit Zeichnungen und Schreibmaterial umgaben einen Schreibtisch, auf dem noch mehr Zeichnungen und Pläne lagen. Und davor stand, ihr zugewandt, eine einsame Gestalt und lächelte sie an. Bei dem Anblick bekam Konan eine Gänsehaut, aber es konnte sein, dass das von der Vorfreude herrührte. Langes, schwarzes Haar, bleiches Gesicht, gelbe Augen. Dazu ein seltsam unpassender, weicher Frotteemantel. Die Figur, die sie so lange nur aus Videomaterial kannten. Vor ihr stand Orochimaru.   Ein finsterer, kurzer Flur hatte Kisame zu einer weiteren Tür geführt, die sich dagegen sträubte, dass er sie zu öffnen versuchte. Erst als er sich mit der Schulter dagegen warf, sprang sie auf. Als er sah, was dahinter lag, stieß er einen Pfiff aus. In dämmrigem Halbdunkel flimmerten einige Bildschirme auf einem wuchtigen Tisch vor sich hin. Es sah ganz so aus wie ein Überwachungsraum in einem öffentlichen Gebäude, und Kisame konnte sich fast einen dicken Security-Mitarbeiter vorstellen, der die Bildschirme beobachtete und dabei Fastfood mampfte. Nur war hier niemand zu sehen. Der Schreibtischsessel war leer. Kisame war allein in diesem Raum. „Von wegen, du bist hier“, knurrte Kisame den Stuhl an und suchte nach der versprochenen Steuerung für die Klimaanlage. Immerhin hatte Orochimaru hierbei nicht gelogen. An der Wand neben dem Tisch war eine kleine Schalttafel, von der aus etliche Kabel in Kabelschächte führten. A/C stand über einem Schalter und Kisame schnippte ihn um. Ein glühendes Lämpchen erlosch. So, das machte den Rest des Hauses hoffentlich betretbar, ohne dass dieses ominöse Gift, von dem Orochimaru gesprochen hatte, in die Räume geblasen wurde. Nachdem das erledigt war, widmete sich Kisame den Fernsehbildschirmen. Was er sah, war alarmierend. Die meisten zeigten leere Räume in dem Haus, aber in einigen davon lagen Leichen, und manche davon in keinem besonders schönen Zustand. Verflucht, sie hatten viel zu lange gebraucht, um hierher zu kommen. Die alte Schachtel, die Deidara angerufen hatte, hätte ruhig schon früher darauf kommen können, dass hier etwas nicht stimmte! Nirgendwo war eine Spur von Leben zu sehen. Ein Fernsehbildschirm war allerdings tot – nur weißschwarzer Ameisenkrieg tobte dort. Die Kamera in dem Raum musste beschädigt worden sein. Und irgendetwas sagte ihm, dass das genau der Raum war, zu dem Sasori und Konans Klon unterwegs waren.   Hakus Augen quollen ihm schier aus den Höhlen und dunkle Flecken wanderten in sein Sichtfeld. Seine Lungen lechzten nach Luft, die sie nicht bekamen. Sein Hals brannte höllisch dort, wo Zabusa ihm langsam die Kehle zerquetschte. Wie durch einen Nebel erkannte er die Pistole in Zabusas Hand als jene, die an der Tür angebracht gewesen war, an der Tür zu dem Wohnzimmer, in dem sie alle aufgewacht waren. Es war die Pistole, die ihren einzigen Schuss abgefeuert hatte, als sie den Schlüssel herumgedreht hatten. Dank Hinata war niemand getroffen worden. Darum hatte Zabusa also verhältnismäßig lange gebraucht, um sie zu verfolgen: Er hatte den Revolver von der Apparatur gerissen und mitgenommen. Aber er konnte unmöglich eine Kugel dafür haben – oder? Kakashi startete keinen Versuch, Haku zu retten. Verdammt, er musste glauben, die Waffe wäre geladen! Wo war Kankurou? Warum half er ihm nicht? Hatte er Angst? Dann war es eben, wie es schon immer gewesen war: Haku musste sich selbst helfen! In einem Aufgebot seiner letzten Kräfte schwang er erneut die Beine – und traf Zabusa genau in den Schritt. Der hünenhafte Söldner ächzte und lockerte den Griff um Hakus Hals. Obwohl er mehr schwarze Punkte als sonst etwas sah, trat Haku erneut zu. Diesmal ließ Zabusa ihn fallen. Würgend landete der Junge am Boden und versuchte, seine Lungen mit Luft zu füllen, die aber immer noch nicht kommen wollte. Seine Kehle schmerzte höllisch, und das Ringen nach Luft raubte ihm fast das Bewusstsein. Erst beim dritten oder vierten Versuch klappte es. Bis dahin konnte Haku nur auf den kalten Fliesen kauern und zusehen, was sich vor seinen Augen abspielte. In der Sekunde, in der Zabusa ihn losgelassen hatte, war Kakashi wie ein Pfeil auf ihn zugeschossen. Ein gezielter Tritt beförderte den Revolver aus seiner Hand, ein weiterer schleuderte Zabusa selbst ein paar Meter zurück. Noch im Sturz warf der Söldner sein Messer, aber Kakashi wich abermals mit schlafwandlerischer Sicherheit aus. „Deine letzte Chance“, sagte der Rechtsanwalt. Zabusa knurrte nur und formte schon wieder Fingerzeichen. Kakashi tat es ihm gleich und umschloss dann sein Handgelenk. In seiner Handfläche begannen blaue Blitze zu zucken, die den Raum in unheimliches Licht tauchten. Das war garantiert ein tödliches Jutsu. Haku wollte etwas sagen, aber nur ein Krächzen verließ seinen Mund. Es war, als hätte Zabusa seine Stimmbänder zermatscht.   „Hallo, Special Agent“, sagte Orochimaru. Die Stimme war unverkennbar. Konan schluckte, riss die Pistole hoch, die sie beidhändig hielt. „Keine Bewegung.“ „Sie haben es also geschafft, aus nichts außer Anfang und Ende ein sinnvolles Ganzes herzustellen“, fuhr das Schlangengesicht fort. „Da Sie allein hier sind, gehe ich davon aus, dass Ihre Kollegen das Haus gefunden haben, in dem mein momentanes Spiel stattfindet?“ „Sie haben das Recht zu schweigen“, sagte Konan düster. „Schalten sie die Falle auf der Treppe aus.“ Es wäre sicher nicht schlecht, wenn das Eindringteam zu ihr vorrücken konnte. Hoffentlich kaufte ihr Orochimaru ab, dass sie wusste, um welche Falle es sich handelte – dass es eine Falle gab, da war sie sich sicher. Orochimaru lächelte nur schief, streckte langsam die Hand nach einer lose verkabelten Schalttafel aus, die auf dem Schreibtisch lag – und plötzlich schnellte aus dem weiten Ärmel seines Morgenmantels eine weiße Schlange mit gebleckten Zähnen. Konan reagierte blitzschnell und eiskalt. Ihre erste Kugel durchbohrte den Kopf des Tieres, das nach ihr schnappen wollte. Ihre zweite war auf Orochimarus Brust gezielt, ganz nach Lehrbuch. Doch so schnell sie auch war; Orochimaru war genauso schnell. Urplötzlich hielt er ein altmodisches Katana in der Hand, das hinter seinem Rücken am Tisch gelehnt haben musste. Ein Schwertstreich lenkte die Kugel punktgenau mit einem hellen Pling ab. Konan schnalzte verärgert mit der Zunge, als der Schlangenmann ihre nächsten beiden Schüsse genauso abwehrte. Er war ein hervorragender Ninja. Natürlich. Weitere Schlangen folgten der ersten und zwangen Konan, ihr Magazin leerzuschießen. Diesen Moment nutzte Orochimaru, warf sein Schwert in die Luft, formte Fingerzeichen und spie eklig aussehende, dunkle Flüssigkeit aus. Dann stieß er beide Hände zu Boden und ließ den Schlamm vor sich zu einem Erdwall anwachsen, als das Schwert gerade den höchsten Punkt seines Fluges erreichte. Es verschwand hinter der Mauer, und Konan hatte keinen Zweifel daran, dass er es wieder aufgefangen hatte. Mit geübten Bewegungen lud sie ihre Dienstwaffe nach und löste mit einem Fingereichen den Doppelgänger auf, der gegenwärtig mit Sasori unterwegs war. Er zehrte zu sehr an ihrem Chakra, das sie im Kampf gegen Orochimaru dringend brauchen würde. Im nächsten Moment schossen auch schon wieder zwei Schlangen seitlich an Orochimarus Schlammschild vorbei, größere als die vorherigen. Die Giftzähne waren riesig und glänzten. Konan folgte Orochimarus Beispiel, warf ihre Waffe in die Luft und formte Siegel. Zwei Shuriken aus Papier schwebten über ihren Händen, die sie den Schlangen entgegenwarf. Die Wurfsterne zerteilten die Schlangenkörper sauber in der Mitte und flogen einen Bogen bis hinter den Erdwall. Das würde ihn hoffentlich ablenken. Konan sprang mit aller Kraft, fing nebenbei ihre Waffe auf; ihre Flügel beförderten sie über den Schlammschild hinaus, wo sie einen Salto in der Luft schlug. Unter sich sah sie Orochimaru, der eben das Schwert sinken ließ, nachdem er sich der Papiershuriken entledigt hatte. Kopfüber formte sie ein weiteres Fingerzeichen und legte an. Die Papierfetzen bestürmten den Schlangenmann wie ein wütender Insektenschwarm und bohrten sich in seinen Schwertarm. Er war vielleicht eine halbe Sekunde blockiert, doch das reichte Konan. Immer noch mitten im Flug und Hals über Kopf, drückte sie ein paar Mal ab. Drei saubere Schüsse schlugen in Orochimarus Brust ein und ließen ihn ächzend gegen die Erdmauer prallen. Konan vollendete ihren Salto und landete leichtfüßig am Boden. „Sie hätten die Akatsuki-Einheit nicht unterschätzen sollen“, sagte sie trocken. Ihre Ausbildung hatte sich bezahlt gemacht. Sie wusste, dass sie ihn tödlich getroffen hatte. Orochimaru sackte röchelnd in die Knie. Er war nun keine Gefahr mehr für sie.   Um Zabusa herum wallte dichter, weißer Nebel auf, gespeist von der Pfütze, die sein Wasserdrache gebildet hatte. Während Kakashi noch auf ihn zustürmte, warf sich der Söldner herum, ehe die Nebelwand ihn verschlang. Das würde ihn nicht retten. Kakashis Sharingan sagte ihm zuverlässig, wo sich Zabusa am Ende seiner Bewegung befinden würde. Er sprang mitten hinein in den Nebel und schlug mit seinem Raikiri zu. Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, und Fliesensplitter und Mauerwerk wallten in einer Wolke auf und regneten zu Boden. Der Nebel wurde von dem Einschlag fortgeweht. Kakashis Hand schmerzte nach dem Schlag. Seine Chakravorräte waren hiermit fast verbraucht. Noch einmal würde er sein Jutsu nicht benutzen können. Aber er musste getroffen haben. Es ging gar nicht anders. Als die Staubwolke sich endlich senkte, lag Zabusa am Boden. Kakashi keuchte auf. Das darf doch wohl nicht wahr sein!   Sasori und Konans Papierdoppelgänger hatten die linke Tür betreten und sich den Weg durch die Dunkelheit geleuchtet. Trotzdem Eile geboten war, begingen sie nicht den Anfängerfehler, ungesichertes Gelände im Laufschritt zu durchqueren. Der Korridor führte um irgendeinen Raum herum, soviel war klar – erst ging es lange geradeaus, dann machte er einen Knick, dann noch einen. Sasoris Herz pumpte so viel Adrenalin und Chakra durch seinen mechanischen Körper wie schon lange nicht mehr. Schließlich rissen ihre Lampen eine eiserne Gittertür aus der Finsternis. Sie war mit stabil aussehenden Ketten und einem Vorhängeschloss verriegelt, und Sasori war sich sicher, dass auch diese mit Chakra verstärkt waren. Aber genauso wie Deidara die Hintertür gesprengt hatte, würde auch dieses chakraverstärkte Metall nicht standhalten, wenn man es nur genügend Druck aussetzte. Und Sasori hatte da etwas ganz Besonderes, das er einzusetzen gedachte. „Gehen Sie zurück“, wies er Konans Doppelgängerin an. Diese öffnete den Mund, um etwas zu sagen – und löste sich plötzlich in Papier auf. Sasori verharrte einen Moment, um drüber nachzudenken. Dem Klon war nichts zugestoßen – das konnte nur bedeuten, dass die echte Konan nicht länger ihr Chakra strapazieren wollte. Ob das Eindringteam irgendetwas Gefährliches ausgegraben hatte? Ein ohrenbetäubender Knall, der von hinter dem Eisengitter kam, ließ Sasori sich wieder auf die Gegenwart konzentrieren. Nur ein paar Schritte entfernt ging ordentlich die Post ab, und seine Kollegin konnte wohl auf sich selbst aufpassen! Er klappte die Düse in seiner rechten Handfläche auf und fütterte seinen Puppenkörper mit einer der beiden Schriftrollen, die er am Rücken unter seinem Akatsuki-Mantel trug. Ein extrem heftiger Wasserstrahl verließ seine Handfläche und schnitt durch die Kette wie durch Butter. Sasori wedelte mit der Hand und das ganze Eisengitter flog regelrecht aus den Scharnieren. Er ließ die aufgebrauchte Schriftrolle fallen und zückte seine Pistole. Direkt hinter dem Gitter fiel Licht aus einer Türöffnung …   Das Mädchen war eingedöst und zuckte erschrocken zusammen, als es eine Berührung spürte. „Ganz ruhig“, sagte eine männliche Stimme. „Ich bin hier, um dich zu befreien.“ Er zog der Kleinen den Sack vom Kopf und löste dann den Knebel in ihrem Mund. Mit vom Weinen geröteten Augen sah sie sich um. Man hatte sie mitten in der Nacht aus ihrem Zimmer entführt, und seitdem hatte der kratzige Stoff verhindert, dass sie etwas sah. Erst jetzt erkannte sie, dass sie auf einem alten Sofa in der Mitte eines hohen Raumes saß. Ihre Knöchel waren um eines der Beine der Couch gebunden und um ihre Hüfte spannte sich ein dünner Gurt, sodass sie nicht hatte aufstehen können. Die Stunden hier drin waren die Hölle gewesen. Der Mann, der vor ihr stand, hätte auf den ersten Blick auch als Frau durchgehen können. Er hatte langes blondes Haar und einen geschäftigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. „Wer bist du?“, wisperte sie. „Wo ist mein Papa?“ „Ich bin Polizist, also keine Sorge. Detective Deidara von der Akatsuki-Soko. Lass mal sehen, wie wir dich hier losmachen können.“ Er löste die Knoten um ihre Knöchel, um ihre Handgelenke und fädelte dann den Gurt aus. „Na bitte, geht doch. Nichts wie raus hier. Hau-ruck!“, sagte er und hob sie an den Schultern hoch. Irgendwo an ihrem Pyjama musste noch ein dünner Draht befestigt gewesen sein, denn plötzlich ertönte ein leises Schnalzen – gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krach. Der Boden bebte. Deidara stieß einen leisen Schrei aus, als es ihn auf den Hintern warf. Das Mädchen fiel zurück auf die Couch. Mit einem metallischen Kreischen verschoben sich die Bodenplatten. Unter ihren Füßen zeigten sich lange Schlitze wie bei einem Grillrost. Hohe Stahlteile bohrten sich wie Klauen in die Höhe, schlossen sich über den beiden zu einer Kuppel zusammen. Auch vor ihnen klappte eine Platte auf und knallte donnernd gegen die anderen Bauteile. Sie besaß ein vergittertes Sichtfenster und wirkte ein wenig wie eine Tür. Das Mädchen presste die Hände gegen den Lärm vor die Ohren und schrie. Deidara starrte die Konstruktion, die sich um und über sie aufgerichtet hatte, mit großen Augen an, ehe er an der Tür rüttelte. Vergeblich. Durch das Sichtfenster konnte man sehen, wie an der Wand des Raumes ein roter Timer zu laufen begann. Gegenwärtig zeigte er zehn Minuten an. Das Mädchen schluchzte verängstigt vor sich hin, und Deidara fand endlich ein Wort, um ihre momentane Situation zu beschreiben. „Hoppla.“   Im hinteren Bereich des Kontrollraums hatte Kisame noch eine Tür gefunden. Sie hatte in einen ziemlich neuen Flur geführt; die Wände und der Boden bestanden aus Holz, von dem noch Späne abstanden. Jemand hatte ihn roh zusammengezimmert – Kisame erinnerte sich, dass er draußen an einer Seite des Hauses eine Art Zubau gesehen hatte. Das musste wohl dessen Inneres sein. Der Gang wand sich hin und her, dann führte er weiter in die Dunkelheit, während gleichzeitig ein paar Bretter in der Wand als Stufen dienten. Einem Gefühl folgend stieg Kisame so weit hinauf, wie es ging. „Dieser Mistkerl“, murmelte er amüsiert, als er erkannte, was er hier gefunden hatte.   Zabusa stützte sich schwer atmend mit einer Hand am Boden ab. Kakashis Blitzangriff war ins Leere gegangen … und er ahnte nun auch, wieso. Wäre Zabusa ausgewichen, hätte er ihn mit seinem Sharingan absurderweise trotzdem erwischt. Allerdings musste ihn wohl, als er sich herumgeworfen hatte, ein Schwächeanfall gepackt haben, ausgelöst durch das Gift in seinem Körper. Er musste gestrauchelt und gefallen sein, wie kein Mensch freiwillig fiel … und das hatte ihm das Leben gerettet. Keuchend sah sich Kakashi um. Haku stemmte sich eben erst mühsam hoch, schien aber plötzlich nicht mehr sprechen zu können. Kankurou war noch weiter vor den Kämpfenden zurückgewichen und schien darauf zu warten, sich mit dem Sieger zu verbünden. Und Zabusa wankte bereits wieder auf Kakashi zu, die Fäuste erhoben. Nun wich auch der Rechtsanwalt instinktiv zurück – und stieß mit dem Fuß gegen etwas. Ein rascher Blick, kostbare Zeit, die er ans Bücken verschwendete, dann hielt er die Pistole in der Hand, kalt und das glänzende Metall staubig. Hierhin war sie also gerutscht. Der Hahn war immer noch gespannt. Zabusa kam immer noch näher, als beeindruckte ihn die Waffe gar nicht. Keuchend breitete er die Arme aus. War er wild darauf, sich eine Kugel einzufangen, damit sein Leiden ein Ende hatte? Kakashi packte den Revolver mit beiden Händen, krümmte den Finger um den Abzug. Sein Sharingan war bereits überstrapaziert; er sah doppelt und vor seinem linken Auge verschwamm das Bild, also kniff er es zu. Haku stieß ein flehentliches Krächzen aus, aber er konnte sich jetzt nicht um ihn kümmern. Als Zabusa sich mit einem Knurren auf ihn warf und Kakashi mit dem Rücken gegen die Wand stand, drückte er ab. Ein Klicken ertönte. Sonst geschah nichts. Entgeistert starrte auf den Revolver. Er war nicht geladen! Dann war die Aktion von Zabusa vorhin ein Bluff gewesen? Der Söldner erwischte ihn eiskalt. Seine Knöchel krachten gegen Kakashis Wange und schleuderten seinen Kopf herum. Erst den zweiten und den dritten Schlag konnte er mit den Händen abblocken – den vierten allerdings nicht. Er kam von der Linken des Söldners und zwischen seinen Fingern blitzte etwas Metallisches, teuflisch Scharfes auf. Obwohl er sein Sharingan zugekniffen hatte, sah Kakashi das Ding wie in Zeitlupe herannahen. Er erkannte das Skalpell, mit dem er sich den Schlüssel für seinen Stachelkragen aus dem Auge hätte herausschneiden sollen. Er hatte die schmale Klinge einfach von sich geworfen, dann das Bewusstsein verloren und nicht mehr daran gedacht … Und Zabusa hatte sie irgendwann in ihrem Gerangel aufgelesen. Seine hervorragenden Reflexe kamen dieses eine Mal zu spät. Die Klinge zog einen sauberen Schnitt quer über Kakashis Kehle und schlitzte seine Halsschlagader auf. Sein letzter Gedanke galt seiner Tochter, die er nie wiedersehen würde und die er noch hätte suchen müssen … All seine Kraft quoll in Sekundenschnelle aus dem dünnen Schnitt in seinem Hals, seine Knie gaben nach. Er war tot, ehe er auf dem Boden aufschlug.   Haku konnte nicht einmal schreien. Als der Blutschwall aus Kakashis Hals strömte und der Rechtsanwalt umkippte wie ein Marionette, deren Fäden gerissen waren, drehte sich Zabusa bereits schwer atmend wieder herum. Er hatte es tatsächlich getan. Dieser Kerl hatte Kakashi getötet, und er hatte immer noch nicht genug! Haku wusste längst, dass der Söldner ihm selbst dann nicht zuhören würde, wenn er noch richtig sprechen könnte. Er wollte den Code für den Safe mit dem Gegenmittel, und den fand er nun mal in seinem und Kankurous Magen. Ein Blick auf Haku schien Zabusa davon zu überzeugen, dass von dem Jungen keine Gefahr mehr ausging. Stattdessen trat er auf Kankurou zu, das Skalpell blitzte zwischen seinen Fingern. Der Puppenbauer drückte sich weiter in seine Ecke und hob abwehrend die Hände. „Du musst mich nicht töten“, sagte er beschwörend. „Meine Zahl ist die Sieben, glaub mir.“ Zabusa zögerte tatsächlich kurz, aber er schien eher verwundert über Kankurous Dreistigkeit. Haku hörte etwas außerhalb des Raumes zischen und krachen, aber er konnte den Blick nicht von den beiden Ninjas abwenden. Zabusas Arm zitterte, dennoch stach er zu. Das Messer bohrte sich in Kankurous Hals, als jemand mit polternden Schritten in den Raum stürmte. „Hände nach oben, Polizei!“ Kankurou sackte leblos in sich zusammen. Zabusa warf sich mit einem Knurren herum, von Kopf bis Fuß von fremdem und eigenem Blut vollgespritzt, hob die Hand mit dem Messer … Das reichte dem Polizisten. Dreimal in rascher Folge drückte er ab und traf Zabusa dreimal in die Brust. Der Hüne taumelte, dann brach er zusammen. Endlich war es vorbei. Haku war noch immer wie paralysiert. Sie waren alle tot … Der Cop war zu spät gekommen … Es war ein relativ kleiner Polizist, der einen schwarzen Umhang mit roten Wolken darauf trug. Sein Haar war kraus und rot, sein Blick irgendwie … milde, unbekümmert. Er sah sich in dem Kellerloch um und erkannte, dass Haku die letzte lebende Person hier war. „Tja, mein Junge“, sagte er. „Du wirst mir wohl einiges erklären müssen.“ „Ich …“, brachte Haku krächzend hervor. Seine Stimmbänder schienen in Flammen zu stehen. Er versuchte dem Polizisten mit Blicken klarzumachen, dass er noch nicht wirklich sprechen konnte, als er etwas sah, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Haku riss die Augen auf. Was sich dort vorn abspielte, das konnte doch nicht … Den Mund stumm aufgerissen, deutete er mit zitterndem Finger in die Ecke. Der Polizist hob eine Augenbraue und drehte sich dann langsam um, um zu sehen, was Haku so entsetzte.   In seinem Zustand würde Orochimaru die Falle für das Eindringteam nicht mehr deaktivieren können, so viel stand fest. Konan würde es selbst erledigen müssen, damit der Tatort gesichert werden konnte. Orochimaru selbst stemmte sich noch einmal auf ein Knie hoch, das Schwert noch in der Hand. „Haben Sie immer noch nicht genug?“, fragte Konan abfällig. Er konnte den Arm nicht einmal ordentlich heben. Der Schlangenmann verzog das Gesicht zu einem Lächeln. Blut und Speichel liefen aus seinen Mundwinkeln. „Stellen wir Ihre Kombinationsgabe doch noch ein letztes Mal auf die Probe“, röchelte er. „Sie sind würdige Gegner in meinem Spiel. Immerhin hat ein einziges Tonband Sie hierher gebracht.“ „Was soll das heißen?“, fragte Konan scharf. Orochimaru lachte heiser. Mehr Schleim blubberte aus seinem Mund, und Konan erkannte mit einem Mal, dass es sich nicht um Blut und Speichel handelte, sondern um hellen Schlamm. Seine Worte kamen ihr wieder in den Sinn. Sie haben es also geschafft, aus nichts außer Anfang und Ende ein sinnvolles Ganzes herzustellen. Ihr messerscharfer Verstand schnitt das Rätsel entzwei und offenbarte ihr einen ungehinderten Blick auf den Fehler, den sie begangen hatten. Anfang und Ende. Ein Hubschraubereinsatz am Anfang, eine Turmuhr am Ende. Immerhin hat ein einziges Tonband Sie hierher gebracht. Ein einziges Ziel, zu dem ihre Schlussfolgerungen sie führen würden. Genau wie in einem Denkspiel. In einem Spiel! Vor ihren Augen zerfiel Orochimaru zu einem Haufen aus Matsch, in dem funkelnd das Schwert liegen blieb. Am liebsten hätte Konan sich geohrfeigt. Orochimaru hatte keinen Fehler beim Aufnehmen des Bandes gemacht. Wahrscheinlich hatte er das Band selbst so manipuliert, dass nur die beiden Teile mit den Hinweisen wiederherzustellen waren. Die Schlange hatte sie hierher gelockt und selbst nur einen Doppelgänger zu ihrem Empfang abkommandiert! „An alle Einheiten“, sagte Konan in ihr Funkgerät, während sie sich auf den Rückweg machte. „Wir müssen sofort zu dem Haus, in dem Sasori und die anderen sind!“   In der blutverschmierten Ecke des Kellerraumes hatte Kankurous Kleidung alle Farbe verloren, als bleiche sie in Windeseile aus. Seine Haut zerfloss zu hellem Schlick, der Zabusas Leiche zu umarmen schien. Haku konnte den Blick nicht von dem Spektakel abwenden. Was ging hier vor? Kankurou war nicht der echte Kankurou gewesen? Oder gab es gar keinen echten Kankurou? In seinem Kopf drehte sich alles. Der Rucksack mit der Puppe bewegte sich, das Reißen von Stoff ertönte. Wie ein Schmetterling, der sich aus seinem Kokon schälte, kämpften sich zwei Arme ins Feie, dann zwei Beine, und schließlich wurde ein dunkler, langer Haarschopf sichtbar, als eine hochgewachsene Gestalt sich ins Freie kämpfte. Auch Sasori verfolgte das Schauspiel wie gebannt. Sein Finger am Abzug juckte, doch er zwang sich zur Geduld – etwas, das ihm nicht leichtfiel. Aber er hatte das Gefühl, dass sich hier etwas abspielte, das jenseits des Begreiflichen lag, und das schmeckte ihm noch weniger, als zu warten. Die Gestalt drehte sich mit einem Lächeln zu ihnen um, warf die langen schwarzen Haare zurück und fixierte Sasori. Haku hatte diesen Mann noch nie gesehen, aber nachdem er seine Stimme hörte, wusste er sofort, dass er Orochimaru vor sich hatte. „Willkommen, Special Agent. Sind Sie überrascht? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich den Ablauf meiner Spiele gern persönlich überwache.“   Kisame drückte die Tür auf und stieg in das Zimmer. Sie war so gut getarnt, dass sie von außen gar nicht zu sehen war, und konnte außerdem vom Flur aus verriegelt werden – gegenwärtig war sie jedoch unversperrt – und sicher war sie auch mit Chakra verstärkt gewesen. Er fand das alles sehr interessant – sicherlich führten die anderen Türen, die er in dem Geheimgang gesehen hatte, auch in verschiedene Zimmer des Hauses. Hatte sich Orochimaru Schleichwege an das Haus drangebaut, um seinen Opfern persönlich beim Sterben zuzusehen? Dieser Raum hier sah aus wie ein Folterkabinett. Ein Safe war in eine der Wände eingelassen. Im Boden gähnte eine Grube voller spitzer Nadeln. Und zwischen beidem lag die Leiche eines jungen Mannes in schwarzer, katzenartig aussehender Kleidung. Kisame konnte keinen Puls ertasten. Fluchend zog er sich in den Geheimgang zurück – der Raum barg sicher noch andere Fallen. Er fragte sich, wie der arme Kerl wohl gestorben war.   „Nein“, keuchte Kankurou und tastete fassungslos über die Stahlplatte. Er versuchte den Schlüssel zu drehen, aber es ging nicht. „Nein!“ Zornig schlug er mit der flachen Hand gegen den Safe. Er hatte es doch fast geschafft! Eine Sekunde – eine einzige lächerliche, beschissene Sekunde länger, und er hätte das Gegengift gehabt! Kankurous wütendes Brüllen ging in ein wortloses Heulen über. Er hatte versagt. Kraftlos sank er vor dem Safe zusammen. Selbst sich herumzudrehen war nach all der Aufregung anstrengend. Es half nichts, er musste sich kurz ausruhen … danach würde er zu Haku und Hinata zurückkehren und ihnen sein Versagen beichten … Es war seltsam. Obwohl er nur an die Wand gelehnt dasaß, fiel es ihm immer schwerer zu atmen. So als würde eine unsichtbare Kraft seinen Brustkorb zusammenpressen … Eher zufällig fiel sein Blick auf die Spritze. Richtig, sie hatte sich in seinen Unterschenkel gebohrt, als er in aller Eile mit dem Schlüssel zu dem Safe gerobbt war. Und die Spritze war rotblau bemalt. „Scheiße“, murmelte er und hätte fast aufgelacht. Er hatte sich doch noch eine Giftspritze aus der Grube eingefangen. Naja, vielleicht war es ein besserer Tod, als durch das langsam wirkende Nervengift zu sterben … Als seine Lider schwer wurden und ihm die Augen zufielen, meinte er zu sehen, wie sich in der Wand eine Tür öffnete und eine dunkle, langhaarige Gestalt in den Raum trat.   „Sieht so aus, als bekäme ich doch noch was zu tun“, sagte Sasori. Vor ihm stand also der berühmt-berüchtigte Serienkiller, der die Stadt in den letzten sieben Jahren in Atem gehalten hatte. Und er war ziemlich sicher, dass es sich hierbei um den echten Orochimaru handelte. „Du solltest vielleicht von hier verschwinden, Junge.“ Sasori nickte in Richtung Ausgang. „Ich hab zu lange auf diesen Moment gewartet, als dass ich dabei gestört werden möchte.“ Der Junge mit den langen Haaren nickte, würgte noch ein paar Worte aus, die Sasori nicht verstand, und lief erst zögerlich, dann Hals über Kopf davon, raus aus diesem Kellerloch, in dem buchstäblich die Hölle losgewesen war. „Willst du ihn gar nicht aufhalten?“, fragte Sasori rhetorisch, während er über Kimme und Korn genau auf Orochimaru zielte. „Er hat das Spiel bereits bestanden“, erklärte der Schlangenmann lächelnd. „Er hat sich seine Freiheit verdient.“ Somit wäre er also die erste Person, die je ein Orochimaru-Spiel überlebt hatte. Nicht übel. Sasori fragte sich, wie er das wohl gemacht hatte. „Ich werde nie verstehen, was in deinem Kopf vorgeht“, murmelte er. „Aber naja, das war’s jetzt immerhin mit dir. Übrigens überlege ich gerade, ob ich nicht irgendeinen Fall von Gefahr im Verzug vorschützen und dir einfach die Birne durchlöchern sollte.“ Orochimaru grinste. „Sie können es gerne versuchen.“ Wie um ihm einen Grund zu liefern, trat er einen Schritt auf den Special Agent zu. Und Sasori tat es. Dreimal in rascher Folge krachte seine Pistole, drei Kugeln trafen Orochimarus Brust wie zuvor Zabusas. Der Killer taumelte, sein einfaches, hässliches Gewand durchlöchert, aber es kam kein Blut. Das Grinsen war wie in sein Gesicht gemeißelt. „Sieh an, eine kugelsichere Weste“, sagte Sasori trocken. „Du geht ja echt mit der Zeit.“ Aber er hatte damit gerechnet. Die letzte Kugel in seiner Trommel feuerte er auf Orochimarus Kopf. Der plötzlich nicht mehr da war, wo er sein sollte. Auf einem irrwitzig langen Hals schlängelte er sich zur Seite, entging der Kugel und schoss stattdessen direkt auf Sasori zu. Orochimaru würgte ein Schwert aus seiner Kehle hoch, das nun aus seinem Mund ragte. Sasori warf ihm die Pistole entgegen und riss den Verschluss seines Akatsuki-Mantels auf. Aus der Kammer in seiner Bauchgegend schoss er ein Seil mit einem harpunenähnlichen Ende. Orochimarus Kopf wich beidem, Pistole und Harpune, elegant aus. Sasori fuhr eine Klinge aus seinem Handgelenk und wehrte das Schwert ab, das wie eine blitzende Zunge aus Orochimarus Maul ragte. Die Wucht des Anpralls drohte ihn trotzdem von den Füßen zu reißen, aber da hatte seine Harpune ihr Ziel erreicht – die Rohre an der Wand der Kellerkammer. Sie hakte sich ein und Sasori ließ das Getriebe rattern. Das Seil riss ihn fort von Orochimarus Kopf und quer durch den Raum. Es zahlte sich eben doch aus, einen mechanischen Puppenkörper zu besitzen. Er schlug nach dem Körper des Killers, doch der stieß sich kraftvoll vom Boden ab. Wie ein Gummiband schnellten Kopf und Rumpf aufeinander zu und Orochimaru landete in der Mitte der Kammer, das Schwert stach immer noch aus seinem Maul. Speichel tropfte zu Boden. „Sie sind wirklich für Überraschungen gut, Special Agent“, sagte der Schlangenmann undeutlich. „Stimmt. Ich habe sogar Verstärkung dabei, ohne dass man es sieht“, sagte Sasori, entrollte eine Ninja-Schriftrolle und zückte eine Ampulle seines Blutes. Damit beschwor er ein halbes Dutzend Marionetten in ausgedienten Polizeiuniformen, die er mit Chakrafäden aus seiner Brustklappe verband. Vier von ihnen stürzten sich mit Schlagknüppeln und Macheten auf Orochimaru. Dieser zeigte Sasori nun seine ganzen Ninjakünste. Allein mit seinen Unterarmen und Beinen blockte er die Waffen seiner Gegner ab, schlug und trat sie zur Seite. Eine Marionette wurde an der Wand zerschmettert, den Schlag einer weiteren wehrte Orochimaru ab und sein überlanger Hals schnellte wie eine Kobra nach vorn, die Schwertspitze durchbohrte knirschend den Puppenkörper und zertrennte dabei den Chakrafaden. Ein gezielter Tritt zerlegte die herrenlose Marionette in ihre Einzelteile. Eine weitere wurde quer durch den Raum geschleudert, die vierte zu Boden gerungen und dort zerstampft. Sasori war immer noch nur mäßig beeindruckt. „Na schön“, sagte er und konzentrierte sein Chakra auf die beiden verbleibenden Puppen. „Genug mit dem Herumgefuchtel. Machen wir es doch mit Stil.“ Die Marionetten richteten nahmen schwere Maschinenpistolen von ihren Schulterriemen, wie sie sonst die Spezialeinheiten trugen. Orochimaru blieb nur eine Sekunde Zeit, überrascht die Augenbrauen hochzuziehen, während sie ihn ins Visier nahmen. Dann entlud sich knatternd ein wahres Kugelgewitter auf den Schlangenmann. Die beiden Salven waren so gestreut, dass ihm keine Chance blieb auszuweichen. Jeder Schuss hallte mit einem ohrenbetäubenden Krachen durch den Raum, die Mündungen der Waffen flammten auf wie eine Discobeleuchtung. Orochimaru wurde sofort getroffen, aber der Dauerbeschuss hinderte ihn sogar am Fallen. Sein Körper zuckte wie unter Strom, und als die Puppen endlich aufhörten zu schießen, stank der Raum nach Schwarzpulver und wattige Stille kehrte ein. Erst jetzt konnte Orochimarus Leiche zu Boden sacken. Sasori dachte eigentlich, dass es das nun gewesen sein müsste, aber natürlich war der Killer viel zäher. Sein Oberkörper, obwohl durchlöchert und blutüberströmt, zuckte noch in merkwürdigen Krämpfen, dann riss er seinen Mund unmenschlich weit auf. Wie eine Schlange, die sich häutete, kämpfte sich ein neuer Orochimaru aus seiner versehrten Haut. Er trug immer noch dieselbe Kleidung und schien unverletzt. Das Schwert war nun in seiner Hand. „Die Polizei von heute ist wirklich modern“, stellte er fest und strich sich eine klebrige Haarsträhne aus dem Gesicht. Sasori schnaubte und ließ die beiden Puppen nachladen. „Dann töte ich dich eben so oft, bis selbst du nicht mehr aufstehst.“ Orochimaru lächelte nur, und die durchlöcherte Hülle zu seinen Füßen zerfloss plötzlich zu hunderten kleinen Schlangen. Der Killer warf sich selbst zur Seite, und auch aus seinen Ärmeln schossen fauchende Schuppentiere. Sasoris Puppen feuerten wieder aus allen Rohren, zerfetzten die hässlichen weißen Kriechtiere, die auf sie zuflogen. Schmatzend holten die Kugeln die Schlangen aus der Luft, die sich mit süßlichem Dampf füllte. Sasori fragte sich, ob es sich dabei um Gift handelte. Wenn ja, dann hatte er keine Angst davor. Er war so ziemlich gegen jede Art von Gift immun, die es auf der Welt gab. Der Schwall aus Schlangen schien nicht enden zu wollen, und Sasori hatte Orochimaru aus den Augen verloren. Plötzlich krochen die Biester auch von der Seite heran, sprangen die Puppen an und rissen sie um, wickelten sich um sie, während diese immer noch weiterschossen. Würgeschlangen, dachte Sasori. Klar, warum sollten nur giftige darunter sein? Ein paar besonders große Tiere brachen knackend die Holzgelenke der Puppenpolizisten. Auch um Sasoris Beine schlängelten sich bereits welche. Er holte seine Pistole mit einem Chakrafaden zurück in seine Hand, lud mit geübten Bewegungen nach und schoss sich die Viecher vom Leib. Dann tauchte aus dem Nebel Orochimarus Visage auf, und gleich daneben das blitzende Schwert. Sasori riss die Arme vor und erlaubte es, dass einer davon abgehackt wurde, dann trat er Orochimaru wuchtig in den Bauch, was ihn in die schlangenversuchte Ecke schleuderte. Sasori aktivierte die zweite Schriftrolle in seinem Rücken, klappte eine kleine Düse in seiner heilen Hand auf und tauchte den halben Kellerraum in brüllende Flammen, die sogar seine eigenen Haare versengten. Die paar Kriechtiere, die noch übrig waren, lösten sich buchstäblich in Rauch auf, und er hörte Orochimarus Schrei über das Tosen der Flammen. So machte man das. Wie eine menschliche Fackel taumelte Orochimaru aus dem Feuer. Der Kerl war vielleicht schwierig umzubringen! Schwer atmend taumelte er kurz, würgte eine neue Version seiner selbst aus, die mit dem Schwert auf Sasori zusprang – und ihm mit einem perfekten Hieb den Kopf abschlug. Die Holzkugel segelte im hohen Bogen durch die Luft. Im selben Moment schoss Sasoris Herzstück aus seiner Brust und fuhr in das bereitgehaltene Loch im Korpus der demolierten Polizeipuppe, die Orochimaru zuvor so kunstvoll durch den Raum gekickt hatte. Der Kopf rollte über den Boden, als Sasoris neuer Körper schon aufgesprungen war und seine Machete in Orochimarus Nacken versenkte, dass die Spitze an seinem Hals wieder austrat. Der Schlangenmann erstarrte. Ein Röcheln ließ Blut über seine Lippen laufen, das auf die Klinge tropfte. „Ich gehe mal davon aus, dass es das jetzt wirklich war. Ich muss schon sagen, du warst der hartnäckigste Gegner, den ich je hatte“, sagte Sasori. Bedauernd betrachtete er seinen ehemaligen Körper mit all den versteckten Fallen und Finessen, an denen er ewig lang gefeilt hatte. Dagegen war der Körper der Polizeipuppe plump, glatzköpfig und außerdem war die Uniform mottenzerfressen. „Aber du bist nicht der Einzige hier, der weiß, wie man sich häuten kann.“ Orochimaru brach zusammen, stützte sich mit den Händen auf dem Boden auf. Sasori ließ den Griff der Machete los. Selbst wenn Orochimaru versuchen sollte, sich noch einmal selbst auszuspucken, die Klinge würde sein neues Ich entzweischneiden. Und er zerfloss auch nicht, als wäre er ein Doppelgänger gewesen. Sasori hatte gewonnen. Endgültig. Mit zittrigen Händen griff der Killer in seine Hosentasche. Sasori spannte sich an, doch statt einer Waffe zog Orochimaru einen Kassettenplayer hervor. Das beunruhigte den Special Agent in Wahrheit mehr, als wenn er einen weiteren Ninjatrick abgezogen hätte. Orochimaru drückte eine Taste, die das Band zum Laufen brachte. Dann starb er. Nur wenige Sekunden später erklang seine Stimme. „Ich gratuliere Ihnen, Special Agent. Sie haben das Ziel, dem Sie all die Jahre hinterhergejagt sind, erreicht. Wenn Sie dies hören, bedeutete das, dass ich meinen letzten Atemzug getan habe. Doch es wäre nicht Ihre Aufgabe gewesen, mich aufzuhalten. Über die Jahre habe ich nichts anderes getan als die Polizei selbst. Ich habe Verbrecher zur Rechenschaft gezogen, die Sie nicht bestrafen konnten. Menschen eine Lektion in Sachen Leben und Überleben erteilt. Sie und ich, wir hätten Verbündete sein können. Dennoch haben Sie sich entschieden, sich in meine Spiele einzumischen. Ich mag tot sein, doch für die Dreistigkeit der Polizei, mein nobles Werk zu behindern, nehme ich mir das Leben eines Polizisten. Ein Leben gegen ein Leben, Special Agent. Sie fragen sich, was ich damit meine?“ Eine Kunstpause folgte, in der man nur das Band rauschen hörte. „Na spuck’s schon aus“, knurrte Sasori ungeduldig, an Orochimarus Leiche gewandt. Ein leises Lachen ertönte wie als Antwort. „Vielleicht sollten Sie nach Ihrem Kollegen sehen, der versucht hat, das kleine Mädchen zu befreien. Beeilen Sie sich besser. Er hat nur wenige Minuten, ehe er bei lebendigem Leib verbrennt.“ Damit erstarb auch das Band. Deidara! Sasori fluchte. Wann war die Sache endlich vorbei? Er unterdrückte den Impuls, Orochimaru zu treten, und lief los. Einen letzten Blick warf er auf den Keller, der mit all den Leichen einem Schlachtfeld glich. Die Spurensicherung würde ewig brauchen, das alles zu dokumentieren. In seinem neuen, etwas ungelenken Körper hetzte er den Gang zurück, den er gekommen war. Hoffentlich war Deidara nicht blindlings in die Falle gegangen. Und wenn doch – hoffentlich kam er dann nicht zu spät.   „Schneller, schneller“, murmelte Konan, obwohl sie der Fahrer des Truppentransporters nicht hören konnte. Sie saß hinten bei der Mannschaft wie auf Nadeln. Noch nie war sie so ungeduldig gewesen. Sie konnte keinen Blick auf ihre Umgebung erhaschen, aber sie wusste, dass es nur mehr ein paar Minuten dauern konnte, bis sie das Haus erreichten, in das Sasori und die anderen gegangen waren.   Sasori stieß die Tür mit dem gemalten Mädchen auf und folgte dem Flur dahinter. Eine steile Treppe führte nach unten, danach eine weitere Tür in einen hohen Raum, der von schmutzigen gelben Lampen erhellt war. Dort traute er seinen Augen kaum. Ein riesiges … Ding dominierte eine kleine Empore – ein Ungetüm aus schwarzem Eisen. Wenn Sasori Orochimarus letzte, aufgenommene Worte richtig verstanden hatte, dann handelte es sich wohl um einen Ofen. „Sasori!“, rief Deidara ihm entgegen. Sein blonder Schopf war hinter einem vergitterten Sichtfenster zu sehen. Sasori lief zu ihm. „Ganz toll gemacht, Deidara. In so eine offensichtliche Falle kannst auch nur du geraten.“ Sasori war nach dem kräftezehrenden Ermitteln und dem anschließenden Kampf mittlerweile so gereizt, dass er seinen Kollegen duzte, wie damals, als Deidaras neu bei den Akatsuki gewesen war, sie beide an einem Fall gearbeitet hatten und Sasori mehr oder weniger den Babysitter für ihn hatte spielen dürfen. „Das ist nicht meine Schuld!“, rief Deidara. „Das Ding ist einfach aus dem Boden gefahren, als ich die Kleine hochgehoben habe!“ „Wie geht es ihr?“ Deidara warf einen Blick über die Schulter. „Gut – aber besser wär’s für uns beide, wenn Sie uns hier rausholen. Wir haben nur noch drei Minuten!“ Er deutete auf einen Timer neben der Tür zu dem Zimmer. 2:58, verkündeten rote Lettern. Sasori ersparte sich jeden Kommentar. Er zerrte an der Tür, aber es half nichts. Da war auch ein Schalter, aber es passierte nichts, wenn er ihn umlegte. Dafür entdeckte er Kabel, die davon wegführten und im Boden verschwanden. Er sah sich um und erkannte einen Kabelkanal an der Wand, der bis knapp unter die Decke reichte. Dort endeten die Kabel in einem Stecker, der lose baumelte. Von der anderen Seite führte ein weiterer Kabelstrang heran, und eine Buchse hing nur einen Meter neben dem Stecker. Und dazwischen hingen die Enden zweier verchromter Ketten bis zum Boden. Auf der einen Seite waren sie mit stählernen Fleischerhaken besetzt. Sasori brauchte nur eine Sekunde, um den Zweck dieser Vorrichtung zu verstehen. Er hatte genügend von Orochimarus Spielen studiert, um die Regeln sofort zu begreifen. Er sollte sich die beiden Haken irgendwo in seinen Körper jagen und sich dann an den anderen Enden der Ketten hochziehen. Eine Zahnradapparatur an der Decke verhinderte wohl, dass er zurückrutschen würde. Oben angekommen, musste er die Kabel zusammenstecken und somit einen Stromkreis schließen – dann ließ sich sicher die Ofentür öffnen. „Beeilen Sie sich, Sasori!“, drängte Deidara. Sasori trat auf die Ketten zu und nahm die Haken in die Hand. „Auf ein letztes Spiel also“, murmelte er und stieß sich den einen rechts in die Brust, den anderen hakte er geschickt in dem Gelenk ein, das ihm erlaubte, seinen Rumpf zu drehen. Es gab Dutzende Möglichkeiten für einen Ninja, dieses Spiel zu besiegen. Und wieder einmal zahlte sich ein gefühlloser Puppenkörper aus. „Tut mir leid, Orochimaru. Aber das ist fast zu einfach.“ Mit mechanischen Bewegungen hangelte er sich nach oben, während die Uhr hinter ihm unerbittlich weitertickte. Hätte seine Feinmotorik in diesem Körper besser funktioniert, hätte Sasori einfach seine Chakrafäden eingesetzt, aber so ging es schließlich auch. Oben angekommen, steckte er die beiden Kabelenden zusammen. Danach hakte er die eine Kette aus und riss sich den zweiten Haken einfach aus dem Leib, wobei ein Stück Holz mitging. Kurz hing er nur mit der Kraft seiner Arme, dann rutschte er an einer der Ketten zu Boden. Seine Handfläche bekam dabei einiges ab, aber auch das schmerzte nicht. Fast fand er es schade, dass er nicht mehr von Orochimarus Spielen mitbekommen hatte. Der Schlangenmann setzte fast immer auf Schmerzen und die Schwächen menschlicher Körper. An Sasori hätte er sich höchstens die Zähne ausgebissen. Am Ofen angekommen, hatten sie immer noch eine halbe Minute Zeit. Man hörte ein leises Surren. Die Schaltkreise im Türschloss wurden wohl jetzt mit Strom gefüttert. Sasori drehte den Schalter und hörte ein metallisches Schaben, als mehrere Riegel zur Seite geschoben wurden. „Herausspaziert, du Unglücksrabe“, sagte er und zog die Tür auf. „Puh, danke. Sie haben was gut bei mir“, seufzte Deidara und stieg aus dem Ofen. Das Mädchen hatte er sich halb über die Schulter gelegt, wie einen Sack Kartoffeln. Wer sie überhaupt war, mussten sie noch herausfinden. Sie rührte sich nicht, allerdings konnte Sasori sehen, wie sie atmete. „Sieht so aus, als wäre die Kleine ohnmächtig geworden“, stellte Sasori fest. Deidara drehte den Kopf, um sie anzusehen. „Ja. Gut.“ „Wieso ist das gut?“ „Deswegen“, sagte Deidara. Mit einem kräftigen Stoß schubste er Sasori in Richtung Ofentür. Dann verpasste er ihm noch einen Fußtritt, der Sasoris hölzerne Außenhaut knacken und ihn in die grauschwarze Apparatur hineinstolpern ließ. „Was zum Teufel …“, ächzte Sasori, als Deidara mit einem kräftigen Rums die Tür zuwarf. Dann formte er ein simples Fingerzeichen vor seiner Nase. Irgendwo über ihnen explodierte etwas, wahrscheinlich eine Lehmfigur. Eine Lehmfigur, die der Detective oben bei den Kabeln versteckt haben musste – schon als er den Raum betreten hatte. Sofort erstarb das elektrische Surren. „Was soll das?“, rief Sasori und sah in Deidaras teuflisches Grinsen, das nur ein paar Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Er packte die Gitterstäbe und rüttelte daran, aber der Stromkreis war wieder unterbrochen. Die Tür war wieder fest verriegelt. „Mach sofort auf!“, zischte Sasori. „Deidara! Was hast du getan?“ Im nächsten Moment sprang der Timer auf null. Flammen fauchten unter Sasori auf; er sah sie durch den Rost zwischen seinen Füßen lodern. Fluchend rüttelte er erneut an der Tür. Erst fingen seine Hosen Feuer, dann das Holz seiner Beine. „Deidara!“, knurrte er. „Du Scheißkerl! Macht die verdammte Tür auf! Sofort!“ Deidara zuckte nur entschuldigend die Schultern, während er das ohnmächtige Mädchen auf seiner Schulter zurechtrückte. „Game over, Special Agent“, sagte er. Sasori schlug gegen die Tür, dann noch einmal und noch einmal, versuchte das Äußerste aus seinem geborgten Körper herauszuholen, aber es reichte nicht. Er war hier eingesperrt, ohne die Möglichkeit, sein Herzstück irgendwohin zu transferieren, und ohne die Kraft, auszubrechen … Das Metall des Ofens glühte, die Hitze trieb das Holz blättchenweise als Asche aus seinem Gesicht. Er fühlte nichts, kein Feuer, keine Hitze, aber er sah die Flammen, die über seinen Körper leckten und für die er nichts als reines Brennmaterial war, und durch die Chakraverbindung zu seinem Herzteil konnte er sogar den Rauch riechen. Und er sah Deidara, der mit dem Mädchen auf dem Arm seelenruhig aus dem Raum spazierte und sich nicht einmal mehr nach ihm umsah. Sasori riss den Mund auf, um ihn zu verwünschen, aber in dem Moment knickte eines seiner Beine ein und er stürzte zu Boden, den Flammen entgegen. Es dauerte nur Minuten, und von Akatsuki-Special Agent Sasori war nichts weiter als Asche übrig.   Haku war gerannt, als wäre der Teufel hinter ihm her. Die Gittertür neben dem Kellerraum war plötzlich weg, und er fand einen Weg in ein vollgerammeltes Zimmer. Von dort kam er in den Garten des Hauses. Es regnete, und die frische Luft war das Angenehmste, was er je gerochen hatte. Immer noch schmerzte sein Hals und er konnte kaum schlucken, aber er lebte. Er lebte und war wieder frei. Haku stieß einen krächzenden Jubelruf aus und vollführte einen Luftsprung. Dann trafen ihn die Schuldgefühle. Sie waren zu acht in dem Haus gewesen. Nur er war freigekommen. Die anderen waren alle gestorben, sie waren tot … Er wusste, er sollte sich der Polizei stellen, und er hatte eigentlich erwartet, hier ein ganzes Aufgebot an Wagen mit Blaulicht zu sehen, aber da war niemand. Der Polizist schien allein in das Haus gekommen zu sein. Und er war zu spät gekommen. Wäre er nur ein wenig früher in den Raum gestürmt, wäre Kakashi nicht gestorben. Kankurou wäre … Er wusste nicht, was wirklich mit Kankurou geschehen war. Was er dort drin in diesem Haus erlebt hatte, überstieg seinen jugendlichen Verstand. Er brauchte dringend Ruhe. Vielleicht konnte er sich später einen Reim darauf machen. Wahrscheinlich brauchte er auch eine Behandlung gegen die Nachwirkungen des Giftes. Er kannte ein paar Leute auf der Straße, die ihm da helfen konnten. Ärzte, die keine Fragen stellten. Haku schüttelte den Kopf, um die tosenden Gedanken in seinem Kopf loszuwerden. Auf die Polizei konnte man sich eben einfach nicht verlassen. Aber er wollte auch nicht weiterhin in den Schatten der Gesellschaft leben. Nicht einmal das hatte ihn vor Orochimaru geschützt. Er war ein unbeschriebenes Blatt Papier, und er war noch jung. Vielleicht würde er ehrlicher werden. Sich einen richtigen Job suchen bei jemandem, der ob seiner Herkunft ebenfalls nicht viele Fragen stellte. Im Moment konnte er das noch nicht sagen. Im Moment war er am Leben, und das reichte ihm. Er rannte bis zum Ende des Häuserblocks und ließ sich dort erst gegen eine Hausmauer sinken, um Atem zu schöpfen. Seine Glieder waren bleischwer. Nur ein paar Minuten, bis sich sein Atem wieder einigermaßen beruhigt hatte … Dann kämpfte er sich hoch und schleppte sich weiter. Er musste herausfinden, wo genau er war, und er brauchte einen Schlafplatz für die Nacht. Ganz sicher würde er Albträume haben. Aber er lebte. Er war das erste Opfer von Orochimaru, das überlebt hatte. Als er am Ende der Straße noch einmal zu dem Haus zurücksah, waren sie da: Blaulicht erhellte die Nacht, und es wuselte nur so vor bewaffneten Einsatzkräften.   --- GAME OVER --- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)