Tödliches Spiel: Auftakt von UrrSharrador (Das Leben ist kein Spiel. Der Tod schon ...) ================================================================================ Kapitel 4: Kein Rauch ohne Feuer -------------------------------- „Und jetzt?“, fragte der Typ mit den Fangzähnen und den Gesichtstatoos, die wie zwei rote Dreiecke aussahen. Hinter der Tür war ein langer Gang zum Vorschein gekommen, der in beiden Richtungen einen Neunzig-Grad-Knick machte. Haku verließ den Raum als Letzter, da er vorsichtshalber den Kassettenplayer aufgelesen hatte. „Er hat gesagt, überall im Haus sind Spritzen versteckt“, überlegte der Typ mit dem Katzenohr-Ganzkörperanzug und dem Behälter, den er sich wie einen Rucksack um den Rücken gebunden hatte. „Am besten, wir teilen uns auf und suchen sie.“ „Nein“, sagte Haku. „Wenn wir zusammen gehen, haben wir höhere Überlebenschancen.“ „Macht doch, was ihr wollt“, sagte der muskelbepackte Mann mit dem Verband um den Mund. „Ich gehe.“ „Du kannst nicht einfach … Wir können das Haus nicht verlassen!“, rief ihm die Blonde mit der verwischten Schminke hinterher, aber er hörte nicht. „Männer“, murmelte sie schließlich, drehte sich um und marschierte in die andere Richtung davon. Haku zögerte kurz. Sie kam ihm zwar ziemlich eingebildet vor, aber die Frau war ihm immer noch sympathischer als der Mann mit den eisigen Augen. Also folgte er ihr nach rechts und der Rest der Truppe ebenso. Sie kamen in ein längliches Zimmer mit niedriger Decke, das so etwas wie Küche und Wohnzimmer gleichzeitig sein mochte. Es maß an die zehn Meter und war von ehemals weißen, jetzt schmutzigen, gemauerten Wänden umgeben. Am hinteren Ende befand sich eine Einbauküche mit gekacheltem Boden und Wänden, die fast nur von einem gigantischen Herd beherrscht wurde. Eine stabil aussehende Holztür führte in etwas, das wohl die Speisekammer war. Desweiteren gab es eine lange Sitzbank, auf der eine ganze Familie Platz haben musste – und die sicher schon bessere Tage gesehen hatte –, und davor einen gewaltigen Kamin, in dem sogar ein beachtliches Feuer loderte. Entsprechend warm war es auch in dem Zimmer. An der Wand in der Mitte des langen Raumes stand ein klassischer Schminktisch aus hellem Holz. Ihn nahm die Gruppe zuerst unter die Lupe. Der Blick der Blonden fiel in den Spiegel und sie erstarrte. „Mein Gott … Wie sehe ich denn aus?“, stieß sie hervor. „Wie ein Zombie“, griente der Typ mit den Fangzähnen, was ihm einen giftigen Blick einbrachte. Die Blonde nahm einen Wattebausch von der Ablage und wischte sich das Geschmiere aus dem Gesicht. Dann durchsuchte sie die Schubladen des Schminktischs und förderte kurz darauf einen Lippenstift und ein Puderdöschen zutage. „Du willst dich doch jetzt wohl nicht schminken?“, rief der Typ mit dem Katzenohr-Outfit. Hakus Meinung nach hätte sein Make-up auch einen Neuanstrich vertragen. Am besten wäre es vielleicht gewesen, wenn er es sich ebenfalls abgewischt hätte. Er drehte sich um und untersuchte den Raum. Der Weißhaarige mit den beiden Zöpfen erkundete soeben die Küche. Haku hatte fast vergessen, dass er überhaupt da war. Er hatte bisher kein einziges Wort gesprochen, alles, was man von ihm hörte, war ein gelegentliches Husten. Er ging zu ihm und hörte kurz darauf die Schritte der anderen beiden Männer, die die Blonde allein mit ihrem heiligen Schminktisch ließen. Das Mädchen mit den Byakugan-Augen hatte nur einen Schritt in den Raum gemacht und wusste offenbar nicht, was sie tun sollte. Haku sah, wie der Weißhaarige an dem Herdgriff rüttelte. „Er geht nicht auf“, erklärte er. Die anderen durchstöberten den Kühlschrank und die Schubladen der Anrichte, ohne etwas zu finden – als die Blonde einen spitzen Schrei ausstieß. Sofort fuhren sie alle herum. „Was ist los?“, rief Fangzahn alarmiert. Die Blonde hatte eine gekrümmte Haltung eingenommen und sich von ihnen abgewandt. Sie presste sich die Hände vors Gesicht. Mit wenigen Schritten waren die anderen bei ihr. „Was ist los? Was ist passiert?“, rief Fangzahn, und als er keine Antwort bekam, riss er das Mädchen an der Schulter herum und zog ihre Hände grob von ihrem Gesicht fort. Und begann schallend zu lachen. Haku beugte sich vor, um ebenfalls etwas sehen zu können. Das Gesicht der Blonden und ihr Top bis zum Bauchnabel waren über und über mit etwas Schwarzbraunem beschmiert, als sei ihr ein Schneeball aus Matsch im Gesicht explodiert. Es roch unangenehm nach einer Mischung aus Schmieröl und Bratenfett. „Das ist nicht witzig!“, fauchte die Frau und verpasste dem Tätowierten einen Stoß vor die Brust, was ihn nicht daran hinderte, weiterzugrölen. Haku besah sich den Schminktisch. Es war wieder eine Falle gewesen, wenn auch eine harmlose: Sie hatte eine der Schubladen geöffnet und einen Mechanismus ausgelöst. Eine verborgene Klappe auf der Oberseite des Tisches hatte eine kleine Düse freigegeben, ähnlich der einer Wasserspritzpistole, die das Fett in das Gesicht der Blonden gespritzt hatte. Auch der Boden rings um sie herum war total versaut. Es durfte ein ganzer Schwall der schmierigen Substanz gewesen sein und sie war weit genug zerstäubt worden, damit sie auch ja davon erwischt wurde. Auch wenn der Zweck dieses Streichs Haku ein Rätsel war. „Ich bring dich um, wenn du nicht sofort zu lachen aufhörst!“, zischte sie wütend und versuchte, sich das Fett aus dem Gesicht zu wischen. Alles, was sie erreichte, war jedoch, dass sie es weiter verschmierte. „Entschuldige“, gluckste Fangzahn und wischte sich eine Träne aus den Augen. Haku spähte in die Schublade, die die Falle ausgelöst hatte. „Da drin liegt etwas“, verkündete er, griff hinein und zog einen Plastikbeutel hervor, auf dem ein Etikett angebracht war. „Steht da was drauf?“, fragte Katzenohr. Haku kniff die Augen zusammen. INO stand mit großen, krakeligen Lettern darauf. „Ja … drei Buchstaben. I, N und O. Was bedeutet das?“ „Das bedeutet Ino, du Genie“, zischte die Blonde und riss ihm den Beutel aus der Hand. „Das ist mein Name!“ Sie langte hinein und zog eine weitere Kassette hervor. Wortlos reichte ihr Haku das Abspielgerät. „Hallo, Ino“, ertönte Orochimarus Stimme knarzend. „Haben Sie bereits Bekanntschaft mit dem Schminktisch gemacht, meine Liebe? Möbelstücke wie ihn sollten Sie zur Genüge kennen. Manch einer könnte meinen, Menschen schminken sich, um vor anderen und vor sich selbst eine Maske zu tragen. Ich behaupte, es ist lediglich ein Ausdruck von Eitelkeit. Und Eitelkeit ist einer der Gründe, warum Sie hier sind. Das nächste Spiel ist Ihnen gewidmet. Sie haben als Tochter eines wohlhabenden Mannes alle Vorzüge genossen, die ein Mensch mit Geld kaufen kann. Dennoch waren Sie nie zufrieden und haben andere, minderprivilegierte Menschen gedemütigt. Alles in Ihrem Leben hat sich um teure Kleidung, Schmuck und Geld gedreht. Dass Sie mit dieser Verhaltensweise andere verletzt haben, hat Sie nie gekümmert, und Sie waren zu eigensinnig, als dass Sie ihren Reichtum mit anderen, Bedürftigen geteilt hätten. Eitelkeit und Egoismus – diese Kombination kann töten. Unter dem Schminktisch ist ein Schlüssel angebracht. Entfernen Sie ihn, beginnt das Spiel, in dem Sie eine Dosis mit dem Gegenmittel gewinnen können. Es liegt an Ihnen, ob Sie Ihre schlechten Gewohnheiten ablegen können, oder ob Sie sich erneut von ihnen beherrschen lassen. Sie müssen wählen.“ „Spiel, dass ich nicht lache“, stieß Ino hervor. Ihre Stimme war allerdings unstet, wie Haku merkte. Sie sah die anderen an. „Aber er hat es mir gewidmet. Das heißt, wenn wir die Spritze finden, gehört sie mir.“ „Schon verstanden, Frau Ino“, zog Fangzahn ihren Namen in die Länge und grinste dann, als ihm etwas einfiel. „Ino Fettbacke würde doch jetzt ganz gut passen.“ Haku fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte, in einer Situation wie dieser Scherze zu treiben. Inos Augen blitzten. „Na schön, wie wäre es, wenn ich dich …“ Sie stockte und senkte zähneknirschend den Kopf. „Momentan fällt mir noch kein Spitzname für dich ein, aber das kommt noch!“ „Kiba. Einfach nur Kiba“, meinte er, immer noch grinsend. „Interessiert mich nicht!“ Ino hatte die Fettfalle wirklich in Rage gebracht. „Ich bin Kankurou“, sagte der Mann mit den Katzenohren. „Vielleicht ist es ja gar nicht schlecht, wenn wir uns einander vorstellen.“ „Kimimaro“, sagte der Weißhaarige knapp. „Ich bin Haku.“ Mit der Andeutung eines Lächelns wandte er sich zu dem dunkelhaarigen Mädchen um, das keine Anstalten machte, seinen Namen zu nennen. „Wie heißt du?“ Sie sah ihn eine Weile an, ehe sie antwortete. „Hi… Hinata.“ Haku nickte ihr aufmunternd zu. „So, das reicht jetzt, ich fange an“, verkündete Ino und bückte sich unter den Tisch. Haku sah, wie sie den Schlüssel, der auf dem Boden lag, aufhob. Zu spät erkannte er, dass an ihm eine Schnur befestigt war, die ihn mit einem Metallstift verband, der im Boden steckte. Als sie ihn herauszog, wurde wohl ein Stromkreis unterbrochen, und der Tanz ging los. Es geschah alles gleichzeitig, sodass Haku erst nachher verstand, was alles passiert war: Mit einem surrenden Geräusch knallte die Tür hinter ihnen zu und ein Klicken verriet, dass sie abgeschlossen wurde. In der Küche sprangen die Ofentür und das Backrohr auf, etwas zischte und mit einem Mal quoll dichter, schwarzer Rauch heraus. Auch der Kamin begann zu qualmen, ohne dass Haku sah, was dort entzündet worden war, aber es stank penetrant nach Gummi. Während die sechs mit aufgerissenen Augen auf das Szenario starrten, verdichtete sich der Rauch zu einem stinkenden, schwarzen Nebel unter der Decke, der im Hals reizte. „Scheiße nochmal!“, schrie Kiba. „Der will uns ausräuchern!“ Seine letzten Worte gingen in einem Husten unter. Haku fragte sich, ob der Qualm überhaupt durch Feuer entstand oder irgendwie in den Raum geleitet wurde, bei der Menge. Ino verlor keine Zeit mehr. Sie schloss die Hand um den Schlüssel, fuhr herum und stürmte los – und rutschte auf dem vor Öl glitschigen Boden aus. Hilflos mit den Armen rudernd stürzte sie, Haku kam es fast wie Zeitlupe vor, und schlug hart mit dem Hinterkopf gegen ein Bein des Schminktisches. Der Schlüssel segelte im hohen Bogen davon. „Scheiße“, murmelte Kankurou und lief ihm gebückt hinterher. „Alles in Ordnung?“, fragte Haku und half Ino auf die Füße. Sie murmelte etwas Unverständliches, aber er sah eine üble Platzwunde auf ihrem Hinterkopf. „Ich hab ihn!“, rief Kankurou – und wurde von einem tiefen Hustenanfall geschüttelt. Mit wenigen Schritten waren sie bei der Tür und Kankurou werkte am Schlüsselloch herum. „Er passt nicht“, stellte er fest. „Was soll das heißen, verdammt? Gibt her!“ Auch Kiba versuchte es, war aber ebenfalls nicht erfolgreich. „Es ist ein Spiel“, überlegte Haku. Er sah zu der zweiten Tür im Raum, der zur Speisekammer. Ino war seinem Blick gefolgt. „Das könnte funktionieren.“ Sie riss Kiba, der immer noch ungestüm versuchte, den Schlüssel einzuführen, selbigen aus der Hand und sprintete los. Haku folgte ihr auf einiger Distanz und erkannte, wie teuflisch das Spiel war. Sie musste genau dorthin, wo der Qualm am stärksten war – ohne die Gewissheit zu haben, dass der Schlüssel auch tatsächlich passte. Ino stieß ihn förmlich ins Schloss, drehte ihn herum und riss die Tür auf. Eine Qualmwolke waberte vorbei und verschleierte Haku für einen Moment die Sicht. „Was ist dahinter?“, rief er. Er bekam nur ein Husten als Antwort. Aber sollte sie ihren Atem ruhig schonen. Der Rauchschleier wurde kurz lichter und Haku erkannte, dass hinter der Tür tatsächlich nur ein winzig kleiner Raum lag, in dem ein einzelner, etwa meterhoher Metallschrank hing, auf den das Symbol einer Spritze geklebt war. Ein kleines Schloss versperrte ihn. Ino versuchte ihr Glück mit dem Schlüssel erneut – doch auch hier passte er nicht. „So ein Mist!“, schrie sie und pfefferte ihn zu Boden, wo er klimpernd liegen blieb. „Es muss …“ Sie hielt sich hustend die Hand vor den Mund und ging in die Hocke, um dem Qualm zu entkommen. „Es muss noch einen Schlüssel geben!“, schrie sie ihnen zu. „Setzt euch in Bewegung und sucht ihn!“ Hakus Blick flackerte in dem Raum umher. Der beißende Rauch kratzte in seinem Hals und brannte ihm in den Augen. Er konnte nach ein paar Schritten alles nur mehr durch einen grauen Schleier sehen. Und da sollten sie noch etwas so Kleines wie einen Schlüssel finden? Kurzerhand stieß er den Schminktisch um. Nichts an der Unterseite. Kimimaro näherte sich dem Kamin so sehr, wie es ging, und untersuchte den Sims – und brach würgend hustend in die Knie. Haku hatte keine Zeit, sich Sorgen um ihn zu machen. Vielleicht war der Schlüssel irgendwo in der Küche? Ino versuchte mittlerweile, das qualmende Backrohr und den Ofen zu schließen, hatte aber ebenso wenig Erfolg wie vorher Kimimaro dabei, sie aufzubekommen. Auch sie hustete bereits ununterbrochen und war kreidebleich im Gesicht. Kiba begann, die Sitzpolster vom Sofa zu reißen, als Ino rief: „Da! Da ist er! Ich …“ Wieder schüttelte sie ein Hustenanfall. „Ich seh ihn! Kiba!“ „Wo?“, schrie Kiba zurück. Sein Kopf ruckte suchend hin und her. „Da, genau vor dir! Bist du blind, oder was?“, schrie das Mädchen ungehalten. „Ich seh nichts!“ „Du nutzloser Idiot!“ Ino wollte losrennen, aber das Glück hatte sie offenbar verlassen – oder ihr war bereits schwindelig von dem schweren Qualm, den sie zu lange eingeatmet hatte. Nach zwei Schritten kam sie aus dem Tritt und stürzte, und Haku konnte das grässliche Knacken ihres Knöchels bis hier her hören. Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus. „Ino!“ Haku war mit einigen großen Sätzen bei ihr und wollte ihr aufhelfen, aber sie fixierte nur Kiba mit ihrem Blick. „Wo ist er denn, verdammt?!“ Kiba klang hilflos. Ein Schweißtropfen lief ihm übers Kinn und landete auf dem Boden. „Er steckt im Bezug! Da ist ein Loch!“ „Da ist kein Loch!“ „Natürlich ist es da!“, fauchte Ino. „Du verdammter Blindfisch! Halt wenigstens still!“ Sie begann Fingerzeichen zu machen. Also war sie eine Kunoichi. „Aber ich seh ihn verdammt noch mal nicht!“ Kiba raufte sich die Haare. „Du sollst einfach nur stillhalten!“, brüllte Ino und beendete ihr Jutsu, indem sie Daumen und Zeigefinger aneinander presste und auf Kiba richtete. Haku blieb fast das Herz stehen, als sie in sich zusammensackte und offenbar bewusstlos war. „Ino!“, stieß er hervor. „Verdammt!“ „Na bitte!“, ertönte Kibas Stimme. „Alles muss man selber machen.“ Er hielt einen schmalen Silberschlüssel in der Hand und lief zu Ino, um ihn ihr zu bringen. Haku streckte die Hand danach aus, aber Kiba legte ihn auf den Boden – und mit einem Mal schlug Ino die Augen auf und Kiba wirkte plötzlich sehr ratlos. „Aber … aber was …?“ Er kam nicht dazu, weiterzusprechen. Ino packte den Schlüssel und humpelte mit zusammengebissenen Zähnen in die Speisekammer zurück. Hakus scharfer Verstand sagte ihm, dass sie wohl eine Art Körperkontrolle-Jutsu beherrschen musste. „Geh auf, verdammt!“ Ino hustete schwer. Haku trat an ihre Seite, ebenfalls hustend. Der Raum drehte sich bereits vor seinen Augen. Es war kaum noch Luft vorhanden, und nach ein paar Schritten verschwand alles im Qualm, der fast bis zum Boden reichte. Selbst das Metallkästchen sah er wie durch einen schwarzen Schleier. Inos Hände zitterten, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte. Das Schloss klemmte. „Verdammt nochmal … mach … endlich!“, rief Kiba, der nach Luft rang, aber nur Rauch einatmen konnte. Auch er taumelte bereits. „Ich versuch’s!“ Ino werkte fahrig an dem Schlüssel herum, der zwar ins Schloss passte, sich aber nicht so einfach drehen ließ. Haku hustete und fühlte sich, als ob er sich übergeben müsste. Er ließ den Blick schweifen. Von den anderen war nichts mehr zu sehen, aber man hörte auch ihr Husten. Wie lange würden sie noch durchhalten? Vom Schloss des Kästchens führte ein Kabel in die Wand. „Vielleicht … geht die Tür … drüben … auch wieder auf“, meinte Haku schwer atmend. Ihm war so schwindlig wie noch nie zuvor in seinem Leben. Seine Gedanken waren träge und so undurchsichtig wie der Qualm. „Mach’s endlich … auf“, brachte Kiba hustend hervor. „Jaja, ich versuch’s ja!“, rief Ino. Schweiß lief ihr über die Stirn und zog dünne, schmierige Linien in die Fettschicht auf ihrem Gesicht. Mit einem metallischen Knall brach der Schlüssel ab. Ino starrte mit ungläubig geweiteten Augen auf den oberen Teil des Schlüssels, den sie in der Hand hielt. „Oh Gott“, hauchte sie. „Nein … nein!“ „Was hast du gemacht, du dämliche Schlampe?!“, schrie Kiba aufgelöst. „Jetzt sind wir alle im Arsch!“ Nur noch ein kleines, scharfkantiges Stück des Schlüssels ragte aus dem Schloss. Kiba begann mit seinen – außerordentlich langen – Fingernägeln den millimeterbreiten Spalt zu ertasten, wo das Kästchen aufgegangen wäre, und zerrte mit aller Kraft daran. Mit einem Ächzen ließ er davon ab, als ihm ein Fingernagel abbrach. Hakus Gedanken rasten. „Wasser …“, murmelte er. „Ich brauche Wasser!“ Seine Stimme klang rau und kratzig. Ino und Kiba standen beide gekrümmt da. Sie atmete durch die Finger, er durch seinen Jackenstoff, aber es half nichts mehr. Etwas anderes als Rauch bekamen sie wohl nicht mehr in ihre Lungen. Sie husteten beide mehr als irgendetwas anderes. „Was…ser? Spinnst du?“, brachte Kiba zwischen zwei todbringenden Atemzügen hervor. Haku antwortete nicht. Er taumelte zum Waschbecken in der Einbauküche, spürte kaum, wie er sich das Bein an der offenen Backofenklappe stieß. Mit einem Ruck drehte er den Wasserhahn auf. Nichts. Es kam kein Wasser. Mit einem stillen Fluch auf den Lippen schwankte er zu den anderen zurück. Sein Blick glitt auf Inos Gesicht, die sich mittlerweile ergeben auf den Boden gehockt hatte und nur noch hustete. Ohne Erklärungen strich er mit zwei Fingern über ihr Gesicht und hielt einen Batzen klebriges Fett in der Hand. Sie sah ihn aus tränenden, roten Augen an, sagte aber nichts. Haku presste seine fettigen Finger auf den kläglichen, metallenen Zacken, der noch aus dem Schloss ragte, und machte mit der anderen Hand Fingerzeichen. Er hatte noch nie Fett zum Gefrieren gebracht und war sich gar nicht sicher, ob es überhaupt funktionierte – doch da erhärtete es sich, wurde zu Eis und verband seine Finger mit dem Schlüsselbart im Schloss. Äußerst behutsam, da die Verbindung nicht besonders gut halten konnte, drehte er die Finger herum. Diesmal blockierte das Schloss gottlob nicht. Mit einem Klicken sprang es auf. Hinter ihnen quietschte etwas. Das Geräusch ließ neues Leben in Ino einkehren. Sie sprang auf die Füße und taumelte auf ihn zu, stieß Haku zur Seite und griff in den Schrank. Endlich hielt sie die Spritze in der Hand. „Hey!“, drang die hustende Stimme von Kankurou an ihre Ohren. „Die Tür ist offen! Verschwinden wir!“ „Steck die Spritze ein und dann nichts wie weg hier“, brachte Kiba kurzatmig hervor. „Sicher“, zischte Ino mühsam. „Und draußen nimmst du sie mir weg, ja?“ Sie schraubte die Kappe von der Nadel, stieß sich die Spritze ins Bein und injizierte sich mit zittrigem Daumen das Gegenmittel. Haku warf einen Blick in den Metallschrank. „Da ist eine … Sauerstoffflasche drin!“, sagte er. Sein Hals war ein einziger Schmerz. „Gottseidank“, murmelte Kiba, dem es von ihnen dreien sichtlich am dreckigsten ging, doch Ino stieß ihn abermals zur Seite. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich zu wehren. „Was … machst du da?“, hustete Haku. Ino zerrte die weiße Gasflasche aus dem Schrank. Sie war wohl schwerer, als sie vermutet hatte. Mit einem erstickten Schrei kippte Ino nach vorn und die Flasche donnerte auf ihren Zeh. Gellend und gleichzeitig heiser schrie die Frau auf. „Was treibt ihr … so lange?“ Kankurous Umrisse schälten sich aus dem Qualm. Er hatte sich das schwarze Gewand bis zur Nase hochgezogen, dennoch musste es eine Qual für ihn sein, in den Bereich mit dem dichtesten Qualm zu treten, wo er doch schon hätte fliehen können. Haku rechnete es ihm hoch an. „Lass … Kiba den Sauerstoff …“, brachte Haku hervor. Der Junge mit den Fangzähnen konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und Haku tat sein Möglichstes, um ihn zu stützen, obwohl er selbst kaum noch stehen konnte. „Das ist … mein Spiel … schon vergessen?“, ächzte Ino und hob die Flasche wieder auf. Sie presste sich die Sauerstoffmaske, die direkt am Druckminderer hing, auf den Mund und mühte sich ab, das Ventil zu öffnen. „Wenn ich … hier ersticke … wozu hätten wir dann so viel für die Spritze riskiert?“ Kankurou war bei ihnen angelangt und riss die Augen auf. „Ino – nicht!“ „Schnauze!“ Es gelang Ino, das Ventil zu öffnen. Mit dem Druckminderer war etwas nicht in Ordnung; es zischte laut. Dennoch drückte sich Ino erneut die Maske aufs Gesicht. Es gab eine Stichflamme und einen berstenden Knall. Kankurou riss Haku und Kiba herum und stieß sie von Ino weg. Mit einem pfeifenden Geräusch flog die Sauerstoffflasche so dicht an Hakus Kopf vorbei, dass sein Haar flatterte, schoss quer durch den Raum wie eine Kanonenkugel und schlug in der Wand ein. Die Kachelfliesen zersplitterten und regneten auf sie hinab. Haku erschrak, als er sah, mit welcher Wucht die Flasche das Mauerwerk zerschmettert hatte; es sah aus, als hätte jemand ein großes Stück aus der Wand gebissen. Wäre sie nicht mit Chakra verstärkt, wäre sie vielleicht einfach durchbohrt worden. Kankurou zerrte Kiba hinter sich her, der mehr stolperte als lief und offensichtlich nahe dran war, das Bewusstsein zu verlieren. Auch Hakus Lungen brannten höllisch, als sie immer noch nicht die Luft bekamen, nach der sie lechzten. Er zwang sich, den Atem anzuhalten, um nicht noch mehr Qualm einzuatmen, und das war die reinste Hölle. Der Weg zur Tür war noch so weit, so weit … Alles verschwamm vor seinen Augen, das Bild wurde körnig und schwarze Flecken tanzten in seinem Blickfeld. Dann sah er etwas Helles vor sich, wie das Licht am Ende des Tunnels. Sie stolperten nicht durch die Tür, sie fielen. Haku prallte gegen etwas Weiches, das er nicht sehen konnte, und riss es mit sich zu Boden. Neben ihm brach Kiba zusammen. Er würgte und atmete so flach, dass man es kaum hörte. „Tür zu!“, schrie Kankurou mit dem letzten bisschen Atem, das er aufbringen konnte. „Was ist mit Ino?“, fragte Kimimaro, dessen Gesichtsfarbe sich zu grau gewandelt hatte. Kankurou schüttelte keuchend den Kopf und bedeutete ihm mit einer Geste, endlich die Tür zu schließen. Der Weißhaarige zögerte noch einen Moment, dann schlug er das Tor zur Hölle wuchtig zu, damit nicht noch mehr Qualm auf den Gang drang. Haku bemerkte beiläufig, dass die Tür Gummidichtungen besaß, die den Rauch zurückhielten. Orochimaru hatte wirklich an alles gedacht. Eine Weile lagen oder saßen alle nur hustend da. Kiba hatte offenbar das Bewusstsein verloren, aber sein Brustkorb hob und senkte sich bereits wieder ruhiger. Wieder spürte Haku etwas Weiches unter seiner Wange. Blinzelnd sah er auf und erkannte, dass er halb auf Hinata lag. Peinlich berührt wälzte er sich von ihr hinunter – aufsetzen konnte er sich noch nicht. Hinata schien ihn jedoch gar nicht wahrgenommen zu haben. Mit weit aufgerissenen Augen, um die herum hervortretende Adern zu sehen waren, starrte sie auf die Tür. Haku wusste, dass sie die Geschehnisse mit ihrem Byakugan verfolgt hatte. „Hinata …?“, fragte er zögerlich. „Ihr Gesicht“, hauchte das Mädchen. Ihr Blick war voll Entsetzten, ihr Kinn zitterte. „Haku, ihr Gesicht …“ „Ich weiß. Sieh nicht hin.“ Haku war klar, dass sie von Ino sprach. Er wandte sich an Kankurou. „Was … was ist da überhaupt passiert?“ Kankurou hatte sich gegen die Wand gelehnt und sein Gesicht war aschfahl und schweißüberströmt. Er atmete noch ein paarmal tief durch, ehe er antwortete. „Es war das Fett“, sagte er. „Eine chemische Reaktion. Sauerstoff reagiert mit Fett, Oxidation nennt man das. Dabei entsteht Wärme. Je höher die Sauerstoffkonzentration ist, desto wärmer wird es. Und das da drin war eine medizinische Sauerstoffflasche, sprich, reiner Sauerstoff mit einem irren Druck. Das Fett ist so heiß geworden, dass es sich entzündet hat, und das hat eine Knallgasreaktion ausgelöst und die Flasche ist explodiert.“ Haku schluckte. Seine Nackenhaare sträubten sich. Er verstand in etwa, was Kankurou sagen wollte, und war froh, nicht genauer hingesehen zu haben. Eitelkeit und Egoismus – diese Kombination kann töten. Jetzt wusste er, was das zu bedeuten hatte. Der Schminktisch und die Sauerstoffflasche. Die Falle war erst zugeschnappt, als Ino beides beansprucht hatte. Es fröstelte ihn so stark, als hätte er Schüttelfrost, als er zur Tür hinübersah, hinter der ein Albtraum stattgefunden hatte. Jetzt konnte wohl absolut niemand von ihnen mehr das Spiel als Scherz oder Reality-Show abtun. Sie hatten erst vor einer halben Stunde das Spiel begonnen, und schon war jemand von ihnen tot. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)