Tödliches Spiel: Auftakt von UrrSharrador (Das Leben ist kein Spiel. Der Tod schon ...) ================================================================================ Kapitel 9: Teilen und herrschen ------------------------------- „Es wird sie nicht zurückbringen, wenn du ihr das Zeug jetzt spritzt.“ „Das weiß ich!“, rief Haku verzweifelt, der dennoch die Nadel an Hinatas Oberarm angesetzt hatte. „Nur ein wenig schneller! Wenn ich nur ein wenig schneller gewesen wäre, dann wäre sie jetzt noch am Leben!“ Kankurou maß ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick. „Ich dachte, du wärst ein heimatloser Straßenjunge? Wieso kümmert dich ihr Schicksal so sehr?“ „Weil …“ Ja, wieso eigentlich? „Nur weil ich ein Straßenjunge bin, muss ich noch lange kein Arschloch sein“, knurrte er. „Ja, ich habe einen Haufen Fehler gemacht, aber ich bin trotzdem kein Unmensch! Hinata hätte Hilfe gebraucht, und ich hätte noch etwas länger durchhalten können, um noch einen Test zu absolvieren!“ Kankurou atmete tief durch. „In einem Fall kann ich dich beruhigen. Selbst wenn sie die Spritze fünf Minuten früher bekommen hätte, wäre sie wohl trotzdem gestorben. Das Gift hat ihre Gefäße schon so sehr zersetzt, dass sie nicht mehr zu retten gewesen wäre. So gesehen ist es die beste Lösung, dass ihr Leiden jetzt schon zu Ende ist. Jetzt haben wir die Spritze noch.“ Das war ein schrecklicher Gedankengang. „Stimmt“, murmelte Haku trotzdem und fühlte sich innerlich leer. Er starte das kleine, helle Ding an, wegen dem sie alle solchen Torturen ausgesetzt waren. „Willst du es?“ Kankurou lächelte schief. „Ich hab meine Chance schon verspielt. Nimm du sie, du hast sie dir verdient.“ Haku zögerte, dann stieß er sich die Nadel in den Arm. Seine Finger waren nun erstaunlich ruhig, als er sich das Gegengift injizierte. Danach atmete er tief durch. Er war gerettet. Er musste nun nur noch warten, bis die Eingangstür aufging. „Ich helfe dir, noch eine für dich zu finden“, versprach er. „Danke, das weiß ich zu schätzen.“ „Ich werde … erst mal sehen, ob Kiba und Zabusa was gefunden haben.“ Es bereitete ihm einige Mühe, sich in die Höhe zu stemmen. Obwohl er nun das Gegenmittel intus hatte, war ihm immer noch schwindlig. Hoffentlich war es nicht auch für ihn zu spät. Aber er würde nicht noch einen seiner Mitleidenden verlieren, nur weil er zu zögerlich war! Haku folgte dem Flur bis zur letzten Tür, die halb offen stand. Als er sie ganz aufdrückte, bot sich ihm ein grausiges Bild. Zabusa und Kiba standen dicht beieinander, beide vorgebeugt – und Zabusa hatte ein Messer in Kibas Magengegend versenkt. Seine Hand glänzte nass und rot, auf dem Boden hatte sich eine Pfütze gebildet. Die beiden standen wie eine albtraumhafte Statue in einer Art Krankenzimmer. Haku schlug die Hand vor den Mund. Zabusa drehte langsam den Kopf. Seine Miene war ausdruckslos, deine Habichtaugen wie Eiskristalle. Er musterte Haku, sagte aber kein Wort, um sich zu rechtfertigen. Stattdessen riss er das Messer mit einem brutalen Ruck aus Kibas Bauch und trat einen Schritt zurück. Der wilde Junge sackte mit einem leisen Stöhnen in sich zusammen – und Zabusa wirbelte das Messer in der Hand herum, verspritzte einen Bogen aus Bluttropfen und schlitzte Kiba, noch während er fiel, gekonnt die Kehle auf. Haku konnte den Anblick kaum ertragen – sein Blick flatterte fliehend durch den Raum und blieb zufällig an der Anatomiepuppe hängen, die nicht weit entfernt stand. Ein Teil davon fehlte, und Haku entdeckte es hinten auf dem Schreibtisch: die Nachbildung eines menschlichen Magens, auf die jemand ein Kreuz gemalt hatte. Heilige Scheiße! Erst als Zabusa einen Schritt auf ihn zu machte, schaffte es Haku, seine Paralyse abzuschütteln. Er wirbelte herum und stürmte den Gang zurück. Kankurou blickte ihm fragend entgegen. „Lauf!“, schrie Haku, hielt geistesgegenwärtig vor dem offenen Schrank inne und riss das Seil heraus. „Was ist denn los?“, fragte Kankurou, der sich immer noch nicht bewegte. Haku meinte Zabusas Blick im Nacken zu spüren, der aus dem Krankenzimmer getreten war. „Erklär ich dir später – lauf!“ Er riss den Puppenbauer am Arm mit, sie stürmten den Flur entlang und Haku verabschiedete sich mit einem letzten Blick über die Schulter von Hinatas Leiche. Kankurou schien die Gefahr auch bemerkt zu haben, denn als Zabusa in einen taumelnden Laufschritt verfiel, legte auch er einen Zahn zu. Sie trampelten die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Die letzten Stufen übersprangen sie einfach. Haku trat wieder ungeschickt auf und stolperte, schlitterte durch den Raum. Ein grässlicher Schmerzblitz fraß sich durch seinen Knöchel. Nein, dachte er fiebrig. Nicht der Knöchel, nicht jetzt! Er kämpfte sich in die Höhe und winkte Kankurou weiter zu dem Raum ohne Boden. Die rostigen Nägel ein Stockwerk tiefer ragten unheilverkündend zu ihnen empor. Keuchend rollte Haku das Seil ab und entdeckte, dass es auf einer Seite einen kleinen, metallenen Haken hatte. Direkt über der Grube war ein Holzbalken angebracht, wahrscheinlich gerade ein wenig zu dünn, als dass er wirklich zur Stabilität der Decke beigetragen hätte. Das Seil war genau zu diesem Verwendungszweck im Schrank gewesen! Er ließ das eine Ende kreisen und warf es in die Höhe. Der Haken verfehlte die richtige Höhe um Haaresbreite und schrammte am Holz vorbei. Haku fluchte und holt das Seil wieder ein. Währenddessen versuchte er Kankurou zu erklären, was er herausgefunden hatte. „Der Code für den Safe im Wohnzimmer“, keuchte er. „Orochimaru hat gesagt, der Safe würde eine falsche Zahl zulassen. Und wir hätten die Zahlen verinnerlicht. Das war wörtlich gemeint. Sie sind in unseren Mägen!“ Wahrscheinlich hatte man sie irgendwelche Plastik- oder Metallteile mit eingeritzten Zahlen schlucken lassen, während sie bewusstlos gewesen waren. „Was?!“, stieß Kankurou aus, als hinter ihnen die Tür aufflog. Zabusa taumelte gegen den Rahmen; hätten ihm das Gift und seine Verbrennungen nicht zugesetzt, wäre er wohl schon viel eher hier gewesen. Der Söldner schwieg – und das war irgendwie das Schrecklichste an der ganzen Situation. Hakus zweiter Wurf war ein Erfolg. Der Haken krallte sich am Holzsparren fest. „Du zuerst“, sagte Kankurou, und Haku fackelte nicht lange, sondern sprang, das Seil fest in der Hand, über den Abgrund. Der plötzliche Ruck ließ ihn fast den Halt verlieren; das Seil brannte in seinen Handflächen, als er über das Nagelbett schwang. Am höchsten Punkt ließ er das Seil los und erreichte gerade so die andere Seite. Der Holzsteg, der zur Tür dort führte, ächzte so sehr unter seinem Gewicht, dass er befürchtete, gleich einzubrechen. Das Seil schwang geradezu im Schneckentempo zurück. Zabusa hatte Kankurou bereits erreicht, der abwehrend die Hände hob und etwas sagen wollte. Der Söldner stach mit dem blutigen Zackenmesser zu, doch Kankurou wich gerade rechtzeitig aus, wirbelte herum und warf sich auf das Seil, das langsam zu ihm schlenkerte. Er erwischte das untere Ende, nahm aber nicht genug Schwung auf, um Hakus Plattform zu erreichen. „Kankurou!“, brüllte dieser, als sein Kamerad zurückschwang – direkt in Zabusas Arme. Zabusa war schlau – schlau genug, erst all seine Mitinsassen zu töten und dann erst die Codezahlen aus ihnen zu bergen, wofür er weniger Energie brauchen würde. Und er war auch schlau genug, nicht einfach auf den baumelnden Kankurou einzustechen – würde er in die Nagelgrube fallen, käme Zabusa nie an seinen Code heran. Stattdessen versuchte er ihn an seinem Puppenrucksack zu packen und zu sich zu ziehen. Kankurou warf sich herum und katapultierte Zabusa wuchtig seine Füße ins Gesicht. Der Söldner taumelte rückwärts, Kankurou nahm neuen Schwung auf und landete beim zweiten Versuch direkt auf der Kante der Plattform. „Schnell“, keuchte Haku und half ihm hoch. Zabusa knurrte. Das Seil baumelte bereits wieder zurück. Von hier hatten sie keine Chance zu verhindern, dass der Söldner ihnen folgte. Die Plastiktür vor ihnen ließ sich ganz einfach öffnen. Dahinter kam eine finstere Steintreppe zum Vorschein, die unter die Erde führte. „Und du glaubst, wir sind da unten sicher?“, fragte Kankurou, als sie einfach hinunterhasteten. „Keine Ahnung“, gab Haku zurück, „aber überall sonst im Haus waren wir schon!“ Wenn es Rettung gab, dann dort in dem unerforschten Terrain. Das vermutlich tödlich war und überhaupt keine Rettung bereithielt. Sie kamen in einen feuchten, modrigen Gang – offenbar besaß dieses Haus zwei separate Keller, den einen mit dem Eisensarg und diesen hier. Sie konnten nur in eine Richtung vorwärtskommen, und hätte es nicht weiter vorne eine Glühbirne gegeben, wäre dieser Tunnel aus altem Mauerwerk völlig in Dunkelheit versunken. Ein stabiles Eisengatter versperrte den Weg; auf der anderen Seite waren dicke Ketten um den Riegel geschlungen. „Mist!“, ächzte Haku, nachdem er sich abgemüht hatte, sie irgendwie abzubekommen. „Du hast nicht zufällig ein passendes Jutsu, mit dem wir da durchkommen?“ Auf der Treppe erklangen Zabusas Schritte, schwer und unheilvoll. „Selbst wenn, hätte es uns Orochimaru sicher nicht so leicht gemacht. Das Gitter ist sicher auch mit Chakra verstärkt. Aber sieh mal hier, da ist noch eine Tür!“ Hätte Kankurou ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, hätte Haku sie vielleicht übersehen. Kurz bevor der Kellergang von dem Gitter versperrt wurde, ersetzte eine Metalltür das Mauerwerk. Ein kleiner Griff war daran angebracht; es sah aus, als könnte man sie aufschieben. Sie hörten Zabusas Hand, die in dem Gang hohl gegen eine Mauer klatschte, und sein tiefes Atmen. Haku zuckte zusammen. „Schnell“, murmelte er, packte den Griff mit aller Kraft und zog die Tür auf. Als könnten sie sich darin vor Zabusa versteckten, stürzten die beiden Ninjas in den ziemlich kahlen Kellerraum dahinter. Und erstarrten, als sie sahen, dass hier bereits jemand war. Ein Mann um die dreißig mit weißen Haaren und einem unheimlichen metallenen Gerät im Nacken blickte ihnen entgegen. Haku brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er den Mann kannte.   Zwei nachtschwarze Privatwagen kämpften sich die Rampe der Tiefgarage im Polizeihauptquartier hinauf; ihre Scheinwerfer stachen durch die schwüle Nacht. Vielleicht würde es bald Regen geben. Konan saß auf dem Beifahrersitz neben Sasori und telefonierte eben wieder mit der Einsatzleitung. Kisame folgte im zweiten Wagen, als sie die verlassenen Straßen entlangfuhren, auf dem Weg zu den beiden Häuserblocks, in denen sich aller Wahrscheinlichkeit nach Orochimarus Werkstatt befand. „Verstanden. Danke.“ Konan nahm kurz das Handy runter. „Das Eindringteam ist in Position. Die Straße wird gerade abgesperrt.“ „Sagen Sie ihnen, sie sollen auf uns warten, bevor sie reingehen“, kommandierte Sasori. „Orochimaru ist ein Ninja. Wenn wir nur Nicht-Ninjas reinschicken, entkommt er uns garantiert.“ Konan gab den Befehl weiter. In dem Moment öffneten sich die Wolken und einige dicke Tropfen zerplatzten auf der Windschutzscheibe. Sasori schaltete den Scheibenwischer ein. Konan hatte gerade aufgelegt, als plötzlich Sasoris eigenes Handy klingelte, das er in die Freisprechvorrichtung seines Wagens gesteckt hatte. Er tippte auf die Konsole. „Ja?“ „Special Agent?“, ertönte Deidaras Stimme aus der Freisprechanlage. „Sind Sie noch im Büro?“ „Nein, wir sind gerade unterwegs. Was gibt es, Detective? Sollten Sie nicht längst im Bett sein?“ Sasoris Blick blieb konzentriert auf der Straße, während er sprach. Insgeheim dachte er über Kisames Vorschlag nach, ihre Kollegen zusammenzutrommeln. So spät nachts war niemand mehr im Hauptquartier gewesen; die Detectives Zetsu und Deidara waren längst nachhause gegangen, Hauptkommissar Itachi auch, Hidan war endlich suspendiert worden und Kakuzu war erstens momentan im Urlaub und zweitens nicht für Außeneinsätze zuständig. Sie hatten zwar von jedem die private Nummer, aber Sasori und Konan hatten dennoch beschlossen, das Ding allein durchzuziehen. Schließlich wusste niemand, ob ihre Spur nicht ins Nichts führte. „Tja … Vielleicht hat es mit meinem Aussehen zu tun, aber gewisse Leute schienen der Meinung zu sein, ich wäre der Richtige für ein paar vertrauliche Problemchen“, antwortete Deidara. „Sprechen Sie nicht in Rätseln“, sagte Sasori. Als ob Deidara nicht wüsste, dass es mit seiner Geduld nicht weit her war. „Okay, ich mach’s kurz. Eine alte Dame hat mich angerufen.“ „Ihre neue Verehrerin?“ „Sehr witzig. Sie war mal Zeugin in einem Fall, mit dem ich betraut war. Sie hat gesagt, sie hätte Schreie aus dem Haus neben ihr gehört.“ „Und warum meldet sie das nicht einfach der Dienststelle, statt Sie anzurufen?“ „Weil sie eine schrullige alte Schachtel ist und ein bisschen paranoid. Sie hat gemeint, ich wäre so ein freundlicher Polizist und vertrauenswürdig und alles … Glauben Sie mir, ich hab mich auch nicht gerade über ihren Anruf gefreut, aber sie vertraut sonst keinem Beamten, nur mir, einfach weil sie mich kennt, denke ich.“ „Und warum rufen Sie mich dann an? Sie könnten doch wenigstens ganz normal Meldung machen.“ „Wollte ich zuerst auch, aber dann hat sie mir ein paar Details zu ihrem Nachbarn gesagt.“ Sasori konnte Deidaras Achselzucken fast sehen. „Und ich dachte, das interessierte Sie. Das alte Fräulein ist nämlich neugierig bis aufs Blut. Sie macht eine regelrechte Wissenschaft daraus, ihre Nachbarn zu beobachten. Dieses eine Haus sollte leer stehen, aber sie hat trotzdem einen Mann gesehen, der wiederholt nachts dort aus und ein gegangen ist. Er hatte immer kleine Kisten oder Koffer mit, und einmal ist er sogar mit einem Kastenwagen vorgefahren.“ Sasori horchte auf und wechselte einen raschen Blick mit Konan. Dann bog er rechts ab auf den leeren Parkplatz vor einem Möbelhaus. Kisame parkte neben ihm und er konnte sein fragendes Haifischgesicht durch die Fensterscheiben sehen. „Und da Sie gerade mich anrufen – wollen Sie etwa behaupten, die Frau hat Orochimaru beobachtet, wie er in dem Haus eines seiner Spiele vorbereitet hat?“, fragte Sasori Deidara. „Keine Ahnung, ich dachte, Sie müssten sich in so was besser auskennen. Ich bin jedenfalls gerade unterwegs zu dem Haus und sehe es mir an. Also meinen Sie auch, dass es Orochimaru sein könnte? Die alte Schachtel hat sein Gesicht nicht gesehen.“ „Ich könnte es mir sogar sehr gut vorstellen“, murmelte Sasori. „Wo ist dieses Haus?“ Deidara nannte ihm die Adresse. Es lag nur ein paar Minuten von hier, aber in der anderen Richtung als Orochimarus mutmaßliche Werkstatt. Sasori überlegte, was sie tun sollten. Wenn dort wirklich gerade ein Spiel stattfand … Er bedeutete Kisame, auszusteigen, und öffnete die Fahrertür. In Stichworten erklärte er dem Special Agent die Lage. „Wenn wir Orochimaru in seiner Werkstatt dingfest machen, haben die Spiele ein für alle Mal ein Ende“, schloss er. „Das stimmt. Aber wir haben keine Garantie, dass er wirklich dort ist“, erwiderte Konan. „Und in diesem Haus könnten Menschen sein, die wir retten können.“ „Die müssen aber nicht unbedingt noch am Leben sein“, stellte Sasori fest. „Und das Eindringteam ist schon auf Position. Wenn wir es jetzt abziehen, haben wir erstens Scherereien mit Itachi und den Sondereinsatzkräften und zweitens wird Orochimaru dann garantiert entkommen.“ „Warum so schwarzmalerisch?“, fragte Kisame grinsend. „Also ich werde zu dem Haus fahren. Ich habe ja offiziell sowieso keine Befugnis, bei dem Einsatz dabei zu sein.“ Sasori überschlug rasch die Fakten und Möglichkeiten. „Gut, ich komme mit. Konan, Sie fahren weiter zu dem Wohnblock und übernehmen dort die Einsatzleitung. Lassen Sie Orochimaru nicht entkommen.“ Konan nickte. „Ich schicke einen Papierdoppelgänger mit Ihnen mit, für alle Fälle.“ „Einverstanden. Haben Sie gehört, Deidara?“, fragte Sasori in die Freisprechanlage. „Treffen wir uns vor dem Park bei der neunzehnten. Dann fahren wir gemeinsam zu dem Haus.“ „Alles klar.“ Der Detective legte auf. Sasori überließ Konan seinen Wagen und stieg bei Kisame ein, kurz danach gesellte sich Konans Doppelgänger zu ihnen. „Und ich dachte, nach all den Jahren würden Sie es sich nicht entgehen lassen, das Schlangengesicht persönlich hoppszunehmen“, stellte sein Kollege fest, nachdem er per Funk noch Verstärkung angefordert hatte. „Das würde ich tatsächlich gern“, sagte Sasori. „Aber das da sind zwei Wohnblocks. Bis das Eindringteam jedes einzelne Gebäude von oben bis unten gestürmt und gesichert hat, dauert es noch, und ich warte nicht gerne.“   Kakashi war bis zu den Zehenspitzen angespannt gewesen, als sich endlich die Tür geöffnet hatte, die aus dem Kellerloch führte. Er hatte damit gerechnet, vielleicht einem Polizisten, einem engagierten Gangster oder Orochimaru höchstselbst zu begegnen, stattdessen standen ein Teenager und ein junger Mann im Ganzkörperkostüm vor ihm. Der Junge starrte ihn aus großen Augen an. „Sie … Sind Sie nicht …?“ Kakashi musterte ihn. Er hatte sich verändert, natürlich, und er sah noch abgerissener und blutiger aus als damals … Aber er erkannte ihn. „Du kennst den Kerl also auch?“, knurrte der Mann mit dem Rucksack. Kakashi wandte ihm seine Aufmerksamkeit zu. „Kankurou.“ „Und du weißt also auch noch, wer ich bin. Wie schön.“ Haku sah ihn ob seines gereizten Tonfalls fragend an. Dann polterte etwas hinter ihnen und er fuhr zur Tür herum. Ein großer Mann mit nässenden Brandwunden an Beinen und Armen wankte in den Raum. Auch er erstarrte, als er Kakashi sah. Seine kalten Augen verengten sich. „Sieh mal einer an“, sagte er. „Und Sie sind Zabusa Momochi, wenn ich mich nicht täusche“, sagte Kakashi ruhig. Innerlich wappnete er sich gegen jede Art von Feindseligkeit, die die beiden Männer ihm entgegenwerfen könnten. „Allerdings. Derselbe Zabusa Momochi, der dank dir fünf Jahre im Kittchen verbringen durfte“, murmelte der Söldner. „Du also auch?“, fragte Kankurou. „Dann sind wir ja schon zwei.“ Sein Blick glitt zu Haku. „Oder drei?“ „Was? Wovon redet ihr?“, fragte der Junge. „Der Kerl da ist der Rechtsanwalt, der mich damals wegen der Sache mit den Arenakämpfen verknackt hat.“ Kankurou deutete anklagend auf Kakashi. „Mein Verteidiger hat ihn einfach nicht weichklopfen können. Der Typ war beinhart.“ „Die Strafe hatten Sie verdient“, sagte Kakashi. „Ich war nur ausführender Arm des Gesetzes.“ Kankurou schnaubte. „Ausführender Arm? Sollte das nicht die Polizei sein?“ Plötzlich lachte er trocken. „Jetzt wird mir einiges klar. Haku, der Kleinkriminelle von der Straße. Ich, der Kampfpuppenbauer. Zabusa, der mordende Söldner. Hinata, die irgendwas von einem Feuer gebrabbelt hat. Kiba, der aussieht, als würde er jeden zusammenschlagen wollen, der ihm irgendwie krumm kommt. Und diese Ino und der weißhaarige Typ waren sicher auch nicht ganz koscher. Lass mich raten, wir wurden alle mal von dir bei Gericht abgefertigt.“ Nicht ganz, dachte Kakashi. Sonst wäre ich nicht hier. Zabusas Daumen strich über das große, blutige Messer in seiner Hand. „So ist das also.“ „Nein – wartet!“, rief Haku. „Ich wurde nicht … Das heißt …“ Kakashi bedachte ihn mit einem warnenden Blick. Der Junge verstand und verstummte. Er würde die anderen nur gegen sich aufbringen, wenn er weitersprach. „Er sieht mir nicht aus, als wäre er auch vergiftet. Ich frage mich, ob das wohl was zu bedeuten hat“, schnarrte Zabusa gedehnt. „Und ob ich in seinem Inneren was finden werde.“ Kakashis scharfer Blick bemerkte die Spuren von Blut, die unter den Nasen und in den Mundwinkeln der drei zu sehen waren. An Hakus Arm sah er außerdem einen blauen Fleck wie von einer schlecht platzierten Injektion. Sein Verstand setzte das, was Zabusa eben gesagt hatte, und das, was er sah, zu einem größeren Ganzen zusammen. Sie waren von Orochimaru vergiftet worden und suchten das Gegenmittel. Und nicht nur sie. Offenbar waren noch andere Ninjas, mit denen Kakashi zu tun gehabt hatte, hier. Orochimaru hatte schon gewusst, warum er sie hier in dieses Spiel geworfen hatte. Er wollte zweifellos die Spannung heben, einen Zwist unter den Spieler heraufbeschwören und dann zusehen, wie sich die Sache entwickelte, wie Bündnisse zerbrachen und wie das Überleben schwieriger wurde. Beispielsweise für Haku, der sich wohl schon eine Art Gegengift gespritzt hatte. Wenn herauskam, welche Verbindung er zu Kakashi hatte, würde ihm sein zurückgewonnenes Leben vielleicht wieder genommen werden. All die Jahre hatte Kakashi seinen Dienst am Recht geflissentlich verrichtet. Die Namen, die Kankurou aufgezählt hatte, sagten ihm nichts mehr, aber sie verschwanden wohl in der Masse der Verurteilten, denen er im Gerichtssaal ins Gesicht geblickt hatte, und immerhin kamen sie ihm noch vage vertraut vor. An Zabusa und Kankurou erinnerte er sich noch gut – einerseits, weil Kampfmarionetten nichts Alltägliches waren, andererseits, weil Zabusa selbst vor Gericht nichts aus der Ruhe gebracht hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass Orochimaru einen Blick auf seine Karriere geworfen hatte und diese anderen Leute ebenfalls von ihm der Verurteilung entgegengeführt worden waren. Bis auf Haku. Vor vier Jahren hatte die Polizei einen heimatlosen Jungen aufgegriffen, der Passanten mit einem Messer bedroht hatte. Er war noch ein Kind gewesen und hätte dem Jugendstrafgericht überantwortet werden sollen. Kakashi war für derartige Fälle eigentlich nicht zuständig, aber einige Irrungen und Wirrungen des Schicksals – die plötzliche Erkrankung zweier Verantwortlicher, das Ausmaß einer weiteren Straftat, der die Polizisten Haku bezichtigten und das Fehlen jeglicher Aufzeichnungen über ihn wie Alter und Herkunft – hatten dazu geführt, dass Kakashi einen Blick auf das jämmerliche Wesen geworfen hatte, das sich ihm gegenüber als Haku vorgestellt hatte. Und als er das abgemagerte Kind vor sich gehabt hatte, dem man auf den ersten Blick nicht mal ansah, ob es ein Junge oder ein Mädchen war, und das nur gestohlen hatte, um zu überleben, hatte er Mitleid. Das Gericht war drauf und dran, ihn in eine Jugendstrafanstalt zu stecken, und auch wenn Haku vielleicht gut mit Messern und Nadeln umgehen konnte – dort würde er das nicht zur Verfügung haben, und sein Äußeres wies auf ein Kind, das dort nicht lange durchhalten würde. Vielleicht hätte er nicht so weich gehandelt, wenn er nicht selbst eine Tochter gehabt hätte. Jedenfalls beging Kakashi den einzigen wissentlichen Verstoß gegen seine Prinzipien in seinem Leben. Er gab vor, sich um den Fall zu kümmern, erfand Beweise für eine falsche Identität des Jungen, damit man seine Schritte nicht weiter verfolgen konnte, und boxte ihn aus der Sache raus. Als das Gericht ihn widerwillig auf freien Fuß setzte, wollte Kakashi ihn in die Obhut eines Waisenhauses oder einer anderen gemeinnützigen Einrichtung geben, aber kaum war er aus dem Gerichtsgebäude draußen, war Haku spurlos verschwunden. Und für diese Verfehlung seiner Grundsätze hatte ihn Orochimaru nun hierher gebracht. Und den Jungen gleich mit. Irgendwie hatte er die Wahrheit spitzgekriegt. Eigentlich müsste Kakashi Haku hassen, doch er war der Ansicht, einmal gefällte Entscheidungen sollte man einzig sich selbst zuschreiben. Zabusa hustete und Blut sprenkelte den Boden. „Sieht so aus, als müsste ich Orochimaru danken. Wenn ich mit euch fertig bin, komme ich nicht nur hier raus, sondern habe gleichzeitig auch meine Rache.“ Das Messer funkelte im Licht der Glühbirne, rötlich und unheilvoll. Kakashi hob abwehrend die Hände. „Wir sind erwachsene Männer. Lasst uns diese Sache bereden. Der Serienmörder Orochimaru hat uns vielleicht in ein Spiel geworfen, aber die Regeln können wir selbst bestimmen.“ Aber Zabusa hörte nicht auf ihn. Wie ein Raubtier sprang er ihn an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)